Götterdämmerung von Mieziliger ================================================================================ Kapitel 10: Gewitterwolken -------------------------- Atemu fror. Zumindest glaubte Yugi eine Gänsehaut zu sehen, die sich über die nackten Unterarme des Pharaos schob. Seit sich an den Kalkbergen im Westen die Gewitterwolken stauten, war es kühl geworden, doch das hielt Pharao Atemu nicht davon ab, seinen Schreibtisch wie jeden Tag in den Garten verlegen zu lassen. Yugis Finger glitten über die knorrige Rinde des Mandelbaumes, als er sich vorsichtig am Stamm entlang schob, um einen besseren Blick zu erhaschen. Sein Herz schlug so schnell, dass er Angst bekam, es würde ihn verraten. Zwei Tage waren seit dem Schachspiel vergangen. Zwei Tage, die Yugi fieberhaft damit verbracht hatte, dem Pharao aus dem Weg zu gehen – und ihm gleichzeitig zu folgen wie ein Schatten. Yugis presste die Lippen zusammen, als ihm die Erbärmlichkeit seines Tuns bewusst wurde, aber er konnte nicht anders. Mit jedem Schritt, den er auf Atemu zuging, schrie ihm eine Stimme zu, davonzulaufen; und mit jedem Schritt, den er sich entfernte, bat ihn dieselbe Stimme zaghaft, zurückzukehren. Ob Motten dasselbe fühlten, in dem kurzen Moment, bevor ihre Flügel Feuer fingen? Yugi schluckte schwer. Sein Blick taxierte den jungen Pharao, der, sein Kinn auf den Handrücken gestützt, über mehreren Landkarten grübelte. Der Wind verfing sich in Atemus Haaren und drückte ihm eine vorwitzige Strähne in die Stirn. Er schien es kaum wahrzunehmen. In Yugi brannte das unbändige Verlangen danach die Hand auszustrecken, diese Haarsträhne beiseite zu streichen und dabei zufällig die bronzene Haut zu berühren, die er so warm in Erinnerung hatte. Ohne es wirklich zu realisieren, tat Yugi einen Schritt aus der Deckung des Mandelbaumes heraus – und erschrak bis ins Mark, als plötzlich ein heller Blitz den Himmel spaltete. Yugis erschrockener Laut ging in dem heftigen Grollen des Donners unter. Ohne dass er es bemerkt hatte, hatten sich die dunklen Wolken nun doch über die Berge geschoben und ein schweres Gewitter mit sich gebracht. Noch bevor Yugi den Schreck überwunden hatte, kamen plötzlich von allen Seiten Palastdiener herbeigeeilt, rafften Schriftrollen und Landkarten zusammen und sorgten mit einem Baldachin dafür, dass der Pharao den Palast trocken erreichte. Yugi dagegen hatte weniger Glück. Als er sich endlich in den Flur des Privatbezirks geflüchtet hatte, war er nass bis auf die Knochen. Das Wasser, das in Bächen von ihm herabfloss, verwandelte den Mosaikboden in eine spiegelglatte Fläche, und Yugi schlitterte mehr vorwärts, als dass er lief. „Herr Yugi!“ Der Ausruf von Mentu brachte Yugi so aus dem Konzept, dass ihm ein Fuß wegrutschte und er sich gerade noch am nächstbesten Wandvorsprung festklammern konnte. Als er den Kopf wandte, sah er noch, wie der Pharao am Ende des Flures in seinen Privatgemächern verschwand, ehe Mentu sich in Yugis Blickfeld schob. „Der Pharao wünscht Euch zu sehen, Herr Yugi.“ Erklärte der Diener und musterte Yugi mitleidig. „Ich werde Euch eine trockene Tunika bringen. So könnt Ihr unserem Pharao nicht unter die Augen treten.“ Wenig später konnte Yugi endlich in eine Tunika wechseln, die nicht wie ein nasser Sack an ihm klebte.  Er seufzte erleichtert auf, aber eine wirkliche Ruhe wollte sich in ihm nicht einstellen. Dass der Pharao ihn sprechen wollte, machte ihn nervös. Er glaubte zwar, dass Atemu nichts davon bemerkt hatte, dass Yugi ihn seit zwei Tagen beschattete, aber er wusste es nicht. Fahrig strich Yugi ein paar Falten in seiner Tunika glatt und folgte Mentu schließlich in die königlichen Privaträume. Der Diener verneigte sich nur kurz und zog sich dann zurück. Yugi musterte den Pharao unauffällig. Er wirkte weder wütend noch angespannt und Yugi entschied sich zur Flucht nach vorne. „Ich habe Euch sicher warten lassen, entschuldigt bitte“, erklärte er mit einer Verbeugung. „Aber der Regen hat mich überrascht und… naja…“ „Ich weiß. Du hast meinen Flur überflutet.