Schatten der Vergangenheit von Zerina ================================================================================ Prolog: Ankunft --------------- Tom Vorlost Riddle, Vertrauensschüler, Genie, Erbe Slytherins, beliebtester und zugleich gefürchtetster Schüler Hogwarts', war über alle Maßen gelangweilt. Was er es sich, selbstverständlich, nicht im Geringsten anmerken ließ. In den Augen der anderen war er schließlich perfekt. Und dieses Bild von ihm würde er unter allen Umständen aufrecht erhalten, auch wenn er innerlich mit den Augen rollte und sich das Ende des Abends inständig herbeisehnte. Es gab schließlich Wichtigeres für ihn zu tun, als das neue Schuljahr zu feiern, doch da er seinen Ruf nicht zerstören wollte, musste er die lästige Prozedur wie jedes Jahr über sich ergehen lassen. Grässlich. Daher sprach er freundlich mit den anderen Schüler an dem langen Tisch des Slytherin-Hauses, klatschte begeistert über jeden rotznäsigen Erstklässler, den der sprechende Hut seinem Haus zuteilte, gab vor, der lästigen Rede des Schulleiters Dippet, die ein jedes Jahr Wort für Wort der des vorherigen Jahres glich, sodass Tom, der das Geschwafel nun schon zum verfluchten fünften Mal über sich ergehen lassen musste, sie bereits in und auswendig kannte, aufmerksam mit einem begeisterten Lächeln zu lauschen, obwohl es ihm in den Fingern juckte, dem Schulleiter den Hals umzudrehen oder mit einem Fluch zu belegen, um ihn ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen. Damit hätte er der gesamten Schülerschaft einen Gefallen getan, wie er fand, doch es gelang ihm, sich zu beherrschen und die Maske des perfekten Schülers aufzubehalten. Doch irgendwann, so schwor er sich unschuldig lächelnd, die strahlend blauen Augen auf den unwissenden Mann hinter dem Rednerpult gerichtet, würde er diesem Verlangen nachgeben. Er konnte es kaum erwarten. Als die nervtötende Rede endlich endete, unterdrückte Tom ein erleichtertes Seufzen, ganz im Gegensatz zu seinen Mitschülern, die ihrem Unmut über das sinnlose Geschwätz lauthals Ausdruck verliehen. Wie ein Sturm dröhnten ihre Worte in seinen Ohren und trieben ihn an den Rand seiner Selbstbeherrschung. Nur mit größter Mühe gelang es Tom, die entspannte Maske und die gelassene, elegante Haltung des Musterschülers beizubehalten. Für diese Glanzleistung hätte man ihn mit einem Preis auszeichnen müssen. Erst als unzählige köstlich duftender, dampfender Speisen aus dem Nichts auf den vier Tischen, die jeweils eines der Häuser Hogwarts' repräsentierten, erschienen und das Holz unter der Last gefährlich ächzte, senkte sich die Lautstärke in der Halle ein wenig. Die Schüler waren zu sehr damit beschäftigt, sich ununterbrochen die Münder vollzustopfen als ständen sie kurz vor dem Verhungern, sodass es ihnen nicht möglich war, ihre Gespräch aufrecht zu erhalten. Tom war das nur Recht, auch wenn er für einen kurzen Augenblick angewidert das Gesicht verzog, als sein Blick auf Mulciber fiel, der ihm schräg gegenüber wie ein Schwein über seinen vollbeladenen Teller herfiel und das Essen ohne zu kauen hinunterwürgte. Der kräftige Junge bemerkte Toms Ausdruck, erstarrte kurz zu einem Eisblock, seine Hand mit dem Hähnchenschenkel nur Zentimeter von seinem verschmierten Mund entfernt, dann ließ er das Essen wieder auf den Teller fallen, als hätte er sich daran verbrannt. Er richtete sich etwas auf und wischte seine dicken, fettigen Finger an einer grünen Servierte ab, während er eisern Toms forschendem Blick auswich, einen mulmigen Ausdruck auf dem Gesicht. Er schien sich nicht gerade wohl in seiner Haut zu fühlen. Tom musste ein Schmunzeln unterdrücken, amüsiert von Mulcibers unterwürfiger Reaktion, die Tom mit nur einem Blick auslösen konnte, bevor er seine Augen auf seinen eigenen, leeren Teller richtete. Er fragte sich, warum er sich überhaupt mit Leuten wie Mulciber abgab. Sie waren unter seinem Niveau, unter seiner Würde. Allerdings gaben Schwächlinge wie er, deren Feigheit einzig von ihrer Grausamkeit und ihrer reinblütigen Arroganz übertroffenen wurde, sehr gute Gefolgsleute ab, was sich im Laufe der Zeit noch als äußerst nützlich erweisen würde. Nachdenklich strich Tom eine verirrte Strähne seines dunklen Haares aus seiner Stirn. Der silberne Ring an seinem rechten Zeigefinger schimmerte in dem warmen Schein der Fackeln, die die steinernen Wände der großen Halle schmückten. Der junge Zauberer streckte einen Arm nach den Schüsseln vor ihm aus, deren Inhalt schon um ein beträchtliches Maß geschrumpft war, und lud sich mithilfe der Kellen eine angemessene Portion der warmen Speisen auf seinen silbernen Teller. Sorgfältig schnitt Tom eine Scheibe Braten in mundgerechte Stücke, während das Summen der Gespräche langsam aber sicher wieder anstieg, nun, da der erste Hunger der Schüler gestillt war, doch dieses Mal achteten die Slytherins um ihn herum darauf, eine angemessene Lautstärke beizubehalten. Tom bemerkte die verstohlenen, verschreckten Blicke, die die Mitschüler in seiner Nähe ihm zuwarfen, die jedoch schon bald weniger wurden, als die Jungen und Mädchen Toms eisige Augen auf sich spürten. Anscheinend hatte er seine Gesichtsmuskeln doch nicht so gut unter Kontrolle gehabt, wie er zunächst angenommen hatte. Ihr nervöses Verhalten zeigte ihm, dass sie seine Missbilligung wahrgenommen haben mussten. Geistesabwesend legte Tom den Kopf leicht schräg, während sein Blick über den inneren Kreis seiner „Freunde“ glitt, denen die Plätze ihm direkt gegenüber und an seiner Seite an dem langen Tisch zustanden. Niemand der Slytherins wagte es, Tom mit seiner Anwesenheit zu belästigen, wenn dieser es nicht wünschte. In dem Haus Slytherin gab es eine klare Hierarchie mit Tom an der Spitze. Er hatte die Macht und den Einfluss, die ihm seit seiner Geburt zustanden. Niemand legte sich mit ihm an. Niemand widersetzte sich ihm. Was für ein Haufen Versager. Seine Befürchtungen, ein weiteres eintöniges, ereignisloses Jahr in Hogwarts fristen zu müssen, verstärkten sich mit jeder Minute. Wenn er nicht bald die Kammer des Schreckens fand, würde er noch vor lauter Langeweile sterben. Was würde er nicht für etwas Aufregung geben... Harry fühlte sich benommen. Sein Verstand versagte ihm den Dienst, sein Herz schlug wild in seiner Brust, sein gesamter Körper schmerzte. Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte er, sich zu beruhigen, doch die Ungewissheit und die Verwirrung machten es ihm unmöglich. Was war geschehen? Wie war er ausgerechnet hierher gekommen? Er... er erinnerte sich nicht. Verunsichert ließ er den Blick durch den vertrauten Raum gleiten, in dem er seiner Meinung nach schon viel zu viel Zeit seines Lebens verbracht hatte. Der beißende Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihm in die Nase, ließ ihn würgen, und rief Erinnerungen in ihm wach, von denen er die meisten am liebsten verdrängt hätte. Wie zum Beispiel jene an eine Nacht in seinem zweiten Schuljahr, in der die Knochen in seinem Arm unter qualvollen Schmerzen nachgewachsen waren. Darauf hätte er wirklich dankend verzichten können. Seufzend schob Harry die Brille auf seiner Nase zurecht. Sein Blick fiel auf den hochgewachsenen Mann, der einige Schritte von ihm entfernt auf einem niedrigen Hocker saß und ihn über die Halbmond-Gläser seiner Brille hinweg neugierig musterte. Unruhig rutschte Harry unter dem durchdringenden Blick auf dem Bett, in dem er vor einer Stunde erwacht war, hin und her, ein beklommenes Gefühl in der Magengegend. Er konnte immer noch nicht glauben, was ihm die deutlich jüngere Version seines Schulleiters und Mentors Dumbledore und Professor Dippet, der frühere Schulleiter Hogwarts, erzählt hatten. Das war einfach zu abwegig, um wahr zu sein. Sogar für seine Maßstäbe und Harry hatte schon viel abwegiges Zeug während seiner Schulzeit erlebt. Unsicher räusperte er sich. „W-welches Jahr haben wir noch mal?“ Harry verfluchte sich still für die Panik, die in seiner Stimme mitschwang und sie viel zu hoch und schwach klingen ließ. Professor Dumbledore schenkte ihm ein warmes Lächeln, das jedoch nicht seine Augen erreichte, weshalb es Harry nur noch nervöser machte. „1942, mein Junge.“ „Ah“, war alles, was Harry dazu sagen konnte. Bedrückendes Schweigen breitete sich abermals in dem Krankenflügel aus. Zeitreisen. Das war unmöglich, dachte Harry. Davon hatte er noch nie etwas gehört. Trotzdem war er hier, im Jahr 1942, ohne Erinnerung an die Ereignisse, die ihn in diese Zeit verfrachtet hatten. Was war nur passiert? Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war... eine Höhle. Ein tiefer, dunkler See, den er auf einem Boot überquerte, Dumbledore an seiner Seite. Eine Schale mit einem seltsamen Gebräu, das er seinem Schulleiter gewaltsam hatte einflößen müssen. Dumbledore, der ihn anflehte aufzuhören, Harry, der ihn zwang, zu trinken. Ein Medaillon, das in der leeren Schale auftauchte. Und danach... nichts. Verwirrt runzelte Harry die Stirn. Etwas fehlte. Was war danach geschehen? Seine Finger tasteten in seinen Hosentaschen und an seinem Hals nach dem Medaillon, fanden es jedoch nicht. Er hatte es nicht bei sich. Das Schmuckstück... ein Hokrux. Voldemorts Hokrux, durchfuhr es Harry eisig. Wo war es hin? Was hatte sich nur ereignet, bevor er in dieser Zeit erwacht war? Er wusste es nicht. Die Erinnerungen... etwas fehlte. Als hätte jemand daran herumgepfuscht, Ereignisse herausgeschnitten. Das war alles falsch. Etwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht. Und ihn beschlich das ungute Gefühl, dass seine Reise durch die Zeit etwas mit seinem lückenhaften Gedächtnis zu tun hatte. Ein leises Knarren holte Harry in die 'Gegenwart' zurück, als die Tür zum Krankenflügel sich öffnete und Dippet den Raum betrat. In seinen Händen hielt er einen Gegenstand, den Harry nur allzu gut kannte: den sprechenden Hut. Der Schulleiter musterte Harry misstrauisch, als er sich neben Dumbledore aufbaute, der Harry nicht eine Sekunde aus den forschenden Augen ließ, die dem jungen Zauberer durch Mark und Bein zu gehen schienen. Es war, als könnte Dumbledore all seine Geheimnisse mit nur einem Blick erraten. Manche Dinge änderten sich wohl nie. Irgendwie gab das Harry ein vertrautes Gefühl, das seine aufgewühlten Nerven etwas zur Ruhe kommen ließen. „Mit dem Ablauf sind Sie vertraut, nehme ich an?“, fragte Dippet, als er Harry den Hut entgegen hielt, einen strengen Ausdruck auf dem faltigen Gesicht. Der dunkelhaarige Junge nickte schwach, bevor er die Hände um das Leder schloss. Der Schulleiter gab ein missbilligendes Schnauben von sich. „Denken Sie nicht, dass das bedeutet, dass ich Ihrer absurden Behauptung, Sie seien aus einer anderen Zeit, Glauben schenke, Mr. Potter.“ Seine Augen schienen noch eine Spur schmaler zu werden. „Vor allem, wenn Sie noch nicht einmal selber erklären können, wie Sie bei uns gelandet sein sollen.“ Harry glaubte, unter dem beinahe feindseligen Blick des Schulleiters zusammenzuschrumpfen. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, den er nur mit Mühe herunterwürgen konnte. Dippets Worte trafen ins Schwarze. Das war alles absurd. Die ganze Situation war absurd. Für einen Moment überlegte er, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, sich dumm zu stellen. So zu tun, als hätte er sein Gedächtnis verloren oder ähnliches, doch als er einen Blick auf Dumbledores entspannte, wissende Miene warf, wurde ihm klar, dass ihm eine Lüge nicht das Geringste gebracht hätte. Der gerissene Professor hätte sein Spiel auf Anhieb durchschaut, was nur zu mehr Misstrauen geführt hätte. Er war schließlich Dumbledore. Alter spielte keine Rolle. Es war Harry unmöglich, seinem Schulleiter etwas vorzumachen. Zudem war er selbst ein Gryffindor, kein Slytherin. Lug und Trug lag ihm einfach nicht. Daher hatte er ihnen alles erzählt, nachdem er erwacht und seinen ersten Schock über den Anblick eines jüngeren Dumbledore mit kastanienbraunem Haar und kürzeren Bart überwunden hatte. Was gar nicht so einfach gewesen war. Doch das Wissen, dass sein Kleidungsstil und seine Vorliebe für Süßigkeiten, die er Harry kurz nach dessen Erwachen mit einem freundlichen Lächeln angeboten hatte, gleich geblieben war, hatte ihm sehr geholfen, die Beherrschung wiederzufinden und nicht in eine kopflose Panik zu verfallen. Also hatte er ihnen seinen echten Namen verraten, seine Herkunft, doch bevor er bedeutsame Ereignisse der Zukunft hätte verraten können, war Dumbledore dazwischengegangen, mit seinem üblich warmen, aber bestimmenden Ton. Er hatte etwas davon gesagt, dass die Zukunft zu kennen mehr schaden als nützen würde. Harry war nicht weiter darauf eingegangen. Er war einfach froh, dass man ihn nicht gleich dem Ministerium überstellt hatte, sondern Dumbledore Dippet hatte überreden können, Harry zunächst als Schüler in Hogwarts aufzunehmen, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sein späterer Schulleiter einfach nur seine Neugier stillen wollte. Ihm sollte das recht sein. „Ich weiß, Professor“, durchbrach Harry nach einigen Sekunden das Schweigen. „Ich wüsste selber gerne, was hier vor sich geht. Ich bin genauso verwirrt wie Sie.“ Seine Hand um den ledernen Hut verkrampfte sich, als erneute Sorge über die Situation in ihm aufstieg. „Lassen Sie den armen Jungen, Professor Dippet“, erklang Dumbledores ruhige Stimme. Harry richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen alten Schulleiter, in dessen Blick er nun neben Neugierde noch ein weiteres, echtes Gefühl erkennen konnte: Mitleid. Glaubte... glaubte Dumbledore seiner Geschichte? Er hoffte es, denn wenn er niemanden auf seiner hätte, würde er wohl schon bald die Wände hochgehen. Er hatte keine Ahnung, wie es ihm gelingen sollte, in seine eigene Zeit zurückzukehren. Doch er musste zurück. Und zwar dringend. Dafür hing in seiner Zeit zu viel von ihm ab. Dippet zog seine Hand zurück, bevor er die Arme vor der Brust kreuzte. „Seine Erklärung ist doch äußerst schwammig, das müssen Sie zugeben, Albus“, meinte Dippet mit unverhohlenem Misstrauen in der Stimme. „Zeitreisen. Ich habe noch nie davon gehört, dass jemandem das gelungen sein soll.“ Dumbledore faltete entspannt die Hände auf seinen Knien. „Was nicht heißt, dass es in der Zukunft unmöglich ist.“ Dippet setzte zu einer Erwiderung an, doch Dumbledore sprach unbeirrt weiter: „Harry ist verwirrt und sicherlich nicht minder verängstigt. Das alles muss ziemlich viel zu verdauen sein. Geben wir ihm Zeit. Vielleicht kehren die Erinnerungen zurück und Sie erhalten mit der Zeit befriedigendere Antworten.“ Ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er zwinkerte Harry verschwörerisch zu. Ein weiteres missbilligendes Schnauben von Dippet, doch er schien über Dumbledores Worte nachzudenken. Schließlich seufzte er ergeben. „Nun gut, Albus. Hogwarts ist eine Schule, die jungen Zauberern helfen soll, ihre Magie zu kontrollieren und ihren Weg in der Welt zu finden. Also helfen wir dem jungen Mann, der seinen Weg verloren zu haben scheint. Aber zuerst“, richtete er plötzlich das Wort an Harry, als wäre ihm erst jetzt wieder eingefallen, dass er noch mit ihnen in einem Raum war, „werden wir überprüfen, in welches Haus Sie gehören. Los, setzen Sie den Hut auf.“ Harry war wenig begeistert davon, sich abermals von dem Hut anhören zu müssen, wie gut er zu Slytherin passen würde, doch er beugte sich dem Willen des Schulleiters. Er hoffte einfach, dass es dieses Mal offensichtlicher sein würde, dass er ein echter Gryffindor war, nach allem, was er erlebt hatte. Na, sieh mal einer an, hallte die Stimme des Hutes in seinem Kopf wider, als Harry ihn auf seine wild abstehenden Haare setzte. Hm, machte der Hut nachdenklich. Harry spürte, wie er sich auf seinem Kopf von einer Seite zur anderen neigte. Schwierig, äußerst schwierig. Harry unterdrückte ein Stöhnen. Das war doch nicht möglich! Genauso hatte er schon vor fünf Jahren -oder waren es mehr?- begonnen! Es lief wieder auf das Gleiche hinaus! Was musste er denn noch tun, um zu zeigen, dass er ein wahrer Gryffindor und keine verfluchte Schlange war?! Er hatte sogar das verdammte Schwert aus dem Hut gezogen und Salazar Slytherins Haustier damit erschlagen. In seinem zweiten Schuljahr. Er hatte sich Voldemort und seinen Todessern oft genug entgegen gestellt! Warum zweifelte man immer wieder daran, auf welcher Seite er stand?! Abgelenkt von seinen eigenen Gedanken, bemerkte Harry die Worte des Hutes viel zu spät, um ihn noch von seiner Entscheidung abbringen zu können. Hilflos musste er dabei zuhören, wie der Hut lauthals und begeistert verkündete: „Slytherin!“ Harrys gesamter Körper gefror zu Eis. Er konnte nichts anderes tun, als geschockt vor sich hinzustarren, während Dippet ihm den Hut vom Kopf zog und Dunbledore ihn immer wieder fragte, ob er in Ordnung war. Nein, das war nicht, verdammt! Das konnte doch nicht wahr sein! Das war ein Albtraum! Nichts weiter als ein Albtraum, der seine schlimmsten Ängste ans Licht holte. ...Genau! Voldemort war in seinen Verstand eingedrungen und versuchte ihn zu zermürben. ...So abwegig war das gar nicht, wenn er ehrlich war. Würde sogar einiges erklären. Denn eines war sicher: Das. War. Der. Schlimmste. Tag. In. Seinem. Verfluchten. Leben!!! Kapitel 1: Erster Eindruck -------------------------- Tom Riddle schritt den langen Korridor in Richtung der Kerker entlang, als eine fremde nach ihm rief. Verwundert hielt er inne und drehte sich langsam um die eigene Achse, doch weit und breit war niemand zu sehen. Verstimmt runzelte er die Stirn. Er wollte seinen Weg gerade wieder fortsetzen, als er die Stimme abermals vernahm: „Hier! Hier drüben! Jetzt schau doch mal nach rechts, Junge!“ Tom tat wie ihm geheißen, auch wenn ihm der unverschämte Ton der Stimme ganz und gar nicht gefiel. Sein Blick fiel auf eines der unzähligen Gemälden, die die Wände Hogwarts pflasterten. Auf diesem entdeckte er einen alten Mann mit Zwirbelbart, der ihm wild zuwinkte, umgeben vielerlei seltsamen magischen Apparaturen, von denen Tom manche der Medizin zuordnen konnte, auch wenn er auf diesem Gebiet nicht gerade bewandert war. Auffordernd hob er eine elegant geschwungene Augenbraue in die Höhe. „Wie kann ich helfen?“ Sein Ton war höflich. Sehr schön. Nicht, dass eines der Gemälde noch auf die Idee käme, ihn bei den Lehrern, allen voran dieser lächerliche Quacksalber Dumbledore, anzuschwärzen. Der Mann in dem Bild ließ den Arm sinken. „Professor Dippet möchte sie umgehend im Krankenflügel sehen. 'Es ist sehr dringend', soll ich Ihnen sagen, Mr. Riddle.“ Bevor Tom etwas erwidern konnte, war der Mann schon aus dem Bild herausgetreten und verschwunden. Wahrscheinlich um Dippet Bescheid zu geben, dass er Tom über seine Nachricht in Kenntnis gesetzt hatte, sodass Tom nichts anderes übrig blieb, als den Worten des Schulleiters Folge zu leisten. Ein genervtes Seufzen unterdrückend machte er auf dem Absatz kehrt und ging Weg zurück, den er gerade gekommen war, bevor er bei der ersten Gelegenheit links abbog, um sich in Richtung Krankenflügel zu begeben. Seine Gedanken schwirrten dabei unablässig in seinem brillanten Verstand. Was könnte Dippet von ihm wollen? Um diese Uhrzeit? Noch dazu im Krankenflügel. Das war unsinnig. Unlogisch. Tom konnte sich keinen Reim darauf machen. Das gefiel ihm nicht. Kein Nutzen darin, sich den Kopf zu zerbrechen, wenn eine Antwort außer Reichweite lag, besann sich Tom, während er mit langen Schritten die Korridore durchquerte. Er würde einfach abwarten müssen. Sich... überraschen lassen. Das gefiel ihm sogar noch weniger. Nach mehreren Minuten, in denen er sich seinen Weg durch die Irrgarten-ähnlichen Gänge Hogwarts suchte, blieb er schließlich vor einer riesigen Flügeltür stehen. Er wappnete sich innerlich gegen was auch immer ihn dahinter erwarten mochte, nahm einen tiefen Atemzug, setzte die perfekte Maske des Vorbildschülers auf, dann öffnete er seine Seite der Tür und trat in den Krankenflügel. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn überrascht im Türrahmen innehalten. Ein ihm unbekannter Junge redete aufgeregt auf Professor Dippet ein, der verstimmt das Gesicht verzogen hatte und einen ledernen Hut hinter seinem Rücken verbarg, wohl um ihn außer Sichtweite des Jungen zu halten. Ein über die Maße amüsiert scheinender Dumbledore verfolgte das Schauspiel von seinem Platz auf einem Hocker aus schweigend. Behutsam schloss Tom die hinter sich, bevor er lautlos auf die kleine Gruppierung zutrat, darauf bedacht mit keinem Geräusch seine Anwesenheit zu verraten. Zuerst wollte er herausfinden, was sich in diesem Raum abspielte und vor allem, wer der schmächtige Junge mit den dunklen Haaren war, die ihm wirr und unbändig in alle Richtungen vom Kopf ab standen. Tom fragte sich, ob sie wohl jemals einen Kamm auch nur aus der Ferne gesehen hatten. Allem Anschein nach nicht. „Das kann nicht sein“, drang die Stimme des Jungen an Toms Ohr, in der er Panik, aber auch mühsam kontrollierte Wut erkannte. „Der Hut hat entschieden...“, begann Dippet in schneidendem Ton, doch der Junge unterbrach ihn ungehalten, ohne der strengen Miene des Schulleiters Beachtung zu schenken. Mutig. Aber auch dumm. Eher dumm. „Dann irrt er sich halt!“, rief der Junge beinahe verzweifelt aus. „Das ist unmöglich! Ich bin kein Slytherin!“ Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust. „Lassen Sie mich den Hut noch einmal aufsetzen.“ Toms schmale Augenbrauen schnellten in die Höhe. Der Junge verlangte eine Neusortierung? Ein schadenfrohes Grinsen versuchte sich auf sein Gesicht zu stehlen, das er erst im letzten Moment unterdrücken konnte. Das würde der Schulleiter niemals zulassen. Einmal eingeteilt, konnte man sein Haus nicht mehr wechseln. Der Junge nahm sich einiges heraus. Das würde Dippet bestimmt nicht so schnell vergessen. So, so, überlegte Tom hochmütig, ein Slytherin also. Seine blauen Augen wanderten über die schmächtige Figur des Jungen, seine ausgewaschene, ausgeleierte Kleidung, die mehrere Nummern zu groß für seine kleine Gestalt wirkte, seine ungekämmten Haare, die sonnengebräunte Haut und blieb schließlich an seinen Augen hängen, die sogar im schwachen Schein einer Öllampe auf einem Nachttisch voller Leben und Kraft in einem wunderschönen Avada-Kedavra-Grün hinter dicken Brillengläsern zu strahlen schienen. Ja, seine Augen waren wohl das Faszinierendste an diesem Jungen. Ansonsten war er eindeutig Durchschnitt, schloss Tom seine Begutachtung des Fremden ab. Er war nicht sonderlich beeindruckt. Dippet gab ein missbilligendes Geräusch von sich. „Was erlauben Sie sich? Ich hatte angenommen, nach dieser grandiosen Geschichte, die sie uns aufgetischt haben, wären sie mit den Regeln Hogwarts' vertraut, doch anscheinend war das ein Irrtum.“ Bei diesen Worten horchte Tom auf. 