Blind von Jake_Muller ================================================================================ Prolog: Gefühlschaos -------------------- Es war noch sehr früh am Morgen. Linda lag noch in ihrem Bett, doch die Sonne machte dem einen Strich durch die Rechnung. Grummelnd setzte sie sich in ihrem Bett auf, streckte sich und starrte auf den Wecker. „Oh Gott! Es ist schon so spät?!“ Der Wecker hatte wohl mal wieder keine Lust gehabt zu klingeln, was Linda überhaupt nicht in den Kram passte, denn sie würde zu spät zur Uni kommen. Eigentlich war sie immer sehr auf Pünktlichkeit aus, doch heute wollte es wohl nicht so laufen, wie sie es gerne gehabt hätte. Duschen konnte sie wohl dann wohl vergessen, was sie ziemlich nervte, denn sie duschte gerne morgens vor der Uni. Allerdings war es schon sehr spät und sie sowieso zu spät kommen würde, auch wenn sie sich beeilte, wäre es nicht gerade ratsam, jetzt noch schnell unter die Dusche zu hüpfen. Elegant sprang sie aus dem Bett, rannte zum Kleiderschrank, um sich ihre Klamotten rauszusuchen, hechtete dann in die Küche um einen Toast in den Toaster zu stecken und sich eine Tasse Kaffee zu kochen. Während der Toast im Toaster erhitzte und der Kaffee durch die Maschine lief, flitzte sie schnell ins Bad und begutachtete sich im Spiegel. „Oh Gott seh ich grottig aus.“, meinte sie dann genervt zu sich selbst und schob sich dann die Zahnbürste in den Mund. Ein paar Mal links und ein paar Mal rechts wurde geputzt, dann ausgespuckt, ehe sie den Mund abwischte. Wieder zurück in der Küche war der Toast fertig, den sie sich dick mit Nutella bestrich, dann davon abbiss, einen Schluck Kaffee trank und erneut ins Bad rannte, um sich anzuziehen. Als sie dann auch damit fertig war schlang sie noch den Rest vom Toast herunter und trank den Kaffee aus. „So jetzt aber zackig, sonst wird’s heute nichts mehr.“ Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie zwar verschlafen hatte, jedoch ziemlich schnell fertig geworden war. „Immer dieser Stress.“ Sie schnappte sich ihre Uni-Unterlagen, stopfte diese schnell in ihre Umhängetasche und machte sich auf den Weg zur Haustür. „Oh Gott, mein Handy!“ Wie ein Wirbelwind tobte sie zurück ins Schlafzimmer, wühlte in ihrem Bett und als sie dann endlich fündig wurde steckte sie das Handy in die Hosentasche und ging dann endlich zur Haustür. Ihre Jacke legte sie sich über den Arm und nahm den Haustürschlüssel vom Häkchen an der Wand neben der Garderobe. Als sie dann die Haustür ihrer Wohnung hinter sich schloss, strafte sie nochmal ihre Klamotten und machte sich dann auf dem Weg zu ihrem Fahrrad. Schwungvoll setzte sie auf und fuhr zur Uni. Sie trat mächtig in die Pedale, da sie sich jetzt schon zu viel Zeit gelassen hatte, da sie ja noch ihr Handy hatte suchen müssen. Völlig erschöpft stieg sie von ihrem Fahrrad und schloss es an. Keiner war zu sehen. Sie war allein. „Scheiße!!“ Schneller als ihr lieb war rannte sie zum Eingang der Uni und nahm mehrere Stufen auf einmal, um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden. Die anderen würden sie sicherlich auslachen, aber das war ihr sowas von egal. Sie lief weiter den Gang entlang zum Hörsaal und öffnete leise die Tür. Sie hatten schon mit dem Unterricht begonnen und der Dozent sah Linda an als ob es gleich ein Donnerwetter geben würde. Im Augenwinkel merkte Linda, dass sich viele mit vorgehaltener Hand über sie unterhielten. „Wie kommt es, dass sie jetzt erst hier sind?“ Der Dozent sah ihr in die Augen und sie versuchte nicht zu schüchtern zu wirken. „Es tut mir Leid, ich hatte verschlafen, der Wecker...“ „Das ist keine Entschuldigung!