La Vie de Fayette von Sky- (Beloved Enemies) ================================================================================ Kapitel 15: Love Is Complicated ------------------------------- Ich hatte Rions Anrufe ignoriert und ich blieb auch die meiste Zeit zuhause. Auch seine Kurzmitteilungen via SMS blieben ungelesen und wurden deshalb auch nicht beantwortet. Da meine Mutter meistens arbeiten war, bekam sie nicht allzu viel von all dem mit, was mich derzeit beschäftigte und das war auch ganz gut so. Ich wollte auch nicht darüber sprechen und nach meinem letzten Versuch hatte ich es auch schon aufgegeben, mit ihr darüber sprechen zu wollen. Allerdings merkte dafür meine Schwester Emily, dass etwas nicht mit mir stimmte und sie bot mir deshalb auch an, dass sie Seth anrufen könne, damit wir beide mal reden konnten. Ich lehnte aber ab und erklärte ihr, dass es ein Problem war, bei dem er mir nicht helfen konnte. Lustlos saß ich die meiste Zeit am PC oder an der Playstation, zwischendurch malte ich und verbarrikadierte mich hauptsächlich in meinem Zimmer. Zumindest so lange, bis ich dann doch raus musste, weil ich dringend Terpentin brauchte. Den letzten Rest hatte ich schon für die Reinigung meiner Pinsel komplett aufgebraucht und wenn ich weitermalen wollte, brauchte ich neues. Also nutzte ich die Gelegenheit, um nach zwei Tagen kompletter Isolation wieder nach draußen zu gehen. Ich hatte ja auch nicht so wirklich Lust, als Hikikomori zu enden, so wie Emily jene Menschen bezeichnete, die niemals ihr Haus verließen und zu recht sonderbaren Gestalten wurden. Das war ja auch nicht so ganz das, was ich wollte. Also schnappte ich mir meine Tasche und wollte zuerst mit dem Fahrrad zum Laden für Kunst- und Bastelbedarf fahren, bis sich dann aber herausstellte, dass mein Fahrrad einen platten Reifen hatte und ich deshalb wohl oder übel zum Laufen genötigt war. Naja, so schlimm war das ja auch nicht. Ein bisschen Laufen schadete ja sowieso nicht, nachdem ich die letzten zwei Tage nur in meinem Zimmer gehockt hatte. Das Wetter war ziemlich durchwachsen und es ließ sich nur schwer sagen, ob es regnen würde. Sicherheitshalber nahm ich deshalb einen kleinen Regenschirm mit und hörte unterwegs ein wenig Musik auf meinem MP3-Player. Es tat wirklich gut, mal wieder frische Luft zu schnappen und ein wenig Abwechslung zu bekommen. Vielleicht machte ich danach noch einen Abstecher in den Musikladen, um mir die neueste CD meiner Lieblingsband zu kaufen. Während ich die Straßen entlangging und der Musik lauschte, dachte ich darüber nach, was wohl Rion machte und wie es ihm ging. Mit Sicherheit ging es ihm nicht sonderlich gut, nachdem ich einfach so abgehauen war und seitdem seine Anrufe ignorierte, obwohl er mir gesagt hat, dass er mich liebte. Ich war wirklich nicht fair zu ihm. Er gestand mir seine Gefühle und ich lief einfach weg wie ein Feigling. In den letzten zwei Tagen hatte ich ja genug Zeit gehabt, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und mich irgendwie wieder zu beruhigen, aber ich wusste leider immer noch nicht, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Ja man konnte fast sagen, ich drückte mich ein wenig vor der Konfrontation mit ihm und traute mich nicht, ihm unter die Augen zu treten. Was sollte ich ihm sagen und wie sollte ich mich entscheiden? Für ein Leben mit ihm? Aus einer neutralen Sicht gesehen war das ja auch nicht ganz einfach. Zwar hatten wir ähnliche Interessen und