'Geschichte aufgetischt'? Welche Geschichte? Er wusste es nicht, was ihn über die Maße störte. Lodernde Neugierde brannte in seinen Adern. Seine Augen blitzten vor unverhohlener Wissbegierde. „Guten Abend, Tom“, begrüßte Dumbledore ihn in freundlichem Ton aus heiterem Himmel, die Augen auf den grünäugigen Jungen gerichtet, bevor er sich zu Tom umwandte und über die Gläser seiner Halbmond-Brille hinweg eindringlich musterte. Ein Schauer lief dem jungen Slytherin gegen seinen Willen über den Rücken, bevor er es verhindern konnte. Wie lange wusste der alte Kauz schon, dass er hier war? Hatte er ihn von Anfang bemerkt? Das wissende Glitzern in den Augen seines Verwandlungs-Professors gab ihm all die Antworten, die er brauchte. Natürlich hatte er das. Tom musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um ein abfälliges Schnauben im Keim zu ersticken. Dieser lächerliche Quacksalber war sehr viel gewiefter, als Tom ihn nach ihrer ersten Begegnung im Waisenhaus eingeschätzt hatte. Dumbledore war der einzige in der ganzen Schule, der nicht auf seine Vorstellung des Musterschülers hereinfiel. Nicht, dass es Tom davon abhielt, seine Rolle in seiner Gegenwart weiter perfekt zu spielen. Er musste Dumbledore ja nicht auch noch Stoff für sein Misstrauen liefern. Mit all seiner jahrelangen Übung zauberte Tom ein charmantes Lächeln auf seine Lippen. „Guten Abend, Professor.“ Dumbledores Augen schienen eine Spur schmaler zu werden, doch die falsche Freundlichkeit blieb auf seinem Gesicht haften wie eine Maske. Wie Tom ihn doch verabscheute, dachte der dunkelhaarige Junge unentwegt lächelnd. Zu seinem Bedauern gab es jedoch auch einen winzig kleinen Teil in ihm, der dem seltsamen Mann mit seiner Vorliebe für alberne Kleidung und Süßigkeiten widerwillig Respekt zollte, weil er nicht gleich wie ein Trottel auf sein Spiel hereinfiel. So ärgerlich es auch für sein mochte, dumm war Dumbledore nicht. Und das machte ihn in Hogwarts zu einer waren Seltenheit. „Lauschen ist keine gute Angewohnheit, Tom“, tadelte der Professor ihn mit ruhiger Stimme, in der Tom eine leise Warnung zu hören glaubte. Dumbledore war auf der Hut. Warum? Nur wegen ihm? Oder lag es an der 'Geschichte', die der Neuankömmling ihnen erzählt hatte? Tom Neugier stieg ins Unermessliche. Er machte ein betroffenes Gesicht. „Ich versichere Ihnen, Professor, das war nicht meine Absicht.“ Er wandte sich Dippet zu, der seine gesamte Aufmerksamkeit ebenso wie der Jungen nun auf Tom gerichtet hatte. Der Streit um den sprechenden Hut schien vergessen. Aus den Augenwinkeln glaubte er, einen entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen zu erkennen, doch er schenkte dem keinerlei Beachtung, auch wenn es ihn verwirrte. Zumindest noch nicht. Zunächst musste er sich um Dippet kümmern, der ihn mit einem misstrauischen Blick bedachte. „Ich bitte für mein unhöfliches Benehmen um Verzeihung, Professor“, sagte Tom mit all der Demut, die er aufbringen konnte, ohne dabei wie ein jämmerlicher Versager zu klingen. „Ich hätte auf mich aufmerksam machen sollen, doch sie waren so in ihre“, er machte eine kurze Pause, „Diskussion über das richtige Haus vertieft, dass es mir schwer fiel, Sie zu unterbrechen.“ Er lächelte Dippet entwaffnend an, dessen Miene sich schlagartig erhellte, auch wenn ein gesundes Misstrauen in seinen Augen haften blieb, wohingegen Dumbledores Blick sich um einiges verdunkelte. Tom musste sich ein schadenfrohes Grinsen verkneifen. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Mr. Riddle“, meinte Dippet leichthin, wofür er sich einen kurzen Seitenblick von Dumbledore einhandelte, den der Schulleiter jedoch nicht zu bemerken schien. „Vielen Dank“, erwiderte Tom betont erleichtert, bevor er höflich fortfuhr: „Dürfte ich erfahren, warum Sie nach mir haben schicken lassen, Professor?“ Dippets Miene verhärtete sich, als er seinen Blick auf den schmächtigen Jungen neben sich richtete. Tom tat es ihm gleich und wäre um ein Haar überrascht zurückgewichen, als er mit einem Sturm von Gefühlen, die sich unverfälscht auf dem Gesicht des kleineren Jungen widerspiegelten, konfrontiert sah. 'Entsetzt' war noch untertrieben gewesen. Der Junge blickte Tom regelrecht geschockt an. Als würde er einem Geist gegenüberstehen. „Heute Abend ist ein neuer Schüler bei uns angekommen“, erklärte Dippet, doch Tom hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Seine gesamte Aufmerksamkeit lag auf dem Jungen, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Und der Neuankömmling sollte ein Slytherin sein? Tom stimmte den früheren Worten des Jungen zu: das war unmöglich. Slytherins wussten ihre Gefühle hinter einer Maske zu verstecken. Sie waren Meister der List und Täuschung. Er dagegen war wie ein offenes Buch. Zu ehrlich. Zu direkt. Hatte der Hut sich tatsächlich geirrt? Aber was noch viel wichtiger war: warum sah der Junge Tom so geschockt an? Sie kannten sich nicht, waren sich nie vorher begegnet. Oder doch? Tom suchte in seinem scharfen Verstand nach einer Erinnerung an den Jungen, doch er fand nichts. Allerdings war er auch so unscheinbar, dass er Tom wahrscheinlich gar nicht aufgefallen wäre. Bis auf die Augen. Diese Augen... „Da der Hut ihn in Slytherin untergebracht hat, würde ich Sie bitten, Tom, ihm als Vertrauensschüler etwas zur Seite zu stehen“, schloss Dippet seine langweilige Rede, doch Tom reagierte nicht. Dafür faszinierte ihn der Wandel, die auf dem Gesicht des Jungen stattfand, viel zu sehr. Seine Augen schienen sich bei Dippets Worten Stück um Stück zu weiten, sodass Tom schon befürchtete, die Augäpfel würden bald aus ihren Höhlen fallen. Stocksteif stand er da, regte keinen einzigen Muskel. Er schien noch nicht einmal mehr zu atmen. Tom wollte unbedingt wissen, was diese Reaktion in dem Jungen hervorgerufen hatte. Mit einem strahlenden Lächeln streckte er dem Jungen einen Arm entgegen. „Sehr erfreut. Mein Name ist Tom Riddle.“ Zunächst geschah nichts und Tom wurde schon langsam wütend, dass der Junge ihn wie ein Volltrottel aussehen ließ, indem er seine Geste nicht erwiderte, doch dann veränderte sich der Ausdruck seines Gegenüber drastisch. Der Schock verwandelte sich in Unglaube, dann in Erkenntnis, Wut und schließlich in unverhohlenen, puren Hass. Dieser Junge hasste ihn. Aus ganzem Herzen. Nun war es an Tom, den anderen ungläubig anzustarren. Er verstand gar nichts mehr. Und das passierte ihm sonst nie. Was ging hier vor? Wer war der Junge?! Tausend Fragen, auf die er nicht eine einzige Antwort wusste, was ihn maßlos ärgerte, schwirrten in seinem Kopf umher, als der Junge auf ihn zutrat, einen eisigen, hasserfüllten Ausdruck in den leuchtend grünen Augen, und Toms Hand entschlossen in seine nahm. Er packte so feste zu, dass der junge Slytherin schon befürchtete, er würde ihm die Finger zerquetschen. „Gleichfalls.“ Sein Ton sagte Tom, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Der Junge schien ihn regelrecht... zu verabscheuen. Warum? Er hatte ihm nichts getan! Wie konnte er es wagen... Wut kochte in seinen Adern hoch, doch er behielt seine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle, ließ nichts von seiner inneren Aufregung nach außen dringen. Er wirkte wie die Gelassenheit in Person. „Ich bin Harry P-“, setzte der Junge an, doch Dumbledore fiel ihm entschieden ins Wort: „Harry Brown. Sie werden zusammen die fünfte Jahrgangsstufe besuchen.“ Tom konnte nicht verhindern, dass sich seine Augenbraue überrascht hob. Nein, das konnte nicht richtig sein. Der Junge, 'Brown', hatte etwas anderes sagen wollen. Die Verwirrung, die sich auf seinem, 'Browns', Gesicht ausbreitete, untermauerte seinen Verdacht zusätzlich. Das war nicht sein echter Name. Aber warum sollte der alte Kauz ihn geheim halten wollen? War der Junge vielleicht jemand wichtiges? So wichtig, dass man seine wahre Identität verbergen musste? Wer war er? Wo kam er her? Warum hasste er Tom, obwohl sie sich noch nie begegnet waren? Fragen über Fragen. Tom konnte es gar nicht erwarten, Antworten aus dem Jungen herauszukitzeln. Mit welchen Mitteln auch immer. Das erste Mal, seit er in Hogwarts angekommen war, breitete sich ein echtes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Das Schuljahr versprach sehr viel interessanter zu werden, als er zunächst angenommen hatte. Schweigend folgte Dippet den beiden Jungen mit den Augen, bis sie durch die großen Flügeltüren verschwanden, dann legte er den sprechenden Hut, der sich momentan wie jede andere Kopfbedeckung in Schweigen hüllte, auf einem Nachttisch ab, bevor er sich zu Dumbledore umdrehte, der sich nachdenklich über seinen langen Bart strich. „Was haben Sie vor?“, kam er ohne Umschweife zum Punkt, was den Professor für Verwandlung ihm einen leicht verschwommenen Blick zuwerfen ließ, der zeigte, dass er noch nicht ganz zurück in der Realität angekommen war. „Hm?“, machte er abwesend. Dippet nahm einen tiefen Atemzug, um sich zu beruhigen, doch seine verschränkten Arme waren Zeugen seiner Ungeduld. „Warum die Namensänderung?“ Dumbledore grinste ihn schelmisch an, wie ein Junge, der das Süßigkeitenglas geplündert hatte. „Haben Sie seinen Blick bemerkt?“ „Wessen?“, schoss Dippet etwas gereizt zurück. Dumbeldores Spielchen konnten ihn manchmal wahrlich um den Verstand bringen, vor allem, nach einem chaotischen Tag wie diesen. Ein Junge, der behauptete, durch die Zeit gereist zu sein? Lächerlich. Schon allein die Vorstellung an die Konsequenzen, die ein solches Ereignis nach sie ziehen könnte, bereitete ihm Kopfschmerzen. Nein, der Junge musste etwas verheimlichen. Und so lange sie nicht wussten, was das war, wäre es besser, ihn in der Nähe zu behalten, um einen Blick auf ihn haben zu können. „Harrys“, antwortete ihm Dumbeldore schließlich nach kurzem Schweigen. Er griff unter seine Robe und zog eine kleine Schachtel unter dem Stoff hervor, wo auch immer er sie versteckt haben mochte, aber Dippet hatte schon vor langer Zeit aufgehört, Dumbledores Geheimnisse lüften zu wollen. Dafür gab es einfach zu viele. „Was soll mit ihm sein?“, fragte Dippet genervt von dem Schweigen, in das sich Dumbeldore abermals gehüllt hatte. „Er hatte Angst.“ Geistesabwesend drehte er die Schachtel in seinen Händen. „Als er Tom erblickt hat, war er wie erstarrt vor Angst.“ Dippet stieß ein frustriertes Seufzen aus. Nicht schon wieder. „Albus, ich weiß, Sie haben ihre Bedenken, was Mr. Riddle angeht, aber...“ Sachte schüttelte Dumbledore den Kopf. „Das ist es nicht. Es geht nicht darum, was ich von ihm denke, sondern was Harry über ihn weiß. Er kennt ihn, Armando. Er hatte Angst vor ihm. Und dann...“ Dumbledores Blick schweifte in weite Ferne. „Sie glauben ihm den Quatsch?“, rief Dippet ungläubig aus. Dumbledore galt als brillantester Zauberer ihrer Zeit und er ließ sich von einem sechzehnjährigen Jungen mit einer Geschichte über Zeitreisen an der Nase herumführen? Der andere Mann lächelte Dippet wissend an. „Oh, ja. Warum nicht? Solange Sie mir nichts anderes beweisen können, werde ich seiner Geschichte Glauben schenken. Schaden kann es nicht.“ Dippet stieß ein missbilligendes Schnauben aus. „Sollte, und das ist ein großes Sollte, seine Geschichte der Wahrheit entsprechen, was ich stark bezweifle“, fügte er eindringlich hinzu, als er das amüsierte Zucken in Dumbledores Mundwinkeln bemerkte, „könnte seine alleinige Anwesenheit hier Probleme von unüberschaubarem Ausmaß nach sich ziehen.“ Dumbledore zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Da haben Sie die Antwort auf ihre Frage.“ Dippet setzte zu einer Erwiderung an, gab es jedoch auf. Manchmal wusste er nicht, ob Dumbledore genial oder einfach verrückt war. Wahrscheinlich etwas von beidem. Er hatte Harry Potters Namen geändert, um ein Zeitparadoxon zu verhindern, sollte, ein riesengroßes sollte, er tatsächlich aus der Zukunft stammen. Er hatte Vorkehrungen für den schlimmsten aller Fälle getroffen. Natürlich. Leise summend riss Dumbeldore die Schachtel in seinen Händen auf. Ein leises Quaken ertönte, dann sprang auch schon ein Schokofrosch in hohem Bogen durch die Luft, direkt auf Dippet zu. Geschickt fing er ihn auf, bevor er auf seinem grauen Bart landen konnte. Amüsiert beobachtete er durch seine Brillengläser, wie Dumbledore enttäuscht den Kopf schüttelte. „Schon wieder Wendeline die Ulkige.“ Seufzend ließ er die Sammelkarte in den Tiefen seiner Robe verschwinden. „Von ihr habe ich schon zwanzig Karten.“ Dippet musste über den schmollenden Ausdruck auf Dumbeldores Gesicht schmunzeln. Er schob sich den quakenden Frosch in den Mund und kaute genüsslich. „Wie viele Sammelkarten fehlen Ihnen denn noch, um Ihre Sammlung zu vervollständigen?“ „Noch genau zwei“, rief Dumbledore empört aus, bevor er sich von dem Hocker erhob und seine Roben glatt strich. „Aber ich finde sie einfach nicht.“ Dippet schüttelte über das kindische Verhalten des Professors grinsend den Kopf, dann wurde er schlagartig ernst. „Was machen wir wegen dem Potter-Jungen?“ Dumbledore legte den Kopf schräg, während er ihn über die Gläser seiner Brille hinweg ansah. „Geben wir ihm erst einmal Zeit, sich in seine neue Situation einzugewöhnen.“ „Und danach?“, fragte Dippet ungeduldig. Dumbeldore zuckte mit den Schultern. „Darum kümmern wir uns, wenn es soweit ist, würde ich raten.“ Das gefiel dem Schulleiter ganz und gar nicht, doch der Ausdruck in Dumbledores Blick ließ ihn verstummen. Der Mann wusste mal wieder mehr, als er ihm sagen wollte. Was hatte er vor? Kapitel 2: Misstrauen --------------------- Harry fühlte sich vollkommen überfordert. Durch die Zeit reisen? Schlimm. Von Armando Dippet verhört werden? Horror. Aber einem Tom Vorlost Riddle die Hand schütteln müssen? Das war der reinste Albtraum. Er hatte gar nicht daran gedacht, dass Voldemorts jüngere Version in dieser Zeit frei herum lief, bis er direkt vor ihm stand. Er konnte es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben. Wie konnte man nur so viel Pech haben? Nicht, dass er in seinem bisherigen Leben vom Glück verfolgt gewesen wäre, aber irgendwann musste doch mal gut sein. Verstohlen warf er dem hochgewachsenen, bleichen Jungen mit den perfekt gekämmten Haaren und der perfekt sitzenden Uniform neben sich einen misstrauischen Blick zu, während sie den Korridoren Hogwarts' in Richtung Kerker folgten. Tom Vorlost Riddle. Er war ihm schon einmal begegnet, damals, in der Kammer des Schreckens, und er hatte keinen sonderlich guten Eindruck bei Harry hinterlassen. Nein, er hatte ihm gezeigt, wie verschlagen Voldemort schon in jungen Jahren gewesen war. Er hatte die Kammer geöffnet, eine Schülerin umgebracht und einem von Harrys besten Freunden, Rubeus Hagrid, die Schuld an dem ganzen Unheil zugeschoben. Und jetzt steckte er mit diesem Mistkerl in dieser Zeit fest? In einem Haus? In einer Jahrgangsstufe? Was hatte Dumbledore sich nur dabei gedacht? Warum hatte er seinen Namen geändert? Und ihn zurück in die fünfte Stufe gesteckt? Harry hatte ihm und Dippet erzählt, dass er das fünfte Jahr bereits hinter sich hatte. War seinem späteren Schulleiter das schlichtweg entfallen? Oder... „Habe ich etwas im Gesicht?“, fragte Riddle so unvermittelt, dass Harry verschreckt zusammenzuckte. Der andere Junge blickte ihn neugierig an, ein leichtes Schmunzeln auf dem Gesicht, das man wohl einfach nur als 'perfekt' bezeichnen konnte. Tom Riddle war ein gutaussehender Junge, das war Harry schon damals in seinem zweiten Schuljahr aufgefallen, als er dem Erinnerungs-Riddle gegenüber gestanden hatte. Zudem überragte er Harry, wie dieser sehr zu seinem Missfallen feststellen musste, um mehr als einen Kopf, obwohl der Gryffindor gut ein Jahr älter war. Aber das war nichts neues. Harry wusste, dass er ziemlich kurz für sein Alter war. Was ihn wirklich ärgerte, war, dass, wenn er nicht gewusst hätte, welches Monster sich hinter Riddles Fassade des Musterschülers verbarg, er ihm wahrscheinlich wie alle anderen auf den Leim gegangen wäre. Er war freundlich, zuvorkommend, höflich, distanziert, aber nicht abweisend. Das Lächeln auf seinen Lippen wirkte ehrlich, humorvoll, 'perfekt'. Alles an diesem Jungen wirkte 'perfekt'. Zu perfekt. Er war ein grandioser Schauspieler. Unauffällig räusperte Harry sich, um seiner Stimme einen feste Klang zu verleihen, was dank seiner Verwirrung und Unsicherheit über seine unglückliche Situation gar nicht so einfach war. Er fühlte sich noch immer, als wäre er in einem bösen Traum gefangen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Nicht, soweit ich sehen kann.“ Er blickte Riddle geradewegs in die eisblauen Augen, die in dem Licht der Fackeln an den Wänden seltsam aufzublitzen schienen, doch es war so schnell wieder verschwunden, dass Harry nicht sicher sein konnte, ob er es nicht einfach nur eingebildet hatte. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Er stand der jungen Version von Voldemort gegenüber. Dem Mann, der seine Eltern neben unzähligen anderen Hexen und Zauberern eiskalt gefoltert und ermordet hatte. Der Angst und Schrecken über die Zauberwelt gebracht hatte. Der eine Schar wahnsinniger Magier um sich versammelt hatte, die es genossen, wehrlose Muggel zu Tode zu quälen. Bellatrix Lestrange, die Mörderin seines Patenonkels, war das beste Beispiel. Oder die Ratte Peter Pettigrew, der seine Eltern an Voldemort verraten hatte, obwohl sie ihn zu ihren besten Freunden und Vertrauten gezählt hatten! Voldemort, der ihn, seit Harry ein Jahr alt gewesen war, gejagt und umzubringen versucht hatte. Der ihm die Chance auf ein normales Leben genommen hatte. Ein bitteres Lächeln breitete sich auf Harrys Zügen aus, während die Wut langsam aber sich in ihm anstieg. Die Liste von Voldemorts Vergehen war schier endlos. Und nun war Harry hier, im Jahr 1942 und stand der Wurzel von allem, was in seinem Leben jemals schief gelaufen war, gegenüber. Was sollte er nur tun? Alles in ihm schrie danach, sich auf Riddle zu stürzen, ihn für seine zukünftige Verbrechen zahlen zu lassen, doch Hermines Predigt aus dem dritten Schuljahr über die Folgen, die das Spielen mit der Zeit mit sich brachten, hielt ihn zurück. Ron und Hermine, dachte er wehmütig. Wie sehr er sich die beiden doch in diesem Moment herbeisehnte. Zusammen wäre dieser ganze Schlamassel um einiges einfacher zu ertragen gewesen. Ein leiser Stich durchfuhr ihn bei dem Gedanken an seine Freunde, die er vielleicht niemals wiedersehen würde, wenn er keinen Weg zurück in seine Zeit fand, daher verscheuchte er das Bild von ihnen schnell aus seinem Kopf. Er hatte gerade andere Probleme. Zum Beispiel einen Riddle, der ihn mit echter Neugierde zu mustern schien. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Riddles Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. „Habe ich vielleicht etwas im Gesicht?“, fragte Harry gereizt, wusste jedoch sofort, dass das die falsche Frage war. Und vor allem der falsche Ton, wie er an der Verärgerung, die kurz über Riddles bleiches Gesicht zuckte, bevor sie wieder von einer falschen Freundlichkeit ersetzt wurde, erkannte. So sprach man wohl nicht mit dem Möchtegern-Lord. „Um ehrlich zu sein, ja“, entgegnete Riddle vollkommen unschuldig. Als Harry ihn bloß verständnislos anstarrte, hob er eine Hand und tippte sich mit einem vielsagenden Lächeln gegen die Stirn. Harry erbleichte. Bevor er es verhindern konnte, legte sich eine Hand auf seine blitzförmige Narbe und strich sich fahrig einige Strähnen seines pechschwarzen Haares in die Stirn, um sie vor den neugierigen Blicken des anderen Jungen zu verbergen. Verdammt, noch verdächtiger hätte er sich nicht benehmen können. Riddle beobachtete seine Bemühungen schweigend mit klarem Blick, bevor er schließlich wieder die Stimme erhob: „Was ist da passiert?“ Harry schluckte. „Unfall beim Zaubern.“ Ein nachdenkliches „Hm“, war alles, was er dafür erntete, doch es sagte mehr als tausend Worte. Riddle kaufte ihm die fadenscheinige Erklärung nicht ab. Natürlich, dafür war er zu aufmerksam. Zu schlau. Verdammt, das würde Riddle nicht auf sich ruhen lassen. Harrys Gehirn lief auf Hochtouren, um sich eine bessere Ausrede auszudenken, doch wundersamerweise hakte Riddle nicht weiter nach. Schweigend setzten sie den Weg fort. Riddle sah ihn noch nicht einmal mehr an, sondern schien ganz in seiner eigenen Gedankenwelt versunken. Und das machte Harry nur noch nervöser, als wenn er ihn mit Fragen gelöchert hätte. Wer wusste schon, was sich sein brillanter Verstand im Stillen zusammenreimte. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Sollte Riddle wie auch immer herausfinden, wer Harry wirklich war, dann... Nein, er wollte sich die Konsequenzen gar nicht ausmalen, dachte Harry mit einem Schaudern. Besser, er verhielt sich so unaufmerksam wie möglich und ging Riddle nach allen Formen der Kunst aus dem Weg, bis er eine Möglichkeit gefunden hatte, in seine eigene Zeit zurückzukehren. Er musste sich unbedingt mit Dumbeldore zusammensetzen. Sein zukünftiger Mentor war die beste Chance, die er hatte. Und wahrscheinlich auch die einzige. Dumbeldore würde wissen, was zu tun war. Unauffällig ließ Harry sich einige Schritte zurückfallen, um nicht in seiner Gedankenlosigkeit nachher noch den Eindruck zu erwecken, er würde den Weg zum Gemeinschaftsraum der Slytherins kennen. Immerhin sollte er vorgeben, neu in Hogwarts zu sein. Und ein neuer Schüler würde sich nie und nimmer auf Anhieb in Hogwarts zurechtfinden, dafür war das Schloss zu groß und seine Gänge zu verwinkelt. Zudem wechselten die Treppen ganz gerne mal die Richtung. Ron und er hatten sich im ersten Schuljahr dutzende Male verirrt, wobei sie oft genug dem Poltergeist Peeves in die Arme gelaufen waren, dessen liebster Zeitvertreib darin bestand, die Bewohner Hogwarts zu triezen und zu schikanieren. Nein, als Neuankömmling hatte man keine Chance, in dem riesigen Schloss unbeschadet von A nach B zu kommen. Eher wusch sich Snape mal die Haare. Daher überließ er Riddle die Führung und folgte ihm in gebührenden Abstand, einen, wie er hoffte, staunenden Ausdruck auf dem Gesicht, während er seinen Blick über alles mögliche nur nicht den Jungen vor ihm gleiten ließ. In aller Stille stiegen sie mehrere steinerne Treppen hinab in die Kerker, bogen um unzählige Ecken mal hierhin, mal dorthin ab, bevor sie vor einer Mauer stehen blieb, die sich in keinster Weise von all den anderen um sie herum unterschied. Doch Harry wusste es besser. Dies war der Eingang zum Gemeinschaftsraum der Slytherins, in den er, nach seinen Abenteuern im zweiten Schuljahr, niemals wieder einen Fuß hatte setzten wollen. Und nun war er ein Teil des Hauses Slytherin. Welche Ironie, dachte er bitter, während Tom Riddle laut und deutlich sagte: „Reinheit.