Vielleicht irgendwann von Juju ================================================================================ 63. Kapitel, in dem Hikari fast allein klarkommt ------------------------------------------------ „Bist du sicher, dass du allein hier bleiben willst?“ Besorgt musterte Willis Hikari, die ein wenig verloren mitten in ihrem Wohnheimzimmer stand und sich umsah. Alles war noch so, wie es gewesen war, als sie es vor über einer Woche verlassen hatte. Als wäre nichts passiert. Das Bett war noch immer zerwühlt, auf dem Schreibtisch stand eine Tasse mit einem Rest Tee darin, Bücher stapelten sich neben ihrem Bett. „Ja, ich… ich brauche die Zeit“, murmelte sie. Willis seufzte und strich ihr über den Rücken. „Ab März haben wir endlich die Wohnung. Dann musst du nicht mehr allein sein. Das wird so schön.“ Hikari nickte geistesabwesend. Die Wohnung. Der Umzug. Das alles war auf einmal völlig aus ihren Gedanken verschwunden. Alles, was in ihrem Kopf Platz hatte, war das Bild von Daiki, wie sie ihren Sohn genannt hatten, wie er stumm und mit seiner fahlen Haut in ihren Armen lag. In den letzten Nächten war Hikari ständig aufgewacht, da sie von wirren Träumen geplagt wurde, wenn sie denn überhaupt einschlief. Immer wieder fragte sie sich, wieso so etwas passieren musste, was sie falsch gemacht hatte. Und dann waren da natürlich diese Gedanken an ein alternatives Universum, wenn ihr Kind überlebt hätte. Wie würde er wohl aussehen? Was wäre aus ihm geworden? Welche Schule hätte er besucht? Hätte er gute Noten bekommen? Was wären seine Hobbys gewesen? Hätte er viele Freunde gehabt? Welche Angewohnheiten hätten ihn ausgezeichnet? All diese Dinge würde sie niemals erfahren, denn Daiki war gestorben. In ihrem Bauch, der doch eigentlich der sicherste Ort der Welt für den Kleinen hätte sein sollen. „Und ich kann es kaum erwarten, dass wir endlich heiraten. Dann haben wir alle Zeit der Welt, es noch einmal mit einem Kind zu versuchen. Und dann klappt es bestimmt“, redete Willis weiter, legte einen Arm um Hikaris Schultern und küsste sie auf die Schläfe. Sie war sich sicher, dass er sie beruhigen und aufmuntern wollte, doch Hikari sah ihn ungläubig an. „Heiraten?“ Verwirrt lächelnd erwiderte er ihren Blick. „Ja. Schon vergessen? Wir heiraten nächste Woche.“ Einen Augenblick lang wusste sie nicht, ob er das ernst meinte, was er da redete, doch er sah sie nur weiter abwartend an. „Willis, wir können nicht heiraten“, erwiderte sie wie selbstverständlich. „Was?“, hakte er nach, noch immer lächelnd. „Natürlich können wir das. Wir müssen sogar.“ Langsam schüttelte Hikari den Kopf und machte sich von ihm los. „Unser Sohn ist gestorben. Wie kannst du da ans Feiern denken?“ „Kari“, fing er an, sein Lächeln nun verblasst, „was passiert ist, ist schrecklich. Wir haben ein Kind verloren, ja. Aber davon dürfen wir uns nicht unterkriegen lassen. Gerade jetzt müssen wir zusammenhalten, um das durchzustehen. Und ich glaube, eine Hochzeit würde uns noch enger zusammenschweißen und uns helfen, diese Sache zu überwinden. Wir lieben uns doch. Was spielt es da für eine Rolle, zu welchem Zeitpunkt wir heiraten?“ „Aber… wir wollten seinetwegen heiraten. Damit er kein uneheliches Kind ist. Aber jetzt lebt er nicht mehr. Es gibt doch gar keinen Grund mehr zu heiraten“, erklärte Hikari langsam. Willis zog verständnislos die Augenbrauen zusammen. Seine hellblauen Augen waren auf Hikari gerichtet und schienen nach einem Zeichen dafür zu suchen, dass sie Witze machte. „I-ist das dein Ernst? Ich meine… es ist alles organisiert. Meine Verwandtschaft kommt in ein paar Tagen an. Und… es gibt immer einen Grund zu heiraten. Wir lieben uns doch und wollen unser Leben miteinander teilen.