Wie das Leben so spielt... von Sternenschwester (AU - Lose OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Es ist selten so, wie man glaubt ------------------------------------------- „So, mein kleiner Law, was hast du mir heute zu sagen?“ Streng genommen hatte Law einiges zu sagen. Zum Beispiel, dass er sich eben mit einem der perversesten Grinsen konfrontiert sah, mit dem er es je zu tun gehabt hatte. Doch angesichts seines Gesprächspartners entschied sich der Junge lieber zu schweigen. Wenn es eines gab, was Law seit seinem einjährigen Aufenthalt in dieser Anstalt nicht verstanden hatte, dann, welche behördliche Stelle einen derartigen hohen geistigen Schaden aufwies, um diesen Knallvogel vor ihm einen Freifahrtschein als Psychologe für ein Heim für Schwererziehbare zu geben. Donquichotte Doflamingo war neben der Tatsache, dass er einst einen absolut bescheuerten Namen von seinen Eltern bekommen hatte, als Ansprechperson gemeingefährlich. Durchgeknallt war noch eine nette Bezeichnung und dass der Kerl nicht nur verrückt war, sondern auch gerissen, entschärfte die ganze Situation in keinster Weise. Law hatte leider schon viele Verrückte in seinen fünfzehn Jahren gesehen, doch Donquichotte rangierte in seinen Top-Three und das lag nicht nur an seinem furchtbaren Kleidungsstil. Wortlos schüttelte Law den Kopf, doch sein Gegenüber fischte sogleich nach einer ockerfarbenen Mappe, die dem Jungen in den letzten Jahren nur zu gut bekannt geworden war: seine Akte. „Ach wirklich nichts, na dann muss ich mal in dein Zauberbüchlein blicken.“ Provokant blätterte Donquichotte durch die losen Zettel, welche nur mit einer einzelnen Büroklammer gebändigt wurden, bis er dann kurze Zeit später mit einem breiten Grinsen sich die hässlich getönte Brille den Nasenrücken wieder ein wenig hinaufschob und amüsiert die Nasenflügel blähte. Innerlich machte sich Law auf die üblichen Sticheleien gefasst und legte sich vorsichtshalber ein paar Sätze zurecht. „Da steht, du hast dich heute in der Kantine mit dem jungen Eustass geprügelt.“ „Er hat mir Befehle erteilen wollen“, antwortete Law patzig und warf ungeduldig einen Blick auf die Uhr. Warum saß er eigentlich hier und nicht Kid? Schließlich war der Rotschopf doch derjenige mit Aggressionsproblemen und nicht er. „Aber, Law…“ Da war er wieder, dieser verdammte Unterton, bei dem Law immer ein unangenehmer Schauder über den Rücken lief. „Kleiner Law… man kann doch nicht immer zuschlagen, wenn jemand was von einem verlangt.“ Sehr witzig, dachte der Junge und versuchte, seine innere Ruhe zu stabilisieren, um folgende Minuten zu überleben. Was nun jedoch folgte, überraschte Law ungemein. „Ich würde dich wegen Verletzen des geregelten Ablaufes in diesem Haus nur allzu gerne noch mehr in die Mangel nehmen. Aber ich fürchte, dich rettet ein günstiger Umstand vor der gerechten Bestrafung.“ Als wäre es das normalste der Welt, dass er eine Sitzung einfach so radikal verkürzte, schmiss Donquichotte die Akte von Law auf den unsortierten Stoß von anderen Mappen und erhob sich. Fassungslos glotzte Law ihn an. Das konnte nicht sein. Dr. Donquichotte war ein Sadist, der sich nie eine Möglichkeit entgehen ließ, sie alle auf manipulativste Weise zu piesacken. Ein weiterer Grund, warum Law, wie auch viele andere Insassen dieses freundlichen Hotels, an der Zurechnungsfähigkeit des Direktors zweifelten, wenn er einen solchen Mann als Kinder- und Jugendpsychologen beschäftigte. „Was sitzt du denn noch da? Husch husch, zurück zu deinen Spießkompanen. Ich bin mir ganz sicher, sie warten nur darauf zu wissen, ob ich dich mit Haut und Haar verspeist habe, oder nicht. Fufufufu.“ Mit einer scheuchenden Handbewegung wedelte der schlaksige Mann mit seinen langen Fingern in seine Richtung. Eine zweite Einladung war dann nicht von Nöten, denn so würdevoll wie möglich, machte sich Law, schneller als er denken konnte, aus dem Staub. Ohne großartig auf die Türe zu achten, ließ er diese lautstark hinter sich zufallen und brachte unbewusst mit schnellen Schritten, erst mal so viele Meter wie möglich, zwischen sich und diesem Zimmer des Grauens. Er war eben um zwei Ecken gebogen, da stieß der Junge auf zwei seiner Mithäftlinge, die mit regem Interesse an einem der Fenster klebten, deren Ausblick raus zur Straße führten. Ruffy war einer der wenigen Mitglieder ihrer unfreiwilligen Familie, bei dem sich Law ehrlich fragte, was er in einem Irrenhaus wie dieses hier zu suchen hatte. Der Junge war naiv, folgsam und unproblematisch, sah man einmal gnädig von seiner zügellosen Fresssucht ab, welche sich aber unfairerweise nicht auf sein Gewicht schlug. Wahrscheinlich hatte er aus Hunger einen Lebensmittellieferanten überfallen oder ähnliches. So ganz genau hatte es Law nie rausgefunden und nachdem er von Ace irgendwelche kryptischen Andeutungen zugesteckt bekommen hatte, dass Ruffy Vaters eine recht zwielichtige Person aus höchst kriminellen Kreisen war, hatte er auch aufgehört aktiv danach zu stochern. Ein ganz anderer Fall war der Eustass-Junge. Bei Kid, wie die Ausgeburt der Hölle von allen genannt wurde, war Law einmal mit den Behörden der gleichen Meinung: der Junge war gemeingefährlich. Cholerisch und ungezügelt, doch leider nicht blöd, war der Rotschopf bei zwischenmenschlichen Interaktionen eine tickende Zeitbombe, welche nur sein bester Freund, ein etwas älterer Kerl mit langen blonden Haaren, halbwegs unter Kontrolle hatte. Ähnlich wie bei Donquichotte hatte Law nicht lange gebraucht, um zu merken, das Kid ziemlich intelligent war und das machte ihn umso gefährlicher. „Was gibt es da zu sehen?