“ Linda zuckte bei dem Ton erschrocken zusammen. Jetzt fingen die anderen erst recht an zu lachen. „RUHE!“ „Aber es...“, versuchte sie dann noch zu sagen, doch der Dozent beachtete sie nicht mehr und richtete seinen Blick wieder auf die Tafel. Mit herunterhängenden Schultern ging sie langsam zu ihrem Platz. Die anderen Studenten kicherten immer noch leise, doch Linda versuchte dies gekonnt zu überhören. Auf einmal wurde sie angetippt und erschrak ziemlich, sodass ihr der Hefter runterfiel. „Können sie jetzt endlich ruhig sein!?" „Entschuldigung...“ Wieder leises kichern. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, es war meine Schuld. Wie ist dein Name?“, fragte sie dann wenig später eine unbekannte Stimme. Als Linda sich dann zu der Quelle drehte wäre sie fast von Stuhl gefallen, denn der Typ welcher sie angetippt hatte sah mega gut aus. „Ähm..ich heiße Linda.“, meinte sie leise und ihr Gegenüber stellte sich als Mickey vor. „Freut mich dich kennen zu lernen, Mickey.“ Linda lächelte, jedenfalls versuchte sie es und Mickey erwiderte es höflich. Doch dann richtete Linda ihre Augen auf die Tafel und schrieb alles mit, was sie verpasst hatte und Mickey wendete sich auch dem Unterricht zu. Die Ruhe, welche jetzt herrschte, war mehr als komisch, denn sonst war es nie so ruhig. Das kannte Linda so wirklich nicht. Als die Stunde dann vorbei war seufzte Linda erschöpft. Mickey neben ihr musste schmunzeln. „Du bist neu, oder?“, fragte Linda ihren Sitznachbarn. „Ja, ich bin noch nicht lange in der Stadt, hatte mich aber schon für diese Uni beworben gehabt, sodass es ein leichtes war für mich hier rein zu kommen.“ Linda nickte und zuckte förmlich zusammen als sie in die Augen von Mickey sah. „Du...du...du bist ja Blind...?“ Sie wusste nicht, ob er das jetzt falsch aufnahm, hoffte jedoch, dass es nicht so war. „Ja, aber ich bin nur auf einem Auge blind. Ich komm damit klar und es hält mich nicht davon ab meinen Weg zu gehen.“ Linda war erstaunt über den Lebenswillen, den Mickey an den Tag legte. Sie selbst würde das sicherlich nicht so leicht sehen, wenn sie blind wäre, würde sich ihr Leben wahrscheinlich vollkommen umdrehen. „Wie lange bist du schon blind, Mickey?“, fragte sie ihn dann und er lächelte. Sie kam sich vor wie eine Reporterin, die mit ihm ein Interview führte, doch Mickey schien das nicht zu stören. „Schon lange, seit meinem 6. Lebensjahr. Ich kann von Glück reden, dass es nur ein Auge ist und nicht beide.“, meinte er und Linda sah ihn traurig an. „Was ist los? Wieso guckst du mich so mitleidig an? Ich komme prima damit klar, blind zu sein, wirklich.“, meinte Mickey und lachte herzlich, doch Linda konnte nicht lachen. Irgendwie gelang es ihr nicht, auch nur zu lächeln. Sie hatte einfach Mitleid mit Mickey. „Du brauchst kein Mitleid zu haben, Linda. Wirklich, es ist alles in Butter.“, meinte er dann und hoffte, dass sie sich jetzt nicht mehr so einen Kopf machen würde. „Okay.“, meinte Linda knapp und merkte dann, dass Mickey sie fragend ansah. „Ich will echt nicht, dass du dir Sorgen machen musst. Ist wirklich nicht nötig.“, meinte er und damit war das Thema fürs erste abgeschlossen. Die nächsten Vorlesungen waren für Linda eine Qual, denn sie konnte sich gar nicht darauf konzentrieren, musste immer an Mickey denken und auch daran, wie er sich fühlen musste. Doch er sagte ja, dass es ihm nichts ausmachte und er es ja von klein auf gewöhnt war. Als dann endlich Mittagspause war, schlenderte Linda zur Mensa und merkte gar nicht, dass Mickey ihr hinterherlief. „Hey! Warte doch mal!“ Verwundert drehte sie die Blonde um und blickte in Mickeys Gesicht. „Wollen wir zusammen essen?!“ „Na klar, gerne.