Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 65. Kapitel, in dem nichts geht ------------------------------- Schweigend gingen sie nebeneinander her durch den Park und genossen dabei die ersten Sonnenstrahlen des Jahres. Trotzdem war es noch so kalt, dass sie sich in dicke Jacken gehüllt hatten und Mützen und Schals trugen. Soeben hatte Hikari Takeru erzählt, dass Willis mit ihr Schluss gemacht hatte. Obwohl Takeru wusste, dass es zwischen den beiden in den letzten Tagen viel Streit gegeben hatte, überraschte es ihn, dass Willis den Schlussstrich gezogen hatte. Ja, Hikari hatte die Hochzeit abgesagt und auch der Verlust des Kindes zehrte an den beiden, aber trotzdem. Takeru hatte gedacht, Willis würde alles für Hikari tun und alles mit ihr hinbekommen. Er hatte damit gerechnet, dass sie diese Krise überstehen würden. „Aber… weswegen hat er denn Schluss gemacht? Wegen der Hochzeit?“, fragte er und musterte Hikari von der Seite. Sie starrte auf den Boden vor ihren Füßen und hatte die Hände tief in den Jackentaschen vergraben. „Nein, nicht deswegen“, antwortete sie betrübt. „Ich… ich habe ihm vor zwei Wochen von dem Kuss erzählt.“ Takeru stutzte. Der Kuss. Sie hatten sich beide dazu hinreißen lassen, obwohl sie beide gewusst hatten, dass sie das nicht durften. Er hatte wieder so viele Gefühle und Sehnsüchte in Takeru aufgewirbelt. Hätte Hikari es nicht abgebrochen, er wusste nicht, ob er sich hätte zurückhalten können. „Du hast ihm davon erzählt? Ich dachte, das würde unter uns bleiben.“ „Ich konnte das doch nicht einfach geheim halten. Immerhin war das Betrug“, eriwderte Hikari bestimmt. „Ich hätte so nicht weiter mit ihm zusammen bleiben können.“ Betrug. Er hatte wissentlich die Freundin eines anderen geküsst. Er hatte genau das getan, was man ihm selbst vor einigen Jahren angetan hatte. „Ähm… und er konnte dir nicht verzeihen?“ Hikari schüttelte langsam den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Nein. Er hat mich rausgeschmissen, als ich es ihm erzählt habe. Am nächsten Tag hat er mir gesagt, er müsste nachdenken und ich sollte ihn in der Zeit in Ruhe lassen. Aber heute kam er dann zu mir, um mir zu sagen, dass es vorbei ist. Er kann mir einfach nicht mehr vertrauen, hat er gesagt. Nicht solange ich so viel Zeit mit dir verbringe. Er war sowieso schon so misstrauisch, weil ich die Hochzeit abgesagt habe.“ „Kari, ich… verdammt. Das tut mir so leid“, seufzte Takeru. „Ich hätte mich zurückhalten sollen und stattdessen lieber Willis…“ „Es ist nicht deine Schuld“, unterbrach Hikari ihn. „Es ist meine. Immerhin war ich es, die ihm Gründe gegeben hat, eifersüchtig zu sein.“ „Ich hätte trotzdem mehr Abstand halten sollen“, sagte Takeru. Er hatte das beklemmende Gefühl, dass er Schuld am Ende der Beziehung seiner besten Freundin war. Des Mädchens, das er liebte. Hikari sah ihn traurig an. „Hättest du nicht. Du warst die ganze Zeit für mich da, als ich dich gebraucht habe. Ohne dich hätte ich das alles nicht durchgestanden. Also bitte sag‘ so etwas nicht.“ „Ich hätte das aber Willis überlassen sollen“, widersprach er. Ihr Blick war so schmerzerfüllt. „Keru…“ Leise schniefend wandte sie den Blick ab und wischte sich mit der Hand über die Augen. „Es ist alles so furchtbar schief gelaufen. Ich habe das Gefühl, mein ganzes Leben in den Sand gesetzt zu haben. Und dabei habe ich auch noch dich und Willis verletzt. Wie konnte ich bitte so bescheuert sein?