konnten gut zusammenarbeiten… ganz zu schweigen davon, dass Rion erfolgreich und vermögend war. Aber andererseits würden wir dann auch mit den Schwierigkeiten leben müssen, die so eine Beziehung mit sich brachte. Wir wären als schwul abgestempelt und müssten mit dem Spott und der Ablehnung unseres Umfeldes leben. Außerdem hätten wir auch mit Vorurteilen zu kämpfen und das würde uns beide betreffen. Aber wenn ich mir Seth so ansah… der kam gut damit klar und sonderlich unglücklich darüber, dass er nicht überall Zuspruch fand, war er ja auch nicht. Selbst über die heftige Reaktion seiner Eltern war er ja eigentlich ganz gut hinweggekommen und er stand auch zu seiner Sexualität und schämte sich auch nicht dafür. Manchmal fragte ich mich echt, woher er bloß diese Stärke nahm. Ich wünschte echt, ich wäre das auch und würde mich nicht immer so sehr verunsichern lassen. Das würde so einiges einfacher machen. Nachdem ich das Terpentin besorgt hatte, machte ich noch einen kurzen Abstecher zum Musikladen, kaufte mir das neueste Album meiner Lieblingsband und wühlte noch ein wenig herum und ließ mir Zeit. Es tat gut, mal wieder aus dem Haus rauszukommen und mal wieder unter die Leute zu kommen. Und es besserte auch meine Laune wieder ein wenig. Ich glaube, ich mir wäre ansonsten noch echt die Decke auf den Kopf gefallen… „Hey Fay…“ Ich zuckte zusammen, als ich diese vertraute Stimme hörte, die mich jedes Mal so nervös machte, dass ich ins Stottern geriet. Langsam wandte ich mich um und sah doch tatsächlich Katherine. Ihre großen braunen Augen wirkten ein kleines bisschen schüchtern und ausnahmsweise trug sie mal die Haare offen, anstatt sie immer zu einem Zopf zu binden. Sie sah wie immer bildschön aus und trug ein cremefarbenes T-Shirt mit Schmetterlingsaufdruck, eine helle Jeanshose und Sandalen mit Absätzen. Etwas zögernd kam sie auf mich zu und hatte wie immer ein offenherziges und wunderschönes Lächeln auf den Lippen. „Oh… Hallo Kathy…“, stammelte ich und war völlig überrumpelt. Was machte sie denn hier? Ach Mann, das hatte mir zu meinem Glück jetzt auch noch gefehlt. So langsam hatte ich echt das Gefühl, der liebe Gott machte das mit Absicht. Wir grüßten uns mit einer kurzen Umarmung und schwiegen. Keiner von uns wusste zuerst, was der andere sagen sollte, aber dann wagte Katherine den ersten Schritt. „Wie geht es dir denn eigentlich, Fay?“ Ich zuckte unsicher mit den Schultern und murmelte „Es geht. Aber es ging mir schon mal besser. Und bei dir?“ Sie gab zu, dass es ihr nicht anders erging. Da wir im Musikladen schlecht miteinander reden konnten, suchten wir uns ein Café und setzten uns an einen Tisch. Wir bestellten uns beide Milchshakes und wussten erst nicht, wie wir miteinander reden sollten. Es war irgendwie schwierig, obwohl die Trennung bereits drei Wochen her war und ich auch nicht mehr damit gerechnet hatte, dass Katherine tatsächlich noch mal mit mir reden würde. Und jetzt das… ausgerechnet dann, wenn in meinem Kopf sowieso schon ein komplettes Chaos war, sodass Sigmund Freud seinen Heidenspaß mit mir gehabt hätte. „Du hör mal, Fay“, begann Katherine schließlich und sah mich mit ihren dunkelbraunen Augen an. „Ich habe über das alles nachgedacht und mir tut es auch leid, dass du meinetwegen so viel Ärger hattest. Ich hätte hinter dir stehen und dich unterstützen sollen, anstatt nur zuzusehen und mich rauszuhalten. Das war nicht fair von mir und ich möchte, dass du weißt, dass ich uns nicht so einfach aufgeben will. Hör mal, wenn du ein Problem hast, dann werde ich dir helfen. Ich bin mir sicher, dass es eine Lösung dafür gibt und gemeinsam können wir sie auch finden, Fay. Aber ich möchte nicht, dass es zwischen uns so enden muss.“ Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, als wäre ich mental mit dem Wagen mit Karacho gegen die Wand gefahren. Nun war wohl die größte Katastrophe von allen eingetroffen, die mir wohl überhaupt hätte passieren können: ich musste eine Entscheidung treffen. Und die Frage war groß, für wenn ich mich entscheiden sollte. Für Katherine oder für Rion? Wenn es nach meinem Kopf gegangen wäre, hätte ich mich sofort für Katherine entschieden. Immerhin stand sie selbst jetzt noch hinter mir und sagte, dass sie mich liebte und mit ihr zusammen zu sein, war die vernünftigste Entscheidung, die ich aus logischer Sicht treffen konnte. Sie war eine Frau, ich konnte sie heiraten und eines Tages vielleicht sogar eine Familie mit ihr gründen. Sie war wunderschön, sympathisch, verdammt attraktiv und… Weiter konnte ich nicht ausformulieren, denn als ich so mit ihr sprach und sie dabei meine Hand hielt, da merkte ich etwas und es tat mir verdammt weh: es fehlte etwas. Ich fand sie immer noch attraktiv und liebenswert, aber ich spürte einfach, dass es nicht genug war, um ihrer Bitte nachzugeben, dass wir wieder ein Paar wurden. Zwar waren da noch Gefühle, aber sie waren nicht mehr so stark, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar liebte ich sie noch, aber ich liebte sie nicht mehr genug, um mir wirklich noch ernsthaft eine Beziehung zwischen uns beiden vorzustellen. Und das war das Schreckliche an dieser Situation. Mein Herz hatte sich eigentlich schon längst entschieden… „Kathy“, begann ich und versuchte zu schlucken, doch mir war, als würde da ein dicker Kloß in meinem Hals stecken. Ich versuchte tief durchzuatmen, doch mir fiel das Ganze mehr als schwer. Ich wollte ihr nicht wehtun, aber ich wusste auch, dass mir wohl keine andere Wahl blieb. Selbst wenn ich mich für sie entscheiden und mit ihr wieder zusammenkommen würde, ich konnte Rion nicht vergessen und Fakt war, dass ich ihn liebte. Ja verdammt, ich liebte ausgerechnet jenen Kerl, der mir im Alter von 13 Jahren vor versammelter Mannschaft im Sport die Hose heruntergezogen hatte. Ich konnte mir auch nicht erklären, welcher Wahnsinn mich nur geritten hatte, mich in den allergrößten Vollidioten zu verlieben, der sich inzwischen als missverstandener Einzelgänger entpuppt hatte. Aber trotzdem wollte ich, dass es anders wäre und ich weiter bei Katherine geblieben wäre. Das hätte so vieles gar nicht erst so kompliziert gemacht und ich hätte dieses ganze emotionale Durcheinander auch nicht. Ich nahm all meinen Mut zusammen und zog meine Hand weg. „Kathy, auch ich hatte Zeit um über alles nachzudenken. Und ehrlich gesagt ist das hier jetzt nicht einfach für mich. Du bist wirklich umwerfend und du weißt sicher noch, wie furchtbar nervös ich war, als ich dich um ein Date gebeten hatte. Ich dachte echt, du würdest mich auslachen und einfach stehen lassen, weil ich nicht gerade der Traumtyp bin. Und deshalb hat es mich auch echt umgehauen, dass du ja gesagt hast. Du hast mich immer so genommen wie ich bin, selbst mit meinen Fehlern… deshalb tut es mir auch selber ziemlich weh, dir sagen zu müssen, dass ich mir einfach keine Beziehung mehr zwischen uns vorstellen kann.