“, erwiderte Linda daraufhin und sie gingen zusammen in die Mensa. Dort setzten sie sich an einen Tisch, der etwas weiter entfernt von den anderen war, doch Linda war nicht wohl dabei. Sie bemerkte die Blicke der anderen Studenten, die auf ihr ruhten als sie mit Mickey die Mensa betreten und sich mit ihm an den Tisch gesetzt hatte. „Soll ich dir auch was holen?“, fragte er dann und Linda nickte nur knapp, war vollkommen mit ihren Gefühlen beschäftigt. Wieso fühlte sie sich nur so unwohl? Er war nett, keine Frage, aber wenn die anderen sie sahen wurde Linda ganz komisch. Komischerweise klopfte ihr das Herz bis zum Hals, nur wusste die Blonde nicht, woher dieses Gefühl kam. Kam es vielleicht davon, weil sie in Mickey endlich den Freund fürs Leben gefunden hatte? Sie wusste wirklich nicht, woher dieses verdammte Herzklopfen herkam. Selbst als sich Mickey mit dem Mittagessen an den Tisch setzte blickte die Blonde nicht auf sondern starrte ins Leere. „Linda? Alles okay?“, fragte Mickey nach einer ganzen Weile, doch von Linda kam keine Antwort. Erst als er ihre Hand in seine nahm reagierte die Blonde endlich. „Was...hast du irgendwas gesagt?“, fragte sie verwirrt und sah ihn an als ob sie sich heute das erste Mal sahen, was ja eigentlich auch so war. Doch Mickey schüttelte nur den Kopf. „Alles okay.“, meinte er, nahm die Gabel und fing an zu Essen, was Linda ihm gleich tat. Stille setzte ein. Hatte sie etwas falsch gemacht? Vielleicht war es doch nicht so gut gewesen, dass sie ihm nicht geantwortet hatte als er sie angesprochen hatte. Doch zu ändern war es jetzt auch nicht mehr. Sie stocherte lustlos in ihrem Essen herum, welches vortrefflich duftete, doch irgendwie bekam Linda keinen Bissen herunter. „Hast du keinen Hunger?“, fragte Mickey nach ein paar Bissen und Linda nickte geknickt. „Tut mir Leid, dass ich eben nicht geantwortet habe, als du mich angesprochen hast. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“, meinte sie und hoffte, dass dies als Entschuldigung reichte. „Kein Problem.“, meinte Mickey und aß seine Portion auf. Lindas Teller war kaum angerührt, doch Mickey und sie brachten wenig später ihr Tablett weg und verließen die Mensa. „Und wo soll es jetzt hingehen? Willst du etwas spazieren gehen?“, fragte Mickey und sah sie besorgt an. „Ich glaub ich fühl mich echt nicht gut.“, meinte Linda und seufzte. Alles lief heute komisch. Der Tag hatte an sich ja schon so angefangen und jetzt das? Linda fand keine Lösung für dieses Problem. „Soll ich dich nach Hause begleiten?“, fragte Mickey dann doch etwas besorgt und Linda winkte ab. „Nein, brauchst du nicht. Ich komm klar, wirklich.“ Sie war sich zwar nicht ganz sicher, ob dies der Wahrheit entsprach, aber sie wollte nicht, dass sich Mickey unnötig Sorgen machte. Sie meldete sich am Sekträtariat ab und ging mit Mickey Richtung Eingang der Uni. „Wenn was ist, ruf mich bitte an, okay?“ Ohne etwas zu sagen, drückte er ihr einen Zettel in die Hand, auf dem seine Handynummer notiert war. Sie starrte ungläubig auf das Papier, doch dann fing sie sich wieder. „Ja, ich melde mich.“, meinte sie und wollte gerade gehen, als er ihre Hand griff, sie an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. Linda, welche vollkommen überwältigt von dem „Angriff“ auf sich war, wusste zuerst nicht, ob sie erwidern sollte, doch dann stieß sie ihn von sich, lief hinaus und ließ Mickey ohne ein Wort stehen. "Was sollte das?", dachte sie sich auf dem Weg zum Fahrradständer. Das Fahrradschloss klickte auf, sie verstaute es in ihrer Tasche, welche sie dann auf den Gepäckträger klemmte und losfuhr. War sie verliebt? Sie war sich nicht sicher, doch ein wusste sie: Mickey liebte sie! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)