“ Harry hätte fast die Augen verdreht. Natürlich, welches Wort wäre passender für die Slytherins, die so viel Wert auf die Reinheit ihres Blutes legten. Sie konnten ja so berechenbar sein. Ein Zittern lief über die Mauer vor ihnen, als wäre sie zum Leben erwacht, dann schoben sich einzelne Stein vor, während andere sich zurückzogen, sich verschoben, bis ein Loch in der Größe eines Mannes in der Wand klaffte. Lächelnd drehte sich Riddle zu Harry um. Glaubte der Gryffindor das nur, oder war da etwa eine Spur von Überheblichkeit in seinem Blick zu erkennen? Als er jedoch Harrys ausdruckslose Miene bemerkte, verrutschte Riddles Lächeln ein wenig. Verwirrung zeigte sich auf seinem Gesicht, gefolgt von unverhohlenem Misstrauen. Zu spät fiel Harry ein, dass ein Neuankömmling wohl beeindruckt von der Vorführung gewesen wäre. Oder zumindest aufgeregt Fragen über das Schloss, die Häuser, den Alltag in Hogwarts oder sonst was gestellt hätte. „Echt beeindruckend“, bemerkte Harry mit gespielter Faszination, die bei Riddle jedoch auf taube Ohren zu stoßen schien. Er musterte Harry aufmerksam, bohrte seinen Blick in Harrys, der ihm tapfer standhielt, was nicht einfach war, wenn man die Intensität dieser eisblauen Augen bedachte. „Allerdings“, murmelte Riddle geistesabwesend. „Präg dir das Passwort gut ein. Solltest du es vergessen, kommst du nicht mehr zurück in die Räume der Slytherins.“ Harry nickte abgehackt. „'Reinheit'. Schon kapiert.“ War schließlich nicht schwer zu merken. Es hätte ihn eher überrascht, wenn das Passwort der Slytherins ein Begriff wie Lachkrampf oder... Blumenbeet oder so gewesen wäre. Obwohl das bestimmt für einige Lacher gesorgt hätte. Da wäre nie jemand drauf gekommen. Für einen unangenehmen Moment blieb Riddles Blick auf Harrys Gesicht gehaftet, dann wandte er sich ab und verschwand durch das Loch in der Wand. Harry nahm einen tiefen Atemzug, bevor er ihm widerstrebend folgte. Er fühlte sich wie ein Verräter. Der Gemeinschaftsraum der Slytherins sah genauso aus, wie Harry ihn in Erinnerung hatte. Kalt, unfreundlich, düster. Die Schrumpfköpfe an den rohen Steinwänden und das grüne Licht der Kugellampen, die an der hohen Decke hingen, halfen auch nicht sonderlich, einen besseren Eindruck zu machen. Harry vermisste schon jetzt das heitere Lachen, die warme Atmosphäre und die rot-goldenen Banner an den Wänden des Gryffindor-Gemeinschaftsraums. Er glaubte kaum, dass er sich in den übertrieben elegant eingerichteten, in Silber und Grün gehaltenen Räumen der Slytherins jemals wohlfühlen würde. Gryffindor hatte ihm ein Gefühl von 'Zuhause' gegeben, ihm Wärme und Behaglichkeit gespendet. Davon würde er hier nicht das Geringste finden. Alles wirkte steif, unnahbar, herzlos. Nein, das hier war kein Ort, den man Zuhause nennen konnte. Es war ein Gefängnis. Harry richtete seinen Blick wieder auf Riddle, der bereits an einer Treppe angekommen war, die weiter hinab unter die Erde führte. Ein schweres Seufzen unterdrückend stieg Harry die steinernen Stufen hinter ihm hinab, die in ein spärliches, blaues Licht getaucht waren, das die Umgebung nur noch abweisender wirken ließ, als sie es ohnehin schon war. Riddle führte Harry einen langen, schmalen Gang entlang, bis er vor einer dunklen, mit aufwendigen Schnitzereien verzierten Holztür stehen blieb. Er legte die Hand auf die silberne Klinke, wandte dann jedoch den Kopf noch einmal Harry zu, der sich alle Mühe gab, sein Unbehagen zu verbergen. Er hoffte nur, dass es ihm auch nur ansatzweise gelang. Schauspielern war nicht gerade seine Stärke. Er erinnerte sich noch gut an seinen ersten Versuch, Professor Horace Slughorn dazu zu bringen, die wahre Erinnerung über ein Gespräch, das er mit Tom Riddle - welch ein Zufall - geführt hatte, rauszurücken. Ein katastrophaler Fehlschlag. Ohne die Hilfe eines kleinen Zaubertranks namens 'Felix Felicis' hätte er es wohl niemals geschafft. Nein, er war kein sonderlich guter Lügner. Warum also war der Hut so hartnäckig darauf aus, ihn in das Haus der Lügner und Betrüger zu stecken? Er war hier vollkommen fehl am Platz. Die Slytherins würden doch sofort merken, dass er keiner von ihnen war. Allen voran Riddle, der ihn entschuldigend anlächelte. Harry zog fragend die Augenbrauen zusammen. „Es ist schon spät“, bemerkte Riddle so leise, dass Harry sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. Zur Antwort gab er ein abgehacktes Nicken, obwohl er, ehrlich gesagt, jegliches Zeitgefühl seit seinem Erwachen im Jahr 1942 verloren hatte. Er nahm einfach mal an, dass Tom Riddle keinerlei Grund hatte, ihn wegen der Uhrzeit anzulügen. „Die anderen werden schon schlafen“, erklärte Riddle ruhig, den Kopf leicht zur Seite geneigt, sodass seine Haare eine Hälfte seines Gesichts verbargen. „Ich werde dir unsere Zimmergenossen also erst morgen vorstellen können.“ Harry schluckte. Er war nicht sonderlich erpicht darauf, irgendjemanden in Slytherin kennenzulernen. Wer wusste schon, wie viele von ihnen bereits Riddle hörig waren? Hatte er schon zu Schulzeiten begonnen, seine Gefolgschaft aufzubauen? Wenn ja, wäre Harry mit einem Haufen potentieller Todesser in einem Raum gefangen. Er konnte sich wahrlich schönere Orte vorstellen. Sogar das Haus der Dursleys stand zur Debatte, wenn auch am ganz unten auf der Liste. Harry quälte sich ein schwaches „Schon gut“ ab, woraufhin Riddle ihm, wie er wohl hoffte, aufmunternd zunickte, was Harrys Unbehagen jedoch nur noch steigerte, bevor der junge Vordemort-Verschnitt vorsichtig die Klinke herunterdrückte und die dunkle Tür lautlos aufdrückte. Harry zögerte einen Moment, doch eine auffordernde Kopfbewegung von Riddle ließ ihn sich schließlich seinem Schicksal, wenn auch widerwillig, ergeben. Was hatte er schon für eine Wahl? Er folgte dem Möchtegern-Lord in einen Raum, der so düster war, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte, doch kaum drückte der andere Junge die Tür mit einem entschiedenen 'Klick', das Harry erschrocken zusammenfahren ließ, ins Schloss, erwachten die Lampen an den Wänden zum Leben und erhellten die Dunkelheit mit einem schwachen, grünen Schein, der Harry stark an den Avada-Kedavra-Fluch erinnerte. Das war ja überhaupt nicht beunruhigend. Er bezweifelte, dass er hier auch nur für eine Nacht erholsamen Schlaf finden würde. Wenn es ihm überhaupt gelingen sollte, auch ein Auge in Riddles Gegenwart zu schließen, ohne Gefahr zu laufen, verrückt vor Sorge über einen vermeintlichen Angriff zu werden. Nein, besser, er lernte mit offenen Augen zu schlafen. Riddle stellte sich dicht neben Harry, der jedes Fünkchen seiner Selbstbeherrschung aufbringen musste, keinen Schritt zur Seite zu machen, um etwas Abstand zwischen sie zu bringen. Der Mörder seiner Eltern war ihm so nah, dass ihre Schultern sich leicht berührten. Ihm wurde schlecht. Riddle hob einen Arm und deutete auf ein, wie Harry fand, übertrieben prunkvolles Bett, das einsam und verlassen auf der linken Seite des Raumes stand. Davor entdeckte er einen großen Koffer, der seinem eigenen verblüffend ähnlich sah. Aber... das war nicht möglich. Wie sollten seine Sachen in diese Zeit kommen? Er hatte wohl kaum vorher gepackt und war freiwillig in diesen Albtraum gereist. Daran hätte er sich erinnert. Hoffte er. „Das Bett gehört dir“, flüsterte Riddle leise und fügte unnötigerweise hinzu: „Ich schlafe da hinten, an der Stirnseite des Zimmers.“ Was interessierte es ihn, dachte Harry erbost, stattdessen murmelte jedoch verwirrt: „Was machen meine Sachen hier?“ „Die Hauselfen haben Sie hierher gebracht“, erklärte Riddle hilfsbereit, was Harry beinahe ein genervtes Stöhnen entlockt hätte. Er wusste bereits, dass es Hauselfen waren, die die meiste Arbeit in Hogwarts erledigten, vom Kochen über Wäschewaschen bis zum Koffertragen, was er dem Möchtegern-Lord natürlich nicht sagen konnte. Es gab so vieles, worauf er achten musste, um sich nicht zu verraten. Das würde ein wahrer Spießrutenlauf werden. Unter Riddles wachsamen Blick ging Harry hinüber zu dem freien Bett und ließ sich vor dem Gepäckstück auf den Boden sinken, bevor er mit zitternden Fingern den Verschluss entriegelte, um den Deckel aufklappen zu können. Er fiel aus allen Wolken, als er sein Hab und Gut, seine Bücher, Federkiele, Umhänge und die anderen, ausgeleierten Kleidungsstücke, die die Dursleys ihm 'geschenkt' hatten, erblickte. Fassungslos starrte er vor sich hin. Das durfte doch nicht wahr sein. Was wurde hier gespielt? Er verstand gar nichts mehr. Eine Berührung an der Schulter riss ihn unsanft in die Gegenwart zurück. Alarmiert sprang er auf und wirbelte herum, nur um sich einem verdutzten Tom Riddle gegenüber zu sehen, dessen Hand ratlos in der Luft zwischen ihnen schwebte. Gar nicht gut. Eine Weile blickte er Harry schweigend an, dann schien er zu bemerken, dass er den Arm noch immer erhoben hatte, und ließ ihn langsam sinken, einen überraschten, aber auch über die Maßen interessierten Ausdruck auf dem Gesicht. Harry verfluchte sich für seine übertriebene Reaktion. Das wurde ja immer schlimmer. Anstatt Riddles Neugier ihm gegenüber zu zügeln, stachelte er sie auch noch an. Das konnte doch nicht wahr sein. „Was?“, fragte Harry mit etwas zittriger Stimme sein Gegenüber, der ihn mit schräg gelegten Kopf so eindringlich musterte, dass Harry glaubte, sein Blick würden Löcher in seine Haut brennen. Ein Lächeln breitete sich auf Riddles Gesicht aus, doch es schien anders als vorher. Als würde er sich nicht mehr so viel Mühe geben, es überzeugend aussehen zu lassen. Ja, Harry ging sogar so weit, Riddles Ausdruck als schlichtweg unheimlich zu bezeichnen. Denn das war er. Ohne Zweifel. „Ich wollte dir nur eine Gute Nacht wünschen.“ Tom Riddles Augen schienen sich in Harrys zu bohren. „Und dir raten, das Auspacken auf morgen zu verschieben. Es ist wirklich spät.“ „Das war mir auch klar“, schoss Harry gereizt zurück, bevor er es verhindern konnte, rang sich dann aber noch ein einigermaßen freundliches „Na, dann, gute Nacht“ ab. Ohne Toms Erwiderung abzuwarten, wandte er sich wieder seinem Koffer zu, um darin nach seinen Schlafsachen zu kramen, sich des stechenden Blicks auf seinem Rücken unangenehm bewusst. Hastig suchte er alles nötige zusammen, wobei er ein heilloses Durcheinander in seinem Koffer hinterließ, in dem er wahrscheinlich nie wieder etwas finden würde, doch in diesem Moment war ihm das vollkommen egal. Er wollte nur diesem scharfen Blick entkommen und endlich alleine sein, um in Ruhe über alles nachdenken zu können, was heute passiert war. Er brauchte eine Pause. Er musste wieder zu Atem kommen, seine Gedanken ordnen. Er musste sich beruhigen! Er eilte durch eine weitere Tür, die glücklicherweise, wie er gehofft hatte, in ein geräumiges, protziges Gemeinschaftsbad führte, das das der Gryffindors meilenweit in den Schatten stellte. Und DAS war Harry damals schon luxuriös vorgekommen. Die Slytherins übertrafen mal wieder alles. Anscheinend genossen sie es, jede Gelegenheit zu nutzen, um ihren Reichtum, oder besser den ihrer Eltern, zur Schau zu stellen. Er schmiss seine Sachen auf einen niedrigen Hocker an der Wand, entledigte sich seiner übergroßen Kleidung, die er achtlos auf den Fußboden warf, dann ging er zu einer Duschnische und drehte den Wasserhahn auf. Heiß prasselte der Strahl auf seine ausgestreckte Hand nieder, mit der er die Temperatur fühlte, während die andere an den Hähnen herumwerkelte, bis er sicher sein konnte, dass das Wasser ihm nicht die Haut verbrennen würde. Er legte seine Brille behutsam auf einem kleinen Brett an der Wand ab, bevor er einen Schritt nach vorne machte und genüsslich aufseufzte, als der warme, weiche Strahl auf seine verkrampften Muskeln fiel, sie massierte, bis sich die Spannung, die sich in den letzten Stunden in ihm aufgebaut hatte, langsam aber sicher löste. Er stützte die Hände an der kühlen Wand ab, den Kopf leicht geneigt, während er versuchte, alle Gedanken an Zeitreisen, Hogwarts, Slytherin und vor allem Tom Riddle alias Lord Voldemort von sich zu schieben und einfach nur diesen Moment, diese Ruhe, die sich in seinem Inneren ausbreitete, zu genießen. Ein willkommene Leere füllte seinen Kopf, die sich, nach den Stunden der Verwirrung anfühlte wie der Himmel auf Erden. Er hätte ewig hier stehen und alles andere vergessen können, sich fallen lassen, doch letztendlich war Harry niemand, der die Augen vor der Realität verschloss. Daher beendete er seine Dusche schweren Herzens und tastete unbeholfen nach dem Regal mit seiner Brille, die er beinahe auf den Boden geschubst hätte, als seine suchenden Finger gegen den kalten Rahmen stießen. Hastig setzte er sie auf, immerhin war er ohne sie praktisch blind, dann griff nach seinem Handtuch, das er auf eine Stange vor der Nische gehangen hatte, gerade als die Tür zu dem Gemeinschaftsbad geöffnet wurde. Harry warf einen kurzen Blick über die Schulter zum Eingang, wo er Tom Riddle im Türrahmen stehen sah, in den Armen ebenfalls Sachen für die Nacht, bevor er dem unerwünschten Besucher demonstrativ den Rücken zudrehte. Konnte er ihm denn nicht eine Minute Ruhe und Frieden gönnen? War das zu viel verlangt? Entschlossen packte er das Handtuch und trocknete sich flüchtig ab, bevor er es nachlässig zurück über die Stange warf. Hastig schlüpfte er in seinen Schlafanzug, wobei Riddles forschender Blick die ganze Zeit über auf ihm ruhte, bevor er sich an dem anderen Jungen vorbei zu drängen versuchte, doch der wich nicht einen Millimeter zur Seite, sondern versperrte den gesamten Eingang, sodass Harry ihm genervt seine Schulter hart in die Seite rammte, um ihn aus dem Weg zu schubsen. Dabei würdigte er den Möchtegern-Lord nicht eines Blickes. Er wollte einfach nur so schnell wie möglich von Riddle wegkomme. Gott, das war alles so seltsam. Wie sollte er es in Slytherin aushalten? Zudem mit einem jungen Lord Voldemort in einem Zimmer? Das war reine Folter. Was hatte er je getan, um das zu verdienen? Harry fiel keine Antwort darauf ein. Nicht, dass das Leben bisher einen Grund gebraucht hätte, um ihn von einem Problem ins nächste zu werfen. Er zog sie halt magisch an. Seit seinem ersten Lebensjahr. Was für ein Glückspilz er doch war, dachte er sarkastisch, während er zu seinem neuen Bett ging, seine Brille auf einem kleinen, dunklen Nachtschränkchen platzierte und sich mit einem erleichterten Seufzer auf die Matratze fallen ließ, die ihn in ihrer weichen Umarmung willkommen hieß. Er rollte sich zur Seite, weg von der Badezimmertür, in deren Rahmen er noch immer Riddles Umrisse aus den Augenwinkeln erkennen konnte, bevor er sich in der Decke einwickelte und hundemüde die Augen schloss. Mit einem Mal schien all die Anspannung der letzten Stunden ihren Tribut zu zollen. Erschöpfung packte ihn mit unnachgiebigen Klauen, um ihn innerhalb von Sekunden tief in das Reich der Träume zu ziehen. Er hoffte nur, dass er am nächsten Morgen wieder in seiner eigenen Zeit erwachen würde. Die Hoffnung starb schließlich zuletzt... Gebadet in dem schwachen, grünlichen Schein der Kugellampen an den Wänden, stand Tom Riddle vor einem pompösen, in Grün und Silber gehaltenen Himmelbett und schaute nachdenklich auf den schlafenden Jungen herab, der die weiche Decke eng um seine schmale Gestalt geschlungen hatte. Alles an diesem Jungen war eine Lüge. Sein Name, seine Geschichte, sogar sein Verhalten. Er hatte versucht ihm vorzuspielen, er wäre neu in Hogwarts. Ihm! Dem Meister der Täuschung. Dabei war es so offensichtlich gewesen, dass er sich bereits in Hogwarts auskannte. Seine Überraschung, seine Begeisterung, das alles war gespielt gewesen. Und schlecht noch dazu. Nichts an ihm war echt. Wer war er wirklich? Was an ihm war so verdammt wichtig, dass man es geheim halten musste? Was verbarg er vor ihm? Riddle wollte es wissen. Er musste es wissen. Es macht ihn wahnsinnig, nicht zu wissen. Die Fragen hatten ihm während des gesamten Weges von der Krankenstation zu ihrem Schlafraum auf der Zunge gebrannt wie Säure, doch er wusste, dass es ihm nichts bringen würde, den Jungen zu löchern. Er würde ihm keine Antwort geben, das hatte er in seinem Blick erkannt, als er nach der Geschichte hinter seiner Narbe gefragt hatte. Diese Narbe... Vorsichtig strich Tom dem schlafenden Jungen die Haare aus der Stirn, um einen besseren Blick auf die seltsame Narbe erhaschen zu können, die sich deutlich in der Form eines Blitzes von seiner gebräunten Haut abhob. 'Brown' regte sich unter der Berührung leicht, und für einen kurzen Moment fürchtete Tom, er würde erwachen, doch zu seiner Erleichterung wandte der Junge ihm lediglich leise murmelnd das Gesicht zu. Die Erschöpfung zeichnete sich klar als dunkle Ringe unter seinen geschlossenen Lidern ab, deren gelegentliches Zucken Tom signalisierte, dass der Junge tief im Reich der Träume versunken war, was ihm sein Vorhaben um einiges erleichterte, da er keine Gefahr lief, erwischt zu werden. Mit vor Neugierde brennenden Augen folgte er dem gezackten Verlauf der Narbe, dann legte er sanft einen Daumen auf den tiefen Schnitt, zog jedoch sogleich die Hand wieder zurück, als ein stechender Schmerz durch seinen Arm zuckte. Fasziniert betrachtete er seine prickelnde Fingerspitzen, bevor seinen Blick zurück auf den friedlich schlafenden Jungen richtete, der nicht das geringste von dieser Aktion mitzubekommen haben schien. Tom spürte, wie sein Puls sich vor Aufregung über seine Entdeckung beschleunigte, während sein Verstand fieberhaft nach einer Erklärung für das gerade Geschehene suchte. Es gab so vieles an dem Jungen, was ihn faszinierte, so viele Fragen, nach deren Antwort es ihn verlangte. Woher stammte die Narbe? Warum hasste er Tom, obwohl sie sich noch nie zuvor begegnet waren? Wer war er? Und noch wichtiger: was wusste er über ihn? Wie gerne hätte Tom ihm die Antworten gewaltsam entlockt, und schon bei der bloßen Vorstellung daran, mit welchen Mitteln er den Jungen zwingen könnte, ihm seine tiefsten, bestgehüteten Geheimnisse zu beichten, lief ein Zittern der Vorfreude durch seinen Körper, doch noch gelang es ihm, die Beherrschung zu bewahren. Wenn auch nur um Haaresbreite. Er würde seine Antworten bekommen. Er würde das Rätsel um 'Harry Brown' lüften. Doch bevor er zu etwas... drastischeren Mitteln griff, würde er zunächst versuchen, sich sein Vertrauen mit Freundlichkeit und Charme zu erschleichen. Darin war er schließlich Meister. Niemand konnte dem perfekten Tom Riddle widerstehen. Absolut niemand. Kapitel 3: Das Spiel beginnt ---------------------------- Im Schlafraum der Fünftklässler des Hauses Slytherin herrschte eine bedrückende Stille. Vier Jungen standen vor einem der sechs Betten, die waagerecht vor den steinernen Wände aufgestellt waren, und blickten neugierig und heillos verwirrt, auch wenn der ein oder andere es zu verbergen versuchte, auf den schlafenden Jungen herab, der über Nacht ohne Vorwarnung wie aus dem Nichts in ihrer Mitte aufgetaucht war. Tom musste sich alle Mühe geben, über die dummen Gesichtsausdrücke seiner Mitschüler nicht laut aufzulachen, doch ein leises Kichern konnte er nicht unterdrücken. Ein Junge mit penibel gekämmtem, schlohweißem Haar bedachte Tom, der entspannt auf seinem Bett saß und seine silber-grüne Krawatte geschickten band, mit einem prüfenden Blick. „Du bist verdächtig still. Weißt du hierüber etwas?“, fragte Abraxas Malfoy in einem für ihn typischen, überheblichen Tonfall mit einem abfälligen Kopfnicken in Richtung Harry. Tom hüllte sich kurz in Schweigen, während er das friedliche Gesicht und das wilde Nest schwarzen Haares des Schlafenden nachdenklich musterte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Malfoy, der ihn mit erwartungsvoll erhobener Augenbraue musterte. Seine Ungeduld und Neugier waren ihm deutlich anzumerken, auch wenn er sich darum bemühte, seine Züge wieder unter Kontrolle zu bekommen und sie hinter einer Maske der Ausdruckslosigkeit zu verbergen. Tom musste sich ein höhnisches Grinsen verkneifen. Für all den Spott und die Häme, die ihm der Malfoy-Erbe in ihrem ersten Schuljahr für seine 'unreine' Abstammung entgegengebracht hatte, war er in Toms Gegenwart nach einer kleinen... Lektion in ihrem dritten Schuljahr nun immer auf der Hut und wählte seine Worte mit Bedacht, um ihn nicht zu verärgern, auch wenn er eine gewisse Distanz zwischen ihnen wahrte. Malfoy mochte seine Ideale des reinen Blutes teilen, ihn sogar als Kopf ihres Hauses akzeptieren, schließlich blieb im da kaum eine Wahl, wenn er seine Position und sein Ansehen in Slytherin nicht verlieren wollte, doch er war zu stolz, um sich in dem Gefolge eines 'Halbblutes', sehen zu lassen. Wie auch einige andere Erben der großen, alten Reinblüter-Familien, die ihn noch immer für ein 'Schlammblut hielten, da er seine magische Abstammung nicht nachweisen konnte, doch das alles würde sich noch ändern. Die Malfoys waren ein einflussreiches Geschlecht der Zauberer-Welt. Sie an seiner Seite oder besser als seine Gefolgsleute zu wissen, würde Tom sehr viel Anerkennung und Macht bringen, die er für die Umsetzung seiner zukünftigen Pläne benötigte. So ungern er es auch zugab, noch war er auf die Unterstützung anderer Leute angewiesen. Aber er war davon überzeugt, mit der Zeit würden die Malfoys und auch die anderen altehrwürdigen Familien darum betteln, ihm folgen zu dürfen. Und dann wäre auch seine 'unreine' Abstammung kein Thema mehr. Er würde dafür sorgen, dass sie alle vergaßen, woher er kam. Welche Erniedrigungen er in seiner Kindheit hatte ertragen müssen. Niemand würde auf 'Lord Voldemort' herabblicken. Sie alle würden zu ihm aufsehen müssen, als der mächtigste Zauberer aller Zeiten. Er konnte den Tag gar nicht erwarten, am dem er endlich die Kontrolle über die magische Welt an sich reißen würde. „Das ist Harry... Brown“, stellte Tom schließlich den schlummernden Neuankömmling seinen Zimmerkameraden vor, die ihm nun alle die Köpfe zugewandt hatten, mit Ausnahme des Black-Sprösslings, der 'Brown' mit müden Augen musterte. Im Gegensatz zu den anderen Jungen, die sich schon für den anbrechenden Schultag umgezogen hatten, trug Black noch seine Schlafsachen und sah aus, als könnte er an Ort und Stelle im Stehen einschlafen. Nach Riddles Erfahrung war dies durchaus im Bereich des Möglichen. Black besaß die fragwürdige Fähigkeit überall und jederzeit einzunicken, auch wenn er im Unterricht direkt vor der Nase des Professors saß. Seine Liste an Strafarbeiten, die er sich dadurch im Laufe der Jahre eingeheimst hatte, war praktisch legendär. Julius Lestrange, einer von Toms treuesten Anhängern, zog verwirrt die Brauen zusammen. „Du klingst unsicher.