“ „Hika…“, murmelte er, blieb stehen und wollte sie an sich ziehen, doch sie riss sich von ihm los und starrte ihn wütend an. „Hör‘ auf, mich zu trösten! Wie kannst du nur nach alldem so nett sein? Du solltest mich eigentlich hassen!“, fuhr sie ihn mit gebrechlicher Stimme an. Einige andere Spaziergänger drehten sich neugierig zu ihnen um. Takeru schwieg und schob die Hände zurück in die Jackentaschen. „Tut mir leid“, sagte Hikari nun leiser. „Vielleicht… ändert er ja seine Meinung nochmal“, murmelte Takeru wenig überzeugend. „Wird er nicht“, erwiderte Hikari. „Dafür ist er nicht der Typ. Und außerdem weiß ich gar nicht, ob ich das überhaupt will.“ „Wie meinst du das?“, fragte er verwirrt. „Ich… ich weiß nicht, ob Willis der Richtige für mich war. Vielleicht sollte es ja auch so sein, wie es jetzt gekommen ist. Vielleicht ist die Trennung besser für uns beide“, stammelte sie. Wieder schwieg Takeru. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er fand auch, dass eine Trennung besser für die beiden war, allerdings wohl aus anderen Gründen als Hikari. „Naja, jetzt kannst du anfangen, das alles hinter dir zu lassen und mit der Sache abzuschließen. Und du kannst wieder nach vorn sehen“, versuchte er, sie aufzuheitern. „Ich weiß nicht, wie ich damit abschließen soll. Es ist einfach so viel passiert“, erwiderte sie resigniert. „Mit der Zeit wird es besser, schätze ich.“ „Und mit welcher Zeit? Monaten? Jahren? Jahrzehnten?“ Er zuckte ratlos mit den Schultern. „Das werden wir schon sehen.“   Sie stand vor ihm und sah ihn lüstern an, während sie ihr Oberteil auszog. Dann kletterte sie rittlings auf seinen Schoß und begann, ihn leidenschaftlich zu küssen. Takeru wusste nicht, was er hier tat. Wieder einmal hatten seine Gefühle für Hikari ihn so sehr überfordert, dass er entschlossen mit einem Kumpel in einen Club gegangen war mit dem einzigen Ziel, sich eine Begleitung für die Nacht zu suchen. Ja, Hikari war nicht mehr mit Willis zusammen, doch er würde sich scheußlich vorkommen, es noch einmal bei ihr zu versuchen. Nach allem, was passiert war. Außerdem rechnete er sich ohnehin keine Chancen aus. Die Zurückweisung vom letzten Mal hatte ihm voll und ganz gereicht. Wieder einmal versuchte er hiermit, seine Liebe für sie irgendwie loszuwerden, obwohl er genau wusste, dass es nicht klappen würde. „Gott, weißt du eigentlich, wie heiß du bist?“, holte die heisere Stimme des Mädchens auf ihm ihn wieder in die Realität zurück. „Deine Augen sind der Hammer.“ Takeru schwieg und ließ sich weiter von ihr küssen. Sie legte die Hände auf seine Schultern und drückte ihn in eine liegende Position auf das Bett. Bestimmt schob sie sein T-Shirt nach oben und küsste seinen Bauch hinab. Ihre Hand fuhr über seine Haut, während die andere Hand sich an seiner Jeans zu schaffen machte. Eilig öffnete sie den Knopf, zog den Reißsverschluss herunter und verschaffte ihrer Hand Platz. Sie begann, ihn langsam zu massieren und er biss sich auf die Unterlippe. Sein letztes Mal war schon zu lange her. Er glaubte nicht, dass er heute besonders ausdauernd sein würde. Als er leise stöhnte, zog sie seine Unterhose