“ Etwas unsicher hob Yugi seinen Blick, doch als er das leichte Zucken in Atemus Mundwinkel entdeckte, wich die Nervosität einer tiefen Erleichterung. Wenn der Pharao davon wissen würde, dass Yugi ihm nachspionierte, wäre er sicherlich nicht in so guter Stimmung. „Entschuldigt“, entgegnete Yugi in einem Anfall von alberner Euphorie. „Wenn ich das nächste Mal nass werde, werde ich versuchen, das Tropfen in Eurer Gegenwart einzustellen.“ Atemu schüttelte belustigt den Kopf. „Das Remis scheint dir zu Kopf zu steigen. Es wird Zeit, dich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Ich fordere dich zu einer Revanche auf, doch diesmal spielen wir das bedeutendsten Spiel meines Landes.“ Mit einer Handbewegung deutete auf einen großen, reich verzierten Kasten, der umrahmt von prächtigen Kissen auf dem Boden stand. Während Yugi neugierig näher trat, hatte Atemu sich bereits auf einem dieser Kissen niedergelassen. „Senet“, erklärte der Pharao beiläufig, während er mit schnellen Bewegungen schwarze und weiße Steine zu gleichfarbigen Häufchen sortierte, „ist nicht nur ein simples Spiel, sondern hat gesellschaftliche und religiöse Bedeutung. Man benötigt ein wenig Glück, aber vor allem eine gute Strategie um hier gewinnen zu können.“ Mit einem freudigen Lächeln nahm Yugi auf einem weiteren Kissen Platz und zog die Beine zu einem Schneidersitz heran. „Ich habe Mentu ein paar Mal dabei beobachtet, wie er das Spiel gegen einen anderen Diener gespielt hat“, erzählte er gut gelaunt und neigte den Kopf schief, um die Hieroglyphen auf dem Spielfeld genauer zu betrachten. „Ich glaube, ich habe die Regeln bereits verstanden. Gewinner ist derjenige, der alle eigenen Spielfiguren ins Ziel gebracht hat. Auf Feld 26, 28, 29 und 30 darf man nicht geschlagen werden und Feld 27 ist eine Falle, die den Stein zurück auf Feld 15 setzt.“ „Du weißt, dass du deinen Welpenschutz hiermit verspielt hast?“, bemerkte Atemu trocken. Yugi lachte. „Ich habe nur gesagt, dass ich die Regeln verstanden habe, gespielt habe ich Senet noch nie.“ „Dann werden wir diese Wissenslücke nun schließen“, gab Atemu zurück und reichte Yugi vier Stäbchen, die auf der einen Seite schwarz, auf der anderen Seite golden waren. „Beginne.“ Yugis erster Wurf der Würfelstäbchen war ebenso unelegant, wie erfolglos und wurde auch nach mehrmaligen Wiederholungen nicht besser. Während der Pharao eine Fünf nach der anderen würfelte und seine Steine über das Feld schob, hatte Yugi bisher nur zwei Steine nach vorn versetzen können. „Also irgendwie stelle ich mich äußerst dumm an“, nuschelte er, in einer Mischung aus Frustration und Belustigung. „Diese Würfelstäbchen bringen mir kein Glück.“ Mit offenkundiger Genugtuung setzte Atemu seinen siebten Stein auf das Spielfeld und schlug eine von Yugis Figuren, die er lässig vom Feld schnippte. „Das liegt daran, dass sie verflucht sind“, erklärte der Pharao „Wenn du in diesem Spiel zu oft gegen mich gewinnst, dann wird der Fluch…“ Yugi schlug sich die Hände auf die Ohren und brach in helles Lachen aus. „Das ist unfair!“, rief er übermütig. „Ich werde Euch nie wieder eines meiner Kindheitsgeheimnisse anvertrauen!“ Atemus Lächeln nahm einen seltsamen Zug an. „Das wäre bedauernswert.“ Yugi hörte, wie sein Lachen zu zittern begann und er rettete sich in ein raues Husten. Das Lächeln des Pharaos verunsicherte ihn, genauso wie der Blick dieser violetten Augen, die so durchdringend auf ihm lagen. Yugis Herz schlug plötzlich so stark in seiner Brust, dass es schmerzte. Hastig wandte er den Blick ab und beeilte sich damit, die Würfelstäbchen an sich zu nehmen. Sein nächster Wurf war jedoch so fahrig, dass sich eines der Stäbchen in seiner Tunika verfing und durch den Schwung quer über den Spielkasten katapultiert wurde. Yugi spürte die Röte, die über seine Wangen kroch. In Atemus Augen blitzte es amüsiert und die Hitze auf Yugis Wangen wich einem schmerzhaften Brennen. Wahrscheinlich würde sein Gesicht gerade selbst im Dunkeln leuchten. Als er kleinlaut das wanderlustige Stäbchen vom Boden aufklaubte, lachte der Pharao plötzlich. „Versuch es noch einmal, Yugi“, forderte er ihn auf und neigte sich vor. Seine Finger legten sich federleicht um Yugis angespannte Hände und schoben die Stäbchen in eine andere Position. „So funktioniert es besser“, erklärte Atemu ruhig und drückte Yugis kleinen Finger etwas weiter nach innen. „Wenn du den Stäbchen mit diesem Finger noch etwas mehr Schwung gibst, kannst du die Flugrichtung leicht verändern. Ein Trick, den wir Ägypter schon im Kindesalter lernen.