“ Ich sah, wie verletzt sie war und es tat mir auch selbst weh. Vor allem, weil ich ja wusste, dass sie mich immer noch liebte. Aber ich musste es jetzt einfach tun. Ich konnte doch nicht den Rest meines Lebens immer nur davonlaufen. „Fay“, sagte sie schließlich und sah mich traurig an. „Wenn es wegen deiner Ohnmachtsanfälle ist, das ist nicht so schlimm. Ich komme damit klar und es findet sich vielleicht eine Lösung.“ Doch ich schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Verdammt noch mal, warum musste das auch so schwer sein? „Nein Kathy, das ist es nicht. Zwar war das der Grund, warum ich mit dir Schluss gemacht habe, weil ich Angst hatte, es könnte zwischen uns nicht auf Dauer funktionieren und weil ich auch nicht wollte, dass du auch den ganzen Spott abkriegst. Aber es ist einfach so, dass ich nicht mehr dieselben Gefühle für dich hatte wie vor drei Wochen noch. Zwar habe ich immer noch Gefühle für dich, aber sie reichen einfach nicht mehr für eine Beziehung aus, verstehst du? Es liegt nicht an dir, okay? Die Schuld liegt allein bei mir. Knapp eine Woche, nachdem ich mich von dir getrennt hatte, ist jemand in mein Leben getreten. Diese Person hat mich völlig durcheinander gebracht und es ist eigentlich jemand, den ich überhaupt nicht leiden kann. Aber letztendlich habe ich doch erkennen müssen, dass ich für diese Person Gefühle entwickelt habe. Und aus diesem Grund kann ich es einfach nicht tun. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, das hast du nicht verdient, Kathy. Du hast einen Mann verdient, der deine Gefühle erwidert und dich liebt und dich auch glücklich machen kann. Aber ich bin leider nicht der richtige.“ Katherine sah mich lange an und sagte nichts. Ich hätte sie gerne in den Arm genommen und getröstet, aber ich wusste, dass es nichts bringen würde. Wenn ich es tun würde, dann würde ich alles nur noch schlimmer machen und das konnte ich nicht. Ich musste zu meiner Entscheidung stehen, auch wenn sie mir schwer gefallen war und ich nicht wusste, ob es auch die richtige war. Aber hätte ich gewusst, ob es die richtige Entscheidung gewesen wäre, wenn ich mich dennoch für Katherine entschieden hätte? Tja, auch das konnte ich nicht genau sagen, aber mein Gefühl sagte, dass dem nicht so gewesen wäre. „Es tut mir leid…“ Ich senkte den Blick und konnte ihr nicht in die Augen sehen. Zu groß waren meine Schuldgefühle, weil ich genau wusste, wie sehr ich ihr damit wehtat. Ich wollte niemandem wehtun und deshalb hasste ich diese Situation hier. Traurig lächelte Katherine und in ihren Augen glitzerten Tränen. „Dann… dann hätte ich wohl etwas früher zu dir kommen sollen, nicht wahr?“ Ich sagte nichts, sondern hielt meinen Blick gesenkt. Nachdem ich ihr schon das Herz brechen musste, wollte ich ihr nicht noch mehr wehtun als ohnehin schon. Dann aber stellte sie eine Frage, von der ich befürchtet hatte, dass sie sie stellen würde. „Und wer ist es?“ Da ich ihr die Wahrheit nicht antun konnte, erklärte ich ihr nur, dass sie die Person nicht kenne. Es war schon schlimm genug, dass ich sie zurückweisen musste. Wenn sie erfuhr, dass es ein Mann war, den ich liebte, wäre es für sie das Allerschlimmste gewesen. Wie sollte sie das denn bitteschön verkraften? Allein der Gedanke, sie hätte mich verlassen weil sie eine andere Frau liebte, wäre auch für mich ein noch schlimmerer Schlag gewesen, als hätte sie sich einen anderen Typen geangelt. Nachdem sie sich mit einem Taschentuch die Tränen weggewischt hatte, lächelte sie traurig. „Noch nie hat jemand auf so eine liebevolle Art und Weise mit mir Schluss gemacht oder mich zurückgewiesen. Ich wünschte, alle Männer wären so einfühlsam wie du.