“ Ruffy quietschte erfreut auf, als er erfasste, wer da auf sie zu trottete und keinen Augenblick später hatte Law den Klammeraffen am Hals. Kid nahm seine Ankunft gelassener hin. „Sieh an, aus dem Kreise der Hölle ausgebrochen? Hast dem Vogel seinen Federmantel ins Maul gestopft oder was habt ihr denn so getrieben?“ „Eigentlich solltest du mir die Füße küssen, dass ich anstatt deiner reingegangen bin, Blödschraube.“ Mühsam zwängte sich Law aus dem Klammergriff des Jüngeren und stellte sich neben Kid, welcher offenbar derart guter Laune war, dass er trotz der Beleidigung einen entspannten Eindruck vermittelte. Dabei war Law fast zu jedem höflich, ermöglichte ihm diese Haltung eine gewisse Distanz zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Doch es gab auch Ausnahmen und zweien davon war er heute schon viel zu nahe gewesen, während Ruffy einfach gegen sein unmissverständliches Bedürfnis nach Abstand immun zu sein schien. „Was gibt es nun da zu sehen, wenn ihr schon eure Visagen am Glas platt drückt?“ „Schaus dir doch selber an.“ Law biss kurz aufgrund des patzigen Untertons des Rotschopfs auf die Lippen, bevor er sich neben diesen stellte und hinaus blickte. Ruffy sprang ihm sogleich hinterher, während er noch immer an Laws rechtem Arm zerrte. Unten auf der Straße war ein großes Auto geparkt. Eines von der Sorte, das ohne sich hierher verirrt zu haben, niemals in diesem tristen Bezirk stehen würde und von dem die Felgen schon mehr gekostet haben, als die Ölschleuder vom Direktor. Das wenig helle Licht, welches sich mühsam durch die Wolkendecke gekämpft hatte, wurde vom schwarzen Lack in Form heller Streifen reflektiert, während die getönten Scheiben keinen Einblick ins Innere der edlen Kutsche gewährten. Doch nicht nur das Fahrzeug stach in der grauen Straße heraus. An der polierten Fahrertür lehnte ein breitschultriger Mann, der nicht nur durch seine imposante Statur auffiel, sondern auch durch die gewählte Kleidung. Unter einem dunklen Pelzmantel war ein Anzug zu erkennen, der eindeutig nicht von der Stange stammte und auch die Schuhe machten den Eindruck, als wären sie für nicht wenig Geld über den Ladentisch gegangen. Die eine Hand unter dem offenen Mantel haltend, in der anderen eine qualmende Zigarre, ließ der optische Störfaktor in der grauen Straße seinen Blick regelmäßig über das Gebäude gleiten und sein Gesichtsausdruck legte von Mal zu Mal an Ungeduld zu. Dabei fiel Law das feine, aber dennoch ins Auge springende Narbengewebe auf, welches sich einer dünnen Line gleich quer über das Gesicht von einem Ohr zum anderen zog. Ebenso wie das zurück gegelte, schwarze Haar den goldenen Schimmer eines Ohrringes freigab. Alles in allem hätte dieser Typ, wer er auch immer war, direkt aus einem alten Mafiafilm entsprungen sein können. Doch scheinbar war der Fünfzehnjährige der Einzige, der zu dieser Erkenntnis erlangt war, fokussierte sich die Aufmerksamkeit eines gewissen Rotschopfes neben ihm auf ein völlig anderes Detail. „Seht euch nur diese Karre an.“ Ein leichtes Funkeln trat in die goldgesprenkelten Augen des anderen und selbst Ruffy, welcher auf solche Details so sensibel war wie Laws Plüschmütze, reagierte mit einem überraschten Blick auf die Begeisterung in der Stimme seinen Leidensgenossen. „Denk nicht mal dran“, maßregelte Law augenblicklich Kid, die Akte des anderen deutlich vor Augen. Es war ein von ihm wohl gehütetes Geheimnis, dass er einst an diesen Wisch gekommen war, doch wenn der schwarzhaarige Junge eines früh in seinem Leben gelernt hatte, war, welche Macht einem Wissen erbringen konnte. „Ach komm, gib zu, dass du noch nie in deinem Spießerleben mit so einem geilen Gerät gefahren bist“, stichelte der nur um wenig Jüngere als Antwort auf die Ermahnung. Bei jedem anderen hätte Law entgegen geschnauzt: „Du ja auch nicht!“, aber Kid konnte es leider von sich behaupteten, eben das getan zu haben, was ihm ja auch schlussendlich einen Freifahrtschein ohne Rückfahrticket in diese Anstalt eingebracht hatte. Obwohl nur drei Jahre jünger als Law, war ihm der Junge in Sachen Mechanik einfach nur unheimlich. Man durfte den Feuerschopf nicht einmal eine Haarnadel in die Hand drücken, ohne befürchten zu dürfen, in kurzer Zeit sämtliche Schlösser aufgeknackt vorzufinden. Seine Passion zu Autos und sein ungehöriges mechanisches Geschick hatten dann dazu geführt, dass man Kid vor einem Jahr, nach zahlreichen kleineren Delikten, mit 150 Km/h in einem geklauten Mercedes von der Autobahn geklaubt hatte. „Glaubt ihr, der ist Restaurantbesitzer?