“ Yugi wollte etwas erwidern, aber seine Zunge war so trocken, dass sie sich taub anfühlte. Stumm ließ er seine Hände von Atemu führen und sah den Stäbchen wie in Trance beim Fallen zu. „Siehst du?“ Die Stimme des Pharaos schien so weit weg zu sein. „Eine Vier.“ Erst als sich Atemus Hände von den seinen wieder lösten, war es Yugi wieder möglich, normal zu denken. Schnell schob er einen Stein über das Feld, wartete Atemus Zug ab und würfelte erneut. Eine Eins. Yugi stöhnte leise, was jedoch über Atemus helles Lachen ungehört blieb. „Ich sehe schon“, sagte der Pharao verschmitzt, „wenn ich dich weiterhin allein würfeln lasse, endet das Spiel erst bei der nächsten Nilschwemme. Komm her.“ Wieder schmiegten sich seine Hände um Yugis, so fest, dass er erschauderte, aber doch sanft genug, um sich ihnen entziehen zu können. Yugi biss sich auf die Zunge. Er musste das hier unterbinden. Er konnte nicht klar denken, wenn der Pharao ihn berührte. Jede Faser in ihm schien zum Bersten angespannt, sein Herz pumpte das Blut so schnell durch seinen Körper, dass er das Rauschen in den Ohren hören konnte. Seine Finger warfen die Stäbchen bereits wieder, doch Yugi sah nicht hin. Sein Blick lag wie gebunden in dem Gesicht des Pharao. Er wusste nicht, wie oft er dieses Gesicht in den letzten Tagen beobachtet hatte, aber ihm wurde bewusst, dass er jede Einzelheit daran kannte. Jede Regung darin schien ihm so vertraut zu sein, dass er sie vorhersagen konnte, noch bevor der Pharao sie tat. Er wusste von den kleinen Lachfältchen an den Mundwinkeln, die nur so selten hervortraten und er kannte die sorgenvollen Linien, die sich durch die Haut unter Atemus Augen fraßen, wann immer er schwere Entscheidungen zu treffen hatte. Yugi glaubte, trotz der kurzen Zeit, kein Gesicht je so genau gekannt zu haben wie dieses. „Nun. Wenigstens eine Drei. Immer noch besser als deine vorherigen Versuche.“ Atemus Stimme holte Yugi aus seiner Entrückung. Langsam sah er auf die Würfelstäbchen hinab und zwang sich dazu, sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren. Mit der linken Hand schob er einen Spielstein um drei Felder nach vorne und versuchte den Umstand zu vergessen, dass seine rechte Hand noch immer unter der des Pharaos lag. Yugis Fingerspitzen zuckten heftig. Atemus Blick fiel auf ihre verkreuzten Hände, wanderte an Yugis Arm entlang nach oben und blieb schließlich in seinem Gesicht liegen. Yugis Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, als versuche es sich aus dem engen Gefängnis zu befreien. Nach ein paar Sekunden, die sich in die Unendlichkeit zu strecken schienen, hob der Pharao plötzlich eine Hand und strich eine Haarsträhne aus Yugis Stirn. Unwillkürlich lehnte Yugi sich den Fingerspitzen entgegen, damit sie seine Stirn berühren mussten. Atemu schien kurz zu stocken, führte dann die Bewegung jedoch zuende und klemmte die Strähne hinter Yugis Ohr. „Du bist… unkonzentriert heute.“ Zum ersten Mal hörte Yugi, dass der Pharao mitten im Satz stockte. Verlegen fuhr Yugi mit seiner freien Hand über das Kissen, auf dem er saß. „N-nein“, entgegnete er leise. „Ich… ich muss mich nur erst daran gewöhnen.“ Die Fingerspitzen des Pharao ließen die Haarsträhne gehen und begannen an Yugis Wange entlang zu streichen. „Daran gewöhnen?“ Nur schwer widerstand Yugi dem Drang die Augen zu schließen und seine Wange in Atemus Hand zu schmiegen. „Ein… wenig Welpenschutz… wäre doch nett gewesen.“ Der Pharao war mittlerweile so nah, dass Yugi die Wärme spüren konnte, die von ihm ausging. Er merkte kaum, wie er sich führen und zurückdrängen ließ, bis sein Rücken in den weichen Kissen einsank. „Wir sprechen noch über das Spiel, nicht wahr?