“ Lässig schlug Tom die Beine übereinander, den Blick abermals auf ihren neuen Schulkameraden gerichtet, auf dieses entzückende Rätsel, das er zu lösen gedachte. „Ich glaube nicht, dass er der ist, der er vorgibt zu sein“, teilte er den anderen Jungen seine Bedenken mit, ein unheimliches Grinsen auf seinen perfekten Zügen. Es war überflüssig, ihnen den freundlichen, höflichen Musterschüler vorzuspielen. Sie alle kannten sein wahres Gesicht und zwei von ihnen waren ihm mehr als hörig, während die anderen beiden ihm zwar nicht offen folgten, ihm jedoch auch keine Steine mehr in den Weg legten wie zu Anfang ihrer Schulzeit. Malfoy und Black hatten sein wahres Ich zu spüren bekommen, nachdem sie ihn die ersten drei Jahre unablässig verhöhnt und schikaniert hatten. Sie hatten gelernt, was passierte, wenn man Tom Vorlost Riddle verärgerte. Keiner von ihnen würde diesen Fehler wiederholen. Niemand wagte es, sich ihm in den Weg zu stellen oder auch nur zu widersprechen. Und Tom genoss die Angst und den Respekt, die die Schülerschaft ihm entgegenbrachte. Er hatte sich diese Postion hart erarbeitet. Er hatte sie sich verdient. Sie war sein Geburtsrecht. Und nun, da er von der Macht gekostet hatte, wollte er mehr. So viel mehr. Und niemand würde seine Pläne durchkreuzen. Sein Gedanken kehrten zu dem schlafenden Jungen zurück. Noch immer zerbrach sich Tom den Kopf darüber, ob sie sich schon einmal begegnet waren, durchsuchte seine Erinnerungen nach seinem Gesicht, doch er wurde nicht fündig. Und je länger er suchte, desto sicherer war er sich, ihm nie zuvor über den Weg gelaufen zu sein. Also warum diese Abneigung ihm gegenüber? Warum die Lügen bezüglich seines Namens? Seines Wesens? Warum ihm etwas vorspielen, auch wenn Brown dieses Verhalten offensichtlich zuwider und er zudem ein absolut miserabler Lügner war? Was war sein Geheimnis, das er so verzweifelt zu beschützen versuchte? Tom musste es wissen. Harry Brown, überlegte er, den Kopf leicht schräg gelegt, während er die Züge des schlafenden Jungen abwesend studierte. Wer war er wirklich? „Tom?“, drang Noctis Averys hohe Stimme durch einen Strom von Szenarien, die in Toms Kopf wüteten, in denen er zu klären versuchte, woher Browns Hass auf ihn stammen konnte, von der jedoch kein einziges alle seine Fragen beantworten konnte, wie zum Beispiel die Herkunft der geheimnisvolle Narbe, die auf seine Berührung reagierte. Das alles war höchst faszinierend. Widerwillig löste er den Blick von dem friedlichen Gesicht seines persönlichen Rätsels, um ihn dem dunkelblonden Jungen zuwenden zu können. Mit dem Heben einer Augenbraue forderte er ihn auf, weiterzusprechen, woraufhin sich Avery unbehaglich räusperte. „Was meinst du damit, er ist nicht der, für den er sich gibt?“ Alle Aufmerksamkeit, außer Alphards, natürlich, der sich leise schnarchend gegen einen der Bettpfosten von Browns Bett gelehnt hatte, richtete sich wieder auf Tom. Der dunkelhaarige Junge stützte seine Hände hinter sich ab, bevor er sich leicht zurücklehnte, einen überheblichen Ausdruck auf dem Gesicht. „Alles an ihm ist eine Lüge“, offenbarte er seiner neugierigen Hörerschaft. Malfoy gab ein abfälliges Schnauben von sich. „Lächerlich. Woher willst das wissen?“ Tom maß ihn mit einem abschätzigen Blick. „Glaub mir, du wirst meine Meinung teilen, sobald er wach ist. Sein ganzes Verhalten ist widersprüchlich.“ Seine Augen kehrten zu Brown zurück, der sich unruhig im Bett wälzte. „Dürfte nicht mehr lange dauern.“ Sie alle richteten ihren Blick wieder auf Harry Brown. „Und... wer ist er dann?“, fragte Lestrange mit einer leisen Nervosität in der Stimme, die ihr einen unangenehm schrillen Klang verlieh. Verärgert über diese dumme Frage verdunkelte sich Riddles Gesicht. Hätte er das gewusst, würde er nun nicht hier sitzen und seinen Verdacht mit diesen Dummköpfen teilen. Dann hätte er kein neues Spiel gefunden, das ihn für die nächsten Wochen beschäftigen würde. Das sein langweiliges Leben in Hogwarts vielleicht etwas erträglicher machen könnte, bis er die Kammer des Schreckens gefunden hatte. Er konnte es kaum erwarten, Brown all seine kleinen Geheimnisse zu entlocken. Er würde es in vollen Zügen genießen. Doch zunächst musste er sicher gehen, dass ihm keiner seiner treuen Lakaien in den Weg kam. Er würde nicht zulassen, dass sie ihm dieses Spiel verdarben. „Das gedenke ich herauszufinden“, beantwortete er schließlich Lestranges Frage, ohne ihn anzusehen. Sein Blick war auf Browns Augenlider geheftet, die sich leicht flatternd zu öffnen begannen. „Und was machen wir?“ Lestranges Stimme klang resigniert, als er abermals das Wort an Tom richtete, der sich ein Lächeln verkneifen musste, da er wusste, wie sehr es den braunhaarigen Jungen störte, wenn ihm keine Beachtung geschenkt wurde. Wie ein verzogenes Kind. Erbärmlich. Tom schürzte nachdenklich die Lippen, hüllte sich in ein kurzes Schweigen, um eine angespannte Atmosphäre entstehen zu lassen, während seine Gefolgsleute auf seine Antwort warten mussten, dann schoss sein Blick zu Lestrange, der vor der Intensität seiner strahlend blauen Augen zurückzuckte. „Ihr?“, fragte Tom gespielt überrascht in die Runde. Malfoy hatte den Blick abgewandt, die Arme ablehnend überkreuzt, Lestrange und Avery dagegen sahen ihn erwartungsvoll an. „Ihr werdet weiter nach der Kammer suchen. Ich dachte, dass wäre selbstverständlich. Oder... was?“ Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an, als er sich wieder auf Lestrange konzentrierte. „Wolltest du dich etwa in mein neues Spiel einmischen?“ Alle Farbe wich schlagartig aus Lestranges Gesicht. Verschreckt wich er vor Tom zurück. „Nein... nein! Natürlich nicht! Wie kommst darauf?“ Er untermalte seine Worte mit einem nervösen Lachen. „Das würde ich niemals wagen.“ Malfoy gab ein mitleidiges Seufzen von sich. „So? Dann bin ich ja beruhigt.“ Tom bedachte Lestrange mit einem übertrieben freundlichen Lächeln, während es in seinem Inneren brodelte. Was dachte sich dieser Versager eigentlich? Harry Brown war seine Herausforderung, sein Rätsel, sein neuer Zeitvertreib. Es war sein Spiel. Niemand würde Hand an ihn legen, bis Tom mit ihm fertig war. Er gehörte ihm. Der Junge in dem Bett regte sich abermals, dann entfuhr ihm ein herzhaftes Gähnen, während er sich verschlafen die Augen rieb. Langsam erhob sich Tom von seinem Platz auf seinem eigenen Bett, ging an den anderen vorbei, die ihm rasch Platz machten, ohne sie zu beachten, den Blick auf das müde Gesicht des Neuankömmlings gerichtet, der sich deutlich verwirrt und mit einer ansteigenden Panik im Zimmer umsah, bis er schließlich vor dem Bett des rätselhaften Jungen stehen blieb. Verschlafen blickte Brown zu ihm auf. „Guten Morgen“, begrüßte Tom ihn mit einem strahlenden Lächeln. Für einen Moment schaute Brown ihn verschlafen an, dann zeigte sich Erkenntnis auf seinem Gesicht, gefolgt von einem Ausdruck abgrundtiefen Horrors. Toms Grinsen wurde eine Spur breiter. Er musste zugeben, ihm gefiel die Reaktion, der er bei dem Jungen auslöste. Doch dann verschwand die Angst aus seinem Blick, ersetzt von Kälte und Ablehnung. Trotz. Dieser Junge trotzte ihm. Es wurde immer interessanter. Mutlos seufzend drehte der grünäugige Junge Tom den Rücken zu. „Scheiße, es war also doch kein Traum.“ Und das Spiel begann... Kapitel 4: Erkenntnis --------------------- Mit leerem Blick starrte Harry auf seinen leeren Teller hinab, während die Schüler um ihn herum munter ihr Frühstück verzehrten. Ihm dagegen war jeder Appetit verflogen. Er hatte wirklich gehofft, dass er, wenn er das nächste Mal die Augen öffnete, aus diesem Albtraum erwachen würde, doch das Meer aus Grün und Silber, das ihn am Morgen begrüßt hatte, sowie vier neugierige Augenpaare, die sich in seine bohrten, und ein strahlend lächelnder Tom Riddle, der sich über ihn beugte, womit er Harry fast einen Herzinfarkt bescherte -das war nun wirklich kein Anblick, den man direkt nach dem Aufwachen ertragen konnte - hatten all seine Wünsche und Hoffnungen brutal im Keim erstickt. Und der Albtraum war sogar noch schlimmer geworden, auch wenn er es nicht für möglich gehalten hatte. Nicht nur, dass er sich ein Zimmer mit dem jungen Voldemort teilen musste, nein, ein Mitglied der Malfoy-Familie war ebenfalls mit von der Partie, unweigerlich an dem weißblonden Haar und den arroganten Gesichtszügen zu erkennen, die man wohl schon als Markenzeichen der Familie bezeichnen konnte, sowie ein Vorfahr der Lestranges und der Averys. Den größten Schock hatte ihm jedoch die exakte Kopie seines Patenonkels Sirius Black bereitet. Wenn auch um Jahre jünger, war die Ähnlichkeit zwischen ihnen fast beängstigend. Harry hatte jede Faser seiner Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um dem Sirius-Klon nicht um den Hals zu fallen, als ihn die Erleichterung, seine einstige Vaterfigur und letzte Person, die er zu seiner Familie zählen konnte, wohlauf zu sehen, im Halbschlaf beinahe übermannte. Doch ein Blick auf Tom Verdammt-nochmal Riddle, der die Situation mit wachen Augen beobachtet hatte, holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Er durfte sich nicht verraten. Er musste sich unter Kontrolle halten. Mit aller Mühe hatte er versucht, seine Freude über Sirius' Anblick, wenn es auch nur ein Vorfahr und nicht er selbst war, zu unterdrücken. Doch an dem Misstrauen und der Verwirrung in Riddles kalten, blauen Augen hatte Harry erkennen können, dass seine Gesichtszüge etwas von dem inneren Sturm seiner Gefühle verraten hatte. Wenn er nicht bald in seine eigene Zeit zurückkehren könnte, würde er lernen müssen, seine Emotionen und seine Gesichtszüge besser unter Kontrolle zu halten... Hoffentlich fand er so schnell wie möglich einen Weg zurück. Seufzend legte er seine Arme auf die Tischplatte und stützte sein Kinn auf eine Hand. Er fühlte sich wie erschlagen. Seine Glieder schmerzten wie nach einem Zauberduell und ein unangenehmes Pochen hinter seiner Stirn trieb ihn fast in den Wahnsinn. Als hätte Voldemort versucht, in seinen Verstand einzudringen. Aber.. das war nicht möglich. Voldemort war nicht hier, nun, zumindest nicht der Voldemort, und Riddle war noch zu jung, um diese Fähigkeit zu besitzen... oder? Eine böse Vorahnung schnürte ihm die Kehle zu. Die Frage war nicht, ob er es konnte, sondern was, wenn er es konnte? Dann war Harry erledigt, dachte er nüchtern, sich vollkommen darüber im Klaren, dass er in Okklumentik eine Niete war. Snape hatte ihm das mehr als deutlich zu verstehen gegeben. Sollte der junge Voldemort in seinen Verstand eindringen wollen, hätte er ihm wohl kaum etwas entgegen zu setzen. Und wenn er es bereits getan hatte? Verstohlen warf Harry dem dunkelhaarigen Jungen mit den perfekt gekämmten Haaren und perfekten Tischmanieren einen misstrauischen Blick zu. Riddle benahm sich ihm gegenüber... nett. Verdächtig nett, um ehrlich zu sein, wenn er an sein eigenes, feindseliges Verhalten bei ihrer ersten Begegnung zurückdachte. Er war höflich, hilfsbereit, zuvorkommend. Genau wie man es von einem Vertrauensschüler gegenüber einem neuen Schüler erwartete. In den Augen der anderen war Riddles Benehmen keinesfalls seltsam oder beunruhigend. Harry dagegen hatte das ungute Gefühl, dass Riddle bereits etwas vermutete, was auch immer das sein mochte. Die Freundlichkeit, mit der der andere Junge ihn bedacht, kam ihm äußerst suspekt vor. Aber vielleicht war Harry auch einfach nur paranoid. Er betete inständig, dass dem so war, denn andernfalls, wusste er nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich so ausgelaugt wie lange nicht mehr. Das letzte mal war er nach seinem Kampf gegen Voldemort und seinen Todessern im Zaubereiministerium in seinem fünften Schuljahr so geschafft gewesen. Die Nacht hatte ihm entgegen seiner Erwartungen keinerlei Erholung gebracht, auch wenn er zur Abwechslung mal von Albträumen verschont geblieben war. Was allerdings daran liegen mochte, dass er bereits einen Ehrenplatz in seiner ganz persönlichen Hölle direkt neben dem leibhaftigen Teufel in Gestalt eines Unschuldsengels sein eigen nennen durfte. Wie sollte er sich da entspannen? Und das aufgeregt Stimmengewirr sowie die neugierigen, misstrauischen, teils auch feindseligen Blicke seiner neuen Mitschüler halfen auch nicht gerade dabei, seine innere Ruhe wiederzufinden, um sich dem ganzen Schlamassel mit klarem Kopf stellen zu können. Harry brauchte Ruhe, um seine Gedanken zu ordnen, wenn er in Slytherin bis zu seiner Rückkehr in seine Welt überleben wollte. Er musste von Riddle wegkommen, doch der schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Harry wie eine Klette an den Fersen zu hängen. Zuerst hatte er ihm seine neue Zimmerkameraden der Reihe nach vorgestellt: Julius Lestrange, Noctis Avery, Abraxas Malfoy -Harry konnte seine Begeisterung kaum in Grenzen halten- und Alphard Black, Sirius' Doppelgänger. Harry glaubte noch jetzt die argwöhnischen, taxierenden Blicke auf seiner Haut prickeln fühlen zu können, mit denen sie ihn gemustert hatten, außer Alphard, der sich alle Mühe hatte geben müssen, die Augen offen zu halten. Und Harry hatte gedacht, er hätte Probleme, morgens beizukommen. Alphard Black war da ein ganz anderes Kaliber. Als die unangenehme Prozedur des Kennenlernens, Fragen Ausweichens und Abschätzens dann überstanden war, hatte Harry geglaubt, Riddle würde die Gelegenheit nutzen, den Neuen sich selbst zu überlassen, und sich mit den anderen Jungen zur Große Halle begeben, doch nachdem er aus dem Bad zurückgekehrt war, Alphard in seinem Schlepptau, der ihn nicht eines verschlafenen Blickes würdigte -Harry fragte sich schon, ob er sich seiner Anwesenheit in seinem übermüdeten Zustand überhaupt bewusst gewesen war- hatte er Riddle mit einem Buch in der Hand auf seinem Bett sitzend vorgefunden. Als er Harry bemerkt hatte, war aufgesprungen, ein freundliches Lächeln im Gesicht, das Harry Schauer über den Rücken sandte. Im ersten Augenblick hatte Harry die verzweifelte Hoffnung gehabt, der Voldemort-Verschnitt hätte auf Alphard gewartet, doch auch diese war unwiderruflich zerstört worden, als Riddle an dem jungen Black vorbei stolziert war, ohne ihn auch nur zu beachten. Harry hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Was wollte er von ihm? Er hatte ihm doch schon letzte Nacht alle erklärt, was ein Neuankömmling über das Schloss wissen musste, um sich zurechtzufinden! Was war denn jetzt noch? Die Frage musste Harry im Gesicht gestanden haben, denn Riddles Lächeln war noch eine Spur breiter -und unheimlicher- geworden, bevor er munter verkündet hatte: „Komm, ich begleite dich zur Großen Halle. Wir wollen doch nicht, dass sich der Neue an seinem ersten Schultag verläuft, nicht wahr? Das kann in Hogwarts ernste Konsequenzen haben.“ Harry gefror das Blut zu Eis. Das letzte bisschen hatte verdächtig nach einer Drohung geklungen. Als er keine Anstalten gemacht hatte, sich in Bewegung zu setzen, hatte Riddle leise seufzend seinen Arm gepackt und ihn unnachgiebig in den Gemeinschatfsraum der Slytherins geschleift, wo Harry sich weiteren verblüfften und musternden Blicken ausgeliefert gesehen hatten, dann war er mehr schlecht als recht von Riddle in die Große Halle bugsiert worden, wo die Aufmerksamkeit aller auf ihm geruht hatte. Nicht nur am Tisch der Slytherins, der bereits halb von Schülern besetzt gewesen war, sondern auch an denen der anderen Häusern und dem der Lehrer hatten sich Köpfe in Harrys Richtung gewandt, sich Augen auf sein Gesicht geheftet und in seinen Rücken gebohrt, während Riddle ihn schweigend an einem Arm zu einem leeren Platz in der Mitte der Schülergemeinschaft geführt hatte, wo er sich elegant niedergelassen und Harry wie bestellt und nicht abgeholt stehen gelassen hatte, da es ansonsten keinen freien Sitzplatz in seiner Nähe mehr gab. Der Gryffindor, er weigerte sich, Slytherin als sein neues Haus zu akzeptieren, hatte sich bereits abwenden wollen, da hatte Riddle sein Gesicht einem blonden, schmächtigen Jungen mit einem fiesen Zug um Mund, Noctis Avery, wenn Harry sich recht erinnerte, zugedreht, der sich nur einen Herzschlag später erhoben, einen empörten Ausdruck auf dem bleichen Gesicht, und Harry mit einem Seitenblick versuchte hatte zu erdolchen, bevor er sich am Rand der hämisch kichernden Slytheringemeinschaft einen neuen Platz suchte. Harry hatte ihm etwas geschockt hinterher geschaut. Er hatte noch jetzt das ungute Gefühl, sich gerade einen neuen Feind gemacht zu haben, obwohl er rein gar nichts angestellt hatte. Das fing ja großartig an. „Setz dich, Harry“, hatte Riddle ihn mit einem kameradschaftlichen Nicken auf den nun leeren Platz neben ihm aufgefordert. Harry hatten sich die Nackenhaare aufgestellt, als der Mörder seiner Eltern ihn so vertraut mit seinem Vornamen angesprochen hatte und tatsächlich für einen Moment mit dem Gedanken gespielt, ihn einfach zu ignorieren und sich am Ende des Tisches einen Platz so weit weg wie möglich von ihm zu suchen, doch so schnell wie er gekommen war, hatte er ihn wieder verworfen. Er hatte sich vorgenommen, sich unauffällig zu verhalten. Keinen Verdacht zu erregen, Riddles Misstrauen nicht noch mehr Stoff zu liefern. Er musste unscheinbar werden, damit der junge Dunkle Lord sein vorübergehendes Interesse an ihm wieder verlor. Und jeder normale Neuankömmling, der Riddles wahres Gesicht nicht kannte, wäre der Einladung des charmanten Vertrauensschülers ohne Umschweife nachgekommen. Er war freundlich, höflich, gutaussehend und an den bewundernden Blicken der Jungen und den verträumten Ausdrücken der Mädchen, mit denen sie Riddle bedachten, konnte Harry ganz klar erkennen, dass der junge Vordemort bereits ein beunruhigendes Maß an Einfluss im Haus der Slytherins besaß. Niemand bei klarem Verstand hätte sich gegen ihn gestellt. Nein, sein Interesse hätte ihnen wahrscheinlich auch noch geschmeichelt. Harry dagegen widerte es an, aber auch das durfte er sich nicht anmerken lassen. Er musste mitspielen, gute Miene zum bösen Spiel machen, bis er eine Lösung für dieses Chaos fand. Daher hatte Harry sich widerwillig neben Riddle niedergelassen, einen missmutig dreinblickenden Lestrange zu seiner Rechten. Und so saß er hier, umgeben von Baby-Todessern. Das war ja einfach klasse. Da war ihm glatt der Appetit verflogen. Harry fragte sich, wie weit Riddle wohl schon gegangen war? Hatte er schon jemanden getötet? Ob er die Kammer des Schreckens bereits gefunden hatte? Bei dem Gedanken horchte er auf. Die Kammer! Natürlich! Das würde er sofort überprüfen können! Hastig und mit neu gefundener Energie ließ er seinen Blick an dem Tisch der Gryffindors entlang wandern, die wild gestikulierend und übermütig lachend ihr Frühstück genossen, ganz im Gegensatz zu den Slytherins, die steif und verklemmt jeder Tischmanier folgten, die jemals erfunden wurde. Wie sehr Harry sich danach sehnte, inmitten der roten und goldenen Banner zu sitzen, anstatt von Grün und Silber umgeben zu sein . Er war ein Löwe, keine Schlange. Vielleicht -und das war ein großes Vielleicht!- hatte es damals in seinem ersten Schuljahr die winzig kleine Möglichkeit gegeben, dass er auch ein Slytherin hätte werden können, doch jetzt, Jahre und einige Kämpfe mit dem Erben besagten Hauses später, war es doch mehr als eindeutig, dass er ein Gryffindor war. Von Kopf bis Fuß. Mit ganzem Herzen. Was hatte sich der verdammte Hut nur dabei gedacht, ihn nach Slytherin zu stecken, fragte er sich zum wiederholten Male, ohne mit einer Antwort belohnt zu werden. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie aus dem Nichts aufgetaucht wäre. Hätte sein Leben zur Abwechslung ja auch mal um einiges leichter gemacht. Harrys grüne Augen beobachteten weiterhin aufmerksam den Tisch der Löwen, doch noch immer fand er nicht, wonach er suchte. Und das bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Wenn er nicht mehr an der Schule war, dann hieß das... dass Tom Riddle die Kammer bereits geöffnet hatte. Aber... wie lange schon? War schon jemand gestorben? An den ausgelassenen Mienen der Schüler und Lehrer zu urteilen nicht. Aber dann... „Suchst du jemanden, Harry?“, fragte ihn eine dunkle, samtene Stimmer zu seiner Linken. Verschreckt zuckte Harry zusammen, atmete einige Male tief durch, um seine Panik und sein wild klopfendes Herz zu beruhigen, bevor er sich dem Jungen mit dem perfekten Gesicht zuwandte, der ihn aufmerksam mit seinen hellblauen Augen musterte. „Nein, wieso?“ Sogar in seinen eigenen Ohren klang er nervös. Harry verfluchte sich. Riddle legte den Kopf leicht schräg, wobei nicht auch nur eine Strähne seines sorgfältig gekämmten Haares verrutschte. Alles hielt... perfekt. Harry entwickelte so langsam eine Abneigung gegen dieses Wort. „Weil du schon eine geraume Zeit den Tisch dort drüben beobachtest.“ Riddles Augen wurden eine Spur schmaler. „Als würdest du nach jemanden suchen.“ Harry gab ein unsicheres Lachen von sich. „Das bildest du dir ein. Ich bin neu. Ich kenne doch niemanden hier.“ Riddle schenkte ihm ein eisiges Lächeln. „Sicher?“ Harry nickte bestimmt. „Ganz sicher“, erwiderte er mit festerer Stimme, als er sich zugetraut hätte, während er Riddles bohrendem Blick standhielt. Keinen Verdacht erregen. Sich normal verhalten. Kein Misstrauen sähen. Das war der Plan. Überrascht hob Riddle eine Augenbraue, doch bevor er auch nur zu einer weiteren Frage ansetzen konnte, erregte eine Bewegung am Eingang der großen Halle Harrys Aufmerksamkeit. Ein großer, fast riesiger Junge, der bei seiner Statur schon eher als 'Mann' durchgehen konnte, betrat soeben die Halle, die Haltung gekrümmt, als wollte er kleiner erscheinen, was ihm nicht gelang, das Gesicht verdeckt von einem Vorhang dunklen Haares, dennoch erkannte Harry ihn auf Anhieb und eine grenzenlose Erleichterung durchflutete ihn. Hagrid. Sein Freund Rubeus Hagrid war noch an der Schule. Das hieß Riddle hatte die Kammer noch nicht gefunden. Myrtle lebte also noch. Was dieses Wissen ihm nun brachte, wusste er selbst nicht, doch die Freude darüber, dass keiner der Menschen, die ihm an Herzen lagen, auch wenn Myrtle eindeutig ein Sonderfall war, bereits zu einem Opfer von Riddles Machenschaft geworden war, ließ ihn in diesem Moment alles andere vergessen. Er war einfach nur froh, ihn wohlauf zu sehen. Sekunden verstrichen, in denen er leise lächelnd beobachtete, wie Hagrid zum Tisch der Gryffindors stapfte und sich schwerfällig auf einer Bank niederließ, wodurch einige andere Schüler in die Luft gefedert wurden, was mit brüllendem Lachen und verschrecktem Quietschen kommentiert wurde, erst dann fiel ihm wieder ein, neben wem er eigentlich saß. Sofort vertrieb er das Lächeln aus seinem Gesicht, bemühte sich um eine ausdruckslose Miene, doch die brennende Neugier, die er in Riddles Augen erkannte, als er ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zuwarf, und die leise Erkenntnis, die dahinter schimmerte, machten all seine Bemühungen wieder zunichte. Verdammt, er musste vorsichtiger werden! Riddles Mundwinkel hoben sich zu einem gewinnenden Lächeln, von dem Harry sofort wusste, dass es nicht echt war. Nichts an diesem Monster war echt. „Jemand, den du kennst?