unter einem Himmel von Buchruecken ([Molly & James]) ================================================================================ Kapitel 1: die Wahrscheinlichkeitstheorie ----------------------------------------- /00:00:00:00/ Das Bild war schwarz. Außer diesem Schwarz war nichts zu erkennen. Doch wer bewusst hinhörte, konnte verschiedenste Geräusche vernehmen und sich das Lauschtheater lebhaft vorstellen. Es sehen. „Die Kamera ist an, das Licht leuchtet doch! Aber warum haben wir kein Bild…?“ Die weibliche Stimme wurde bei jedem Wort leiser und klang nachdenklich. Schritte von vier Füßen, zwei Paar Schuhen. Das Rascheln von Kleidung. „Vielleicht hilft es, wenn du die Kappe von der Linse nimmst?“ Eine zweite Stimme, die gelassen klang, während sie den Rat verlauten ließ und weiter entfernt zu sein schien. Stille. Eins, zwei drei, vier, fünf Sekunden. /00:00:29:45/ Ein Klacken ertönte und das schmale Gesicht von Victorie Weasley war im Profil zu erkennen. Ihre blauen Augen funkelten freudig hinter den Fenstergläsern ihrer Brille und ihre Lippen waren zu einem breiten Grinsen geformt. Ihre Stimme drückte Begeisterung aus. „Super Idee! Jetzt sehe ich mich.“ Eilig trat sie an den Bildrand und setzte sich mit einem Block und einer Feder ausgerüstet auf einen Stuhl. Ihr gegenüber, zentral im Bild, saß Molly Weasley. /00:00:46:74/ Let the interview begins. ----------------------------------- „Dein Name ist?“ „Molly Weasley.“ „Molly Weasley, schwörst du, bei Merlin, während dieses Gesprächs die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen?“ Victorie hatte ihre rechte Hand zu einer Faust geballt und hielt diese ihrer Cousine wie ein Mikrofon entgegen. Molly grinste schmunzelnd, nahm das Mikrofon entgegen, indem sie ihre Hand ebenfalls ballte und nickte dann beim Antworten. „Ja, ich schwöre es bei Merlin und bei meinem Posten als Vertrauensschülerin. Die Bezeichnung sagt doch schon alles, findest du nicht?“ Das Mikrofon wechselte wieder den Eigentümer. „Also um ehrlich zu sein, hat sie ziemlich an Glaubwürdigkeit verloren, wenn ich da beispielsweise an Jamie denke. Die ganzen Stunden, die er nachgesessen und Pokale als Strafarbeit mit der Hand poliert hat, hätte er in meinen Augen besser ins Qudditschtraining investieren können. Seine Fähigkeiten wären den anderen Spielern von großem Nutzen und als Kapitän hat er sie schon ziemlich oft vertrösten müssen. Welche Kräuter Professor McGonagall geraucht hat, bevor sie ihn zum Vertrauensschüler ernannt hat, würde mich mal interessieren. Vielleicht kämen mir dann brillante Ideen für neue Storys oder mein Wissenshorizont würde erweitert, sodass ich meine benötigten UTZs für die Abschlussprüfungen erreiche.“ Victorie hatte ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt und tippte sich mit der Feder gegen ihr Kinn, während sie beim Überlegen aus dem Fenster schaute. „Nun ja, ich werde Professor Slughorn bei der nächsten Weihnachtsfeier einfach fragen, wenn er sich wieder ausreichend Elfenwein hinter die Binde gekippt hat.“ Sie schüttelte sachte mit dem Kopf und nahm den Block von ihrem Schoß zurück in ihre Hände, um die nächste Frage abzulesen. „Was sind deine Aufgaben als Vertrauensschülerin?“ „Ich betreue die Erstklässler und gebe zu Jahresbeginn die neuen Passwörter an die Schüler unserer Häuser weiter. Falls diese aus Sicherheitsgründen im Schuljahr verändert werden, ist auch hier die Weiterleitung meine Aufgabe. Außerdem überwache ich die Einhaltung der Hausordnung und kann bei Notwenigkeit Hauspunkte abziehen.