“, brabbelte Ruffy mit leicht verträumtem Blick dazwischen und ließ somit auf diese unerklärliche Weise, die nur ihm eigen ist, die angespannte Stimmung zwischen ihnen verpuffen. Von dem ungewöhnlichen Fremden unten in der Straße und der drohenden Präsenz seines liebsten Erzfeindes, hatte Law völlig vergessen, dass das jüngste Mitglied in ihrer Runde noch wie ein Äffchen, was er doch im Innersten war, an ihm hing. Kid wandte sich von Law ab und linste zu dem Zehnjährigen hinüber, bevor er spöttisch die Lippen schürzte. „So eine Kutsche ist nur dann leistbar, wenn man so Fresssäcke wie du als Kunden hat.“ Ruffy teilte mit ihnen sein breitestes Grinsen und abermals wurde Law Zeuge, wie hämische Worte an diesem menschlichen Gummiball wirkungslos abprallten. Den Knirps mit unterschwelligen Beleidigungen zu bewerfen, war ungefähr ebenso effektiv, wie eine Gummiente unter Strom zu stellen. „Und was glaubt ihr, macht der so?“ Ein kurzes Schmunzeln huschte für wenige Sekunden über das Gesicht des Älteren der Truppe. Law konnte schwer verleugnen, dass der Monkey einen gewissen charismatischen Zug besaß, der andere auf unerklärliche Weise manipulierte. In der Frage lag was unschuldiges, dass Law kein Grund in den Sinn kam, auf dieses lächerliche Spiel „Stell-dir-das-Leben-von-Wildfremden-vor“ nicht einzugehen und er schien nicht der einzige zu sein. „Sicher was nicht ganz legales, sonst könnte er mit diesem Luxus nicht um sich schmeißen“, warf Kid ein und fuhr noch mal mit gierigen Blicken über die sportliche Karosserie. „Ein Job mit viel Kohle, Macht und Weibern.“ „Weiher, was soll er mit Weihern?“ Das Fragezeichen über Ruffys Kopf war beinahe wortwörtlich zu sehen, während er an Laws Arm zerrte und dem körperlich näher kam, als dieser es in normalen Situationen ertragen hätte. Doch von einer ihm unbekannten Gnade ließ ihn der Schwarzhaarige gewähren und stellte indes die Aussage gerade. „Weiber, Ruffy, Frauen. Nicht Weiher.“ „Und was will er mit Frauen?“ Auf Kids spitzem Gesicht formte sich ein anzügliches Grinsen. „Na was will man schon von Frauenzimmern, Gummikopf?“ Ein eisiger Blick seitens Law verhinderte eine weitere Ausführung des Rotschopfes, der dann nur abwehrend mit den Schultern zuckte. „Hey, was kann ich dafür, wenn die Quietschente hier so grün hinter den Ohren ist?“ „Nicht jeder ist so pubertär wie du, Mister Eustass und denkt gleich ans eine.“ „Nicht jeder ist in einem Puff aufgewachsen, Plüschhirn. Da verliert man seine Unschuld schnell.“ Ein höchst skeptischer Blick ließ Kid weiterreden, als ihm die Zweideutigkeit in seiner Aussage auffiel. „Nicht so, du Arsch.“ Ruffy, der sich schon nach der zweiten Aussage dem Gespräch abgewandt hatte, blickte wieder hinab zum Mann mit Narbe und seinem Auto. „Schaut mal, jetzt holt er eine Uhr heraus.“ Augenblicklich hatte der Fremde die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen Jungen wieder auf sich ruhend, während er mit zornigem Gesicht die Taschenuhr wieder zurück in die Jackettasche steckte und mit der Hand genervt auf das Blech seines Autos trommelte. Er wartete auf jemanden, schoss es Law durch den Kopf und versuchte sogleich in Gedanken abzugleichen, um wen es sich handeln könnte. Nicht, dass er sonderlich gut über die Bezugspersonen seiner Mitinsassen in Kenntnis war, aber es fiel ihm partout keiner ein, auf wen ein solcher Mann warten könnte, noch war es ihm jemals in der streng reglementierten Besucherzeit aufgefallen. „Sagt, was macht ihr Rotzbengel um diese Uhrzeit noch im Gang? Fufufufu“, tönte es hinter ihnen, in einer plötzlich lauernden Stille in der man eine Stecknadel hätte fallen lassen können. Erschrocken fuhren die drei Heranwachsenden herum und sahen sich mit ihrem schlimmsten, pinken Alptraum konfrontiert. Aus dem Arztkittel entstiegen, trug nun Dr. Donquichotte seinen berüchtigten Federmantel, welcher in der für Männer so problematischen Farbe rosa gehalten war und grinste sie mit dem gleichen Lächeln an, das der Wolf gehabt haben musste, bevor er die Zicklein aus Grimms Märchen fraß. Ruffy klammerte sich stärker an Law, während dieser vermeinte zu bemerken, dass Kid, der selbst vor Big Mum, die oberste Erzieherin in dem Heim, seinen Kopf ungesund hoch trug, ein wenig mehr zu ihm rückte, sodass er dessen Nähe gegen seinen Oberarm spürte. „Nun, meine kleinen Vögelchen, gibt es irgendeinen Grund, der euch hindert, nicht längst in euren Zimmern zu sein?“ Selbst wenn die stechenden Augen hinter der grässlich, violett getönten Brille verborgen waren, vermeinte Law den unangenehmen, durchdringenden Blick auf sich zu spüren, doch bevor er eine patzige Verteidigung von sich geben konnte, kam ihm Kid wieder mal zuvor. „Wir haben nur ein wenig aus dem Fenster geschaut, Doc. Das wird doch noch erlaubt sein, wir leben schließlich in einem freien Land.“ Das Grinsen auf dem Gesicht des Psychologen wurde nicht schmaler, aber was lauerndes verbarg sich dahinter und Law war Kid für einmal nur zu dankbar, dass er jegliche Aufmerksamkeit von ihm abgezogen hatte. „So, so… ein freies Land, lieber Kid, dann frage ich mich, was du hier machst. Fufufufu… aber lasst mal sehen, was euch so sehr in den Bann schlägt.