“ Sein Ton war leicht, beiläufig, doch Harry ließ sich davon nicht täuschen. Dieses Mal würde er auf der Hut sein. Er erwiderte Riddles Lächeln, versuchte, es etwas unsicher wirken zu lassen. Als hätte Riddle ihn bei etwas ertappt. Hoffentlich war es überzeugend. „Nein“, log Harry, auch wenn es wohl nur eine halbe Lüge war, denn diesen Hagrid kannte er wirklich nicht, nur sein zukünftiges Ich. Wie sehr sie sich wohl voneinander unterschieden? Riddle hob eine Augenbraue, Zweifel stand ihm ins Gesicht schrieben, daher fuhr Harry hastig fort: „Es ist nur... er ist riesig! Er überragt alle anderen Schüler! Wie groß ist er? Zwei Meter?“ Da! Viel besser als vorher, dachte Harry, zufrieden mit seiner Vorstellung. Dieses Mal klang sein Ton glaubhaft. Zumindest in seinen Ohren. Gespielt neugierig reckte Harry den Hals, gab vor, einen besseren Blick auf den jungen Hagrid erhaschen zu wollen, versuchte den Eindruck zu erwecken, sein Interesse an dem Jungen würde ausschließlich auf seiner ungewöhnlichen Größe beruhen, während sich ein Paar eisblaue Augen unablässig in seine Kopfhaut brannte. Harry bemühte sich, seine Maske aufzubehalten, dieses Mal nichts von seinen wahren Gefühlen zu offenbaren, was ihm wohl tatsächlich, entgegen aller Erwartungen, gelang, denn nach wenigen Sekunden drang ein ergebenes Seufzen an sein Ohr, dann verschwand das unangenehme Kribbeln auf seinem Gesicht. Etwas überrascht, dass Riddle so leicht von ihm abließ, wandte er dem anderen Jungen den Kopf zu, was sich als fataler Fehler herausstellte, denn just in diesem Moment richtete sich Riddles Blick abermals auf Harry, als hätte er genau dieses Verhalten vorhergesehen. Eisiges Blau bohrte sich unnachgiebig in lebendiges Grün. Instinktiv wollte Harry vor dem durchdringenden Blick seines Gegenübers zurückweichen, doch er hielt stand, weigerte sich, klein beizugeben. Das wäre doch gelacht. Im Innern war er nach wie vor ein Gryffindor, was auch immer der plappernde Hut behaupten mochte. Er hatte dem erwachsenen Voldemort schon oft genug im Angesicht des sicheren Todes gegenübergestanden und war ihm doch jedes Mal entkommen. Wenn auch meistens nur um Haaresbreite, aber das musste man ja nicht laut sagen. Da wäre es doch ein schlechter Scherz, wenn er nicht gegen den jungen Möchtegern-Lord ankäme. Er hatte weder die Macht noch die Gefolgschaft, die sein zukünftiges Schlangen-Ich sein eigen nannte! ...Hoffte Harry zumindest. Außerdem hatte er Dumbledore auf seiner Seite, der von Natur aus ein gesundes Misstrauen gegenüber Riddle hegte, wie Harry sowohl an seinem Verhalten in der Erinnerung in seinem zweiten Schuljahr als auch an seiner gestrigen Reaktion auf Riddles Anwesenheit im Krankenflügel erkannt hatte. Dumbledore traute dem Möchtegern-Lord nicht über den Weg, obwohl er nicht wissen konnte, dass der unschuldig wirkende Junge einmal zu einem wahnsinnigen Massenmörder aufsteigen würde. Harrys Respekt für Dumbeldore wuchs stetig. Er froh, wenigstens einen Verbündeten in dieser Zeit zu haben. So war er zumindest nicht vollkommen alleine. Sekunden verstrichen, in denen sich die beiden Jungen einfach nur anstarrten, keiner bereit dem anderen die Genugtuung eines Triumphs zu gönnen, indem er den Blick abwandte, dann breitete sich ein leises Schmunzeln auf Riddles Gesicht aus, das den Bann zu brechen schien und Harrys Misstrauen in die Höhe schnellen ließ. Was hatte er vor?! Stumm beobachtete Harry, wie Riddle sich von ihm wegdrehte, die Arme nach den Speisen auf dem Tisch ausgestreckt, dann häufte er einen Berg der dampfenden Köstlichkeiten auf seine unberührte Platte. Auf Harrys verdatterten Blick hin schenkte Riddle ihm ein warmes Lächeln. „Du hast den ganzen Morgen noch nichts gegessen, Harry, das macht mir Sorgen“, erklärte Riddle sein Benehmen in übertrieben fürsorglichem Ton, ganz der Musterschüler, der sich um den Neuen kümmerte. Harry drehte sich der Magen um. „Danke, aber ich habe keinen Hunger“, entgegnete er wahrheitsgemäß, doch sein Ton klang wohl eine Spur zu bissig, denn alle Baby-Todesser um ihn herum drehten ihm fast gleichzeitig die Köpfe zu, einen anklagenden Ausdruck in den Augen, der unmissverständlich zeigte, dass sie es nicht duldeten, wenn man ihrem Möchtegern-Lord widersprach. Harry schluckte. Gar nicht gut. Riddle ignorierte Harrys Worte gekonnt. Stattdessen schaufelte er noch mehr Essen auf seinen Teller, griff dann nach einer silbernen Gabel und drückte sie Harry entschieden in die Hand. „Iss.“ Riddles Ton glich einem Befehl, hart, gebieterisch, unnachgiebig, den auch das perfekte Lächeln auf seinem Gesicht nicht verbergen konnte, doch wenn er glaubte, Harry damit einzuschüchtern, war er an der falschen Adresse. Stur legte er die Gabel auf das dunkle Holz und verschränkte die Arme. „Wie gesagt, keinen Hunger.“ Wieder blickte er Riddle geradewegs in die Augen, seine Nerven zum Zerreißen gespannt. Was tat er hier eigentlich? Das widersprach allem, was er sich vorgenommen hatte! Wie war das noch mit 'keine Aufmerksamkeit erregen'? Das hier war das genaue Gegenteil, verdammt! Riddles Lächeln schien auf seinem Gesicht zu gefrieren, ein bedrohliches Glitzern erschien in seinen Augen, das Harrys Nackenhaare dazu veranlasste, sich alarmierend aufzustellen, dann verschwand es auch schon wieder, machte einem betroffenen Ausdruck Platz, der Harry abermals aus der Bahn warf. Wie machte Riddle das nur?! Er konnte von einem Augenblick auf den anderen seine ganze Ausstrahlung verändern! Das war doch unheimlich! Warum fiel das niemandem sonst auf? Beschämt ließ Riddle den Kopf hängen. „Verzeih, Harry, ich wollte dich nicht zwingen.“ Lügner. „Ich dachte nur, es wäre besser, den ersten Schultag mit vollem Magen zu beginnen. Man weiß nie, was einen in Hogwarts erwartet“, ja, davon konnte Harry ein Lied singen, „da wirst du deine Energie brauchen.“ Harry spürte, wie es in seinem Inneren brodelte. Dieser Mistkerl war ein hervorragender Schauspieler und ein noch begabterer Lügner. Nach seinem Erlebnissen im zweiten Schuljahr war ihm klar gewesen, dass Voldemort schon in jungen Jahren verschlagen gewesen war, sogar gefährlich, schließlich hatte er vorgehabt, Ginny ihre Lebenskraft zu entziehen, um selber real zu werden. Dieses Monster hätte ein unschuldiges, kleines Mädchen ohne mit der Wimper zu zucken für seine eigennützige Zwecke geopfert. Schon alleine seine Anwesenheit war Harry zuwider. Er... er musste hier weg. Weg von Riddle und seinen Gefolgsleuten. Er brauchte Ruhe. Zeit zum Nachdenken. Er musste mit Dumbledore reden, ihn um Rat fragen. Er brauchte irgendjemanden, mit dem er über den ganzen Mist reden konnte. Unvermittelt schnellte Harry in die Höhe. Von seiner plötzlichen Bewegung überrascht zuckten einige seiner Tischnachbarn vor ihm zurück und schauten aus großen Augen zu ihm auf. Riddle dagegen blieb die Ruhe selbst. „Wo willst du denn hin, Harry?“, fragte er entspannt, den Kopf leicht schräg gelegt. Seine Miene zeigte Hilfsbereitschaft, doch in seinen eisigen Augen entdeckte Harry eine brennende Neugierde. Wortlos stieg Harry über die Holzbank, auf der die anderen Schüler saßen, die das Geschehen allesamt wortlos, jedoch eindeutig interessiert beobachteten. „Harry?“ Riddles Ton wurde eine Spur kälter, mahnender. Anscheinend hasste er es, ignoriert zu werden. Harry speicherte diese Information sorgfältig ab, bestimmt würde sie noch einmal nützlich sein, bevor er sich höflich lächelnd Riddle zuwandte. Das war schwerer als gedacht. Harry glaubte schon zu fühlen, wie sich seine Gesichtsmuskeln verkrampften. „Ich wollte mir nur schon mal den Unterrichtsraum für die erste Stunde ansehen. Verteidigung gegen die Dunklen Künste hattest du gesagt, ja? Ich kann es gar nicht erwarten!“ Gott, er hörte sich ja schon wie Hermine an. Hoffentlich würde er sich nicht zu einem Streber entwickeln. Zu Harrys Entsetzen machte Riddle Anstalten, sich ebenfalls zu erheben, gefolgt von einigen seiner Gefolgsleuten. Ihm wurde Angst und Bang. „Was hast du vor?“ Riddle warf ihm einen verständnislosen Blick zu. „Aber, Harry, du kennst den Weg doch gar nicht.“ Oder?, schien sein Blick zu sagen und Harry hätte sich am liebsten gegen die Stirn geschlagen. Natürlich, Neuling. Er hätte sich in Hogwarts gar nicht auskennen dürfen, auch wenn Riddle ihm die Wege zu den wichtigsten Räumlichkeiten erklärt hatte. Ein neuer Schüler hätte sich in Hogwarts niemals alleine zurecht gefunden. Verdammt! Der Plan war ja schön nach hinten losgegangen. „Ah, ja, jetzt, wo du es sagst“, murmelte Harry kleinlaut. Mit einer Handbewegung deutete er dem charmant lächelnden Riddle, er sollte vorgehen. Der Möchtegern-Lord stieg ebenfalls über die Bank, sehr viel eleganter als Harry zuvor, dann drehte er sich seinen Todessern in spe zu, die ihm folgen wollten. „Ihr könnt ruhig noch euer Frühstück genießen, Harry und ich schaffen das schon alleine“, hielt er sie zurück, was ihm einige geschockte, sowie verärgerte Blicke einbrachte. Lestrange im Besonderen schien von seinen Worten gekränkt zu sein. „Wir sehen uns dann später.“ Riddles Aufmerksamkeit kehrte zu Harry zurück, der sich alle Mühe gab, ihn nicht mit seinen Blicken zu erdolchen. Warum konnte er ihn nicht in Ruhe lassen?! „Kommst du, Harry?“ Riddle blendete ihn mit einem strahlenden Zahnweiß-Lächeln. Ein ergebenes Seufzen unterdrückend nickte Harry. „Geb den Weg vor.“ Niedergeschlagen folgte er einem verdächtig gut gelaunten Tom Riddle, doch bevor sie die große Halle verlassen hatten, warf er dem jungen Hagrid noch einmal einen verstohlenen Blick zu. Er war wirklich froh, dass es seinem Freund gut ging, auch wenn er nicht wusste, wie lange das noch so bleiben würde. Ein scharfer Stich zuckte durch sein Herz, als Harry daran dachte, dass er das Unglück, das Hagrids Leben auf Hogwarts zerstören würde, mit seinem Wissen verhindern könnte. Er könnte Riddle vielleicht davon abhalten, die Kammer zu finden. Dann würde niemand zu Schaden kommen, niemand würde sterben... Entschieden schüttelte er den Kopf. Nein, er durfte die Vergangenheit nicht verändern. Das hatte Hermine ihm unnachgiebig eingeschärft, als sie den Zeitumkehrer genutzt hatten, um Sirius vor seiner Hinrichtung zu bewahren. Es durften keine große Veränderungen vorgenommen werden, vielleicht kleine Korrekturen hier und da, aber mehr auch nicht. Die Konsequenzen wären zu verheerend. Nein, er durfte sich nicht einmischen, solange er hier war. So war es für alle das Beste. Kapitel 5: Des einen Spaß, des anderen Leid ------------------------------------------- Tom Vorlost Riddle war bester Laune. Sein neues Spielzeug bereitete ihm mehr Freude, als er angenommen hatte. Nicht nur, dass er ihm trotzte, er hatte schon am ersten Tag versucht, ihm in diesem Spiel die Stirn zu bieten, sich gegen ihn zu behaupten. Tom konnte gar nicht erwarten zu sehen, wie es weiterging. Schon allein die Vorstellung, wie viel Spaß er mit ihm haben würde, ließ ihn vor Vorfreude zittern. Dieser Junge würde ihm als hervorragender Zeitvertreib dienen, das war er sich sicher. Mit ausladenden Schritten stolzierte Tom den langen Korridor entlang, ein breites Grinsen auf dem anmutig geschnittenen Gesicht. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, es zu verbergen, immerhin diente es seiner Vorstellung des perfekten Jungen, da es den Eindruck erweckte, er würde sich darüber freuen, dem Neuen an seinem ersten Tag behilflich sein zu können. Niemand würde auch nur im Traum den Verdacht hegen, Tom Riddle könnte etwas böses im Schilde, mit Ausnahme des alten Kauzes Dumbledore, sogar seine innere Stimme triefte bei dem Gedanken an den lästigen Quacksalber voller Verachtung, und des grünäugigen Jungen, der mit gesenktem Kopf hinter ihm hertrottete, wie ein treuer Hund seinem allmächtigen Herrchen. Toms glückliches Grinsen nahm eine süffisante Note an. Hm, dieser Vergleich gefiel ihm. Schweigend führte Tom sein neues Spielzeug durch die Eingangshalle in Richtung der magischen Treppen, denen irgendein besonders schlauer Zauberer vor vielen Jahren einen eigenen Willen eingehaucht hatte, der sich darin äußerte, dass sie in den ungünstigsten Gelegenheiten ohne Vorwarnung die Richtung änderten und auf die Weise schon so manchen Schüler zur Verzweiflung getrieben hatte. Tom erinnerte sich, Brown am vorherigen Abend von diesem Phänomen berichtet zu haben, dennoch, wäre er wirklich ein neuer, unwissender Schüler gewesen, hätte er bei dem Anblick der schwebenden Treppen zumindest irgendeine Reaktion zeigen müssen, selbst wenn er vor seiner Ankunft in einem Buch über die Geschichte Hogwarts gestöbert hätte, doch, wie Tom es insgeheim schon erwartet hatte, blieb sein Gesicht so ausdruckslos wie der kühle Stein der Wände. Er blickte noch nicht einmal auf, als sie den Fuß auf die erste, besonders hinterhältige Treppe setzen, die heftig nach links ausschwenkte, sodass Tom und der Neue hart gegen das steinerne Geländer geworfen wurden, kurz bevor sie die letzte Stufe erreicht hatten. Diese Aktion schien Brown wachzurütteln. „Was war denn das?“, fragte er mit so schlecht gespielter Überraschung, dass Tom all seine mühsam erlernte Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht in lautes Gelächter zu verfallen. Dieser Junge war Gold wert. Ganz ehrlich. Tom presste die zitternden Lippen aufeinander und atmete einige Male tief durch die Nase ein und aus, um seinen Lachkrampf unter Kontrolle zu bringen, bevor er sich dem Goldjungen, wie er ihn heimlich taufte, mit einem perfekten Lächeln zuwandte. „Aber, Harry, davon habe ich dir doch gestern erzählt“, erinnerte er ihn betont sanft. Er gab sich alle Mühe, das Spiel aufrecht zu halten, Brown nicht wissen zu lassen, dass er sein Schauspiel schon lange durchschaut hatte, ebenso wie er seines. Sollte er weiter versuchen, Tom zu täuschen, ihm in seinem eigenen Terrain zu trotzen. Das machte das ganze Spiel umso... erregender. Und das Hochgefühl, wenn er den Goldjungen einmal gebrochen hatte, umso befriedigender. „Hast du? Ha, ha, das habe ich wohl wieder vergessen.“ Browns Lachen klang zu gezwungen, sein Ton zu monoton. Er war ein wirklich grauenhafter Lügner. Tom hatte schon fast Mitleid mit ihm. ...Na, Unsinn, zu so einer Gefühlsregung war er gar nicht in der Lage. Browns Bemühungen amüsierten ihn in höchstem Maße. „Das war gestern ja auch ein anstrengender Tag für dich“, meinte Tom einfühlsam. „Keine Sorge. Ich werde dir helfen, bis du dich eingewöhnt hast.“ Schlagartig wich alle Farbe aus Browns Gesicht. „Danke“, presste er mit einem gezwungenen Lächeln hervor. Tom strahlte ihn an. „Gern geschehen.“ Browns Blick verdüsterte sich, Toms Lächeln wurde eine Spur breiter. Er konnte sich nicht erinnern, in seinem bisherigen Leben so viel Spaß gehabt zu haben! Als sie endlich in dem leeren Raum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ankamen, war Harry vollkommen ausgelaugt. Riddle war eine echte Plage. Er hatte stets das Gefühl der Voldemort-Verschnitt hätte ihn schon längst durchschaut, wüsste, wer er war, und würde nur noch auf die richtige Gelegenheit warten, ihm den Garaus zu machen. Wenn er sich weiter so dämlich benahm, konnte es nicht mehr lange dauern. Harry unterdrückte ein schweres Seufzen. Dies war sein erster Tag in der Vergangenheit und schon jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher, als in seine eigene Zeit zurückzukehren. Und der Grund dafür war einzig und allein der gutaussehende Junge, der ihn am Ellenbogen gepackt hatte und ihn zu einem freien Tisch in der Mitte des Raumes führte, von wo man, wie Hermine ihm im ersten Schuljahr sachlich erklärt hatte, den besten Blick auf Tafel und Lehrer hatte. Wie unheimlich, dass der junge Riddle und seine beste Freundin etwas gemeinsam hatten. Harry lief ein Schauer über den Rücken. Besser nicht darüber nachdenken. Um sich von dieser erschreckenden Vorstellung abzulenken, blickte Harry sich aufmerksam in dem Unterrichtsraum um. Lustig, dass sich manche Dinge auch nach knapp fünfzig Jahren nicht zu ändern schienen. Das Zimmer sah genauso aus wie in seiner Zeit. Es hingen zwar ein Paar andere Bilder an den Wänden und eine gestickte Decke verzierte das Lehrerpult, die kein einziger der verschiedenen Lehrer, die Harry in diesem Fach jemals unterrichtet hatten -es war schon ein echtes Phänomen, dass es kein Lehrer länger als ein Jahr durchhielt- auch nur in seine Nähe gelassen hätte, wobei Harry ganz bewusst Umbridge auließ, da die Schreckscharube in seinen Augen kein Recht hatte, sich Lehrerin zu schimpfen, doch ansonsten hatte sich der Raum kein bisschen verändert. Irgendwie gab das Harry ein Gefühl von Geborgenheit, wie seltsam das auch klingen mochte. Mit einem freundlichen Lächeln, von dem Harry langsam glaubte, dass Riddle es sich aufgemalt haben musste, da es sein Gesicht nie zu verlassen schien, legte der Möchtegern-Lord ihm beide Hände auf die Schultern, um ihn sanft aber bestimmt auf einen Stuhl zu drücken, bevor er seine Bücher auf den Tisch fallen ließ und selber direkt neben dem Gryffindor Platz nahm. Riddle legte einen Ellenbogen auf den Tisch, bevor er einem verdatterten Harry, das Kinn in eine Hand gestützt, das Gesicht zuwandte. Der Grünäugige stutzte. Das konnte nicht Riddles ernst sein! Auf gar keinen Fall würde er im Unterrichtet neben ihm sitzen. Nur über seine Leiche! ...Das war wohl etwas unglücklich formuliert, wenn man bedachte, dass Voldemort in spe neben ihm saß, der sich nichts sehnlicher als Harrys Tod wünschte. Musste er das Schicksal denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit herausfordern? Harry versuchte sich an einem Lächeln, auch wenn er sich denken konnte, dass das Ergebnis reichlich kläglich ausfallen musste. Aber was konnte man schon erwarten, wenn der Mörder seiner Eltern so nah neben ihm saß? Er hätte kotzen können. „Ähm, Riddle?“ Der Möchtegern-Lord ließ seine blauen Augen über Harrys Gesicht wandern. „Nenn mich Tom, Harry. Du brauchst dich nicht so zu distanzieren. Ich werde dir schon nichts tun.“ Oh, Ironie des Schicksal, dachte Harry verbissen, während sich eine Gänsehaut auf seinen Armen ausbreitete. Ein bitteres Lachen unterdrückend, fuhr Harry fort: „Riddle, ich glaube, ich werde mir einen anderen Platz suchen. Der hier ist bestimmt schon besetzt.“ Für einen Augenblick schienen sich Riddles Augen zu verengen, doch dann hellte sich seine Miene auf und er winkte mit seiner freien Hand ab. Die andere lag noch immer locker unter seinem Kinn. „Ach, was, es macht meinen...“, ein kurzes Zögern, in dem er offensichtlich nach einem unverfänglichen Begriff suchte, um seine Gefolgsleute zu beschreiben, „Freunden schon nichts aus, wenn du erst einmal hier sitzt. Wir wollen schließlich alle, dass du dich hier wohl fühlst.“ Darauf konnte er lange warten. Die Todesser waren also Voldemorts Freunde, hm? Das war ja wohl der Scherz des Jahrhunderts. „Wer weiß, vielleicht werden wir ja auch noch Freunde“, fuhr Riddle in leichtem Ton fort, unwissend, dass er Harry damit den Schock seines Lebens verpasste. Er hatte sich geirrt. Das war der Scherz des Jahrhunderts. Er und Voldemort? Freunde? Sicher. Und dann würden sie alle zusammen mit Dumbledore in seinem Büro sitzen und glücklich eine Schachtel Bertie Botts Bohnen verdrücken. War das nicht ein schönes Bild? Der Junge-der-lebte, sein Mentor und der Mörder seiner Eltern in trauter Gemeinschaft. La, la, la, das Leben war schön. Bei Merlin, er verlor langsam den Verstand! Ein bitteres Lachen entschwand seinen Lippen, ohne, dass er etwas hätte tun können, um es zu verhindern. Vielleicht wollte er es auch gar nicht. Das ganze war so surreal. Scheiß auf 'keine Aufmerksamkeit erregen'! Das war schon längst passiert. Was sollte er tun? Überrascht zog Riddle eine Augenbraue hoch und öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Harry ihm zuvor. „Sorry, aber das wird nicht passieren. Unter keinen Umständen. Keine Chance. Nichts, nada. Niente.“ Mit diesen Worten erhob Harry sich hastig, doch ein stählerner Griff um sein Handgelenk hielt ihn zurück. Perfekt gefeilte, wenn auch für einen Jungen etwas lange, spitze Fingernägel bohrten sich in sein Fleisch, eiskalte Finger schienen auf Harrys Haut zu brennen. Der unwiderstehliche Drang, sich die Arme abzuschrubben, machte ihn fast wahnsinnig, als er sich ins Gedächtnis rief, wer ihn da eigentlich anfasste. Widerlich. „Und warum nicht, Harry? Klär mich auf.“ Riddles Stimme war wie Samt. Leise, sanft, dunkel. Kalt. Harry brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen, dass seine Augen vor Neugierde brannten. Er verfluchte seinen kurzen Geduldsfaden, von dem die Zeitreise schon einen Großteil angenagt hatte, wie man an seiner Dummheit merkte. Er hatte sich schon wieder in eine Sackgasse manövriert. Momentan lief aber auch alles schief. Harry zwang sich ein Lächeln auf, blickte Riddle jedoch nicht direkt an. „Riddle, du bist schlau, nett und wirst von allen in Hogwarts bewundert, soweit ich das schon nach einem Tag beurteilen kann.“ Gott, Harry hatte das Gefühl, an seinen Worten ersticken zu müssen. „Zudem siehst du noch gut aus.“ Würg. „Du bist der beliebteste Junge der Schule. Da glaube ich kaum, dass jeder dahergelaufene Neuling dein Freund werden kann.“ Riddles Mundwinkel zuckten. Ohne Vorwarnung zog er mit einem Ruck an Harrys Arm, sodass der grünäugige Junge das Gleichgewicht verlor und unsanft auf dem harten Stuhl landete. Bevor Harry sich jedoch beschweren konnte, tauchte Riddles Gesicht in seinem Blickfeld auf. Sie waren sich nun so nah, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Panisch umklammerte Harrys freie Hand den Zauberstab in einer Innentasche seiner Robe, während seine andere noch immer in Riddles erbarmungslosem Griff gefangen war. Was hatte er vor?! Einen Moment lang musterte Riddle Harry lediglich eindringlich, wobei die ganze Zeit über dieses unnatürliche Lächeln sein Gesicht zierte, doch dann wurde sein Ausdruck... sanfter? Echter? Sein Lächeln... ehrlich? Harry war verwirrt. Was passierte gerade? „Du bist aber nicht jeder Dahergelaufene, Harry. Du... bist etwas Besonderes. Das kann ich spüren.“ Der Griff um Harrys Handgelenk lockerte sich etwas. „Du bist anders, als die anderen.“ Harry schluckte nervös. Das klang gar nicht gut. Als würde Riddle bereits etwas wissen. Aber... das konnte er nicht, oder? Das war unmöglich. „Sehr schmeichelhaft“, war alles, was Harry mit Mühe und Not herauswürgen konnte. Sein bissiger Ton entging Riddle selbstverständlich nicht. Das Lächeln wurde breiter, dann trat ein nachdenklicher Ausdruck auf Riddles Gesicht. Gar nicht gut. „Es ist schon seltsam“, murmelte Riddle mehr zu sich selbst als zu Harry, der die Chance nutzen wollte, um seinen Arm aus seinem Griff zu befreien, doch kaum bewegten sich seine Finger etwas, packte Riddles Stahlklammer schon wieder unnachgiebig zu. Harry fluchte innerlich. „Ich bin mir sicher, dass wir uns gestern Abend das erste Mal begegnet sind.