“ Molly tippte beim Aufzählen der Aufgaben auf ihre Finger. „Naja und die sorgfältige Organisierung und kreative Gestaltung von Veranstaltungen gehört natürlich auch dazu.“ Ein stolzes Grinsen zierte ihre Lippen. „Ah ja, dass du diesen Aufgaben vorbildlich nachgehst, kann die Mehrheit der Schülerschaft erfahrungsgemäß bestätigen. Ich inbegriffen“, flüsterte Victorie und erinnerte sich an den Verlust der wichtigen Hauspunkte, nachdem sie Molly aus Spaß vor einem Date Schluckauf-Lösung in den Kürbissaft gekippt hatte und sich der Folgen nicht bewusst war. Das Ende vom Besenritt war, dass Molly Seifenblasen gehickst und Wade Scott sich kugelrund gelacht hatte. Ihre Cousine war schon immer eine disziplinierte Persönlichkeit. Nichtsdestotrotz empfand Victorie den Abzug von Hauspunkten als zu hohe Strafe. Nun würde die freundschaftliche Cousinenrache folgen. Victorie grinste innerlich verschmitzt und hätte beinahe vor Vorfreude gegrunzt, weil sie ihr Lachen unterdrücken musste. „ Molly, was wäre, wenn James Potter dich um ein Date bitten würde?“ Das blaue Augenpaar löste sich von dem Notizblock und blickte aufmerksam über den Rand des dunkelblauen Brillengestells. „Wenn er was täte?“ Die Nasenflügel von Molly bebten und ein sarkastisches Auflachen war zu hören. Sie lehnte sich mit dem Oberkörper nach hinten in den Ohrensessel und schlug die Beine übereinander. „Auf welcher Party hast du dir diese Schnapsidee bitte ertrunken? Das ist doch lächerlich!“ Mit ihren Fingern fuhr sie sich durch ihre roten Locken. Die Nägel waren lila lackiert. „Letztes Wochenende, als ich mit Ted den Feuerwhiskey bei der Eulerei gekippt habe“, antwortete Viktorie und rückte ihre Brille akkurat auf ihrem Nasenbein zurecht. „Ah, okay.“ Die jüngere Weasly nickte. Ihre Mundwinkel senkten sich, als sie mit ihrer linken Hand ihre Körpermitte kreuzte und sich gedankenverloren hinter dem rechten Ohr kratzte. Sie schien zu überlegen, bis sie ruckartig innehielt. „Momentmal!“ Misstrauisch kniff sie ihre blauen Augen zusammen und lehnte sich wieder etwas vor, um auf den Block ihrer Freundin schielen zu können. „Steht das auch in deinem Fragenkatalog?“ „Natürlich. Das sind alles themenbezogene Fragen, sorgfältig durchdacht.“ „Genau“, sprach Molly spottend. „Ich dachte, wir sind hier, um ein Interview über meine Aufgaben als Vertrauensschülerin für die neue Ausgabe der Schülerzeitung zu führen, Vicky, und nicht um über James und mich zu reden.“ „Natürlich“, wiederholte die ältere Weasly gelassen. „Das sind wir, oder denkst du, ich nehme meinen Job als Journalistin nicht ernst?“ Victorie tat erst entrüstet. Dann notierte sie sich einige Worte als Alibi auf dem obersten Blatt ihres Notizblockes und wich damit dem kontrollierenden Blick ihrer Freundin gekonnt aus. „Du brauchst gar nicht so zu tun, als ob du schreiben würdest. Die Kamera nimmt doch ohnehin alle Antworten auf. Und was soll diese Wahrscheinlichkeitstheorie!?“ Victorie schwieg und schaute ihre Freundin wartend an. „Na gut, tun wir so, als träge die Frage dazu bei, dass die Schüler mehr Respekt gegenüber der Vertrauensschülerposition bekämen, ohne das regelmäßig Strafen erfolgen müssen. Du bekommst deine Antwort. Aber da ich mir durchaus bewusst bin, dass dieser Abschnitt für dein privates Interessenfeld bestimmt ist, möchte ich, dass du den Teil aus dem Video rausschneidest.“ „Selbstverständlich“, antwortete Victorie schnell und knetete unruhig ihre Hände. Also, zunächst einmal“, Mollys Blick wurde ernst. „Ich will mich nicht weiter verrennen und hoffnungslose, möglicherweise auch hoffnungsvolle Wünsche miteinander zu einem Netz verstricken. Das habe ich in vergangenen Tagen zu oft beim Duschen getan.