“ Sich ein wenig aufrichtend, wodurch Law wieder eine ungefähre Ahnung bekam, wie riesig dieser Mann in Wahrheit war, wenn er durch seinen starksenden Gang nicht gebeugt lief, lugte Donquichotte über die Kinder, hinunter auf die Straße. Für einen Augenblick kniff der schlaksige Mann sichtbar die kaum sichtbaren, hellen Augenbrauen zusammen, das Grinsen verschwand augenblicklich, um sich zu einem dünnen Strich zu verwandeln, während ein spitzer Fluch die Lippen verließ. Ohne weiter auf sie zu achten wandte sich Donquichotte von ihnen ab und stürmte mit wehendem Federmantel den Gang bis zum Treppenhaus entlang. Das Knatschen der flachen Leinenschuhe, die der rosa Schrecken des Heimes für gewöhnlich trug, hallte unangenehm von den Wänden und wurde dann vom Zufallen der Feuerschutztür zu den Treppen unterbunden. Fassungslos über den mehr als glimpflich ausgegangenen Zusammenstoß mit dem Hauspsychologen sahen sich die drei Heiminsassen an. Das Knallen des Haupteingangs der Anstalt ließ die drei erneut herum fahren und aus dem Fenster schauen. Der Mann vor dem Auto hatte sich von diesem abgestoßen, kaum war das pinke Federgrauen aus dem Haus gehuscht und stampfte mit höchst zornigem Gesichtsausdruck auf diesen zu. Dabei zog er die unter dem Mantel verborgene Hand hervor und ein ungutes Gefühl beschlich Law, als er den goldenen Haken, in welchem der Armstumpf endete, im Licht aufblitzen sah. „Vielleicht ist ja der Typ wirklich von der Mafia und der Federwisch kann seine Schulden nicht bezahlen und wird jetzt aufgespießt“, murmelte Kid leise, aber dennoch gut verständlich. Der kaum zu vernehmende Hoffnungsschimmer in der Stimme des Rotschopfes bewegte Law dazu wieder seine Aufmerksamkeit den Geschehnissen auf der Straße zuzuwenden, während er vermeinte, seinen Arm, an welchem Ruffy klammerte, nicht mehr spüren zu können, da dieser ihm erfolgreich das Blut abschnürte. Mit harschen Gesten diskutierend, schien sich der schwarzhaarige Mann indes immer mehr gegen die rosane Knalltüte zu echauffieren, welche scheinbar seinerseits versuchte mit Worten die Situation zu entschärfen. Doch so wie Law Donquichotte in seiner Wortwahl und seinem höchst fragwürdigen Humor kennen gelernt hatte, würde bald der gegenteilige Effekt eintreffen, um den anderen noch mehr gegen sich aufzubringen. „Na, Jungs? Was gibt es denn da zu glotzen?“ Abermals fuhren die drei vom Glas zurück und sahen sich dem Hausmeister und seinem Reinigungskarren gegenüber, welchen er ohne dass sie es mitbekommen hatten, an sie angeschoben hatte. Marshall D. Teach, auch wegen seines ungünstiösen Bartes von vielen Blackbeard genannt, musterte sie höchst amüsiert und trat mit klobigen Schritten schnell näher, die leichte Alkoholfahne, welche ihn stets umgab hinter sich her ziehend. „Ach so, das alte Reptil holt wiedermal sein Federvieh ab“, spöttelte er dann mit seiner ihm typischen Häme, die Verwirrungen der drei Insassen vor sich ignorierend. „Das alte Reptil?“, fragte Law stupide nach. „Federvieh?“, wiederholte Kid gedankenverloren. „Wann gibt es was zu essen?“, warf Ruffy ein, wahrscheinlich um sich abzulenken, dass er aufgrund der kleinen Fehde zwischen Ace und dem Hausmeister, sich in dessen Anwesenheit nicht wirklich wohl in seiner Haut fühlte. Die etwas lauter werdende Unterhaltung auf der Straße holte die Aufmerksamkeit aller wieder auf die Geschehnisse unter dem Fenster zurück. Der Fremde war Donquichotte zu Leibe gerückt und hielt sichtlich verärgert die gewölbte Seite seines Hakens unter das Kinn, während er den Besitzer des Federmantels anfauchte. Doch anstatt sich durch die nicht eben angenehm anmaßende Situation gestört zu fühlen, hatte Donquichotte sein perverses Lächeln zurückgewonnen und bevor der andere reagieren konnte, beugte er sich kurzerhand vor und küsste diesen ungeniert. Law merkte, wie seine Gedanken für diesen Moment einfroren, um sich einer Runde Fassungslosigkeit hinzugeben, während er spürte, wie Kid sich neben ihm versteife und sah, dass selbst Ruffy große Augen bekam. Für einen Moment schien das allgemein umhergehende Unverständnis auch den Geküssten zu durchfahren, doch nach wenigen Augenaufschlägen, welche der Kuss schon dauerte, ließ er diesen zu. Nachdem er mit etwas weniger grimmiger Miene den Größeren von sich wegdrückte, ungeachtet der verstörten Blicke, welche auf ihnen beiden ruhten, holte er mit dem Haken aus und verpasste Donquichotte mit dem Ansatz der Prothese einen Klaps gegen den Kopf. Dann wandte sich der Fremde um und ging zum Auto, welches er sogleich entsperrte, um die Fahrertür zu öffnen. Der irre Psychologe indes folgte ihm, sich die werdende Beule am Kopf reibend, doch mit einem zufrieden und dadurch noch alarmierenden Grinsen auf den Lippen, um dann an der Beifahrerseite einzusteigen. „So viel zu Weibern, Mister Eustass“, nuschelte Law, ohne in Gedanken das Gesehene verdaut zu haben und scheinbar ging es dem Angesprochenen nicht anders. Hinter sich konnten sie Marshall schmierig wie die Seife in seinem Putzwasser auflachen hören. „Merkt euch eines, Jungs, es ist selten so, wie man glaubt!