Das Omen Yggdrasils von Lady_Haru (Xerneas Kismet und die Reise gen Ragnarök) ================================================================================ Kapitel 9: Brennende Lanze -------------------------- Einige Stunden zuvor: Kalem saß fassungslos im Gras und vergrub seine Hände in den Haaren. Tränen liefen ihm über die Wangen und sein Körper zitterte in Schüben. „Was habe ich nur getan? Wie konnte ich Haru nur so behandeln?“, schluchzte er mit purer Verzweiflung in der Stimme, „ich hätte sie doch niemals verletzten können.“ Angewidert betrachtete er seine Hände, mit denen er Haru kurz vorher unter Zwang festgehalten hatte. Blanke Wut stieg in ihm auf und er schlug mit der geballten Faust in den Waldboden. Irgendetwas war eben mit ihm passiert. Niemals zuvor, hatte er die Kontrolle über sich verloren. Ihm war so, als wenn jemand über seinen Körper Besitz ergriffen und seine Handlungen beeinflusst hätte. Die Vorstellung ließ ihn erschaudern, doch jäh wurde seine Furcht von unbeugsamer Entschlossenheit verdrängt. „Haru... Ich muss sie finden und klarstellen, dass ich nicht ich selbst war!“ Unbeirrt rappelte er sich auf, schnappte sich seinen Rucksack und rannte los, als wäre der Tod hinter ihm her. Keuchend hetzte er durch die Finsternis. Das dichte Geäst des Waldes schien nach ihm zu greifen. Er stolperte über dicke Wurzeln, die sich wie Vipitis am Boden wandten. Zweige peitschten ihm durchs Gesicht und schürften seine Haut. Der Wind jaulte tobend durch die Baumkronen und wirbelte Blätter und dünne Äste auf. Die Natur spielte plötzlich völlig verrückt, fast so als würde etwas versuchen ihn daran zu hindern, Haru zu finden. Er schmeckte Blut, das ihm von der Wange hinablief, doch es war ihm egal. Das Adrenalin pulsierte durch seine Adern und er lief noch schneller. Atemlos preschte er eine Böschung hinunter und hoffte auf irgendwelche Geräusche, die ihn auf Harus Fährte brachten, doch das Rauschen des Windes schluckte jeden Laut. Mit rasselndem Atem blieb er stehen, fasste sich an die krampfende Brust und blinzelte. Die Dunkelheit legte sich wie ein schwarzer Schleier um die Bäume. Schemenhafte Schatten bewegten sich in der Ferne, doch er erkannte nur diffuse Umrisse von im Wind zitternden Ästen. „Haru wo bist du nur?“, presste er zwischen seinen schweren Atemzügen hervor und sog gierig nach Sauerstoff. Plötzlich drang eine schrille Mädchenstimme durch das Heulen des Windes. „Scheiße, sie steckt bestimmt in Schwierigkeiten!“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und hastete fluchtartig in die Richtung, aus der der Schrei kam. Immer und immer wieder rief er Harus Namen, doch er bekam keine Antwort. In der Ferne erkannte Kalem zum ersten Mal die schwachen Strahlen des Mondes, die durch das dichte Gestrüpp des Unterholz fielen. Bestimmt steuerte er auf den fahlen Lichteinfall zu, doch völlig unerwartet spürte er einen dumpfen Schlag an seinem Schädel und ging, begleitet von einem heftigen Schmerz, zu Boden. Irgendwas hatte ihn mit voller Wucht gerammt und von den Füßen gerissen. Stöhnend hielt er sich den pochenden Kopf und rollte übers feuchte Gras. Mit schwirrenden Pünktchen vor Augen versuchte er seinen Oberkörper aufzurichten. „Verdammt, tat das weh“, raunte er mit schmerzverzerrter Miene, blinzelte mehrmals und blickte irritiert um sich. Nur ein paar Schritte entfernt, sah er eine zierliche Person am Boden liegen, die sich jammernd hin und her wandte. Ihre quietschende Stimme kannte er nur allzu gut. „Sannah!? Wo zur Hölle kommst du denn her“, fragte Kalem fassungslos und rieb sich ungläubig die Augen. Seine Freundin unterbrach ihr Wehklagen und drehte sich zu ihm um. Dicke Karnimani-Tränen rollten ihr übers Gesicht. „Kalem! Bin ich froh! Ich dachte schon ich finde dich niemals wieder!