“ Nachdenklich begann Molly eine Haarlocke zwischen den Finger zu drehen. „Mir Gedanken über bereits geschehende oder mögliche Gespräche gemacht, die Schlussendes nie stattgefunden haben oder total anders verlaufen sind. Ist doch schwachsinnig eine Konversation im Hinblick auf ein Gedankentheater manipulieren zu wollen, damit sie vorausschauend abläuft. Weißt du, was das hieße? Dass James Sirius Potter sich zur Abwechslung mal seinem Alter entsprechend verhalten und nicht den Entertainer der Schule spielen würde. Aber soll ich dir sagen, was ich da für Erfahrungen gemacht habe?“ Ihre Frage blieb rhetorisch. „Durch die Wahrscheinlichkeitstheorie der Wünsche fliegt man den Besen quasi schnurstracks gegen die Wand, weil die Gefahr wächst, dass es langweilig wird sich zu unterhalten. Wo bleiben dann die Spontanität und das Entdecken unbeachteter Möglichkeiten? Wenn ich jetzt nämlich planen würde im Falle einer Einladung von ihm abzusagen, dann wären meine Zweifel diese doch anzunehmen immens, wenn er sich, anders als erwartet, geschickt anstellen würde. Das läge daran, dass ich die Möglichkeiten durch vergangenes Fehlverhalten von ihm selber eingeschränkt habe. Wäre das fair? Nein, aber so sind wir Menschen. Auf der einen Seite will ich, dass alles frei und verformbar ist, damit ich es an mein wachsendes Selbst anpassen kann. Andererseits sagt Dad immer, es sei besser die Möglichkeiten abzuwägen, um auf das, was kommt, vorbereitet zu sein. Dann sei die Enttäuschung nicht so groß. Also entweder bis ins Detail messbar geplant oder vollkommen spontan.“ Mittlerweile saß Molly im Schneidersitz in dem großen Ohrensessel und hatte ihr Kinn in ihre Handflächen abgelenkt. Ihre Stirn war in Falten gelegt. Sie schaute ihre Cousine weiterhin ernst an. „Aber bekanntlich kommt es immer anders als gedacht. Genau deshalb will ich klare Antworten, die mir Orientierung in meiner sich drehenden und unbeschilderten Welt geben. Ich will Klarheit und dass jeder Gedanke eine Bezeichnung bekommt und einen festen Standpunkt hat, damit ich ihn wiederfinden kann. Selbst der, der mir Schmerz zufügt oder mich vor Scharm erröten lässt. Dazu muss ich die Wahrscheinlichkeiten nicht theoretisch beleuchten, sondern praktisch ausführen und erleben“ Sie schlug ihre Faust in ihre Handfläche, nur um sie darauf wieder in ihren Schoß sinken zu lassen. Danach sprach mit klarer Stimme weiter. „Vielleicht überrascht James mich und schafft es unerwartet mich zu überzeugen. Dann möchte ich mir nicht wegen einer vorher getroffenen Entscheidung selber einen Unverzeichlichen aufhexen.“ Ihre roten Locken wackelten hin und her, als sie mit dem Kopf schüttelte. „Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten, weil die Antwort nicht alleine von mir abhängt. Wir können uns die nächsten Duschen fragen, ob er mich jemals um ein Date bitten würde. Wir können Theorien aufstellen, wie er es machen würde und über den Verlauf unserer Verabredung. Vieles ist möglich, aber was ich jetzt gerade definitiv sagen kann, ist…“, sie schloss ihre Augen und atmete einmal tief ein und wieder aus und schaute mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen entschlossen in die Kamera. „…dass mir der Gedanke gefällt, James könne mich ernsthaft um eine Date bitten. Kein weiterer Kommentar.“ Das Rascheln von Kleidung war zu hören und Molly Weasley schritt aus dem Aufnahmefenster. „Ich gehe jetzt erstmal duschen.“ /00:06:24:56/ Dann wurde die Kamera ausgeschaltet, das Bild wieder schwarz und jegliche Geräusche verstummten. Molly Weasly Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)