“ Ich wollte es nicht auf diese Weise enden lassen. Nicht nachdem Katherine und ich eine doch sehr schöne Zeit miteinander verbracht hatten. „Ich bin mir sicher, dass du bald jemanden finden wirst, der besser zu dir passt als ich und der dich glücklich machen kann.“ Ich hatte mit schlimmerem gerechnet. Dass Katherine wütend wurde und mir unterstellte, ich wäre vielleicht fremdgegangen. Aber sie war nicht der Typ Mensch dafür. Sie verstand mich und sie gehörte nicht zu der Sorte, die anderen etwas Böses unterstellte. Sie war ein gutherziger und sehr sozialer Charakter. Eigentlich war es die perfekte Freundin, die man sich vorstellen konnte. Und ich wies sie einfach ab, obwohl es so gesehen eigentlich die perfekte Beziehung zwischen uns wäre. Und warum? Weil ich mich in einen Vollidioten verliebt hatte, der nichts Besseres zu tun hatte, als mein Leben in ein einziges Chaos zu verwandeln. Irgendwie hatte ich ein verdammt mieses Gefühl, dass meine Entscheidung vielleicht der größte Fehler meines Lebens sein könnte, aber da ich ja eh ein Talent hatte, alles noch schlimmer zu machen als eh schon, brauchte ich mich doch eigentlich nicht zu wundern. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und musste nun mit den Konsequenzen leben. Ganz egal wie es auch ausgehen würde. Katherine und ich sprachen noch ein wenig miteinander und verabschiedeten uns schließlich voneinander. Dann machte ich mich schließlich auf den Weg nach Hause. Inzwischen wurde es draußen immer düsterer und es sah verdächtig danach aus, als würde es gleich regnen. Also beeilte ich mich, nach Hause zu kommen und war erstaunt, als ich vor der Tür einen schwarzen Mercedes parken sah. Der gehörte mir noch Mum und die Wyatts fuhren einen Chevrolet. Also wem gehörte der Wagen, der da direkt vor unserer Tür parkte? Na vermutlich hatten wir Besuch. Höchstwahrscheinlich noch so ein Versicherungsvertreter, den Emily einfach so ins Haus gelassen hatte, obwohl wir ihr schon zig Male gesagt hatten, dass diese Typen genauso aufdringlich und nervtötend waren wie die Zeugen Jehovas… ganz zu schweigen von den Scientologen. Ich betrat das Haus und hörte Stimmen in der Küche. „Bin wieder da!“ rief ich und hörte auch sogleich wie ein Stuhl über den Boden geschoben wurde, als jemand aufstand. Und kurz darauf kam Emily aus der Küche. Sie hatte ihre schwarze Lederjacke an und wollte allem Anschein nach gehen. „Ich lass euch allein“, sagte sie nur und zog ihre Schuhe an. „Und versau es nicht schon wieder, kapiert?“ Damit verschwand sie zur Tür raus und ich stand erst mal da und verstand überhaupt nicht, was hier vor sich ging und was Emily denn damit wieder meinte. Doch als ich in die Küche ging und Rion da sitzen sah, da leuchtete mir so einiges ein. Ich blieb wie vom Donner gerührt stehen und starrte ihn erschrocken an, denn mit seinem Besuch hatte ich nicht gerechnet. Obwohl… ich hatte ja ständig seine Anrufe ignoriert, da war es ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er persönlich hier vorbeikam. „Was… was machst du hier?“ platzte es schließlich aus mir heraus, doch Rion blieb ruhig wie immer und erklärte „Deine Schwester hat mich angerufen und mich gebeten, herzukommen und mit dir zu reden. Dir soll es ja nicht allzu gut gehen und ich gebe zu, ich war ebenfalls besorgt nach deinem plötzlichen Abgang.