“, stieß sie schluchzend hervor und krabbelte auf allen Vieren zu ihm herüber. Sie wirkte vollkommen verwahrlost. Ihr ganzer Körper war mit Dreck beschmiert, die Haare vollkommen verfilzt und ihre Klamotten zerrissen. Mit großen, verzweifelten Augen hockte sie neben ihm und griff schniefend nach dem Ärmel seiner Jacke. „Ich hatte solche Angst!“, jaulte sie und der Schnodder lief ihr aus der Nase. „Man ist ja gut, beruhige dich mal!“, sagte Kalem entnervt, tätschelte ihr aber behutsam den Kopf. Sannahs Tränen verebbten allmählich und sie fasste sich wieder. „Wo ist Haru? Hat sie sich etwa auch verlaufen?“, fragte sie entsetzt und presste sich ihre verdreckten Hände an die Wangen. „Ich befürchte ja. Hast du eben auch den Schrei gehört?! Sie muss in Gefahr sein!“ „Das war Haru? Worauf warten wir dann noch? Wir müssen sie finden!“ „Ach was du nicht sagst... .“ Kalem verdrehte die Augen, erhob sich rasch und reichte Sannah die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Los komm, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!“, meinte er energisch und beide setzten sich in Bewegung. Je näher sie der Lichtung kamen, umso heftiger peitschten ihnen die Windböen entgegen. Mit gesenktem Kopf und zusammengekniffen Augen stemmten sie sich gegen den Sturm. „Verdammt! Ich kann kaum atmen. Woher kommt dieser krasse Wind?!“, brüllte Kalem durch das ohrenbetäubende Geheul der schwingenden Baumkronen. Wenige Meter vor dem lichtdurchfluteten Waldabschnitt, blieb Sannah abrupt stehen. „Oh mein Arceus! Kalem! Da vorne liegt Haru! Irgendetwas greift sie an!“, schrie Sannah aufgelöst und deutete mit zitternder Hand vor sich. Inmitten der Lichtung konnten sie eine monströse Gestalt erkennen, die sich auf ihre Freundin zubewegte. Kalem konnte nicht fassen was er sah. „Scheiße, das ist ein Pinsir! Seit wann gibt’s die hier? Hat das Vieh etwa Flügel?! “ „Ist doch egal Blödi! Wir müssen was tun!“, kreischte Sannah und schritt eisern vorwärts. Plötzlich drang ein tiefes Surren durch den heulenden Wind und eine orkanartige Böe erfasste Sannah. Schreiend wurde sie zurückgeschleudert. Kalem machte reflexartig einen Satz nach Vorne, um sie mit dem Körper abzufangen und beide gingen ruckartig beide zu Boden. „Sannah, was zum - .“ Der Blick gen Himmel schnürte Kalem das Wort ab. Über ihm bewegte sich ein länglicher Korpus. Ein Paar bläulich schimmernder Flügel vibrierte flackernd und stieß kräftige Windstöße von sich. Rot glühende Facettenaugen starrten zu ihm herab und ein furchteinflößendes Brummen drang in seine Ohren. Eine riesige Wespe schwirrte in der Luft und ihr vor Gift triefender Stachel zuckte bebend. „Hilfe, ein Bibor! Aber d-d-das...