ein Stück herunter und ließ ihre Zunge sanft um ihn kreisen. Takeru schloss die Augen und vergrub die Finger in der Bettdecke. Hikari erschien vor seinem geistigen Auge. Ihr Gesichtsausdruck war betrübt und sie sah ihn enttäuscht an. Ihre Augen wirkten leblos. Er sollte das hier nicht tun. Es brachte ihm doch überhaupt nichts und verletzte nur andere Menschen. Es diente lediglich dazu, für einige Minuten seine körperlichen Gelüste zu befriedigen, doch anschließend war das dumpfe Gefühl in ihm wieder genauso stark wie vorher. Sie nahm ihn komplett in ihrem Mund auf und führte mit dem Kopf rhythmische Bewegungen aus, während ihre Zunge ihn weiter streichelte. Takeru jedoch war mit den Gedanken woanders. Was würde Hikari denken, wenn sie wüsste, was er hier tat? Sie konnte es sich sicher ohnehin schon denken. Sie würde ihm wieder sagen, dass er ein Egoist wäre. Ob es ihr was ausmachen würde? Sicher nicht auf diese Weise, die er sich wünschte. Und trotzdem fühlte es sich auf einmal seltsam falsch und sinnlos an. „Was ist denn los? Ist alles okay?“ Ihre Stimme klang verunsichert, sodass Takeru die Augen öffnete und sie verwirrt ansah. „Hab‘ ich irgendwas falsch gemacht?“ Er setzte sich auf und sah peinlich berührt an sich hinab. Sein bestes Stück wollte anscheinend nicht mehr. Das war ihm noch nie passiert. „Ich ähm… nein, hast du nicht.“ Er stand auf und zog seine Hose wieder hoch. „Ich gehe jetzt besser.“ „Was? Was ist los mit dir?“ Sie wirkte verärgert. „Sorry, aber ich kann das nicht“, erklärte Takeru knapp und schlüpfte in seine Jacke. „Du kannst das nicht? Du hast mich doch im Club angesprochen und konntest es kaum erwarten, herzukommen“, erwiderte sie wütend. „Tut mir leid, das war Mist“, murmelte er, ohne sie anzusehen. „Also gehst du jetzt wirklich?“ „Ich glaube, das ist besser so für uns beide.“ Ungläubig starrte sie ihn an. „Mann, wie bist du denn drauf? Was läuft falsch mit dir? Oder stehst du nicht auf Blasen?“ „Mach’s gut“, sagte Takeru trocken, ohne auf ihren Kommentar einzugehen, und verließ ihre Wohnung. Endlich wieder draußen an der frischen Luft atmete er tief durch. Das war das erste Mal, dass er vor einem Mädchen floh, mit dem er eigentlich hatte schlafen wollen. Auf einmal hatte es sich komplett falsch angefühlt und er war sich sicher, er hätte nicht die Befriedigung bekommen, nach der er suchte. Er kramte sein Handy aus seiner Jackentasche hervor und warf einen Blick darauf. Hikari hatte ihm in den letzten Stunden drei Nachrichten geschrieben.   Habe gerade Harry Potter 8 geguckt. Warum musste Fred sterben? Voll gemein. :( Wie läuft’s bei dir so?   Hmmm scheint ja gut zu laufen, wenn du nicht antwortest. Bist bestimmt beschäftigt. Ich langweile mich gerade. Ich glaub‘, ich geh‘ jetzt schlafen.   Ich weiß gar nicht, warum ich dir überhaupt schreibe. Bestimmt vögelst du eh gerade irgendeine Tusse.   Er hob eine Augenbraue. Vor fünf Minuten war sie das letzte Mal online gewesen. Entschlossen rief er sie an. „Ja?“, meldete sie sich. „Kari? Geht’s dir gut?“ „Ähm… den Umständen entsprechend. Warum?“ „Du hast mir so komische Nachrichten geschickt.“ Sie schwieg einen Augenblick. „Oh, ach das. Ähm… bin nur müde. Bist ja ganz schön zeitig fertig heute.