“ Riddles Augen wanderten über Harrys Gesicht, bis sie sich schließlich auf seine Stirn zu fokussieren schienen, was in Harry den Wunsch auslöste, seine Narbe hinter seiner Hand zu verbergen, um sie vor dem neugierigen Blick seines Gegenübers zu schützen, doch es gelang ihm dem Drang, wenn auch um Haaresbreite, zu widerstehen. Das wäre ja noch schöner. Offensichtlicher ging es gar nicht mehr. Riddle schien ganz in seiner eigenen Gedankenwelt versunken zu sein. „Warum kommt es mir dann so vor, als würdest du mich besser kennen als alle anderen um mich herum?“ „Einbildung“, schlug Harry trocken vor, was dem Möchtegern-Lord ein dunkles, melodisches Lachen entlockte. „Das wage ich zu bezweifeln, Harry.“ Der Gryffindor zuckte mit den Schultern. „Eine bessere Erklärung habe ich aber nicht für dich. Wir sind uns noch nie begegnet.“ Riddle betrachtete ihn, als wäre ein ungemein interessantes Rätsel, das er mit aller Macht zu entschlüsseln versuchte. Wahrscheinlich war es auch so. „Dann sollten wir uns besser kennenlernen.“ Verdammt, er musste hier weg. „Kannst du mich bitte loslassen? Mein Arm tut langsam weh.“ Riddle blendete ihn mit seinem Zahnpasta-Lächeln. „Nur, wenn du mir versprichst, dich nicht umzusetzen.“ „Ich sitze, wo ich will“, entgegnete Harry stur, bevor er all seine Kraft nutzte, um Riddle seinen Arm gewaltsam zu entreißen. Im ersten Moment schien es, als wäre sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt, als der Junge Lord seinen Griff abermals verstärkte, doch dann ließ er Harry plötzlich los, der von dem Schwung seines eigenen Armes nach hinten gerissen wurde und fast vom Stuhl gefallen wäre, hätte er mit seiner anderen Hand nicht den Zauberstab in seiner Robe losgelassen, um reflexartig die Tischkante zu umfassen und sich oben zu halten. Er warf Riddle einen bösen Blick zu, der ihn mit einem schelmischen Glitzen in den Augen angrinste. Grinste, nicht lächelte. Er wirkte fast wie ein kleiner Junge. Jetzt wurde es richtig verstörend. Wiederum erhob Harry sich von seinem Stuhl. Dieses Mal ließ Riddle ihn wortlos gewähren. Ohne die junge Version seines Erzfeindes weiter zu beachten, hastete Harry nach vorne und ließ sich auf einen Platz in der ersten Reihe fallen. Allerersten. Direkt vor dem Lehrerpult. Das wäre ihm in seiner eigenen Zeit niemals passiert. Mit einem erschöpften Seufzen auf den Lippen sackte er in sich zusammen, dann schloss er die Augen und legte die Stirn auf das kühle Holz. Er war vollkommen erledigt. Riddle würde ihn noch den letzten Nerv kosten. Was sprach noch einmal dagegen, dass er den jungen Lord hier und jetzt einfach erwürgte, wodurch er wahrscheinlich hunderte von Leben retten würde? Irgendwie wollte ihm gerade partout nichts einfallen. Harry wusste nicht, wie lange er in dieser Position verharrte, doch nach und nach kündigte das immer lauter werdende Stimmengewirr in dem Zimmer die Ankunft weiterer Schüler an. Er machte sich nicht die Mühe, aufzusehen, als sich neugierige Blicke in seinen Rücken bohrten. Sie konnten ihn alle mal. Er wollte nur seine Ruhe. Die ihm sogleich genommen wurde, als sich jemand auf dem Stuhl neben ihm niederließ. Das konnte doch nicht wahr sein! In der Überzeugung, einen süffisant lächelnden Riddle vorzufinden, warf Harry einen vernichtenden Blick in Richtung seines unwillkommenen Tischnachbarn, doch anstatt blauer blickte ihm sturmgraue Augen hochmütig entgegen, die ihm so unglaublich verhasst und vertraut waren, gleichzeitig aber auch so fremd wirkten, dass es geradezu furchteinflößend war. Abraxas Malfoy zog eine dünne Augenbraue in die Höhe. „Das ist mein Platz.“ Mit diesen Worten beugte er sich nach unten und begann, in einer teuer aussehenden Ledertasche zu kramen. Natürlich, für die Malfoys immer nur das Beste vom Besten. Da der Blondschopf allerdings nichts weiter sagte, nahm Harry einfach mal an, dass er hier sitzen bleiben konnte. Neben einem Malfoy. Freiwillig. Das war ihm in seiner Zeit auch noch nie passiert. Von dem bekanntlichen Regen in die Traufe, nannte man das wohl. Das konnte ja heiter werden. Kapitel 6: Wissensvorsprung --------------------------- Harry musste zugeben, er war froh, dass Dumbledore ihn in eine niedrigere Jahrgangsstufe gesteckt hatte. Der Stoff, den sie in dieser Zeit im fünften Jahrgang durchnahmen, wurde in der Zukunft erst im sechsten gelehrt. Ob der Lehrplan in dieser Zeit strikter war als später? Auf jeden Fall hatte Harry auf diese Weise einen Wissensvorsprung, denn alles, worüber die rundliche Zauberin mit dem warmen Lächeln, die sich ihm vor dem Unterricht als Professor Merrythought vorgestellt und ihn in Hogwarts herzlich willkommen geheißen hatte, redete, war ihm bereits bekannt, was ihm wiederum Zeit zum Nachdenken gab. Oder zumindest hatte er es gehofft, bis ihm einfiel, dass er in der ersten Reihe saß, neben einem Abraxas Malfoy, der seine Anwesenheit jedoch zum Glück geflissentlich ignorierte, ganz im Gegensatz zu Professor Merrythought, die es wohl nicht gerne sah, wenn Schüler in ihrer Klasse Löcher in die Luft starrten, zudem noch direkt vor ihrer Nase. „Mr. Brown!“ Harry zuckte zusammen, als die freundliche Stimme der Professorin einen unerwartet schneidenden Ton annahm. Das fing ja gut an. Harry setzte sich aufrecht hin, bevor er seinen Blick auf die kleine Frau richtete, die den Eindruck machte, als wollte sie ihn mit ihren warmen Augen in den Boden starren. Er schluckte. „Ja, Professor?“ „Von welcher Schule kommen Sie?“ In der Klassen wurde es verdächtig ruhig. Sogar die unaufmerksamsten Schüler stellten ihr Getuschel ein, um seine Antwort verstehen zu können. Aller Augen ruhten auf Harry. „Durmstrang, Ma'am.“ Zumindest hatte Dumbledore ihm aufgetragen, das zu sagen. Ein leises Gemurmel erhob sich im Klassenraum, das die Professorin gekonnt ignorierte. Ihre Augen waren auf Harry geheftet, während sie nachdenklich die Lippen schürzte. „Dann nehme ich an, dass man in Durmstrang schon so viel weiter im Stoff ist, dass Sie es nicht für nötig erachten, meinen Unterricht mit ihrer Aufmerksamkeit zu ehren.“ Harry hörte keine Frage, daher schwieg er. Riddle hatte ihn dazu verleitet, sich wie ein bockiges Kind zu nehmen. Sein Nervenkostüm war einfach am Ende. Seit letzter Nacht stand er ständig unter Strom. Er konnte nicht mehr. „Mr. Brown?“ „Nein, Ma'am, bitte entschuldigen Sie. Wird nicht wieder vorkommen“, beteuerte Harry mit einem ergeben Seufzen. Er wollte einfach nur, dass sie ihn in Ruhe ließ. Die dickliche Frau rückte den federbesetzten Hut auf ihren graumelierten Locken zurecht. „Das will ich doch hoffen.“ „Professor Merrythought?“, erklang plötzlich Riddles Stimme, was Harry augenblicklich dazu veranlasste, sich zu verkrampfen. Er konnte einfach nicht anders. Es war eine natürliche Abwehrreaktion seines Körpers auf Riddle. Abraxas Malfoy warf ihm einen kritischen Blick zu, bevor er sich wieder dem aufgeschlagenen Buch widmete, das zwischen ihnen lag. Der junge Malfoy war so freundlich es mit ihm zu teilen, da er noch keine Schulbücher für diese Zeit besaß, allerdings erst, nachdem die Professorin den arroganten Schnösel mit einem eindringlichen Blick, der keine Wiederworte zuließ, dazu aufgefordert hatte. Als würde ein Malfoy auf die dumme Idee kommen, einem Mitschüler freiwillig aus der Patsche zu helfen. Was für ein abwegiger Gedanke! Wo kämen sie denn dahin? Eisern ruhten Harrys Augen auf der Professorin, auf deren Lippen sich wie von selbst ein verzaubertes Lächeln ausbreitete, als sie den Blick auf etwas hinter ihm richtete. „Ja, mein Lieber?“, schnurrte sie regelrecht, einen verklärten Ausdruck auf dem faltigen Gesicht. Aha, sie war also auch Riddles Charme verfallen. Wie unheimlich, dass sogar ältere Frauen Riddles Masche auf den Leim gingen. Man hätte meinen können, dass sie Erfahrung genug besaßen, um sein billiges Spiel zu durchschauen, doch dieser Moment belehrte Harry eines besseren. Niemand außer ihm und Dumbledore schien das Monster zu erkennen, das sich unter der Maske des vorbildlichen Schülers versteckte und nur auf die passende Gelegenheit wartete, auszubrechen und sein wahres Gesicht zu offenbaren. Schon allein bei dem Gedanken an das Grauen, das Riddle als Voldemort in naher Zukunft verbreiten, die Morde, die er begehen würde, fingen seine Hände an vor Wut an zu zittern. Hastig ballte er sie zu Fäusten, um jedes Anzeichen seiner inneren Unruhe zu verbergen, doch ein weiterer, interessierter Blick aus grauen Augen zeigte ihm, dass dem jungen Malfoy seine Reaktion nicht entgangen war. Harry spürte seine bohrenden Blicke auf seiner Kopfhaut, beachtete sie jedoch nicht weiter, da seine gesamte Aufmerksamkeit der samtenen Stimme seines späteren Erzfeindes galt, der sein Leben ohne zu zögern zerstören würde. Grenzenloser Hass für den gutaussehenden Jungen rollte in Wellen über ihn hinweg. „Professor, Harry ist erst gestern spät in der Nacht hier angekommen“, erklärte Riddle, die Stimme voller falschem Mitgefühl, was Harry vor Unmut mit den Zähnen knirschen ließ. Als wäre er auf die Hilfe dieses verlogenen, widerwärtigen, elenden Scheusals angewiesen! „Seien Sie daher bitte etwas nachsichtig mit ihm. Er ist sicherlich noch sehr erschöpft von der langen Reise“, schloss Riddle einfühlsam, woraufhin Professor Merrythought eifrig nickend eine Hand über ihr Herz legte. „Aber natürlich, Tom, Sie haben vollkommen recht.“ Mit einem warmen Lächeln senkte sie ihren Blick wieder auf Harry, der sich alle Mühe gab, sich nicht zu Riddle umzudrehen, obwohl alles in ihm danach schrie, Riddle zu sagen, er sollte hingehen, wo der Pfeffer wuchs und sich sein geheucheltes Mitleid sonst wo hinstecken! Harry konnte es generell nicht leiden, von anderen bedauert zu werden, aber auch noch von seinem Feind mitleidige Blicke zu ernten, ob ehrlich oder nicht, brachte das Fass zum Überlaufen. Dennoch versuchte er, sich unter Kontrolle zu halten. Er würde bestimmt nicht am ersten Tag vor den Augen der ganzen Klasse ausrasten. Er würde sich beherrschen, auch wenn es ihn seine gesamte Kraft kostete. „Mein Verhalten tut mir wirklich schrecklich leid, Mr. Brown“, entschuldigte sich die rundliche Hexe mit einem reumütigen Ausdruck bei Harry, der die Ehrlichkeit in ihren Worten nicht eine Sekunde anzweifelte, doch das machte die ganze Situation auch nicht besser. Allein der Gedanke, dass ausgerechnet Riddle sich für ihn einsetzte, ließ ihm die Galle hochkommen. Gequält lächelnd würgte er: „Kein Problem.“ Er hoffte, dass sich die ganze Angelegenheit damit erledigt hatte, doch die gutherzige Professorin war, zu seinem Leidwesen, noch nicht fertig. „Nein, nein!“, rief sie aufgeregt, während sie Harry mit einem besorgten Blick bedachte. „Das war unverantwortlich von mir. Wollen Sie sich vielleicht im Krankenflügel noch etwas ausruhen? Ich habe wirklich nichts dagegen! Und Tom wäre bestimmt so lieb, Ihnen die Aufzeichnungen von dieser Stunde zukommen zu lassen.“ Harry blickte sie geschockt an. Das konnte doch nicht ihr ernst sein! Sie tat ja gerade so, als wäre er ein hilfloser Sonderfall! Leises Gelächter drang an sein Ohr. Toll, sein erster Eindruck: Schwächling. „Aber natürlich, Professor“, erwiderte Riddle mit leichter Bestürzung in der Stimme, als würde es ihn kränken, dass jemand etwas anderes von ihm annehmen könnte. Verlogener Mistkerl. Die Augen der älteren Hexe glänzten voll Fürsorge. „Nun?“ „Danke“, presste Harry mühsam hervor, ein leises Zittern in der Stimme, weil er sich anstrengen musste, ihr nicht vor Wut ganz andere Worte an den Kopf zu schleudern, die ihm auf der Zunge brannten. „Aber mir geht es gut. Bitte, fahren Sie mit dem Unterricht fort.“ „Sicher?“, fragte die Hexe mit großen, warmen Augen nach, was Harry lediglich mit einem knappen Nicken bestätigte. „Na gut, wie Sie meinen.“ Sie warf ihm einen letzten, besorgten Blick zu, dann fuhr sie nahtlos mit dem Unterricht fort. Harry konnte die Blicke aller anderen Schüler auf sich spüren, doch er glaubte, ein blaues Augenpaar deutlich zwischen den anderen ausmachen zu können. Ein eisiges Feuer schien sich zwischen seine Schulterblätter zu bohren. Das würde Riddle ihm noch büßen. Nach dem Unterricht, den Harry glücklicherweise ohne eine weitere Unterbrechung auf seine Kosten überstand, tauchte Riddle unvermittelt neben ihm auf, sein übliches, falsches Lächeln auf den perfekten Zügen. Harry beachtete ihn nicht weiter, sondern stopfte stillschweigend sein Schreibzeug in die Tasche, bevor er sie schulterte und schnurstracks den Raum verließ, Riddle dicht auf seinen Fersen. Auf den Gängen begegnete Harry vielen neugierigen Blicken, doch noch hielten sich die anderen Schüler zurück, ihn mit Fragen zu löchern. Er vermutete, dass sein blauäugiger Schatten der Grund dafür war, denn, wann immer ein Schüler mutig genug war, auf ihn zuzukommen, schreckte derjenige sofort zurück, sobald er Riddle erblickte. Harry war deswegen heilfroh, so entkam er wenigstens vorerst unangenehmen Fragen über seine Herkunft, doch seine Erleichterung hielt nicht lange an. Riddle schien Harrys bereitwillige Antwort auf Professor Merrythoughts Frage über seine vorherige Schule wohl als eine Art Startschuss für sein eigenes Verhör anzusehen, denn auf halbem Weg in Richtung der Kerker, wo ihre nächste Stunde -Zaubertränke, Harrys absolutes Lieblingsfach- stattfinden sollte, begann Riddle, ihn mit Fragen praktisch zu bombardieren, wobei seine treue Gefolgschaft, bestehend aus Avery und Lestrange, die respektvoll einige Schritte hinter ihm hertrotteten, ihn mit Feuereifer unterstützte. Harry war etwas überrascht, keinen Abraxas Malfoy unter den Stiefelleckern zu entdecken, immerhin würde sein Sohn Lucius einer von Voldemorts treuesten Untergengeben sein, weswegen Harry angenommen hatte, dieses Verhalten würde in der Familie liegen, doch mit diesem Thema würde er sich wohl später beschäftigen müssen. Im Moment lag seine gesamte Konzentration auf dem nervenaufreibenden Unterfangen, dem Kreuzverhör von Riddle und seinen Anhängern irgend möglich und bestenfalls unauffällig auszuweichen, worin er mal wieder auf ganzer Linie versagte, wie das schadenfrohe Grinsen, das kurz über Riddles Gesicht huschte, ihm bewies. Doch wie sollte ihm das auch gelingen? Er hatte kaum Zeit gehabt, sich eine wasserdichte Geschichte bezüglich seiner Herkunft und seiner Person auszudenken, die einen Riddle zufriedenstellen würde. Dumbledore hatte ihm zwar vor seiner Sortierung in eines der Häuser, als sie für eine kurze Zeit unter sich gewesen waren, einige nützliche Tipps gegeben, zudem war Harry selbst natürlich auch kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um kleine Notlügen hier und da ging, doch einen Meister von Lug und Trug konnte er damit kaum hinters Licht führen. Tatsächlich breitete sich ein zufriedener Ausdruck auf Riddles Gesicht aus, der alle Alarmglocken in Harrys Kopf Sturm klingeln ließ. Er war erledigt. Eine weitere Premiere ereignete sich für die zukünftige Hoffnung der Zauberwelt, als er sich das erste und bestimmt auch letzte Mal darüber freute, den Klassenraum für Zaubertränke zu betreten. Zum einen gab es in dieser Zeit keinen Severus Snape, dessen einziger Lebenssinn darin zu bestehen schien, Harrys Leben zur Hölle zu machen -danke, dafür sorgte nun Tom Riddle-, zum anderen konnte er somit endlich den unangenehmen Fragen entkommen. Ohne zu zögern oder seine Verfolger weiter zu beachten, steuerte Harry abermals einen Platz in der vordersten Reihe an. Er konnte nicht glauben, dass er sich freiwillig direkt vor die Nase des Professors seines Hassfaches setzte, doch um Tom Riddle und seinen Baby-Todessern zu entfliehen, wenn auch nur für wenige Minuten, nahm er es dankend in Kauf. Alles war besser, als die Anwesenheit der jungen Version seines Todfeindes ertragen zu müssen. Doch seine Freude hielt nur von kurzer Dauer an. Kaum hatte er sich auf den Stuhl und seine Tasche auf die Erde fallen lassen, ließ sich zu seinem absoluten Horror ein süffisant grinsender Riddle zu seiner Rechten nieder. Das schlimmste von allem war, dass Harry keine Zeit mehr blieb, um sich wie zuvor einen neuen Platz so weit entfernt von dem Möchtegern-Lord wie möglich zu suchen, denn keine zwei Sekunden später ertönte ein lautes Klatschen, begleitet von den Worten: „Ich bitte um Ruhe. Nehmen Sie Platz und lassen Sie uns mit dem Unterricht beginnen!“ Ein leicht schnaufender Professor Slughorn trat durch eine Tür auf der linken Seite des Raumes ein, einen dünnen Zauberstand in der Hand, mit dem er kurz durch die Luft wedelte, woraufhin sich die Tür zum Hauptgang der Kerker leise knarzend schloss. Riddle lehnte sich leicht zu Harry rüber, was dafür sorgte, dass sich der Körper des Gryffindors, ohne dass er es hätte verhindern können, abermals verkrampfte. Sein Muskulatur war zum Zerreißen gespannt, seine Hände zu Fäusten geballt, sein Gesicht eine einzige ausdruckslose Maske, hinter der er seinen Ekel und seinen Hass so gut es ging vor dem anderen Jungen zu verbergen versuchte. Wunderlicherweise schien ihm dies sogar zu gelingen, zumindest zeigte Riddle mit keiner Regung, dass er Harrys verräterisches Benehmen bemerkt hatte, oder er ignorierte es schlichtweg. Harry tendierte eindeutig zu Möglichkeit Nummer zwei. Stur starrte Harry geradeaus, sogar als ein Zittern durch seinen Körper lief, ausgelöst von Riddles warmen Atem, der sanft über seine Wange strich, als er ihm leise zuflüsterte: „Das ist Professor Horace Slughorn, Harry. Er ist auch der Hauslehrer von Slytherin. Du solltest nach der Stunde wegen deiner Fächerwahl und deinen fehlenden Schulbücher mit ihm reden. Ich bin mir sicher, dass er dir dabei gerne helfen wird.“ Mit einem knappen Nicken, zu mehr war er einfach nicht fähig, ließ Harry seinen Tischnachbar wissen, dass er verstanden hatte, dann konzentrierte er sich wieder auf den rundlichen, halb von einem dunklen Kessel verborgenen Mann hinter dem Lehrerpult, der ein Tuch aus der Innenseite seines Sakkos fischte, um sich die im Fackelschein schimmernden Schweißperlen von seiner Stirn zu tupfen. Überrascht stellte Harry fest, dass sich dieser Slughorn kaum von dem in seiner Zeit unterschied. Gut, sein Gesicht wies hier und da weniger Falten auf und sein Körperumfang hatte noch nicht die vollen Ausmaße erreicht, die sein späteres Ich besitzen würde, doch seine Ausstrahlung, die Art und Weise, wie er sprach, sein ganzes... Verhalten, das alles stimmte exakt mit dem Bild von Horace Slughorn in Harrys Kopf überein. Ein leises Gemurmel erhob sich in dem Kerkerraum, ungeachtet der Anwesenheit des Professors. Abermals bohrten sich die Blicke der anderen Schüler unnachgiebig in Harrys Hinterkopf, während ein Paar eisblauer ihn von der Seite musterten. Genervt seufzend stützte Harry sein Kinn in eine Hand und wandte seinen Blick nach links... nur um sich einem grauen Sturm gegenüber zu sehen, der über ihn hinwegzufegen drohte. Toll, er hatte die Aufmerksamkeit einer weiteren lästigen Person erregt. Nicht einmal in der Vergangenheit schien er von den Malfoys verschont zu bleiben. Was hatte er doch für ein Glück. Leicht verunsichert richtete Harry seinen Blick nach vorne, wobei er die kleinen Augen des Professors streifte, der erst jetzt zu bemerken schien, dass ein neues Gesicht in der Klasse aufgetaucht war. Überrascht hob sich eine Augenbraue auf dem faltigen Gesicht. „Nanu, wer sind denn Sie?“ Alle Blicke ruhten auf ihm. Harry schluckte. Scheiße, er war eingekesselt. Aus einigen Schritten Entfernung beobachtete Tom gegen die Kerkerwand gelehnt den seltsamen Neuankömmling, der sich leise mit Horace Slughorn, dem widerlichen Schleimbolzen, unterhielt, dabei zuckte sein eisiger Blick immer wieder zu Abraxas Malfoy, der verblüffend lange brauchte, um seine Sachen zusammenzupacken. Der blonde Junge hielt seinen Kopf betont gesenkt, doch an seiner Körperhaltung konnte Tom genauestens erkennen, dass seine Konzentration dem Gespräch hinter dem Lehrerpult galt. Verärgert kreuzte Tom die Arme vor der Brust. Es schien, als wäre er nicht der Einzige, der sich für den Neuen interessierte. Wie lästig. „Tom“, drang die kleinlaute Stimme von Lestrange an sein Ohr, doch er beachtete ihn nicht weiter. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Rätsel Harry Brown. Ihre Unterhaltung vor Verteidigung gegen die Dunklen Künste und die Art, wer er es vermieden hatte, auf Toms Fragen auf ihrem Weg zu Zaubertränke zu antworten, war äußerst... aufschlussreich gewesen. Oder besser gesagt, Browns unbewusste Reaktionen waren es, die Tom ihm hatte entlocken können. Mehrere Male hatte Tom geglaubt, der andere Junge würde die Beherrschung verlieren und ihm an die Gurgel gehen. Er hatte regelrecht... angewidert gewirkt, als Tom ihn berührte. Und die mörderische Aura, die er ausgestrahlt hatte, als Tom sich für ihn, zugegebenermaßen, ungefragt und übertrieben eingesetzt hatte, war schon regelrecht beängstigend gewesen, hätte Tom die ganze Situation nicht so amüsant gefunden. Solche Reaktionen auf seine Person war der Musterschüler Hogwarts nicht gewohnt. Normalerweise suchten die anderen Schüler seine Nähe, für sie war es eine Ehre, wenn er ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte, Brown dagegen schien alles darum zu geben, von ihm wegzukommen. Das war ärgerlich, gleichzeitig aber auch über die Maße faszinierend. Der grünäugige Junge schien schon allein auf seine Anwesenheit mit Abneigung und Hass zu reagieren, obwohl Tom ihm bisher keinerlei Gründe für ein solches Verhalten gegeben hatte. Sie mussten sich von früher kennen! Eine andere Erklärung gab es nicht! Sie mussten sich schon einmal begegnet sein. Aber wo? Tom wusste es nicht und das machte ihn rasend! „Lestrange“, sprach er den Jungen neben sich unvermittelt an, ohne den Blick jedoch von seinem Spielzeug zu nehmen. „Ja?“ Lestranges Stimme klang schwach und zittrig. Erbrämlich. Ein grausames Lächeln breitete sich auf Toms perfekten Zügen aus. „Bring mir alle Informationen, die du zu einem 'Harry Brown' finden kannst.