“ Langsam kam ich in die Küche, ließ ihn aber keine Sekunde lang aus den Augen. Dabei fiel mir sofort auf, dass seine linke Handfläche bandagiert war. „Was ist denn mit deiner Hand passiert?“ fragte ich und setzte mich nach einigem Zögern. Rion betrachtete seine Verletzung kurz und lächelte schwach. „Ach das… das ist nichts Weltbewegendes.“ „Hat dein Vater dir das angetan?“ Nun sah er mich etwas ungläubig an, so als würde er mich für verrückt halten. „Wie kommst du jetzt darauf? Nein, ich habe mir lediglich einen Kaffee machen wollen und dabei versehentlich die hitzefesten Gläser mit normalen verwechselt. Dabei ist mir die Tasse in der Hand zerbrochen und ich hab mir eine kleine Schnittwunde zugezogen. Danach musste ich auch noch ins Krankenhaus. Jetzt nicht wegen dem Kratzer hier, sondern wegen Mallory. Beim Anblick meiner blutenden Hand hat sie eine Panikattacke erlitten, ist hyperventiliert und dann umgekippt, sodass ich den Notarzt rufen musste und dabei einen Kundentermin absagen musste. Summa summarum war mein gestriger Tag recht ereignisreich gewesen.“ Insgeheim war ich erleichtert, dass es nur ein dummer Unfall mit einem Glas war und diese Verletzung nicht von seinem Vater herbeigeführt wurde. Nachdem ich von Rion erfahren hatte, dass er in seiner Kindheit von seinem Vater geschlagen worden war, wäre das wirklich heftig gewesen, wenn dieser ihn noch mal verletzt hätte. „Du siehst etwas angeschlagen aus, Fayette“, bemerkte er schließlich, während er mich aufmerksam musterte. „Geht es dir nicht gut?“ Ich überlegte, was ich sagen sollte, aber so ganz wusste ich es nicht. Was genau erwartete er von mir? Zwar hatte ich Katherine zurückgewiesen, aber das änderte nichts daran, as meine Unsicherheit bezüglich Rion betraf. „Was hast du denn erwartet nach deinem Geständnis? Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen und ich hab eh schon die ganze Zeit ein komplettes Gefühlschaos, weil du dich immer wieder komplett anders verhältst und ich nicht weiß, wer du wirklich bist. Mal provozierst du mich und bist derselbe Dreckskerl wie in der Schule und dann bist du plötzlich so nett und freundlich, dass ich dich gar nicht mehr wiedererkenne. All die Jahre habe ich gedacht, du hasst mich und willst mich nur fertig machen. Wie soll ich denn damit zurechtkommen, dass du mir nach alledem, was zwischen uns vorgefallen ist, mit einem Liebesgeständnis kommst?“ Mir fiel auf, dass Rions Augen leicht gerötet waren. Auch trug er statt der Kontaktlinsen seine Brille. Ich sah wieder seine andere Seite, die nicht so arrogant und eiskalt war. Nein, es war diese menschliche Seite an ihm, die er mir schon während des Fotoshootings gezeigt hatte. „Sag bloß, du hast es vergessen…“, murmelte er leise und wirkte ein wenig bekümmert. Ich schwieg und verstand nicht, was er mir sagen wollte. Was hatte ich vergessen? Wovon sprach er denn jetzt bitteschön? Ratlos schwieg ich und schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, wovon du da redest. Und so langsam wird mir das auch alles zu viel. Ich hab erst vorhin mit Katherine gesprochen und musste ihr klar machen, dass ich sie nicht mehr genug liebe, um wieder mit ihr zusammen zu kommen. Und daran bist allein du schuld.“ „Ich?“ fragte Rion wirkte fast schon empört. Zugegeben, es war auch vielleicht etwas blöd ausgedrückt von mir. Dass er dann etwas empört reagierte, konnte ich ihm dann ja wohl kaum verdenken. „Was kann ich denn dafür, dass du deiner Freundin den Laufpass gibst? Das war allein deine Entscheidung und nicht meine.