“ Atemus Stimme war so viel leiser als sonst, so viel sanfter. Yugi wollte antworten, doch er bekam keinen Laut über die Lippen. Er nickte nur leicht, tat einen tiefen, zittrigen Atemzug und sog den Geruch des Pharaos ein, bis er glaubte, schwindelig zu werden. Langsam hob er eine Hand, er wollte den Pharao berühren, seine Haut unter seinen Fingerspitzen fühlen – doch mitten in der Bewegung verließ ihn der Mut. Seine Finger strichen nur über die Falten der feinen Tunika, bis Atemu sein Gewicht verlagerte und sich so der Berührung entzog. War er absichtlich ausgewichen? Yugi zögerte einen Moment, doch der Gedanke war schneller verschwunden als er gekommen war, als sich der Pharao vorneigte und seine Lippen so nah an Yugis brachte, dass sein Atem dagegen schlug. Eine Gänsehaut zog über Yugis Körper hinweg und brachte ihn zum schaudern. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber mehr als ein brüchiges „Pharao…“ brachte er nicht zustande. Er verstummte, als die Lippen des Pharao endlich an den seinen entlang streiften. „Atemu.“ Raunte der Pharao so leise, dass Yugi es mehr erahnte, als wirklich hörte. „Nur Atemu.“ Eine leise Stimme in ihm rief Yugi zu, dass es falsch sei, dass er nicht nachgeben durfte, aber er konnte nicht anders. Leise und zittrig flog der Name des Pharao über seine Lippen, wurde erstickt von Atemus Kuss und schuf die innige Verbindung, die jegliche Bedenken verwischte. Wie konnte etwas falsch sein, wenn es sich so richtig an fühlte? Atemus hungrige Lippen, sein warmer Körper, die sanfte Erregung, die ihn durchzog. Yugi seufzte leise. Seine Hand glitt über Atemus Arme, erfühlten die schweren Schmuckreifen, deren Gold so kühl zu sein schien und hinterließen eine kaum merkliche Gänsehaut auf der bronzenen Haut. Ohne den Kuss zu lösen, griff der Pharao plötzlich nach Yugis Hand, verschränkte ihre Finger ineinander und drückte sie mit sanfter Gewalt auf die Kissen zurück. Nur mit Mühe unterband Yugi einen enttäuschten Laut. Seine Haut kribbelte, alles in ihm schrie danach, die Arme um den Pharao zu schlingen und ihn an sich zu pressen, ihn zu fühlen, zu umarmen, diesen Hauch von Entfernung überbrücken, den Atemu stets zwischen ihnen ließ. Mit einem Seufzen unterbrach er den Kuss und lehnte den Kopf weit in den Nacken. Er wollte Atemus Lippen an seinem empfindlichen Hals spüren, unter der Berührung erschaudern. Seine freie Hand fuhr ohne sein Zutun nach oben und vergrub sich in Atemus weichem Haar. Sanft, fast flehend versuchte er den Pharao zu leiten, doch erneut wischte dieser Yugis Hand mit einer unwirschen Bewegung beiseite. Ohne auf die stumme Bitten einzugehen, zwang Atemu Yugi wieder in einen hitzigen Kuss, fuhr mit seinen Händen unter Yugis Tunika und schob den Stoff achtlos nach oben. Etwas in Yugi zerbarst. Auch wenn er seine Erregung nicht leugnen konnte – das hier wollte er nicht. Nicht so schnell. Nicht auf diese distanzierte Weise. Mit einem Keuchen unterbrach er den Kuss, die einzige Berührung, die Atemu ihm gestattete und stemmte seine Hände gegen die Brust des Pharao. „Nein“,  presste Yugi zwischen schweren Atemzügen hervor. „Bitte… Hör auf.“ Er spürte, wie sich Atemus gesamter Körper anspannte. Einen Moment trafen sich ihre Blicke. Wut. Verletzter Stolz, Schrecken, Unsicherheit, Verwirrung, Schuldgefühl. Zum ersten Mal lag so viel Emotion in Atemus Augen, dass Yugi erschauderte. So viel Menschlichkeit. Ohne nachzudenken, hob Yugi eine Hand, wollte Atemu sanft über die Wange streichen, doch kurz bevor er die dunkle Haut berührte, gewann der Zorn die Vorherrschaft in den violetten Augen. Wortlos schlug der Pharao Yugis Hand beiseite und stemmt sich hoch. Yugi wusste nicht, was ihn mehr verletzte. Der Hall der zuschlagenden Türe, oder dass Atemu den Raum verlassen hatte, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. ~oOo~ Stunden waren vergangen. Stunden, in denen Yugi das Gesicht in den Armen vergraben und gewartet hatte. Atemu war nicht wieder erschienen. Yugi schluckte schwer, doch der bittere Kloß in seiner Kehle wollte nicht weichen. Ungelenk stand er schließlich auf, bewegte sich so leise wie möglich durch den Raum und blieb vor der Tür stehen, hinter der Atemu verschwunden war. Der bittere Kloß rutschte ein kleines Stück höher. Langsam legte er seine bebenden Hände gegen das kalte Holz und lehnte seine Stirn dagegen. Er wusste, dass Atemu noch im angrenzenden Raum war. Er fühlte es. Lange rang er mit sich, doch dann drückte er die Tür mit dem Mut der Verzweiflung einen kleinen Spalt auf und spähte hinein. Das