“ Hikari zögerte. Leben teilen. Heiraten. Für immer zusammen. Sie rieb sich die Schläfen und schloss die Augen. „Ich… ich kann das momentan nicht. Das wäre falsch. Es würde sich so falsch anfühlen. Wie können wir unsere Liebe feiern, wenn unser gemeinsamer Sohn gestorben ist, bevor er überhaupt auf der Welt war? Das ist nicht richtig. Das geht nicht. Ich…“ „Okay, okay.“ Willis hob abwehrend die Hände, um sie am Weitersprechen zu hindern. „Weißt du was? Wir lassen das besser für heute. Ich glaube, du bist ziemlich durcheinander, was ja auch kein Wunder ist. Du solltest dich einfach hinlegen und ein bisschen schlafen, okay? Und wir reden dann einfach morgen nochmal.“ Hikari war sich sehr sicher, dass sie auch morgen ihre Meinung nicht ändern würde, doch sie erwiderte nichts, sondern nickte nur. Sie wollte gerade lieber allein sein und Willis würde vermutlich nicht gehen, wenn sie ihm jetzt wieder widersprechen würde. Er küsste sie zum Abschied auf die Stirn und verließ dann das Zimmer.   Hikari war keine Stunde allein, als es an ihrer Tür klopfte. Schwerfällig erhob sie sich aus ihrem Bett, ging zur Tür und öffnete sie. Takeru stand davor und lächelte leicht. „Hi. Oh.“ Verwirrt musterte er ihr Outfit, das nur aus einem langen T-Shirt und einem Slip bestand. „Hast du gerade geschlafen?“ „Nein“, antwortete Hikari und rieb sich über die Augen. Sie hatte versucht zu schlafen, doch es hatte nicht geklappt. Die Trauer beherrschte noch immer ihren Kopf und ihr Herz und schien sie zu erdrücken. „Bist du allein?“, fragte er weiter und spähte neugierig an ihr vorbei in ihr Zimmer. „Ja.“ „Gut. Ich dachte mir, dass du vielleicht allein bist, obwohl du nicht allein sein willst“, meinte er und hielt eine Tüte hoch. „Ich hab‘ dir auch was mitgebracht.“ „Also eigentlich…“ Sie dachte an Willis, dem sie gesagt hatte, dass sie allein sein wollte. Und eigentlich wollte sie ja auch wirklich allein sein. Sie brauchte Zeit, um über alles, was passiert war, nachzudenken und es zu verarbeiten. Immerhin hatte sie ein Kind verloren. Aber andererseits konnte ein guter Freund an ihrer Seite auch nicht schaden. „Komm‘ rein.“ Während er ihr Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss, setzte Hikari sich zurück auf ihr Bett und kuschelte sich in die Decke. Takeru kramte zwei Löffel aus ihrem Besteckbecher hervor und setzte sich mit der Tüte auf dem Schoß neben sie. Nacheinander packte er eine große Packung Eiscreme, zwei Tafeln ihrer Lieblingsschokolade, eine Tüte Chips und drei Tüten Gummibärchen aus. „Was zum…“, begann Hikari ungläubig und betrachtete die ganzen Köstlichkeiten. „Ich wusste nicht, worauf du Hunger hast, deswegen habe ich einfach alles geholt. Ich habe dir auch noch Obst, Gemüse und Reis mitgebracht, damit du morgen nicht einkaufen musst. Ist also alles da“, erklärte Takeru und stellte die Tüte mit dem restlichen Inhalt auf dem Boden ab. „Wow“, machte Hikari beeindruckt. „Danke. Du bist der Beste.“ Sie griff nach der Eispackung und öffnete sie langsam. „Wie geht’s dir?“, fragte Takeru, der sie dabei beobachtete. „Ähm… bescheiden?“, schlug sie vor, nicht wissend, welches Wort am besten ihre derzeitige Gefühlslage beschrieb. „Ich meine körperlich. Hast du noch irgendwelche Schmerzen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Das ist ja schon mal ein guter Anfang.“ „Findest du?“ Gedankenverloren starrte Hikari vor sich hin und strich sich über ihren nun wieder flachen Bauch. „Die Übelkeit und das seltsame Gefühl, die beide mein Baby verursacht hat, sind weg. Es fühlt sich falsch an, dass es mir körperlich gut geht. Es sollte nicht so sein.