“ Wieder kamen die Emotionen in mir hoch. In mir bebte alles und ich fürchtete, dass ich erneut in Tränen ausbrechen würde, wenn ich mich nicht schnellstens beruhigte. Doch es wurde einfach zu viel in diesem Moment und ich verspürte nur noch den Wunsch, alles laut herauszuschreien und endlich meinem Frust, meinem Kummer und all meinen anderen Gefühlen endlich Luft zu machen, bevor ich noch endgültig explodierte. „Warum habe ich das wohl getan? Doch nur weil du mir so dermaßen den Kopf verdreht hast, dass ich nicht mehr in der Lage bin, Katherine zu lieben. Verdammt noch mal ich wollte wirklich mit ihr zusammen sein, weil es die vernünftigste Entscheidung gewesen wäre. Aber ich habe sie zurückgewiesen, weil ich bereits jemand anderen liebe. Und zwar so sehr, dass meine Gefühle für Katherine bedeutungslos geworden sind. Ja verdammt, ich hab mich in dich verliebt, du Arsch! Ich kann an nichts anderes mehr denken als an dich und alles in mir ist ein so gewaltiges Chaos, dass ich nicht mehr weiß, was ich tun soll. Ich sollte dich hassen, weil du mich mit diesem Vertrag in eine Falle gelockt hast und dafür, dass mein Leben sich in ein solches Durcheinander entwickelt, sodass ich nicht mehr weiß, wo mir überhaupt noch der Kopf steht. Du bist so ein mieser Arsch gewesen, als wir noch in der Schule waren und trotzdem habe ich mich in dich verliebt. Dabei sollte ich dich doch eigentlich hassen und ich… ich stehe doch nicht auf Männer…“ Ohne es zu wollen war ich in Tränen ausgebrochen und so waren meine letzten Worte nur noch ein heftiges Schluchzen. Es war mir so furchtbar peinlich, direkt vor Rion zu weinen und so stand ich auf und wollte schnell gehen, doch da erhob er sich ebenfalls von seinem Platz und hielt mich am Handgelenk fest, um mich an der Flucht zu hindern. „Fayette, lauf doch nicht schon wieder weg!“ Ehe ich mich versah, hatte er mich zu sich gezogen und schlang seine Arme um mich. Zum allerersten Mal umarmten wir uns… Es fühlte sich irgendwie seltsam an, aber es war auch nicht unangenehm. Im Gegenteil, es fühlte sich sogar gut an. Es gab mir das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ich spürte Rions Wärme und konnte sogar den Schlag seines Herzens hören. Es schlug schnell und auch sein Körper zitterte leicht… Konnte es etwa sein, dass er genauso aufgeregt war wie ich und auch Angst hatte? War es möglich, dass ich die ganze Zeit auf eine Maske hereingefallen war, weil Rion nicht wollte, dass ich sah, wie es wirklich in ihm drin aussah? Erst war ich noch vollkommen überwältigt von dieser plötzlichen Umarmung und wusste nicht, wie mir geschah. Aber dann erwiderte ich seine Umarmung und merkte, wie ich mich langsam aber sicher wieder beruhigte. Und dann geschah etwas, was nun doch seltsam anmutete: Rion streichelte mir den Kopf. „Es tut mir leid, Fayette“, sprach er mit ruhiger Stimme, die von tiefer und aufrichtiger Reue zeugte. Zwar blieb er stark, aber es war dennoch zu spüren, dass er genauso mit seinen Gefühlen kämpfte wie ich. „Ich wollte nie, dass es dir meinetwegen so schlecht geht. Egal was ich auch tue, irgendwie stürze ich immer die Menschen ins Unglück, die mir etwas bedeuten. Glaub mir, ich wollte das alles nicht. Ich liebe dich und ich liebe dich schon seit Jahren. Wie du schon sagtest: die Schuld für dieses ganze Chaos liegt allein bei mir und ich bin allein dafür verantwortlich, dass es dir jetzt so schlecht geht. Deshalb kann ich es dir auch nicht verdenken, dass du wütend auf mich bist. Ebenso kann ich es verstehen, wenn du mir nicht verzeihen kannst für das, was ich dir alles angetan habe. Das war nicht richtig und es war dumm gewesen. Nur weil ich Angst hatte, habe ich dir das Leben schwer gemacht, obwohl du am allerwenigsten dafür konntest.