Erste, was er erblickte, war ein erdrückend großer, goldener Schrein, dessen schwere Türen weit offen standen. Aus dem Inneren starrte ein Wesen hervor, das Yugi ein Schaudern über den Rücken jagte. Unförmige Ohren, ein dürrer Leib aus mattem Schwarz, eine gebogene Schnauze und tiefliegende, gelbe Augen. Obwohl das Wesen aus Stein gemeißelt war, schien es seltsam lebendig zu sein. Yugi glaubte, die Heimtücke und Verschlagenheit körperlich spüren zu können, die von der großen Statue ausging. Nur mit großer Überwindung konnte er sich dazu zwingen den Blick zu lösen und dem Pharao zuzuwenden, der reglos vor der Statue verharrte. Demütig war er auf die Knie gesunken, die Stirn berührte den kalten Mosaikboden. Jeglicher Schmuck, selbst sein königliches Diadem, lag achtlos verstreut neben der Tür, nur das Milleniumspuzzle lag um seinen Hals. Hatte er die ganze Zeit so verharrt? Yugi biss sich auf die Unterlippe, versuchte den galligen Geschmack zu ignorieren, der über seine Zunge kroch. Er sah, dass Atemus Fingerspitzen bebten. Er sah, wie angespannt der gesamte Körper des Pharaos war, hörte die leise geflüsterten Gebetsformeln, ohne eine davon wirklich zu verstehen. Und er wusste plötzlich, dass er hier nicht hin gehörte. So leise, wie er die Tür geöffnet hatte, zog er sich zurück und ließ sich wieder neben dem Senet-Spiel nieder. Seine Fingerspitzen schoben die Steine auf dem Spielbrett umher, brachten sie zurück in ihre alte Position und verschoben sie erneut. Was sollte er tun? Wie konnte er dem Pharao gegenüber treten? Kälte floss über seinen Rücken als er an die Statue dachte, die dort im Schrein lauerte. Was war das für ein Wesen? Es schmerzte Yugi zu sehen, wie demütig Atemu auf dem Boden gelegen hatte. Er, der sonst so stolz, so autoritär schien. Der Laut einer sich öffnenden Tür riss Yugi aus seinen Gedanken und als er den Kopf wandte, sah er den Pharao eintreten. Yugi erhob sich hastig, zögerte dann einen Moment und trat ihm dann doch mit einem zaghaften Lächeln entgegen. „Atemu! Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr zu-“ Er sah die Bewegung zwar noch aus dem Augenwinkel, aber er war zu überrascht um der Ohrfeige auszuweichen. Sie traf ihn mit voller Wucht. Noch ehe er fassen konnte, was gerade geschah, grub sich Atemus Hand in die Vorderseite seiner Tunika und zerrte ihn grob vom Boden hoch. Als Yugi entsetzt aufsah, erstarrte er. Aus Atemus Augen war jegliche Menschlichkeit verschwunden. Wo noch Stunden zuvor Verwirrung und verletzter Stolz geschimmert hatten, herrschte nur noch bodenlose Kälte. „Du elendes Gossenkind.“ Atemus Stimme schnitt durch die Luft wie gebrochenes Glas. „Was erlaubst du dir eigentlich?“ Er fuhr herum und zerrte Yugi mit sich, der viel zu schockiert war, um zu reagieren. In einer wütenden Bewegung riss Atemu die Tür auf, die in den Flur hinaus führte und schleuderte Yugi so heftig von sich, dass dieser einige Schrittlängen über den Boden schlitterte. „Verschwinde! Such dir irgendein Loch in diesem Palast, in das du dich verkriechen kannst, aber geh mir aus den Augen!“ Yugi zog zittrig die Luft ein. Der Pharao bebte vor Zorn, seine Stimme hallte im Flur wieder, traf auf steinerne Fresken und wurde zurückgeworfen. Der ganze Palast schien zu verstummen. Atemu fuhr herum und fixierte mit seinem Blick plötzlich zwei Diener, die in einer Mischung aus Schrecken und Neugier aus einem nahen Raum lugten. „Du! Geh und hole Djedefre. Er hat in zehn Minuten hier im Palast zu sein. Und du, informiere Ishizu darüber, dass mein Privatschrein neue Opfergaben benötigt.“ Während die Diener in panischer Eile davonstoben, trat der Pharao noch einmal auf Yugi zu, der sich vor Fassungslosigkeit nicht regen konnte. Atemu schien sich wieder unter Kontrolle zu haben, seine Stimme war leise und ruhig, doch von einer solchen Schärfe, dass Yugi glaubte, sie würde ihm ins Fleisch schneiden. „Kenne deinen Platz, Straßenbalg“, zischte Atemu, während er sich schon wieder abwandte, „und versuche nie wieder ihn zu verlassen.