“ Kapitel 2: Wo nach es ausschaut... ---------------------------------- Seitdem er in dieses freundliche Hotel, namens Heim für „schwer erziehbare Jugendliche“ überwiesen worden war, hatte es anfänglich kaum Gründe für Law gegeben, sich zu beklagen, dass er mit Killer ein Zimmer teilen musste. Der Junge war ein äußert ruhiger Zeitgenosse, akzeptierte die unsichtbare Grenze, welche das Zimmer gerecht in zwei Teile schnitt und veranstaltete mit ihren spärlichen sanitären Anlagen keine Schweinerein. Verglichen mit seinen anderen Mitinsassen war der nur um ein Jahr ältere Blonde ein wahrlicher Glücksgriff gewesen. Aber leider währte dieses Glück nur wenige Wochen seines neuen Daseins in diesem Heim. Ihr nächstes neues Familienmitglied nach seiner Ankunft, ein kleiner rothaariger Giftzwerg, verlaust und ungezogen direkt von der Straße geliefert, hatte von seinen ersten Tagen her einen unheimlichen Narren an seinem Zimmergenossen gefressen, sodass Law sich öfter mit dieser Wanze konfrontiert sah als ihm lieb war. So wie jetzt eben. Eigentlich fand Law, war er gegenüber Kid, wie das kleine Monster gerufen wurde, schon sehr gnädig, als er ihm erlaubt hatte, auf seinen älteren Freund im Zimmer zu warten. Doch anstatt brav und gesittet –letzteres hätte Law nicht einmal in seinen kühnsten Träumen von diesem Knirps erwartet- sich rein auf Killers Seite zu beschränken, begann Kid nach kürzester Zeit auch in seinem Teil des Zimmers Chaos zu stiften. „Hände weg.“ Mit rosigen Wangen vor Zorn versuchte der Fünfzehnjährige mühsam sich des unerwünschten Störenfrieds habhaft zu werden, welcher in boshaftem Übermut hüpfend von einem Bett zum anderen sich seiner Ergreifung entzog und dabei vergnügt Laws geliebte Mütze am Kopf hielt. „Seht her, ich bin Plüschheini persönlich.“ „Warte nur… duu…“ Weiter kam Law nicht, denn just bei diesem Sprung, mit dem Kid versuchte, aus seiner Reichweite zu entschwinden, verhedderte sich der Jüngere in der Bettdecke und stürzte. Law, welcher den Sturz geistig zu spät registrierte, stolperte seinerseits über seine eigenen Beine, als er dem am Boden liegenden Körper ausweichen wollte und fiel dabei ungünstig auf den anderen drauf. Zeitverzögert registrierte der Fünfzehnjährige, wie Kid stöhnend nach Sauerstoff schnappte, als er durch sein Malheur jegliche Luft aus den Lungen des Rotschopfes presste. Ein kurzer Schmerz durchzuckte den Älteren und im Nachhall des Sturzes in seinen Gliedern wurde er sich der spitzen Knochen des Zwerges bewusst. Nach ein paar Sekunden des Schockes, raffte Law sich geistig auf, erstmal das geliebte Kleidungsstück wieder an sich zu bringen. „Gib schon her, Pumuckel!“, keifte er den anderen mit wenig Geduld an und versuchte die rauen, klammernden Finger des Kleinen von seiner Plüschmütze zu lösen. Eine unbarmherzige Rangelei entbrannte, wobei Law Kid aus seiner benachteiligten Position nicht freigab, als dieser sich umdrehte, um den älteren Jungen von sich zu schieben. „Geh runter von mir, du schwuler Arsch.“ Kid verkrallte sich noch mehr in das weiche Kunstfell und blitzte Law warnend mit gelblichen Augen an. Erst als die beleidigend gemeinten Worte vollends in Laws Hirn einrasteten, wurde er sich ihrer körpernahen Position bewusst und verdattert über diese Erkenntnis unterband er für die nächsten Augenblicke den Kampf um sein Eigentum. Er lag immer noch auf dem schmalen Leib des Jüngeren, spürte die spitzen Gesäßknochen an seiner Hüfte und stützte sich selber mit den Ellbogen jeweils seitens vom feuerroten Haarschopf Kids ab. Hektische Atembewegungen pressten sich im monotonen Takt gegen seinen Brustkorb, während sich ein spitzes Knie schmerzhaft in seinen Oberschenkel bohrte. Als er sich auch der warmen Atemluft, welche sich auf der sensiblen Haut seines Hals brach, bewusst wurde, beschloss er, dass er dem anderen viel zu nah war. Dennoch vergingen Augenblicke, wo weder er noch Kid, der allmählich aufhörte zu zappeln, etwas an ihrer Situation änderten. Selbst wenn kein Zentimeter ihrer Haut sich direkt berührte, fühlte es sich seltsam an, einem anderen Menschen so nahe zu sein. Eine bis dahin noch nie beobachtete Unsicherheit schimmerte hinter dem Gelb der Augen des Kleineren hervor, wobei Law ebenfalls nie aufgefallen war, wie sandbraun eigentlich die Augenfarbe Kids in Wahrheit war. Die Zeit schien langsamer zu verrinnen, wenn sie nicht sogar gänzlich für die folgenden Augenaufschläge feststeckte, in denen sich keiner bewegte. ~*~ „Gut, dann ist ja alles geklärt, mein Schnuckelchen.“ BonCurry Bentham kniff Killer in die Wange, welcher sich das mehr oder weniger widerwillig vom Sportlehrer gefallen ließ. „Und jetzt husch, husch zurück in dein Zimmer.