“ „Tja, es ging eben nichts“, erwiderte er schief lächelnd. „Bin gerade auf dem Weg nach Hause. Soll ich bei dir vorbeikommen?“ „Ich… oh äh… naja, ich wollte jetzt sowieso schlafen. Also vielleicht lieber morgen.“ „Okay, dann morgen. Wir können uns ja was kochen“, schlug er vor. „Ja, klingt cool.“ „Also dann bis morgen. Und schlaf schön.“ „Willis ignoriert meine Nachrichten“, platzte sie auf einmal heraus. „Was?“, fragte Takeru irritiert. Hikari seufzte laut. „Ich habe ihm mehrmals geschrieben und er hat auch alles gelesen, aber er antwortet nicht.“ „Nun ja, vielleicht hatte er noch keine Zeit zum Antworten“, erwiderte Takeru, unsicher, warum sie ihm das erzählte. „Ich glaube eher, er will mir nicht antworten“, murmelte sie betrübt. „Ich würde so gern mit ihm befreundet bleiben. Ich mag ihn doch so.“ „Bestimmt braucht er einfach nur ein bisschen Zeit.“ „Hoffentlich.“ „Ähm… also dann gute Nacht.“ „Wieso ging eigentlich nichts?“ „Wer ging nicht?“ Ihre plötzlichen Themenwechsel verwirrten ihn. „Du hast gesagt, du bist schon auf dem Weg nach Hause, weil nichts ging. Wieso denn nicht?“ „Ich glaube, das möchte ich jetzt lieber nicht genauer erklären“, grummelte Takeru. „Wollte sie etwa doch nicht? Hat sie dich rausgeschmissen?“, fragte Hikari neugierig. „Nein, das ist es nicht. Ganz im Gegenteil.“ „Oh, hast du etwa keinen hoch gekriegt?“, fragte sie unverblümt. „Kein Kommentar!“ „Ach, Keru.“ Sie klang amüsiert. Machte sie sich etwa über ihn lustig? „Das passiert bestimmt den Besten mal.“ „Kann sein“, knirschte er. Er wollte jetzt wirklich nicht darüber reden. „Wieso ging es denn nicht? War sie nicht hübsch genug?“ „Hika… würdest du jetzt bitte aufhören?“ „Jaja, ist ja schon gut. Ich sag‘ nichts mehr. Wir sehen uns dann morgen.“ „Danke.“ „Ich hab‘ gehört, Viagra soll helfen.“ „Gute Nacht!“   Am nächsten Tag erhielt Takeru eine E-Mail von einem der Verlage, denen er seine Geschichte geschickt hatte. Sieben Verlage in ganz Japan hatte er angeschrieben und ihnen seine Story zukommen lassen. Das war nun schon über einen Monat her. Endlich meldete sich jemand. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen und angehaltenem Atem öffnete er die E-Mail und las sie durch. In einer Mischung aus freudiger Überraschung und Frustration lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und starrte den Bildschirm seines Laptops an. Der Verlag hatte ihm eine ähnliche Rückmeldung erteilt wie seine Mutter und auch Yamato: Sie waren daran interessiert, seine Geschichte als Buch herauszubringen, allerdings hielten sie ein positives Ende für passender und begründeten dies mit dem Einfluss, den die Geschichte auf junge Leserinnen und Leser haben konnte. Sollte er das Ende und ein paar kleinere Details in der Geschichte ändern, würden sie das Buch verlegen. Nachdenklich kaute Takeru auf seiner Unterlippe herum und wusste nicht, was er davon halten sollte. Einerseits würde es ihn natürlich riesig freuen, sein eigenes Buch in einem Regal stehen zu sehen. Andererseits wollte er dafür eigentlich nicht seine Geschichte ändern, die ihm so viel bedeutete. Das Ende war für ihn gut so, wie es war. Er würde über die Bedingungen des Verlags nachdenken müssen und wahrscheinlich mit seiner Mutter darüber sprechen. Vielleicht hatte sie ja einen Rat für ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)