“ Als die Tür hinter dem Pharao ins Schloss fiel, ergriff Yugi ein heftiges Beben. Er wollte schreien, aber brachte keinen Ton über die Lippen. Er fühlte Tränen in sich aufsteigen, Tränen der Wut, der Frustration, aber auch Tränen, deren Ursprung er nicht deuten konnte. Hastig drängte er sie zurück, biss sich so fest auf die Lippe, dass es schmerzte. Er wusste nicht, wie lange er dort auf dem Boden verharrte und versuchte, sich wieder zu fassen. Irgendwann rissen ihn jedoch schnelle Schritte aus der Starre. Einer der Diener war zurückgekehrt, begleitet von einem kleingewachsenen, schlanken Ägypter, der nicht viel mehr trug, als einen schmalen Lendenschurz. Vor der Tür zu Atemus Privaträumen angekommen, verharrte der Fremde kurz, atmete einige Male tief ein und aus und strich sich das schulterlange Haar glatt. Schließlich lächelte er selbstgefällig, klopfte an die Tür und verschwand in dem Raum. Auch wenn Yugi wusste, dass es ein Fehler war, kroch er langsam über den Boden und lehnte sich gegen die schwere Flügeltür. Er hörte den Fremden sprechen, hörte Atemu knapp antworten, doch mehr als einzelne Worte konnte er durch das dicke Holz nicht verstehen. In seinem Magen tobte ein Sturm. Mit zitternden Fingerspitzen fuhr Yugi über die Reliefs, welche die Tür schmückten. So seltsam es schien, doch diese alten Hieroglyphen spendeten ihm ein wenig Ruhe und Trost. Die Unterhaltung zwischen Atemu und dem Fremden war verstummt. Es schien ruhig zu sein im Raum. Yugi holte tief Luft und schloss gerade die Augen, als plötzlich ein seltsames Geräusch zu ihm hindurch drang. Sein Inneres erstarrte zu Eis. Ihm war sofort klar, was er hörte; er sah sofort die Bilder von dem vor sich, was gerade in dem Raum geschah. Der Geschmack von Galle überflutete seine Kehle, brachte ihn zum würgen. Die Tränen, die er bis dahin unterdrückt hatte, brachen hervor und plötzlich wurde ihm bewusst, was es war, das da neben Wut und Frust in ihm nagte. Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube, als er den Kopf mit einem Schluchzen in den Armen vergrub und der Eifersucht nachgab. ~oOo~ Djedefre war ein Meister darin, sämtliche Gefühlsregungen in seiner Mimik verbergen zu können und doch tat er sich heute schwer damit, die Arroganz aus seinem Gesicht zu verbannen. Es war tatsächlich endlich geschehen. Der Pharao ließ ihn in den Palast rufen. Öffentlich und ohne einen Täuschungsgrund vorzuschieben. Endlich hatte Djedefre eine Position erreicht, die es ihm ermöglichte, direkten Einfluss auf den Pharao zu nehmen. Der Tänzer biss sich auf die Zunge, um ein Lachen zu unterdrücken, während er hinter dem Palastdiener durch die Flure eilte. Heute war der triumphalste Tag seines Lebens. Bevor er die Tür zu Atemus Privaträumen betrat, fuhr er sich mehrmals durch das Haar, er wollte nicht zerzaust und außer Atem vor den Pharao treten. Als er sich gesammelt hatte, klopfte er und trat ein. Der Pharao stand im Halbschatten und war schwer auszumachen, doch Djedefre konnte den durchdringenden Blick spüren, der auf ihm lag. Er bemühte sich um ein besonders kokettes Lächeln und verneigte sich so tief, dass sein Haar zur Seite fiel und seinen Nacken offenbarte. „Guten Abend, edler Pharao. Es ist mir eine Freude-“ „Schweig“, unterbrach Atemu ihn unwirsch und Djedefre schnappte lautlos nach Luft. Noch ehe er sich wieder aufrichten konnte, hatte der Pharao bereits den Raum durchschritten und vergrub seine Hand in dem ungeschützten Nacken des Tänzers. „Ich habe dich nicht für ein Gespräch hierher bestellt.“ Djedefre war so perplex, dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte. Stumm ließ er sich von Atemu auf das Bett drängen und verharrte reglos. Atemu hielt sich weder mit einem Kuss auf, noch mit einer sanften Berührung. In jeder Bewegung konnte Djedefre die Wut fühlen, die in Atemu loderte und er biss sich heftig auf die Unterlippe, damit ihm kein Laut entkam. Trotz einem Leben zwischen Tanz und Prostitution hatte er sich noch nie so gedemütigt gefühlt. Atemu würdigte ihn keines Blickes, schien durch ihn hindurch zu sehen, als existiere er gar nicht; er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht sich zu entkleiden. Nach einer Zeit, die sich für Djedefre schier endlos anfühlte, war es endlich vorbei. Atemu spannte sich ein letztes Mal an, schloss die Augen und verharrte einige Sekunden, ehe er sich sofort zurückzog und