“ Grummelnd und den dauerpräsenten Schal über die Nase zupfend wandte der schlaksige Blonde sich vom Pädagogen und Trainer ihres Basketballteames ab und begab sich auf den Weg zum Wohntrakt ihres Heimes. Müde von der vergangenen Trainingseinheit und noch müder von der darauf folgenden Besprechung mit BonCurry schlich Killer mehr die Stufen zu seinem Korridor rauf, als dass er sie ging, während es ihm vorkam, als würde seine Sporttasche ihn immer mehr Richtung Boden zerren. Er wusste nicht mehr genau, warum er sich vor knapp zwei Monaten hatte breit schlagen lassen, den verwaisten Posten des Mannschaftskapitäns zu übernehmen, aber er stellte sich weiterhin tapfer seiner Pflicht. Je mehr er in dieser Anstalt durch gutes Benehmen auffiel, umso mehr erhoffte er sich Buße zu tun, für den Grund, warum einst der Richter ihn in dieses Loch gesteckt hatte, wenn er auch bezweifelte, dass sie ihn vor seinem achtzehnten Geburtstag in die Freiheit entließen. Seine Aggressionsschübe hatte sich zwar in den letzten Jahren erheblich reduziert, nach Aussagen des hausinternen Psychologen, doch Killer gab nicht viel auf das Wort ihres Haussadisten und das Komitee des Heimes schien dies auch nicht zu tun. Im Stillen empfand er seinen Aufenthalt hier eher als Prüfung nicht vollends durchzudrehen und seit einem Jahr hatte er sogar einen Grund gefunden, sicher zu stellen dass er in zwei Jahren als freier junger Mann, wenn möglich sogar mit Abschluss, dieses Irrenhaus verlassen konnte. Geschlaucht vom Tag erreichte er endlich die Türe seines Zimmers, welches er mit Law teilte. Sein letzter Mitbewohner war unerwartet in eine andere Anstalt versetzt worden, nachdem er versucht hatte, einem anderen Insassen den Schädel zu zertrümmern, sodass Killer das Glück hatte, nach Bellamys Abschied aus seinem Leben, den ihm zugeteilten Raum alleine zu behausen. Zwar dauerte dieses Glück nur kurz an, aber dem Sechzehnjährigen war nur zu gut bewusst, dass es ihn hätte schlimmer treffen können, als sie ihm danach diesen seltsamen Plüschliebhaber untergeschoben hatten. Einzig die Tatsache, dass Kid sich einen Heidenspaß machte, seinem Mitbewohner auf perfideste Weise auf die Nerven zu fallen, bereitete ihm zunehmend Sorgen. Bevor der Blonde die Klinke runterdrückte, drehte er leicht den Kopf und versuchte an der Türe zu lauschen. Die unerwartete Stille, die ihn umschloss, nährte seine Hoffnung, dass Law und Kid, welcher ihn zu dieser Uhrzeit normalerweise noch aufsuchte, sich nicht in der Zwischenzeit die Köpfe eingeschlagen hatten. Mit einem unsicheren Gefühl in der Magengegend öffnete Killer zögerlich die Tür. Das erwartete Chaos hatte das Zimmer verwüstet, doch es war nicht diese Komponente, die Killer stutzen ließ. Kid lag am Boden, mit dem grässlichen, plüschigen Pilzhut, welcher sich Mütze schimpfen ließ, auf dem Kopf, während sich Law über ihn beugte. Erst ein Räuspern ließ die beiden Jüngeren aufschrecken und in den nächsten Sekunden blickten sich alle drei Jugendlichen zögerlich mit leicht roten Wangen abwechselnd an, bis Killer das Wort ergriff. „Ich hoffe sehr für euch, dass es dafür eine gute Erklärung gibt und es nicht das ist, nach dem es ausschaut.“ Kapitel 3: Gestohlene Pralinen (Killer/Hawkins/Apoo/Kid/BigMom) --------------------------------------------------------------- „Also, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Arbeit nicht mit einer schlechten Note…“ „Wir haben es verstanden, Kartenschädel“, quatschte Apoo Hawkins bei seiner Vorhersage dazwischen, während er zunehmend genervt mit einem Bleistift gegen sein geschlossenes Geschichtsheft trommelte. „Anstatt sinnlose Zahlenreihen von dir zu geben, beteilige dich lieber an der Lösung unseres Problems.“ „Du machst ja auch nichts“, konterte ihm sein blonder Klassengenosse, doch dessen Vorwurf wurde wie immer ignorant übergangen und ihr, für diese Hausaufgabe aufgezwungenes Gruppenmitglied, fragte mit der nervigsten Stimme, die er aufbringen konnte, in die Runde: „Also, was machen wir jetzt über die kulturelle Bedeutung des Jazz?“ „Seit wann hast du das Recht das Thema zu bestimmen?“ Killer schielte misstrauisch unter seinem dichten, hellen Haarschopf zu Apoo, welcher unstet begann, in einem nur ihm erfindlichen Rhythmus hin und her zu schaukeln. „Wie albern, ich gehe wieder.“ Hawkins sammelte jegliche Utensilien ein, welche er auf den Tisch verteilt hatte und wollte schon nach seinem sauber hergerichteten Stoß Karten greifen, da packte ihn Killer unmissverständlich am Handgelenk. „Hör mir zu, Baisil. Wir müssen diese Arbeit zu dritt machen, und auch wenn es mich ebenfalls wenig erfreut mit euch Spinnern ein Team zu bilden, setz dich endlich hin und versuch wenigstens dich effektiv einzubringen.“ „Wer ist hier ein Spinner, Rapunzel?