“ Takeru seufzte leise und wandte den Blick von ihr ab. „Entschuldige. Das war eine dämliche Frage.“ „Nein, schon okay“, erwiderte Hikari und versenkte endlich ihren Löffel in der Eiscreme. Takeru tat es ihr gleich und für eine Weile saßen sie einfach nur schweigend nebeneinander und aßen Eis. Hikari hatte das Gefühl, dass die Kälte sie ein wenig belebte und ihr dabei half, sich ein wenig wacher zu fühlen. Während sie immer wieder den Löffel in das Eis tunkte und die kalte Süßspeise auf ihrer Zunge zergehen ließ, dachte sie über Willis und die kommende Hochzeit nach. Er hatte sie nicht wirklich ernst genommen und dachte, sie wäre nur verwirrt und sollte noch eine Nacht darüber schlafen. Vielleicht würde sie ja morgen wirklich anders über die Sache denken. Vielleicht war sie momentan vor lauter Trauer ja überhaupt nicht zurechnungsfähig. „Keru?“ „Hm?“ „Ist es falsch, wenn ich… wenn ich nicht mehr heiraten möchte?“ Verblüfft sah er sie von der Seite an. „Was?“ „Naja, ich will Willis nicht mehr heiraten. Zumindest nicht jetzt, weil mir das alles so falsch vorkommt. Wir haben gerade erst ein Kind verloren und ich möchte nicht feiern. Ich kann das nicht“, stammelte sie. „Ähm…“ Er wirkte überrascht und schien eine Weile nachzudenken. „Nein, ich kann verstehen, dass du erst einmal nicht heiraten willst. Ich meine, die Hochzeit ist schließlich schon nächste Woche. Ihr könntet sie ja einfach ein wenig verschieben.“ „Ja, das denke ich auch, aber Willis möchte das nicht. Seine Verwandten kommen ja extra aus den USA her. Er will morgen noch einmal mit mir reden, weil er denkt, ich sehe die Sache morgen wieder anders“, erklärte Hikari matt. Takeru runzelte skeptisch die Stirn. „Kari, lass‘ dich zu nichts überreden, was du nicht möchtest. Er sollte deine Entscheidung respektieren und nicht versuchen, dich umzustimmen. Ihr macht gerade viel durch.“ „Er findet, dass es gerade jetzt der richtige Zeitpunkt zum Heiraten ist, weil wir zusammenhalten müssen. Aber…“ Sie wusste nicht, wie sie diesen Satz beenden wollte. „Ich finde, er sollte dich nicht so unter Druck setzen“, ergriff Takeru wieder das Wort. „Er sollte dir die Zeit lassen, die du brauchst. Es ist doch ganz normal, dass man so kurz nach so einem Erlebnis nicht übers Feiern nachdenken will.“ „Ich weiß nicht“, nuschelte Hikari und kaute auf ihrem Löffel herum. „Ich fühle mich irgendwie schlecht deswegen. Ich glaube, ich habe ihn ziemlich enttäuscht damit.“ „Du musst auch mal an dich denken und das machen, was dir gut tut. Es bringt dir doch nichts, immer das zu machen, was andere von dir erwarten, wenn du damit selbst nicht glücklich bist.“ Ihre Blicke trafen sich. Er wirkte entschlossen. „Keru“, murmelte sie, legte den Löffel in die Eispackung und griff nach seiner Hand. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. „Habe ich mich eigentlich jemals bei dir bedankt?“ „Wofür denn?“, fragte er verständnislos. „Dafür, dass du einfach du bist. Dass ich mich immer auf dich verlassen kann, trotz allem, was vorgefallen ist. Dass zwischen uns schon Dinge passiert sind, die andere Freundschaften bestimmt getötet hätten. Aber irgendwie haben wir es immer wieder geschafft, uns aufzurappeln.“ Sie schloss die Augen und lächelte ein ganz klein wenig, als sie Takerus typischen Duft wahrnahm. Er war so vertraut und sein Körper so warm. Sie spürte, wie sein Daumen sanft über ihren Handrücken strich. „Weißt du, was ich manchmal glaube?“ „Was denn?“, flüsterte er. „Dass ich, egal wen ich heirate, niemanden so lieben könnte wie dich. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der dir das Wasser reichen kann.“   Es war Morgen, als Hikari langsam die Augen öffnete. Wann war sie denn eingeschlafen? Sie musste ja ewig geschlafen haben. Müde blinzelte sie ein paarmal und entdeckte Takeru. Er lag auf der Seite mit dem Gesicht zu ihr und hatte einen Arm über sie gelegt. Er schien noch zu schlafen, denn seine Augen waren geschlossen und sein Atem ging gleichäßig. Hatte er die ganze Nacht in ihrem Bett verbracht? War er die ganze Zeit bei ihr geblieben, um sie nicht allein zu lassen? Vorsichtig richtete sie sich ein wenig auf. Der ganze Süßkram, den er gestern mitgebracht hatte, lag auf dem Boden verstreut. Die Eispackung war nur halb leer gegessen und das restliche Eis bestand nur noch aus einer dicken Suppe. Hikari legte sich wieder hin, hatte jedoch durch ihre Bewegung Takeru geweckt. Er seufzte leise und schlug die Augen auf. Als sein Blick auf Hikari fiel, lächelte er müde. „Bin ich gestern eingeschalfen?“, fragte Hikari leise. „Mhm.“ Er nickte. „Ich dachte, ich könnte gar nicht schlafen. Ich glaube, es liegt an dir.“ „Ich bin also so langweilig, dass du in meiner Gegenwart einschläfst?“, schlussfolgerte Takeru gähnend. Hikari musste schmunzeln. „So meinte ich das nicht. Ich habe echt gut geschlafen.“ „Freut mich“, murmelte er lächelnd. Schweigend sahen sie sich in die Augen, betrachteten das Gesicht des jeweils anderen. Takeru hatte noch keine Anstalten gemacht, seinen Arm zurückzuziehen. Hikari drehte sich auf die Seite und strich ihm ein paar wirre Haarsträhnen aus der Stirn. Sie ließ ihre Hand auf seiner Wange liegen und schluckte, als sich ihre Blicke erneut begegneten. Ein Klopfen an der Tür zerstörte die Stimmung und augenblicklich ließen sie voneinander ab. Hikari kletterte aus dem Bett und ging zur Tür. „Mann, wer kommt denn um die Uhrzeit? Wie spät ist es überhaupt?“ Sie öffnete die Tür einen Spalt breit und versteckte sich halb dahinter, da sie noch immer nur ein T-Shirt und einen Slip trug. Im Flur stand Willis und lächelte sie an. „Guten Morgen, schöne Frau. Ich hab‘ Frühstück mitgebracht“, begrüßte er sie und hielt zwei Becher Kaffee hoch. „Willis!“, sagte Hikari überrascht und öffnete geistesabwesend die Tür komplett. „Warum so überrascht?“, fragte er und ging an ihr vorbei ins Zimmer. Wie angewurzelt blieb er an Ort und Stelle stehen, als er Takeru erblickte, der sich inzwischen aufgesetzt hatte. „Was…“ Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden und fragend sah er zu Hikari. „Ich… ähm… er kam gestern überraschend vorbei“, erklärte Hikari kleinlaut. Diese Situation musste auf Willis wirklich äußerst seltsam wirken. „Er hat hier geschlafen?!“, rief Willis entgeistert. „Während du so angezogen warst?“ Er deutete auf ihre nackten Beine. „Er kam gestern spontan vorbei und… wir haben nur ein bisschen geredet und dann bin ich eingeschlafen“, murmelte Hikari und kratzte sich am Kopf. Dabei merkte sie, wie zerzaust ihre Haare waren. Willis musterte sie mit vorwurfsvollem und verständnislosem Blick. „Und mich schickst du weg? Mir hast du gestern gesagt, du wolltest allein sein.“ „Wollte ich ja auch. Willis… ich… das ist echt nicht so, wie es aussieht.“ „Ich habe mich praktisch aufgedrängt“, kam Takeru ihr zu Hilfe und erhob sich vom Bett. Mit zusammengezogenen Augenbrauen, die sein Misstrauen zur Geltung brachten, sah Willis zwischen ihnen hin und her. „Kari, ich verstehe das nicht. Ich hätte doch auch bei dir bleiben können.“ „Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll“, erwiderte sie hilflos. „Manchmal braucht man einfach jemanden, der nicht direkt beteiligt ist, zum Reden. Das sollte wirklich nicht hinterhältig wirken. Wir haben nur geredet und sind dann einfach eingeschlafen.