abwandte. Schwerfällig glitt Djedefre von dem prachtvollen Bett und tastete nach dem Lendenschurz, den der Pharao ihm unsanft heruntergerissen hatte. Was war mit Atemu geschehen? Noch nie hatte Djedefre ihn so gesehen. Verwirrt sah der Tänzer auf und musterte den Pharao, der aufgestützt auf seinen Schreibtisch, mit dem Rücken zu ihm, stand und auf einen gesprungenen Alabasterkrug starrte. Djedefre wusste, dass es nun an ihm war um seinen Lohn zu bitten, aber zum ersten Mal zögerte er. Das hier war nicht der Pharao Atemu, den er kannte. Und das war nicht der Pharao Atemu, der sich von ihm manipulieren ließ. Langsam erhob er sich, zögerte erneut und sank dann doch auf die Knie. „Mein…“ Er räusperte sich, als er hörte, wie heiser seine Stimme klang. „Mein Lohn, werter Pharao. Bitte.“ Zuerst schien es, als würde Atemu nicht reagieren, doch dann warf er ohne hinzusehen einige Kupferstücke zu Boden. Djedefre sammelte das Metall hastig ein, zählte es und stockte. „Werter… Werter Pharao, für gewöhnlich besteht mein Lohn aus fünf Deben Kupfer. Ich zähle jedoch nur drei und-“ „Das ist mehr als reichlich. Geh jetzt. Lass mich allein.“ Djedefre presste wütend die Lippen aufeinander. Sein ganzer Einfluss auf den Pharao schien von heute auf morgen verschwunden zu sein. In einer schnellen Bewegung erhob er sich und wandte sich der Tür zu. Auf dem Weg dorthin vergewisserte er sich, dass Atemu nicht zu ihm sah und ließ einen achtlos herumliegenden Schmuckreif in einer kleinen Tasche seiner Tunika verschwinden. „Dieses verfluchte Gossenkind…“ Der Fluch, der leise über Atemus Lippen brach, ließ Djedefre aufhorchen. War das der Grund für die Laune des Pharaos? Nachdenklich ließ Djedefre die Tür hinter sich ins Schloss fallen – und stolperte beinahe über eine kleine Gestalt, die im Flur kauerte. Überrascht musterte Djedefre den fremden jungen Mann, sein Blick flog über exotisch weiße Haut und große, tiefe Augen, die rot von vielen Tränen waren. Plötzlich begriff er. Djedefre ballte die Hände zu Fäusten und umrundete den Fremden mit weitausgreifenden Schritten. Dieses Häuflein Elend zu seinen Füßen machte ihm allem Anschein nach den Platz streitig. Wenn Djedefre sich nicht vorsah, würde er jeglichen Einfluss auf den Pharao verlieren. Das konnte er nicht zulassen. Kurz bevor Djedefre den Privatbereich des Palastes verließ sah er noch einmal zurück. Dieses Gossenkind war ein Problem. Er musste dieses Problem aus der Welt schaffen. Und zwar schnell. ~oOo~ Seine Augen brannten, seine Kehle war trocken. Er fühlte sich elend und erbärmlich gleichermaßen. Und einsam. Unendlich einsam. Ein letztes, leises Schluchzen brach aus ihm hervor und endete in einem traurigen Seufzen. Was sollte er denn jetzt tun? „Der Boden kann kalt werden bei diesem Wetter. Steh auf.“ Eine weiche Stimme ließ Yugi heftig zusammen zucken und er sah hastig auf. Das erste, was er erblickte, war eine schmale Hand, die sich ihm auffordernd entgegenstreckte, das zweite waren freundliche Augen und ein sanftes Lächeln. „Du bist sicher Yugi, nicht wahr?“ fragte die junge Frau, die ihm vom Boden aufhalf und sein stummes Nicken mit einem weiteren Lächeln quittierte. „Keine Angst, ich kenne deine Geschichte. Ich bin Ishizu, die Hohepriesterin des Pharao. Komm. Es ist besser, wenn unser Pharao dich nicht auf dem Flur antrifft.“ Nach einem kurzen Zögern nickte Yugi erneut und folgte der Priesterin zaghaft in einen Raum, der vollgestopft war mit Papyri, in Leder geschlagenen Schriftrollen und Stoffstreifen voll Hieroglyphen. Ishizu benetzte ein Leinentuch mit etwas kaltem Wasser aus einer nahestehenden Karaffe und reichte es Yugi weiter. „Hier. Kühle dein Gesicht ein wenig. Und dann erzähle, was geschehen ist.“ Das kühle Tuch half tatsächlich, auch wenn es an den Augen brannte. Aber die Kühle ließ ihn wieder klare Gedanken fassen und beruhigte sein aufgebrachtes Inneres. „Ich … weiß es gar nicht so genau“, antwortete er leise und schlug seine erhitzten Hände in das kalte Tuch ein. „In den vielen Tagen, die ich hier bin, habe ich den Pharao nie so erlebt. Er war sonst so … nett. Streng und ruhig, aber freundlich.