“ Apoos empörte Frage ausblendend, hielt Killer den Blickkontakt mit Hawkins aufrecht, dessen Mimik keine Regung verriet, doch war dies bei dem selbsternannten Magier kein ungewöhnliches Verhalten. Nach einigen Augenaufschlägen des Schweigens setzte sich der Blonde auch wieder auf den weggeschobenen Stuhl und schlug sein Buch auf. „Mit Drake wäre die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Zusammenarbeit höher“, murmelte Hawkins noch, bevor er lustlos in seinem Buch zu blättern begann. Apoo wollte auf diese Feststellung seine Meinung beisteuern, verkniff es sich im letzten Augenblick, als er sich der unheimlichen Stimmung, die Killer ausströmte, gewahr wurde. Eigentlich war Killer als ein ruhiger und geduldiger Junge bekannt, aber Kenner seiner Akte oder auch nur der umher kursierenden Gerüchte wussten, dass manchmal der Schein trügen konnte. „Tja, Drake hat sich blöderweise von Kaidou Einzelhaft eingehandelt“, grummelte Killer und setzte so unterschwellig dem Thema ein Ende. „So, jetzt bringen wir es endlich hinter uns, oder Rotnase zieht uns übermorgen die Ohren lang.“ Hawkins erhob mahnend den Zeigerfinger und wollte allem Anschein nach Killer auf die miserable Wahrscheinlichkeit hinweisen dem Zorn ihres Klassenlehrers zu entgehen, sollte der Blonde jemals das Wort Rotnase in der Anwesenheit von Professor Buggy verwenden, doch diese Prophezeiung wurde ihnen allen erspart, krachte die einzige Tür des Raumes mit einem großen Knall gegen die Wand. Zu Tode aufgeschreckt fuhren die drei Jugendlichen herum und Killer fand kaum Zeit zu reagieren, als sich auf ihn, mit lauten Gegröle seines Namens, ein nur allzu berüchtigter Rotschopf warf. Froh, noch rechtzeitig das Gleichgewicht gefunden zu haben, um durch die plötzliche Attacke seines Freunds nicht auf dem Boden zu landen, starrte Killer über den Rand des omnipräsenten Schales auf das breite Grinsen jener menschlichen Überraschung und bemerkte somit nicht eine kleine, aber nicht unscheinbare Schachtel in den Händen des Jüngeren. „Verdammt Kid, irgendwann bekomme ich noch wegen dir einen Herzanfall.“ Bestimmt, aber nicht grob schob er den Dreizehnjährigen von sich, welcher die anderen beiden anderen Anwesenden geflissentlich ignorierte. „Ja, ja, aber da musst du schon weiße Haare haben, sonst macht es keinen Spaß“, quiekte der Kleine gut gelaunt und setzte sich sehr zu Apoos Ärgernis auf dessen aufgeschlagenes Heft am Rande der Tischplatte. Dabei platzierte er die bisher glorreich ignorierte Box auf seinen spitzen Knien und hob den schön verzierten Kartondeckel an. Kleine, in Goldpapier eingewickelte Bällchen kamen zum Vorschein, feinsäuberlich in drei Reihen geordnet. „Hey, Pumuckel. Putz dich von meinen Sachen runter“, nörgelte Apoo und versuchte Kid von seinem Heft runter zu scheuchen. Doch anstatt auf die mörderische Stimmung des Älteres zu reagieren, packte Kid in aller Seelenruhe eine Praline aus, ließ das goldene Papier zu Boden segeln und warf sich die runde Schokoladenkugel in den Mund. „Du solltest netter zu mir sein, wenn du was von meiner Beute abhaben möchtest, Pianofresse.“ Während Apoo bei Kids Worten vor Zorn rot anlief, Hawkins wieder in sein übliches Kartenlegen vertieft war, betrachtete Killer die Bonboniere mit Sorge. Sie kam ihm irgendwie unheimlich bekannt vor. Ohne auf die werdende knisternde Stimmung zwischen seinem jungen Freund und seinem aufgezwungenen Arbeitsmitglied zu achten, schubste er den Rotschopf sanft an. „Sag, woher hast du Sachen, Kid?“, fragte er dabei in dem ruhigsten Ton, welchen er beim Gedanken an seine schlimmste Befürchtung zustande brachte. Ein fieser Schalk blitzte in den gelblichen Augen des rothaarigen Teufels auf, während er sich genüsslich die Reste der süßlich braunen Masse von den Fingern schleckte und es dabei noch schaffte sein breites Grinsen aufrecht zu behalten. „Na, von Big Mom geklaut“, antwortete er dann, als wäre es das Natürlichste der Welt, sich wegen eines kurzzeitigen Genusses den Zorn einer der größten Schrecken in dieser Anstalt zugezogen zu haben. „Du weißt ja, meine Finger sind manchmal wie kleine Magnete. Was ich haben möchte, bekomme ich schon irgendwie.“ Apoo hörte beim Verklingen der Erklärung ihres Mitinsassen mit seiner nervtötenden Stramplerei auf und selbst Hawkins, welcher sich sonst kaum in die Karten schauen ließ, hob den Kopf. Seine Miene machte deutlich, dass er Kid mit seinem kleinen Raubzug jeglichen vorhin noch attribuierten Verstand endgültig absprach und Killer konnte es ihm nicht verdenken, starrte er fassungslos seinen besten Freund an. Die obsessive Leidenschaft der Obersten der Erzieherinnen zu den kleinen Dickmachern war gut bekannt und selbst Größenwahnsinnige, wie ihr Hauspsychologe Dr. Doflagmingo Donquichotte, hüteten sich davor den Zorn der dicklichen Frau zu provozieren. „Du hast was? Verdammt Kid, bist du nicht mehr ganz bei Trost“, fauchte Killer den Kleinen an, nachdem die anderen nach einer langen Schweigepause nicht ansetzten, diese von Kleptomanie beeinflusste Tat zu kommentieren. Lässig und sich weiterhin mit einem überheblichen Grinsen über die nächste Praline hermachend, wedelte Kid vergnügt die Bedenken seines großen Freundes zu Seite. „Chill up, die Alte verdächtigt eben die falsche Person, wie ich mich persönlich versichern konnte.