“ Ich spürte, wie meine Tränen meine Wangen hinunterflossen und während ich seiner beruhigenden Stimme zuhörte, schien sich auch das Chaos in meinem Kopf wieder zu legen. Es tat gut, in seinen Armen zu liegen und einfach mal schwach sein zu dürfen und nicht immer ständig daran denken zu müssen, dass ich als Mann nicht zu weinen habe und deshalb stark sein muss. Ich war es auch lange Zeit gewesen und habe meinen Freundinnen Trost gespendet, wenn sie Kummer hatten. Und jetzt hatte sich das Blatt gewendet. Nun war es Rion, der mich im Arm hielt und stark für mich war. Dabei war er innerlich mindestens genauso aufgewühlt wie ich und ich fragte mich, welche Stärke hier wohl von Nöten war, dass er das so gut verbergen und weiterhin stark erscheinen konnte. „Fayette, ich weiß, dass ich wirklich viel von dir verlange. Du hast noch nie einen Mann geliebt und das hier zwischen uns ist auch nicht gerade einfach. Wie du schon sagtest: wir sind beide Männer und wir werden nicht nur auf Begeisterung stoßen. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig das alles für dich sein muss, vor allem weil dein ganzes Leben so durcheinander gerät. Aber ich bitte dich trotzdem, nicht wieder wegzulaufen. Ich finde schon einen Weg, wie wir das schaffen können. Du musst mir einfach vertrauen, okay? Ich werde schon eine Lösung für all diese Probleme finden, ganz egal wie. Aber gib bitte nicht auf, ohne es wenigstens versucht zu haben.“ Ich war sprachlos und wusste nicht, was ich tun sollte. Rion verlangte von mir, dass ich ihm vertraute? Hatte er mir denn je einen Anlass dazu gegeben, dass ich ihm vertrauen konnte? Immerhin durfte ich ja die Tatsache nicht vergessen, dass er es war, der mich mit diesem Vertrag ausgetrickst hatte, nur um zu bewirken, dass er mal wieder seinen Willen bekam. Er hatte oft genug bewiesen, dass er vor nichts zurückschreckte, um sein Ziel zu erreichen und ein durchtriebener Mistkerl war. Wieso sollte ich ausgerechnet ihm vertrauen? Ganz einfach: weil ich ihn liebte. Ach verdammt ich verstand meine eigenen Gefühle nicht mehr und mir war, als würde sich alles in meinem Kopf drehen. Meine Augen brannten von den Tränen und ich fühlte mich, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder weinen würde. Schließlich hob Rion mein Kinn, sodass wir einander in die Augen sehen konnten. Ich sah in seine strahlend hellen kristallblauen Augen, die mich schon immer irgendwie fasziniert hatten. Und ich merkte erst, dass seine Lippen die meinen berührten, als es schon zu spät war. Es war ein zärtlicher und liebevoller Kuss und ich erwiderte ihn, ohne groß nachzudenken. Doch leider kam dann das, was ich schon seit Jahren so an mir hasste und was mir schon oft genug das Leben schwer gemacht hatte. Mir wurde schwindelig und vor meinen Augen tanzten Sterne. Mein Körper versagte den Dienst und meine Beine knickten ein, als mir auch schon schwarz vor Augen wurde. Ich nahm nur noch wahr, wie Rion mich festhielt und meinen Namen rief. Danach wurde ich auch schon bewusstlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)