“, stotterte Sannah mit trockener Kehle. „Sieht vollkommen anders aus, als seine Artgenossen“, beendete Kalem atemlos ihren Satz. Es war mindestens um die Hälfte größer als gewöhnliche Bibor. Die Beine an seinem Unterleib waren zusätzlich mit spitzen Giftnadeln ausgestattet. Damit besaß dieses Exemplar ganze Fünf Stacheln, anstatt drei. Drohend richtete es seine langen Fühler auf und stieß kurze, rasselnde Töne aus. „O.k. ganz ruhig bleiben Sannah. Keine hastigen Bewegungen machen“, mahnte Kalem sie flüsternd und deutete ihr mit einem seitlichen Nicken, sich langsam nach hinten weg zu bewegen. „Spinnst du! Panik ist angesagt!“, schrie sie völlig außer sich, sprang auf und zischte davon. „NEIN! Sannah komm zurück!“ Ohne zu zögern stürmte das Bibor seiner flüchtenden Beute hinterher. Kalem rappelte sich hastig auf und die nackte Angst überkam ihn. Nun waren beide seiner Freundinnen in tödlicher Gefahr. Panisch blickte er hinüber zur Waldlichtung und stellte überrascht fest, dass Haru verschwunden war. „Ich bete einfach, dass du dir selbst helfen konntest Haru. Es tut mir leid.“ Mit schwerem Herzen wendete er sich ab, rannte los und folgte Sannahs Geschrei. Die Erschöpfung zerrte stark an Kalems Körper. Seine Füße wollten ihn kaum noch tragen, doch sein Wille war unbezwingbar. Er wollte nicht auch noch Sannah enttäuschen. Mutig stürmte er auf seine Freundin zu, die völlig verängstigt in einem längs am Boden liegenden, hohlen Baumstamm Schutz gesucht hatte. „Kalem! Hilf mir! Das Vieh spießt mich noch auf!“ Das Bibor schwirrte wütend um sie herum und stach mit seinem Stachel durch das morsche Holz. Sannah schrie schrill auf, kugelte aus ihrem Versteck heraus und stolperte hinüber zu ihrem Freund. Das monströse Insekt kreischte erbost und schlug heftig mit den Flügeln, als es mit seinem Hinterleib im Baum stecken blieb. Kalem schob sich schützend vor Sannah und zückte seinen Pokeball. „Das ist unsere Chance! Dartiri! Los ich brauche dich!“, rief er furchtlos und sein Pokemon erschien kampfbereit vor ihm. Die riesige Wespe tobte vor Wut, schaffte es aber nicht, sich aus seiner Misere zu befreien. „Dartiri versuch so nah wie möglich an Bibor ran zu kommen und setze Glut ein. Ziele dabei auf seine Flügel!“ Der kleine Vogel gehorchte sofort und kämpfte sich gegen den starken Sturm bis zum zappelnden Insekt vor. Als Dartiri nahe genug war, feuerte es kleine Flammen auf die Flügel seines Gegners ab. Die schwache Glut glimmte hell auf, wuchs angefacht durch die scharfen Windböen, zu einem Meer aus Flammen heran und erfasste Bibors feingliedrigen Schwingen. Es krächzte schmerzverzerrt auf, zog ruckartig an seinem Körper und riss sich dabei den Stachel aus dem Unterleib. Ein Erguss klarer Hämolymphe spritzte zu allen Seiten aus ihm hervor und triefte über den Waldboden. Bei dem abstoßenden Anblick überkam Sannah ein Schwall der Übelkeit. Das Bibor brach schwindend zu Boden, zuckte unkontrolliert und wurde von hellen Lichtstrahlen umschlossen. Schlagartig nahm es seine gewöhnliche Gestalt an und blieb bewegungslos in einer Lache aus farblosen Körpersekreten liegen. „Ist es vorbei?“, fragte Sannah heiser und sah hinüber zu Kalem, der sich dem bewusstlosen Insekt vorsichtig näherte. „Jup, das wird so schnell keinen Ärger mehr machen“, meinte er nüchtern und wendete sich angewidert ab, „Komm Sannah, lass uns von hier verschwinden. Ich hab genug von diesem Wald.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)