“ ~*~ Irgendwo anders im Haus Trotz der Tatsache, dass er eben versuchte den aufgesprühten Schriftzug „Fettige Walrösser aus dem Haus“ von der Wand zu schrubben, summte Teach ein heiteres Liedchen, fantasierte er sich schon in Gedanken die sadistischen Strafen zusammen, die er dem kleinen Portgas angedeihen lassen würde, wenn er ihm später habhaft werden sollte. Ja, der Kleine würde leiden für seine Schmierereien und da würden ihn weder dieser verdammte Phönix in die Quere kommen, noch dieser dämlichen Koch mit der lächerlichen Tolle. Der Anstaltsleiter selber hatte ihm für diese Angelegenheiten bezüglich Portgas lästige Streiche Handlungsfreiheit gegeben. Dass zwar Bestrafung nicht explizit erwähnt wurde, war zwar schade gewesen, aber wer hielt sich da mit solchen Details auf? Teach wollte eben erneut ein wenig Azeton auf die Bürste tröpfeln lassen, da hörte er hektisches Getrappel um die Ecke kommen, begleitet von wohlbekannten Flüchen. Keine Sekunde später hetzte ein Junge, seinem ersten Lebensjahrzehnt kaum entwachsen in den Gang, das Grauen in den Augen. Wie ein geölter Blitz schoss der kleine Monkey D. Ruffy an ihm vorbei und schlug erneut einen halsbrecherischen Haken um die nächste Ecke, nicht ohne jedoch noch Atem zu finden um lautstark seine Unschuld zu beteuern. Der Hausmeister hielt kurz inne und ordnete hastig das Gehörte in seinen Gedanken, um dann einem plötzlichen Geistesblitz folgend Platz in dem engen Gang zu machen. Keinen Augenblick später wälzte sich Charlotte Linlin, die Oberste Erzieherin des Heimes mit höchst wütendender Miene an ihm vorbei. „Wenn ich dich in die Finger bekomme, Monkey, dann wird dich nicht einmal mehr Enel retten können.“ Kapitel 4: Aufgeklaubt (Kid, Smoker) ------------------------------------ Missmutig paffte Smoker an seiner Zigarre, während er unbewusst mit den Fingern am Lenkrad trommelte. Streng genommen war es ihm verboten, im Dienstwagen zu rauchen, aber es zählte wohl zu Smokers Markenzeichen, solch unwichtige Regeln gerne zu ignorieren. Irgendwo musste man ja anfangen, wollte man später sich an die schwerwiegenden Grenzen wagen. Die Tatsache, dass außer ihm noch ein Kind im Wagen saß, hatte ihn nur minder in seinem Entschluss, sich seiner Nikotinabhängigkeit hinzugeben, zögern lassen. Als seine Gedanken weg vom Stau und seiner rauchenden Leidenschaft hin zu seinem einzigen Fahrgast abschweiften, hob er kurz den Blick vom breiten Kofferraum des Vordermanns, um über den Mittelspiegel nach dem Rotzbengel sehen zu können. Der kleine Rotschopf hatte sich seitdem er ihn auf den Rücksitz bugsiert hatten, wenig gerührt. Immer noch höchst vergnügt blickte er aus dem Fenster und zog, wenn sich die Wagenkolonne neben ihnen ein wenig weiter bewegte, sehr zum Unmut der genervten Fahrer die verschiedensten Grimassen. So gesehen verhielt sich dieser elfjährige Knirps wie man es von einem unerzogenen Gör erwartete. Er hatte auch die normale Größe für sein Alter, war dabei noch recht dürr und knochig, wie es Jungen nun waren, die noch vor dem entscheidenden Wachstumsschub standen. Das feuerrote Haar stand wild in alle Richtungen ab und wurde nur notdürftig von einer alten Fliegerbrille gebändigt. Kopfschüttelnd wandte Smoker den Blick vom Spiegel ab, als er mitbekam, dass nun ihre Kolonne wenige Meter weiter vorwärts rollte. Aus den Augenwinkeln bekam der Polizist mit, dass auf der Gegenfahrbahn die Autos in hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbeizogen und abermals ärgerte er sich, durch Gedankenlosigkeit in den abendlichen Pendlerverkehr stadtauswärts geraten zu sein. Er hörte schon die Stimme seiner Kollegin im Geiste, wie sie spöttelnd über seinen eingeschlagenen Rückweg zum Revier herziehen würde, dabei wusste er genau, dass sie es nicht bösartig meinte. Spott und Sticheleien gehörten einfach zu ihrer beider verkorksten Beziehung, seitdem sie sich während ihrer Ausbildung an der Polizeischule kennengelernt hatten. Ein Schnauben entkam ihm, als er sich bewusst wurde, dass sie ihn wahrscheinlich auch mit dem Grund seines kurzen Ausfluges auf die Autobahn aufziehen würde. Als er abermals einen kurzen Blick in den Rückspiegel warf, kreuzte er den interessierten Blick seines aktuellen Problems. Wache, gelbe Augen musterten ihn kurz und irgendwie wurde Smoker das Gefühl nicht los, dass der Kleine ganz genau erfassen konnte, was er sich vorhin geleistet hatte. Mit einem innerlichen Seufzen kurbelte er das Fenster der Fahrertür hinunter, nahm die Zigarre aus dem Mund und blies den gräulichen Rauch ins Freie, wobei er ein wenig Asche auf die Fahrbahn klopfte. „Sag mal, Junge“, begann er, noch ein wenig unschlüssig, ob er sich wirklich mit den Gedankengängen dieses rothaarigen Satansbraten auseinandersetzen wollte, um sich abzulenken. „Wie kommt man auf die beknackte Idee, als Zwerg mit elf Jahren ein sündteures Auto zu knacken um damit auf der Autobahn viel zu schnell auf und ab zu düsen?“ Ein wissendes Grinsen legte sich auf die schmalen Lippen des Kindes, als wolle es nonverbal ihm folgendes mitteilen: „Ja, ich weiß, ich habe ordentlich Scheiße gebaut, aber Spaß hat es trotzdem gemacht.“ Smoker stöhnte abermals genervt auf. Das Schreiben des Berichtes wird ja ein Spaß werden… nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)