“ Einen Augenblick musterte Willis Hikari noch, als suchte er in ihrem Gesicht nach irgendetwas, das ihm sagte, dass sie log, doch dann nickte er zögerlich. „Okay.“ „Ich gehe dann mal“, murmelte Takeru und ging an beiden vorbei zur Tür. „Wir sehen uns.“ Er und Hikari tauschte einen letzten Blick, dann verschwand er aus ihrem Zimmer. Willis musterte sie mit einem Blick, der von Schmerz gezeichnet war. „Ist er der eigentliche Grund, warum du die Hochzeit absagen willst?“ Erschrocken sah Hikari ihn an, bevor sie den Kopf schüttelte. „Du weißt doch, dass er mein bester Freund ist. Ich brauche ihn.“ „Und wen brauchst du mehr? Mich oder ihn?“ Verdutzt schwieg sie und wandte den Blick ab. War das eine Fangfrage? Was sollte sie darauf antworten? Er ging zum Schreibtisch, stellte die beiden Kaffeebecher ab und seufzte. Er starrte aus dem Fenster und hatte ihr den Rücken zugewandt. „Entschuldige. Ich wollte dir kein Ultimatum stellen.“ Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. „Willis, ich habe mein totes Baby zur Welt gebracht. Das ist der Grund, warum ich jetzt nicht heiraten und so tun kann, als wäre…“ „Ich habe auch ein Kind verloren!“ Er hatte sich ruckartig zu ihr umgedreht und sah sie wütend und verletzt an. „Du bist nicht die Einzige, die damit fertig werden muss! Wir sollten das zusammen durchstehen, er war unser Kind. Deswegen verstehe ich nicht, warum du so dringend mit anderen darüber reden musst, mit mir aber nicht. Und dann schläft er auch noch in deinem Bett!“ „Das war nicht geplant“, verteidigte Hikari sich verzweifelt. „Er stand einfach vor meiner Tür und… ich weiß auch nicht.“ Sie dachte daran, wie geborgen sie sich bei Takeru gefühlt hatte. Er war einfach für sie da gewesen. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie ihn bei sich hatte haben wollen, aber nicht Willis. Er seufzte und fuhr sich durch die Haare, als müsste er angestrengt nachdenken. „Ich… Mann, Kari, ich will mich nicht streiten. Wir haben echt Wichtigeres zu tun.“ „Ich will mich auch nicht streiten“, murmelte sie. „Du bist also immer noch dabei, dass du die Hochzeit verschieben möchtest?“, wechselte er dann das Thema. Sie nickte zögerlich. „Ja.“ „Sei ehrlich. Möchtest du überhaupt noch heiraten?“, fragte er dann und sah sie durchdringend an. Statt einer Antwort biss sie sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. „Verstehe“, knirschte Willis. „Ich… wir sind noch so jung. Ich habe mich auch für ein Baby zu jung gefühlt. Und so ist es auch mit dem Heiraten. Ich wollte heiraten, weil ich denke, dass eine Ehe für ein Kind besser ist. Aber jetzt, da es kein Kind mehr gibt…“ Sie konnte sehen, wie sein Kiefer sich anspannte, als er langsam nickte. Er musste ziemlich verletzt sein. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Es tut mir so leid, Willis. Ich fühle mich einfach nicht bereit für das alles. Es ging alles so schnell und kam so plötzlich. Und dann die Totgeburt. Das ist so viel auf einmal.“ Sie spürte, wie er sich neben sie setzte und mit einer Hand ihren Rücken streichelte. „Mir tut es leid, dass ich dich so angefahren habe.“ Wie waren sie nur an diesen Punkt geraten? Wie hatte es passieren können, dass sie von einer glücklichen Beziehung in diese Krise gerutscht waren, in der auf einmal keiner von ihnen mehr glücklich war? Natürlich mussten Beziehungen auch Krisen überstehen, um dann gestärkt daraus hervorzugehen. Aber würden sie das? Oder würde dieser Schicksalsschlag ihnen das Genick brechen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)