“ Ishizus bemerkenswert blaue Augen verengten sich, doch sie unterbrach ihn nicht. Yugi zuckte leicht mit den Schultern. „Er hat … Spiele mit mir gespielt. Hat mir Senet beigebracht. Und er hat…“, er unterbrach sich und bedeckte sein Gesicht hastig mit dem Leinen, als er spürte, wie seine Wangen zu glühen begannen. Nach einer Weile unterbrach Ishizu das Schweigen wieder. „Was ist dann vorgefallen?“, fragte sie und Yugi seufzte leise. „Wenn ich das nur wüsste“, antwortete er. „Nachdem ich ihn dabei beobachtet habe, wie er vor seinem Schrein kniete, da-“ „Moment.“ Ishizu unterbrach Yugi mit einer hastigen Handbewegung. „Du hast den Schrein gesehen?“ Yugi nickte zögerlich. „Du hast auch das Innere des Schreins gesehen?“ Yugi nickte wieder. „Was hast du gesehen? Was für eine Statue war dort zu finden?“ Yugi musterte die Hohepriesterin irritiert und kratzte sich nachdenklich an der Wange. „Ich kann es nicht genau sagen. Sie war … seltsam. Ein wenig unheimlich, wenn ich ehrlich bin. Sie hatte komische, lange Ohren und einen langen … Rüssel, oder eine Schnauze, da bin ich mir nicht sicher. Sie stand auf allen Vieren und ….“ „Seth.“ „Wie bitte?“ „Der Gott der Wüsten und des Chaos. Seth.“ Ishizu atmete tief ein. „Es ist also wahr.“ Yugis Gesichtsausdruck musste deutlich machen, wie wenig er verstand, denn plötzlich lächelte Ishizu verzeihend. „Du kannst das natürlich nicht wissen. In dem Schrein des Pharao stehen für gewöhnlich die drei wichtigsten Gottheiten des Landes. Das war auch früher bei Pharao Atemu der Fall. Seit einiger Zeit ist es uns Hohepriestern nicht mehr erlaubt, den Schrein zu öffnen, und es wurden Gerüchte laut, dass die Statuen ausgetauscht wurden. Wie es scheint, bewahrheiten sich viele Dinge, die mir zu Ohren gekommen sind.“ Der Gesichtsausdruck der Priesterin wurde ernst und sie fügte leise hinzu: „Mana hatte Recht.“ Yugi zuckte bei der Erwähnung der Jungpriesterin leicht zusammen, widerstand aber der Versuchung nach Joey zu fragen. Ishizu schien die Bewegung jedoch bemerkt zu haben, denn sie lächelte erneut und schüttelte leicht den Kopf. „Keine Sorge, Yugi. Ich weiß nicht nur über dich Bescheid, ich weiß auch von Joey und eurer Begegnung mit Schesemtet.“ Die Woge der Erleichterung, die über Yugi hinwegfloss, war so stark, dass er leise aufstöhnte. „Wo ist Joey? Wie geht es ihm? Hat man von ihm gehört? Und wo ist Mana? Geht es ihr gut?“ Ishizu hob beide Hände, als die Fragen auf sie einprasselten. „Langsam, Yugi, langsam. Über Joey und Manas Verbleib habe ich keine Informationen. Sie haben vor einigen Tagen Theben verlassen und sich auf eine Reise begeben. Ich vermute, dass sie hinter dem Auge des Re her sind. Mana hat all ihre Hoffnung in dieses Artefakt gesetzt.“ Yugi seufzte leise. „Und statt sie zu unterstützen, mache ich alles nur noch schlimmer.“ Ishizus Lächeln nahm einen warmen Zug an. „Den Pharao, den du kennengelernt hast, Yugi, hat viele Jahre niemand mehr gesehen. Du hast es nicht schlimmer gemacht. Du hast nur etwas verändert. Ob zum Guten oder Schlechten wird sich erst zeigen.“ Nach einem prüfenden Blick aus dem Fenster erhob sich die Priesterin schließlich. „Es ist schon sehr spät. Ich werde mich nun zurückziehen. Lass den Kopf nicht hängen, Yugi. Im Nachhinein sieht vieles anders aus und neue Wege offenbaren sich meist dann, wenn man es am wenigsten erwartet.“ Sie schenkte Yugi ein kurzes Lächeln und hielt an der Tür noch einmal inne. „Ich werde morgen in den Tempel gehen und die Götter darum bitten, Joey und Mana heil zurückkehren zu lassen. Vielleicht beruhigt dich das ein wenig.“ Nachdem sie gegangen war, saß Yugi noch lange an dem leeren Tisch und starrte in den prasselnden Regen hinaus. Er glaubte endlich zu verstehen, was Schesemtet gemeint hatte, als sie von Seths Einfluss auf Atemu sprach. Seth beeinflusste nicht nur Atemus Entscheidungen. Er stülpte dem Pharao Wesenszüge über, die diesem eigentlich fremd zu sein schienen. Yugi fröstelte. Er wollte Atemu helfen. Er wusste noch nicht, wie ein einfacher Mensch gegen eine Gottheit wie Seth antreten konnte. Aber er wusste, dass Schesemtet, Joey und Mana auf ihn vertrauten. Doch noch mehr als dieses Vertrauen, wog der innige Wunsch, Atemus sanftes Lächeln noch einmal zu sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)