“ Er musste mehr über diesen Jungen wissen, bevor er das Spiel fortsetzte. Das war nur gerecht, immerhin schien Brown einen deutlichen Wissensvorsprung zu besitzen. Das würde sich ändern. Zufrieden stieß Tom sich von der Steinmauer ab und hielt auf den Ausgang zu. Er war schon gespannt, welche Geheimnisse Lestrange für ihn ausgraben würde. Kapitel 7: Konsequenzen ----------------------- Erschöpft legte Harry die Stirn gegen die kühle Steinwand des ausgestorbenen Korridors. Dieser Tag hatte ihm wirklich alles abverlangt. Und würden sich bestimmt auch nicht als Erholungsurlaub entpuppen. Mit Grauen dachte er an das, was ihm noch bevorstand, bis er endlich einen Weg zurück in seine Zeit finden würde. Horror pur. Müde seufzend drehte Harry sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Mauerwerk. Er schloss die Augen, genoss die Ruhe, die ihm Riddle durch seine Abwesenheit kurzzeitig gönnte. Harry war es gelungen, den Möchtegern-Lord auf dem Weg zum Abendessen in der Großen Halle abzuhängen, als sich eine Traube Bewunderer um Riddle gebildet hatte, die ihm den Blick auf Harry versperrte, als dieser in einen dunklen Gang abbog, der ihn in die entgegengesetzte Richtung geführt hatte, weit weg von seinem ständigen Schatten. Er wusste, dieses Glück würde nur von kurzer Dauer sein, daher beschloss Harry, es in vollen Zügen auszunutzen. Er musste sich einen Plan zurechtlegen, wie er die nächsten Tage -er weigerte sich, in Monaten zu denken- bis zu seiner Rückkehr überleben sollte. Doch alleine würde ihm dies wohl kaum gelingen, überlegte er, während sein Blick über den leeren Gang glitt. Es war an der Zeit, sich einen Verbündeten zu suchen. Dunmbledore hatte ihn nach ihrer heutigen Stunde zu einer Tasse Tee am Abend eingeladen und Harry würde sich hüten, dieses Angebot von dem einzigen Menschen an dieser Schule, der neben ihm Riddles wahres Gesicht sehen konnte, auszuschlagen. Außerdem war Dumbledore in der Zukunft Harrys Mentor, vielleicht sogar die einzige Vorbildfigur, die er noch hatte. Er war der einzige, dem Harry sich in dieser Zeit anvertrauen konnte. Entschlossen stieß Harry sich von der Wand ab, dann lief er strammen Schrittes den Korridor hinunter, begleitet von einem dumpfen Hallen, das seine Schuhe auf dem Steinboden hervorriefen und von den kalten Wänden zurückgeworfen wurde. An der nächsten Ecke bog er nach rechts ab, bevor er einen hohen Gang betrat, der dank des hellen Mondlichts, das durch eine riesige Fensterfront zu Harrys Linken fiel, eine seltsam mystische Atmosphäre vermittelte, die Harry jedoch kaum beachtete, als er nach der Hälfte des Weges stehen blieb und sich einer dunklen Holztür zuwandte. Auf einem goldenen Schild an der Wand stand in schwarzen Buchstaben verfasst: Professor Albus P. W. B. Dumbledore. Harry nahm einen tiefen Atemzug, hob eine Hand und klopfte sachte an die einfache Tür, die sich wenige Augenblicke schwungvoll von selber öffnete, um ihn Einlass zu gewähren. Ohne zu zögern betrat Harry einen kleinen mit allerlei Muggel-Sachen vollgestopften Raum, der eher an eine Rumpelkammer erinnerte denn an das Büro des Hauslehrers der Gryffindors. Harry war fasziniert, wie viele... unnütze Dinge in dieses Zimmer passten, während er sich fragte, wie Professor Dumbledore es hier aushielt, ohne Platzangst zu bekommen. Er hatten diesen Raum vielleicht gerade mal vor fünf Sekunden betreten, doch schon jetzt spürte er, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und seine Atemzüge verkürzten. Kam es ihm nur so vor oder kamen die Wände langsam auf ihn zu? In dem Versuch, seine aufgewühlten Nerven zu beruhigen, schloss Harry die Augen, blendete alles um sich herum aus, doch fast fast im gleichen Moment öffnete er sie wieder, um nach seinem späteren Mentor Ausschau zu halten. Eben diesen entdeckte Harry hinter einem breiten, mit Schachteln und Dosen überladenen Schreibtisch, in der einen Hand ein zerfleddertes Buch, in der anderen einen Schokoladenfrosch, der sich laut quakend über die grobe Behandlung beschwerte. Ohne das Gezeter zu beachten, biss der zukünftige Schulleiter dem Schoko-Tier den Kopf ab. In dem Zimmer kehrte Stille ein, bis die Tür hinter Harry mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, was sowohl Dumbledore als auch den Gryffindor überrascht zusammenzucken ließ. Dem Verwandlungs-Lehrer rutschte vor Schreck das Buch aus der Hand. „Harry, mein lieber Junge“, grüßte Dumbledore den grünäugigen Jungen leicht desorientiert, während er sich nach seinem gefallenen Buch bückte. „Ich habe dich noch nicht so früh hier erwartet. Keinen Hunger?“ Harry vergrub seine Hände tief in den weiten Taschen seiner Robe. „Nicht wirklich.“ Mit wachsamen Augen musterte Dumbledore ihn über die Halbmond-Gläser seiner Brille, dann wurde sein Blick weicher, wärmer. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie verwirrend das alles für dich sein muss. Du bist sicher sehr erschöpft.“ Harry gab lediglich ein undeutliches Gemurmel von sich, doch das reichte, um Dumbledore ein mitfühlendes Lächeln ins Gesicht zu treiben, das kurz darauf jedoch von einem erschrockenen Gesichtsausdruck abgelöst wurde. „Oh, je! Wo sind nur meine Manieren?“ Hastig lief er um den stolzen Schreibtisch herum zu einem Stuhl, der sich unter der Last einiger Muggel-Apparaturen, die man eigentlich in einer Küche vermuten würde, gefährlich stark nach unten bog. „Setz dich, mein Junge, ich mache uns etwas Tee“, forderte Dumbledore Harry mit einer einladenden Handbewegung auf, während er die Sachen auf dem Stuhl mit einem Schwenk seines Zauberstabes, den er aus den Tiefen seiner himmelblauen Robe gezogen hatte, in der letzten freien Ecke des Raumes zu einem wackeligen Stapel türmte, dann drehte er Harry den Rücken zu, um aus einem Schrank an der Wand zwei bunt verzierte Tassen und eine große Kanne zu nehmen, die er auf einem Tablett platzierte. Harry folgte der Aufforderung des Professors ohne zu zögern, obwohl ihn die Befürchtung beschlich, dass der stark mitgenommene Stuhl jeden Moment unter seinem Gewicht nachgeben würde. Das jämmerliche Knarzen, das Harry vernahm, als er sich hinsetzte, war auch alles andere als vertrauenerweckend. Dumbledore stellte das Tablett auf zwei Dosen auf seinem Schreibtisch ab, dann tippte er die Kanne mit der Spitze seines Zauberstabes an, die durch die Luft schwebend Tee in beide Tassen goss, während Harry seinen Blick abermals über Dumbledores stolze Sammlung allerlei alltäglicher Muggel-Gegenstände gleiten ließ, bis sein Augenmerk auf einen verlassenen Vogelbaum fiel. Er stutzte. „Wo ist Fawkes, Professor?“, fragte er Dumbledore, der ihm gegenüber Platz genommen hatte und gerade fünf Würfel Zucker aus einer giftgrünen Schale in seinem Tee versengte. Verwundert hob der Professor den Blick. „Du kennst ihn?“ Harry nickte. „Er hat mir... schon sehr oft geholfen“, erklärte er mit einem kleinen Lächeln, erfüllt von einer tiefen Dankbarkeit gegenüber diesem intelligenten Phoenix, dem er, das war ihm bewusst, sein Leben zu verdanken hatte. Mit einem sanften Ausdruck auf dem Gesicht hob Dumbledore die Tasse an seine Lippen. „Fawkes überbringt einem alten... Bekannten von mir eine Nachricht. In einigen Tagen sollte er zurück sein.“ Harry nahm diese Aussage mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis, dann senkte er seinen Blick auf eine bis zum Rand mit grünlichem Tee gefüllte Tasse, die immer wieder ungeduldig gegen seine Hand stieß, wohl als Aufforderung, dass Harry sie endlich nehmen sollte. Leise lächelnd umfasste er den Henkel. „Zucker?“, bot Dumbledore ihm mit einer Handbewegung an. Harry schüttelte sachte den Kopf. „Nein, danke.“ Schweigen legte sich über den Raum, in dem sie beide vorsichtig an ihren heißen Getränken nippten, bis Harry die Stille schließlich nicht mehr aushielt. Mit einem Klirren stellte er seine Tasse auf einem Untersetzer auf dem Tisch ab. „Warum 'Brown'?“, fragte er so unvermittelt, dass Dumbledore ihn lediglich verwirrt anblinzelte. „Wie bitte?“ Harry fuhr sich etwas unsicher durch das dunkle Haar. „Warum haben Sie meinen Nachnamen in 'Brown' geändert?“ Der Professor lächelte verstehend. „Nun, weißt du, Harry, 'Potter' ist der Name einer äußerst bekannten und sehr stolzen, alten Zaubererfamilie. Würde aus dem Nichts ein Junge auftauchen, der behauptete, eben jenen Namen zu tragen, würde das einige unangenehme Fragen aufwerfen. Ich dachte du würdest diesem unnötigen Trubel vielleicht lieber aus dem Weg gehen.“ Verschwörerisch zwinkerte der verschlagene Professor seinem neuen Schüler zu. Abermals wurde Harry klar, wie brillant der verschroben wirkende, Süßigkeiten liebende Mann in Wirklichkeit war. Und wie viel er ihm zu verdanken hatte. „Danke, Professor.“ Dumbledor prostete ihm mit einem zufriedene Ausdruck zu, was Harry mit einem breiten Grinsen erwiderte. Doch dann fiel ihm wieder etwas ein. In seinem Jahrgang hatte es immerhin ebenfalls eine 'Brown' gegeben. Und wenn er sich recht erinnerte, war auch sie aus einer reinblütigen Zaubererfamilie gewesen. „Aber 'Brown' ist in der magischen Welt auch kein unbeschriebenes Blatt, oder?“, fragte Harry vorsichtig, unsicher, ob seine Erinnerung ihn nicht trübte. Langsam ließ Dumbledore seine Tasse ebenfalls sinken. „In der Tat, Harry.“ Der Professor griff nach einem weiteren Stück Würfelzucker, das er mit einem leisen 'platsch' in seinen Tee fallen ließ. „Allerdings gibt es viele Familien in unserer Welt, die den Namen 'Brown' tragen, immerhin ist er sehr weit verbreitet, und sie sind bei weitem keine solche Berühmtheit wie die Potters. Zudem besucht der Sohn der Potters momentan die siebte Klasse in Hogwarts, was zu einigen peinlichen Situationen führen könnte, würdet ihr euch über den Weg laufen und den gleichen Namen tragen.“ Harry horchte auf. „Jemand aus meiner Familie ist hier?“ Sein Herz schlug vor Aufregung schneller. Er war noch nie einem Mitglied seiner Familie begegnet, nie wirklich, von Angesicht zu Angesicht, außer den Dursleys, auch wenn Harry sich nicht sicher war, ob er diese Leute wirklich als Familie bezeichnen konnte. Oder ob sie das überhaupt wollten. Sie hatten schließlich nie viel für ihn übrig gehabt. Aber wenn wirklich ein Potter hier zur Schule ging, in dieser Zeit, dann konnte er vielleicht endlich mal jemanden von seiner richtigen Familie kennenlernen, und wenn er einfach mit ihm als jüngerer Schüler sprach. Das wäre schon genug. „Du solltest dennoch vermeiden, Mr. Potter zu treffen, Harry“, riss Dumbledore ihn sanftem, aber entschiedem Ton aus seinen Gedanken. Verwirrt zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Warum, Professor?“ Dumbledore lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Wir wissen nicht, welche Auswirkungen ein Treffen mit deinem Vorfahren auf die Zukunft haben könnte“, erklärte er nachdenklich, während er mit seiner Hand in der Luft kreisende Bewegungen ausführte, die von einem silberner Löffel in seiner Teetasse, die vor seinem Gesicht in der Luft schwebte, nachgeahmt wurden. „Jede noch so kleine Veränderung der Vergangenheit könnte schwerwiegende Folgen für die Zukunft haben.“ Schweigend strich Harry mit einem Finger an dem Rand seiner Tasse entlang. Er hatte sich schon viele Gedanken über die Konsequenzen gemacht, die seine Reise in die Vergangenheit haben könnte, nicht zuletzt dank der Warnungen, die Hermine ihm in ihrem dritten Schuljahr bezüglich Zeitreisen eingebläut hatte. Aber damals waren sie nur wenige Stunden in die Vergangenheit gesprungen und hatten nur kleine Veränderungen vorgenommen. Dieses Mal handelte sich um Jahrzehnte! Es war unmöglich, dass seine Anwesenheit in dieser Zeit keine Konsequenzen hatte! Er musste seine Präsenz so gering wie möglich halten, um den Lauf der Zeit nicht zu beeinflussen. So war es für alle am Besten. Aber ging das überhaupt noch? War es dafür nicht schon zu spät? Harry seufzte aus der Tiefe seiner Seele, dann ließ er seinen Kopf mit einem dumpfen Knall auf die dunkle Platte des Tisches fallen. Das war alles so kompliziert. „Deswegen auch die Namensänderung“, murmelte er leise, seine Stimme gedämpft durch das Holz. „Ja, das war ein weiterer Grund“, stimmte Dumbledore ihm in sanftem Ton zu. „Sollte dich jemand in der Zukunft erkennen, den du in dieser Zeit getroffen hast, könnte dies eines dieser berüchtigtes Zeitparadoxons auslösen, das sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft beeinflussen und aus ihren Rahmen sprengen könnte. Die Folgen wären verheerend. Durch die Änderung des Namens können wir dem wenigstens teilweise entgegensteuern, auch wenn sich dein Aussehen natürlich kein bisschen verändert hat. Wir können lediglich Sicherheitsvorkehrungen treffen und hoffen.“ Harry erwiderte darauf nichts. Was hätte er auch sagen sollen? Er hatte das Gefühl, als wäre ihm soeben eine riesige Bürde auf die Schultern geladen worden. Er trug somit die Verantwortung für... was? Die gesamte Zukunft? War das Schicksal der magischen Welt denn noch nicht genug gewesen? Musste man noch eine Schippe drauflegen? Abermals senkte sich Stille über den Raum, einzig unterbrochen von einem leisen Klirren, wenn der silberne Löffel gegen das Porzellan von Dumbledores Tasse schlug. Harry schloss die Augen, versuchte die Ruhe und die Geborgenheit, die dieser chaotische Raum ihm gab, in sich aufzunehmen, sich zu beruhigen, seine Gedanken zu ordnen. Sie hatte keinerlei Ahnung, welche Folgen seine Reise in die Vergangenheit auf den Lauf der Zeit hatte. Punkt. Aus. Ende. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es Folgen geben würde, war erdrückend hoch. Also... wenn seine alleinige Anwesenheit alles verändern konnte, warum ging er dann nicht noch einen Schritt weiter, indem er... Erschrocken über die Richtung, die seine Gedanken einschlugen, schüttelte Harry den Kopf. Nein, was dachte er denn da? Er sollte sich nicht einmischen! Er durfte sich nicht einmischen. Noch war ja nichts Weltbewegendes geschehen! Und so sollte es auch bleiben. Er würde die Füße still halten, seine Nase zur Abwechslung mal nicht in die Dinge stecken, die ihn nichts angingen und einen Weg zurück in die Zukunft suchen. So sah der Plan aus! Keine Abweichungen! Harry fühlte, wie sich eine grimmige Entschlossenheit in seinem Inneren breit machte, die Hermine immer gerne als 'unangemessene Dickköpfigkeit' bezeichnete. Leise schmunzelnd legte er das Kinn auf die Platte, sodass er den Blick auf Dumbledore richten konnte, der sich ein knallbuntes Bonbon in den Mund schob, einen entspannten Ausdruck auf dem bärtigen Gesicht, die Augen genüsslich geschlossen. Dieser mächtige Zauberer wirkte in diesem Moment so ruhig, so frei von allen Sorgen und Ängsten, als gäbe es nichts auf der weiten Welt, das ihn belasten könnte, dass die Anspannung, die Harry seit letzter Nacht beherrscht hatte, unwillkürlich von ihm abfiel. Eine beruhigende Wärme breitete sich in seinem Inneren aus, die ihn endlich zur seiner verzweifelt ersehnten Ruhe kommen ließ. Harry schwor sich, das Büro des Professors noch öfters während seines Aufenthalts in der Vergangenheit zu besuchen. Im Moment schien dies der einzige Ort zu sein, an dem er sich... geborgen fühlen konnte. Diese ruhige, warme Atmosphäre, die der Raum und der Professor trotz ihrer Verschrobenheit ausstrahlten, taten so unglaublich gut. „Professor?“, begann Harry nach einer Weile so leise, dass seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern war. Er befürchtete, würde er lauter sprechen, wäre der Frieden, den er endlich gefunden hatte, wieder zerstört. „Ja, mein Junge?“, erwiderte Dumbledore, ohne jedoch die Augen zu öffnen. Harry zögerte kurz, unsicher, ob er nach ihrem Gespräch über Konsequenzen und Folgen überhaupt danach fragen sollte, gab sich dann aber einen Ruck. Fragen kostete schließlich nichts. „Sind Sie gar nicht neugierig, wie die Zukunft aussieht?“ Langsam öffnete Dumbledore die Augen und richtete seinen wachsamen, klaren Blick auf Harry, der ihn abwartend musterte. „Nun“, begann der Professor langsam, ein verschlagenes Lächeln auf den Lippen, das ihn um Jahre jünger wirken ließ, „ich müsste lügen, würde ich bestreiten, dass das Wissen um die Zukunft nicht einen gewissen Reiz auf mich ausüben würde.“ Sein Grinsen wurde eine Spur breiter. „Gleichzeitig stelle ich mir das Leben aber äußerst langweilig vor, wenn es keine Überraschungen mehr gäbe. Wo bleibt denn da der Spaß?“ Harry schaute seinen Mentor, der in diesem Moment eher einem kleinen Jung glich denn dem mächtigsten Zauberer, den Harry jemals in seinem Leben getroffen hatte, aus großen Augen an, dann konnte auch er sich ein übermütiges Lächeln nicht verkneifen. Die Unbeschwertheit in Dumbledores Worten steckte ihn an, sein unbekümmerter Ton, der verspielte Ausdruck auf seinem Gesicht, all das nahm Harry die Last von den Schultern und ließ ihn seine Sorgen vergessen. Grinsend nahm Harry seine Tasse wieder in die Hand und nahm einen Schluck seines nun lauwarmen Tees. In seinem Mund breitete sich ein angenehm süßlicher Geschmack aus, der eine wohlige Wärme durch seine Adern sandte. Harry spürte, wie sich abermals ein Gefühl der Geborgenheit in seinem Herzen einnistete. Er war wirklich froh, auch in dem Dumbledore der Vergangenheit einen Verbündeten und vielleicht sogar einen Freund gefunden zu haben. Wenigstens eine Konstante schien es in seinem chaotischen Leben zu geben: auf Professor Dumbledore konnte er sich verlassen. Die nächste Stunde verging wie im Flug, während der Professor und Harry bei mehreren Tassen Tee diskutierten, welche Geschichte der Zeitreisende seinen Mitschülern bezüglich seines bisherigen Lebens auftischen sollte. Dumbledore hatte ihm geraten, möglichst nah an der Wahrheit zu bleiben, ohne natürlich seinen wahren Namen oder sein Reise zu erwähnen, um die Gefahr eines Ausrutschers möglichst gering zu halten. Daher beließen sie es dabei, dass Harry nach dem Tod seiner Eltern bei Verwandten aufgewachsen war. Ebenso beharrte Harry darauf, dazu zu stehen, dass eines seiner Elternteile muggelstämmig gewesen war, auch wenn Dumbledore ihn daran erinnerte, dass ihm das im Haus der Slytherins eine Menge Ärger bringen würde. Es interessierte ihn nicht. Zum einen scherte Harry sich einen Dreck um die Ideologie der Slytherins und ihrer krankhaften Besessenheit vom 'reinen Blut', was für ein Käse, zum anderen wollte Harry das Andenken seiner Eltern nicht entehren. Zu behaupten, er wäre reinblütiger Abstammung, wäre ihm wie Verrat an seiner Mutter vorgekommen. Das konnte er nicht. Und wollte er nicht. Außerdem: was juckte es ihn, was die Schlangen von ihm dachten? Er war ein Gryffindor, da machte ihm doch der Hass der Slytherins nichts aus. Seit seinem ersten Schuljahr war er, in erster Linie dank eines gewissen Draco Malfoys, ständig mit ihnen aneinander geraten, also warum sollte sich das in der Vergangenheit ändern? Vor allem, wenn ein Lord Voldemort an ihrer Spitze stand. Nein, Harry konnte sich nicht vorstellen, sich auch nur mit einem von ihnen zumindest ansatzweise gut zu verstehen. Von Freundschaft ganz zu schweigen. Auf der anderen Seite würden die Gryffindors ihn wahrscheinlich wie die Pest meiden. Schließlich war er jetzt in Grün gekleidet, das vertrug sich nicht mit Rot. Unter keinen Umständen. Verdammt, Harry wollte zurück in seine Zeit. Sein Schulleben in der Vergangenheit würde sehr einsam werden. Nachdem sie alle wichtigen Aspekte seiner Tarnung besprochen hatte, verabschiedeten sich Dumbledore und Harry mit einem warmen Händedruck, doch bevor der Gryffindor den Raum verließ, drehte er sich noch einmal zu seinem Mentor um, eine Frage auf den Lippen, die ihm wie ein Stein seit ihrem Gespräch über die Folgen von Veränderungen auf der Seele gelastet hatte, dennoch wagte er es kaum, sie auszusprechen, da er sich vor der Antwort und ihrer Bedeutung für ihn fürchtete. „Professor?“ Dumbledore, der es sich bereits wieder mit seinem Buch in der Hand in dem Sessel hinter dem Tisch gemütlich gemacht hatte, sah zu ihm auf, die alternden Züge gezeichnet von Sorge, als er den beklommenen Ausdruck auf Harrys Gesicht bemerkte. „Belastet dich noch etwas, mein Junge?“ Der Ton des Professors war warm, vertraut, doch das ungute Gefühl ließ sich nicht aus Harrys Herzen vertreiben. Er verspürte eine dunkle Ahnung, dass ihm Dumbledores Antwort nicht gefallen, seine neu gefundene Entschlossenheit ins Wanken bringen würde. Trotzdem, er brauchte Gewissheit. Harry nahm einen tiefen Atemzug, sammelte seinen berühmt-berüchtigten Gryffindor-Mut bevor er endlich mit der Sprache herausrückte. „Wenn man die Möglichkeit hat, ein schlimmes Unheil abzuwenden“, begann er mit zittriger Stimme, wobei er dem Professor jedoch direkt in die Augen sah, um ihm zu zeigen, wie wichtig es ihm war, „und viele Leben zu retten, trägt man dann nicht die Verantwortung, das auch zu tun?“ Überrascht zog Dumbledore eine Augenbraue in die Höhe, dann legte sich ein ernster Ausdruck auf sein Gesicht, während er das Buch in seiner Hand auf seinen Schoß bettete. „Nur, wenn man auch bereit bist, die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen, mein Junge.“ Ja, mit dieser Antwort hatte er gerechnet, überlegte Harry, die Augen geschlossen, dann öffnete er sie wieder, ein bedrücktes, beinahe trostloses Lächeln auf dem Gesicht. „Danke, Professor. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Harry.“ Sanft zog Harry die Tür hinter sich ins Schloss. Abermals legte sich Stille über den Raum. Nachdenklich starrte Albus auf die geschlossene Tür, durch die dieser arme, verlorene Junge vor wenigen Minuten verschwunden war. Seine letzte Frage hatte ihn überrascht, wenn auch nicht in dem Maße, wie er angenommen hatte. Tief in seinem Inneren hatte er wohl schon mit so etwas ähnlichem gerechnet. Er hatte das Gefühl, Harry schon sehr viel länger zu kennen als nur einen Tag. Er mochte ihn und wollte ihm helfen, doch er befürchtete, dass er das genaue Gegenteil mit seinen letzten Worten erreicht hatte, auch wenn er sie aus dem Bedürfnis heraus gesagt hatte, ehrlich zu Harry zu sein. Leise seufzend hob Albus seinen entrückten Blick an die Decke, verloren in seiner eigenen Gedankenwelt. Harry war ein mutiger Junge mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein, wie seine letzte Frage bewiesen hatte. Mit keinem Wort hatte er die Gefahr für sein eigenes Leben erwähnt, sollte er sich entschließen, den Lauf der Zeit zu ändern. Sein gesamtes Augenmerk lag auf der Rettung anderer Menschen, zukünftiger Leben. Ein wahrlich erstaunlicher junger Mann. Albus konnte nur hoffen, dass, wie auch immer Harrys Entscheidung ausfallen würde, er ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte. Zumindest für das Szenario, sollte Harry die Vergangenheit nicht verändern wollen, hatte er Vorkehrungen getroffen, die es dem Jungen ermöglichen würden, sein Leben in der Zukunft ohne Konsequenzen durch seinen Aufenthalt in dieser Zeit weiterführen zu können. Jetzt musste der Professor nur noch einen Weg finden, wie sein neuer Schützling auch in seine Zeit zurückkehren konnte. Harrys Ankunft in der Vergangenheit war ihm noch immer ein Rätsel, das er, so fürchtete Albus, nicht so schnell würde lösen können. Aber um Harrys Willen musste er das. Und würde es auch. Er galt schließlich nicht umsonst als der mächtigste und gerissenste Zauberer seiner Zeit. Das wäre doch gelacht. Leise glucksend hob er sein Buch wieder vor seine wachen Augen. Die Muggel hatten wahrlich einen sonderbaren Sinn für Literatur. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte. Also... wo war er stehen geblieben? Leise stöhnend schloss er seine Arme um seinen starken Nacken... Ah, genau. Kapitel 8: Kindermädchen ------------------------ Lustlos folgte Harry dem langen, in helles Mondlicht getauchten Gang vor Dumbledores Arbeitszimmer in Richtung der Kerker, seiner Folterkammer für die nächsten Wochen, wie er befürchtete. Alles in ihm sträubte sich dagegen, auch nur eine weitere Nacht in den dunklen, ungemütlichen Gemäuern umgeben von potenziellen Todessern zu verbringen, doch wo sollte er sonst hin? Bei den Gryffindors um Asyl betteln? Ha, ha, sehr witzig. Für sie war er eine Schlange, nichts anderes. Sollte er vor ihrem Geimeinschaftsraum auftauchen und um Einlass bitten, würden sie ihn wahrscheinlich ohne zu zögern von der Spitze des höchsten Turmes stoßen. Der Astronomie-Turm wäre dafür eine gute Wahl. Harry machte ihnen deswegen keinen Vorwurf, immerhin konnten sie nicht wissen, dass er im Grunde seines Herzen ein Löwe war, allerdings erschwerte das alles seine Situation um einiges. Wie einfach hätte sein Aufenthalt in der Vergangenheit sein können, wenn er wenigstens in das Haus der Gryffindors sortiert worden wäre. Daran war nur dieser verdammte Hut Schuld. Harry schwor blutige Rache an dem ledernen Verräter. Deprimiert seufzend bog er um die Ecke am Ende des Ganges, so tief in seinen Gedanken versunken, dass er den dunkelhaarigen Jungen, der lässig im schwachen, orangenen Schein einer Fackel an der steinernen Wand lehnte, erst bemerkte, als dieser ihm mit seiner dunklen, melodischen Stimme den nächsten Schock seines Lebens verpasste. „Guten Abend, Harry.“ Vor Schreck machte der Gryffindor einen gewaltigen Satz zur Seite, wodurch er hart mit der Schulter gegen die unnachgiebige Mauer zu seiner Linken stieß. Er fluchte leise, als ein scharfer Schmerz durch seinen Arm bis in seine Fingerspitzen schoss. Verärgert über sein schreckhaftes Verhalten, rieb er sich mit der rechten Hand über die pochende Schulter. Das würde einen blauen Fleck geben. Naja, vom Quidditch war er schlimmeres gewöhnt. Erst als der Schmerz langsam abebbte und sich sein rasender Herzschlag langsam wieder normalisierte, richtete Harry seinen Blick auf die junge Version seines Erzfeindes, der ihn süffisant angrinste. Mistkerl. „Was willst du, Riddle?“, fragte Harry verstimmt, während er sich ebenfalls mit dem Rücken an die Wand lehnte, direkt gegenüber des Möchtegern-Lords, der jeder seiner Bewegungen mit seinen strahlend blauen Augen zu folgen schien. Wie unheimlich. „Ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht“, behauptete Riddle in angemessen fürsorglichem Ton, sodass niemand, der sein wahres Gesicht nicht kannte, an der Ehrlichkeit seiner Worte zweifeln konnte. Gut, dass Harry es besser wusste. Er stieß ein abfälliges Schnauben aus, was Riddle mit einem wissenden Lächeln quittierte. „Du bist vor dem Abendessen einfach so verschwunden“, fuhr der Möchtegern-Lord nun übertrieben besorgt klingend fort, stieß sich von der Wand ab und kam zielstrebig mit langsamen Schritten auf Harry zu, während er ihn mit seinen blauen Augen taxierte, wie ein Raubtier seine Beute. Alarmiert spannten sich Harrys Muskeln an, bereit zum Kampf, sollte Riddle auf irgendwelche dumme Ideen kommen. Dank der zahlreichen Scharmützel, die er sich mit den Lakaien des Dunklen Lords über die Jahre geliefert hatte, wusste er sich zur Wehr zu setzen. So leicht würde er ihn bestimmt nicht überrumpeln können. Riddle sollte sich besser warm anziehen. Eisige Augen glitten über Harrys Körper, bevor sie mit einem gefährlichen Blitzen zu seinem Gesicht zurückkehrten. Riddles Lippen verzogen sich zu einem perfekten Lächeln. „Es wäre doch eine Schande, wenn sich der Neue am seinem ersten Tag verlaufen und ihm etwas Schlimmes zustoßen würde, nicht wahr?“ Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an, der die Wut in Harrys Innern zum Kochen brachte. Wenn Riddle dachte, dass er so leicht einzuschüchtern wäre, hatte er sich geschnitten. Einen Schritt von Harry entfernt blieb der andere stehen, dieses beunruhigende, falsche Lächeln nach wie vor auf seinen Lippen. „Vor allem, da ich versprochen habe, auf dich aufzupassen, Harry.“ Der junge Gryffindor bedachte sein Gegenüber mit einem vernichtenden Blick. „Ich brauche kein Kindermädchen, schönen Dank auch.“ „Das sehe ich anders“, erwiderte Riddle verdächtig gut gelaunt. „Hast du eine Ahnung, wie spät es schon ist? Kleine Kinder gehören um diese Zeit eigentlich ins Bett.“ Er lehnte sich leicht vor, seine Augen blitzten amüsiert, während Harry all seine Selbstbeherrschung aufbringen musste, um diesen selbstgerechten Mistkerl nicht zu erwürgen. Er war so kurz davor! „Du hast wirklich Glück, dass du mich getroffen hast, Harry“, teilte Riddle ihm zuvorkommend mit und kam einen weiteren Schritt auf den jungen Gryffindor zu, sodass die Spitzen ihrer Schuhe sich beinahe berührten. Ja, was war doch für ein Glückskind. Er konnte seine Begeisterung kaum in Grenzen halten, dachte Harry sarkastisch, während er sich dichter an die Wand hinter ihm presste, um wenigstens einige Zentimeter mehr Abstand zwischen sich und Riddle zu bringen. „Wage ich zu bezweifeln“, rutschte es ihm unwillkürlich heraus, wofür er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte, wenn das nicht so verdammt wehtun würde. Musste er Riddle auch noch herausfordern? Warum konnte er sich nicht einfach fügen und seine Klappe halten? Sein Verhalten machte alles nur noch schlimmer! Riddles Lächeln wurde eine Spur dunkler, bedrohlicher, dann riss er seine Augen auf und bedachte Harry mit einem verletzten Blick. Dem Gryffindor lief ein Schauer über den Rücken. Wirklich unheimlich, wie gut er seine Miene unter Kontrolle hatte. „Aber, Harry, warum bist du denn so abweisend??“, fragte Riddle in gekränktem Ton, den er sich hätte sparen können, da Hrarry ihm dieses Schauspiel nicht auch nur für eine Sekunde abkaufte. „Ich will dir doch nur helfen. Wärst du einem anderen Vertrauensschüler um diese Zeit in die Arme gelaufen, hättest du jetzt eine Strafarbeit am Hals.“ Harry bedachte sein Gegenüber mit einem misstrauischen Blick. „Und was hast du vor?“ „Ich?“ Riddle legte eine überraschte Miene auf. „Hilfsbereit, wie ich bin“, Harry musste ein weiteres Schnauben unterdrücken, „werde ich dir den Weg zurück in die Kerker zeigen. Nicht, dass du noch einmal an deinem ersten Tag verloren gehst.“ Riddle blendete ihn mit einem strahlenden Lächeln, dann, plötzlich, ohne Vorwarnung streckte er eine Hand aus, was Harry augenblicklich eine abwehrende Haltung einnehmen ließ, bereit zum Kampf. Hastig duckte er sich in Erwartung eines Angriffs zur Seite, doch schon versperrte ihm Riddles Arm, den er gegen die Wand hinter Harry gestützt hatte, den Weg. Harry wandte den Kopf nach rechts, wo ihn, wie er mit wild hämmerndem Herzen feststellen musste, das gleiche Bild erwartete. Riddle hatte ihn in der Zange. Verdammt! Harrys rechte Hand schnellte zu seinem Zauberstab in seiner Robe. Was dachte Riddle, was er hier tat? Was hatte er vor? Wollte er Harry einschüchtern? Ihm Angst einjagen? Harry blickte sein Gegenüber zornig an. Warum, zum Teufel, lächelte dieser Mistkerl immer noch? In diesem Moment hätte der Gryffindor alles darum gegeben, es ihm auszutreiben! Mit einem entspannten Ausdruck auf dem hübschen Gesicht beugte sich der Möchtegern-Lord zu Harry vor, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten und sein warmer Atem über seine Wange strich, was den jungen Gryffindor beinahe würgen ließ. Seine linke Hand ballte sich zur Faust, während die andere den Zauberstab fester umklammerte, in dem Versuch, die brodelnde Wut in seinen Adern zu unterdrücken. Alles in ihm schrie danach, Riddle an die Gurgel zu gehen. „Warum so nervös, Harry?“, fragte Riddle in leichtem Ton, der im kompletten Widerspruch zu seinem Verhalten stand. „Hast du Angst, ich könnte dir etwas tun?“ Nein, warum sollte er, dachte Harry sarkastisch. Diese ganze Situation war schließlich vollkommen normal. Nicht bedrohlich, kein bisschen. Laut sagte er jedoch gereizt: „Was soll das, Riddle?“ Der Möchtegern-Lord blickte ihn unschuldig an. „Ich wollte dich nur warnen.“ „Und vor was?“, fragte Harry zornig, während er sein Gegenüber aufmerksam beobachtete. Sollte er auch nur den Ansatz einer verdächtigen Bewegung bei Riddle bemerken, würde er ihn ohne zu zögern verfluchen. Blaue Augen bohrten sich in seine, ein leises, erwartungsvolles Knistern lag in der Luft, das Harry die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Jede Sekunde rechnete er mit einem Angriff von Riddle, doch er wartete vergebens. Stattdessen lehnte sich der blauäugige Junge wieder zurück, wodurch er auch die angespannte Atmosphäre zwischen ihnen brach. Doch Harry erlaubte sich nicht aufzuatmen. In Riddles Gegenwart musste er jeden Moment auf der Haut sein. Er durfte sich keine Schwäche erlauben, wenn er seine Geheimnisse bewahren wollte. „Weiß du, Harry“, begann Riddle in sanftem, belehrendem Ton, als müsste er einem kleinen Kind etwas vollkommen Offensichtliches erklären, was den Zorn in Harry abermals anheizte, „Slytherins mögen es ganz und gar nicht, wenn einer aus ihrer Mitte sich bei dem Hauslehrer der Löwen einschleimt.“ Seine Auge wurden hart, berechnend, doch das Lächeln blieb auf seinem Gesicht haften als wäre es dort eingemeißelt. „Du willst es dir doch nicht direkt am ersten Tag mit deinem Haus verscherzen, nicht wahr?“ Der bedrohliche Unterton war in seine Stimme zurückgekehrt, doch Harry ließ sich davon nicht beeindrucken. Wenn, dann stachelte Riddle seine Wut damit nur weiter an. Ausgerechnet vom dem Jungen als 'Schleimer' beschimpft zu werden, der alles und jeden um sich herum tagtäglich mit seinen Lügen hinters Licht führte, der mit seinem Schauspiel des Musterschülers sein wahres, grausames Gesicht verbarg, um sich die Sympathie der anderen Schüler zu sichern, brachte das Fass zum Überlaufen. Zornig funkelte er den größeren Jungen mit dem perfekten Lächeln auf seinem achso perfekten Gesicht an. Gott, wie Harry dieses Wort zu hassen begann. Er setzte zu einer ungehaltenen Antwort an, schaffte es jedoch, sich selber im letzten Moment davon abzuhalten, sie diesem selbstgerechtem Mistkerl um die Ohren zu hauen, indem er seinen Mund geräuschvoll zuklappte und die verhängnisvollen Worten hinunterwürgte, bevor ihm auch nur ein Laut über die Lippen kam. Die Mühe, die er für diese Aktion aufbringen musste, zwang ihn beinahe in die Knie. Wie gerne hätte er Riddle in diesem Moment seine perfekte Nase gebrochen! Für wen hielt sich dieser aufgeblasene Wichtigtuer eigentlich? Es interessierte Harry einen Dreck, was die Slytherins von ihm dachten! Am liebsten hätte er Riddle genau das offen ins Gesicht gesagt. Aber er durfte nicht. Wütend biss Harry sich auf die Zunge. Er durfte nicht austicken. Er musste sich unauffällig verhalten, seine Präsenz mindern, sodass ihn niemand bemerkte, um keinen Einfluss auf die Geschichte zu nehmen. Das hatte er doch gerade erst in Dumbledores Büro aus eigener Überzeugung beschlossen gehabt! Also warum verstieß er schon wenige Minuten danach gegen seine eigenen Worte? Er musste lernen, sich in Riddles Gegenwart zusammenzureißen, damit dieser sein Interesse wieder an ihm verlor. Verdammt, es war schwierig, aber er durfte sich nicht einmischen, sonst gäbe es bald keine Zukunft mehr, in die er hätte zurückkehren können. Er musste die Konsequenzen, die jede seiner Aktionen mit sich führen könnte, zu jeder Sekunde im Hinterkopf behalten. Er durfte sich von Riddle nicht zum unbedachten Handeln hinreißen lassen. In dem verzweifelten Versuch, sich zu beruhigen, holte Harry mehrere Male zitternd Luft, sich der blauen Augen, die ihn die ganze Zeit über beobachteten, unangenehm bewusst, dann zwang er einen betroffenen Ausdruck auf sein Gesicht, auch wenn es ihn einiges an Mühe kostete. Verdammt, es kostete ihn alles an Kraftreserven, die ihm nach diesem Tag noch auf den Beinen hielten! „Natürlich nicht“, murmelte Harry leise, um schwach und... nunja, unterwürfig zu wirken. Hoffentlich kaufte Riddle ihm das ab. Harry hatte seine Zweifel, ging aber sogar noch einen Schritt weiter: „Tut mir leid, das war heute alles etwas zu viel für mich.“ Harrys Hand umklammerte seinen Zauberstab so fest vor unterdrückter Wut , dass er schon befürchtete, das Holz würde unter seinen Fingern zersplittern. „Ich sollte dich nicht so anfahren. Bisher warst du ja... sehr nett“, presste er angestrengt hervor, brachte dann aber sogar noch, zu seiner großen Überraschung, ein Lächeln Zustande. Es gefiel ihm gar nicht, sich so duckmäuserisch zu geben, nein, das war eine Untertreibung: es widerte ihn an, aber wenn ihm Riddle dieses Verhalten vom Leib halten sollte, nahm er es in Kauf. Hauptsache, er wurde den Schleimbeutel los. Für einen Moment musterten die blauen Augen Harry lediglich kritisch, schienen hinter die Fassade, die Harry mit größtem Kraftaufwand aufrecht zu erhalten versuchte, blicken zu wollen, doch schließlich gab Riddle auf. Er ließ seine Arme sinken und trat einen Schritt zurück, wobei seine Miene seltsam enttäuscht wirkte, als hätte er sich eine andere Reaktion von Harry erhofft gehabt, doch nur den Bruchteil einer Sekunde später blendete er den Gryffindor abermals mit seinem falschen Lächeln, das jeden anderen Ausdruck von seinem Gesicht gewischte. Etwas überrumpelt von Riddles unerwartetem Rückzug, warf Harry ihm einen verwirrten Blick zu, während er die Hand, die noch immer seinen Zauberstab umklammerte, langsam lockerte, da legte der größere Junge plötzlich einen Arm um seine Schultern und zog ihn an seine Seite. Harrys Körper verkrampfte sich augenblicklich, der Griff um seinen Zauberstab verstärkte sich. Geschockt starrte Harry in Riddles übertrieben freundliches Gesicht. „Keine Sorge, Harry, ich bin nicht sauer“, verkündete Riddle beschwichtigend. Na, da war er aber froh, dachte Harry trocken. Er könnte den Gedanken nicht ertragen, sollte er Riddle mit seinen Worten verletzt haben. Widerwillig ließ er sich von dem Möchtegern-Lord, eng an dessen Körper gepresst, den nächsten Gang hinunterführen, darum bemüht, aufgrund der Nähe seines Todfeindes nicht laut zu würgen. Die langen Finger des anderen Jungen gruben sich beinahe schmerzhaft in seine bereits ramponierte Schulter. Das tat der Heuchler mit Absicht, davon war der Gryffindor überzeugt. „Komm, bringen wir dich ins Bett“, wies Riddle mit einer Stimme an, die abermals so klang, als wäre sie bei einem Gespräch mit einem Kleinkind angebrachter. „Da der Tag für dich so anstrengend war, solltest du dich gut erholen.“ Harry sagte dazu nichts. Warum auch? Wahrscheinlich war genau das der Kern des Problems. Er ließ sich von Riddle zu leicht reizen. Vielleicht sollte er die Provokationen des jungen Lords einfach ignorieren, bis dieser schließlich aufgab und ihm seine Ruhe ließ. Oder er könnte ihn nett darum bitten, was höchst wahrscheinlich in demselben Szenario enden würde, wenn Harry Riddle richtig einschätzte: beides würde den Möchtegern-Lord lediglich dazu anspornen, seine Bemühungen, Harry in den Wahnsinn zu treiben, zu verstärken. Toll. Harry war begeisert. Deprimiert über seine eigenen Gedanken, stieß der Gryffindor einen stummen Seufzer aus. Wie sollte er auch nur noch einen weiteren Tag in dieser Zeit überstehen ohne durchzudrehen? Kapitel 9: Stolz ---------------- Harry hatte einen folgenschweren Entschluss gefasst: ab morgen würde er zu Hermine mutieren und seine gesamte Freizeit in der Bibliothek von Hogwarts verbringen, um nach einem Weg zurück in seine Zeit zu suchen. Sollte er dadurch als Streber in die Geschichte eingehen, nahm er das gerne in Kauf. Und wenn er in der normalen Abteilung nicht fündig werden sollte, wäre Dumbledore bestimmt bereit, ihm eine Erlaubnis für die verbotene Abteilung auszustellen. Selbst wenn nicht: Harry war zu allem entschlossen. Er war mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem ihm alles egal war. Je schneller er diesem Albtraum entkam, desto besser. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Nach wie vor in Riddles stählernem Griff gefangen, trat Harry durch die Öffnung in der kahlen Steinwand, die den Anfang des Reiches der Slytherins verkörperte, in den hell erleuchteten Gemeinschatfsraum, in dem sich das gesamte Haus trotz der späten Stunde zu versammelt haben schien. Einige Schüler trugen bereits ihre Sachen für die Nacht und schafften es kaum die Augen offen zu halten, Alphard Black war einer von ihnen, doch die meisten Jungen und Mädchen stellten einen ungeduldigen Ausdruck auf den überheblichen Gesichtszügen zur Schau, die Augen von brennender Neugierde erfüllt. Harry schluckte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was ihm nun bevorstand. Kaum hatten die beiden Jungen den ersten Fuß auf den steinernen Boden gesetzt, ruckten die Köpfe der versammelten Schülerschaft gleichzeitig zu ihnen herum. Aller Augen waren auf Harry gerichtet, wobei ein sturmgraues Paar mit einer brennenden Intensität aus der Menge herausstach. Harry gefror bei diesem Anblick das Blut in den Adern. Wie gerne hätte er sich nun umgedreht und das Weite gesucht, doch der Arm um seine Schulter ließ ihm kaum Handlungsspielraum. Er war gefangen, umgeben von blutdürstigen Schlangen, die nur auf die richtige Gelegenheit warteten, ihm ihre Giftzähne in den Arm zu rammen. Und die schlimmste von allen stand direkt neben ihm in der Gestalt eines gutaussehenden Jungen, auf dessen Gesicht dieses widerlich gekünstelte Lächeln haftetet, das in Harry unwillkürlich das Verlangen aufflammen ließ, ihm die Zähne einzuschlagen. Und wenn diese Aktion lediglich damit gekrönt werden würde, Riddles Zorn auf sich zu ziehen, das wäre ihm allemal wert. Harry zuckte es in den Fingern, diesem aufgeblasenen Heuchler die Maske des perfekten, lieben Jungen herunterzureißen und den Schülern sein wahres Gesicht zu offenbaren. Doch er durfte nicht. Auch wenn alles in ihm danach schrie, doch er musste sich unter Kontrolle halten. Für die Zukunft! Daher atmete Harry einige Male tief durch, verscheuchte sein dunkles Verlangen, den übertrieben freundlichen Mörder seiner Eltern und zahlreicher anderer Menschen neben sich windelweich zu prügeln, in eine dunkle Ecke seines Geistes, aus der er es wieder hervorholen konnte, wenn der Zeitpunkt gekommen war, und wappnete sich gegen die lästige Prozedur, die auf ihn zukam. Er sammelte die letzten Körner seines berüchtigten Gryffindor-Mutes, den dieser Tag ihm noch gelassen hatte, um sich dem Verhör der Schlangen zu stellen, die lauernd auf ihn zukamen. Na los doch, forderte er sie stumm mit seinen Blicken heraus. Er wollte es endlich hinter sich bringen, um sich dann in sein Bett verkriechen zu können. Tom lauschte Browns Ausführungen mit dem größten Interesse. Auch wenn er wusste, dass jedes Wort aus seinem Mund nichts weiter als eine dreiste Lüge war, wollte er nicht riskieren, auch nur ein Fünkchen Wahrheit zu überhören, das sich in seinem Lügengeflecht verstecken mochte. Langsam aber sicher kam ihm sogar der Verdacht, dass Brown in Slytherin vielleicht doch nicht so schlecht aufgehoben war, wie er gestern Abend noch angenommen hatte, immerhin log dieser Junge schon jetzt mehr als die meisten anderen Schlangen, sogar mehr als Tom, dem König der Lügner und Betrüger, selber. Der Goldjunge mochte dabei keine sonderlich gute Figur machen, aber mit etwas Übung konnte er es noch weit bringen. Fast das gesamte Haus der Slytherhins hing dem Neuankömmling wie gebannt an den Lippen, vorausgesetzt, sie waren noch in der Lage, die Augen offen zuhalten. Viele der jüngeren Schüler hatten sich bereits der Müdigkeit geschlagen geben müssen und waren in den komfortablen Polstersesseln oder gegen die Wand gelehnt in unbequem aussehenden Positionen eingeschlafen, doch auch den älteren Schülern war die späte Stunde deutlich anhand der dunklen Schatten unter ihren Augen anzusehen. Was sie jedoch nicht davon abhielt Brown mit demselben Fragen zu löchern, die Tom und seine Gefolgsleute ihm bereits im Laufe des Tages unermüdlich gestellt hatten ohne auch nur den Hauch einer Erwiderung zu erhalten, doch nun beantwortete jede einzelne von ihnen problemlos, ohne zu zögern oder zu hadern. Als hätte er den exakten Wortlaut einstudiert. Aus schmalen Augen warf Tom dem kleineren Jungen, der sich eine Armlänge entfernt von ihm in eine Ecke des gemütlichen Sofas, auf dem sie saßen, zurückgezogen hatte, einen misstrauischen Blick zu. War er deswegen bei diesem alten Kauz gewesen? Um sich eine Geschichte zurecht zu legen, die sein plötzliches Auftauchen plausibel erklären würde? Er und dieser verfluchte Tattergreis mussten unter einer Decken stecken, was Brown zu einem Spitzel machte, der für den Hauslehrer der Gryffindors arbeitete. Zumindest würde das die Abscheu und den Hass, mit denen er Tom von Anfang an entgegen getreten war, erklären. Der Quacksalber musste ihn mit seinen Vorurteilen gegenüber Tom, von denen einige wahrscheinlich noch nicht einmal sonderlich weit von der Wahrheit entfernt waren, gefüttert haben, um ihn gegen den Erben Slytherins aufzubringen. Somit war Brown ein Feind, nicht nur für Tom sondern ganz Slytherin. Doch sollte dies wirklich der Fall sein, sollte Brown tatsächlich Dumbledores rechte Hand sein, so war es für Tom nur ein weiterer Grund, seine Spielchen mit ihm zu treiben, die Wahrheit über seine Herkunft mit jeglichen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, aus ihm herauszukitzeln. Der alte Stümper wollte Tom also herausfordern? Das würde er noch bereuen. Leise schmunzelnd wandte Tom seinen Blick wieder dem schmächtigen Jungen neben sich zu, der eine kurze Pause in seiner Märchenstunde eingelegt hatte, was eine der wenigen noch wachen Erstklässlerinnen ausnutzte, um ihm die Frage aller Fragen zu stellen, deren Antwort Browns Aufstieg oder Untergang im Haus der Slytherins besiegeln würde. „Und wo bist du aufgewachsen, Harry?“, fragte Eileen Prince mit Unschuldsmiene, obwohl sie, wie jeder andere Schüler auch, genau wusste, welches Gewicht die Schlangen ihrer Abstammung beimaßen. „Sind deine Eltern ebenfalls in Magie bewandert?“ So jung und schon so linkisch, dachte Tom mit leiser Anerkennung. Die braunhaarige Hexe würde es noch weit bringen. Eine angespannte Stille legte sich über den Raum. Es schien, als hätte jeder Schüler den Atem angehalten, während sie ungeduldig Browns Antwort entgegen fieberten, doch die Sekunden verstrichen, ohne dass dem Goldjungen auch nur ein Laut über die Lippen gekommen wäre. Verwundert lehnte sich Tom nach vorne, bis er dem Neuankömmlings direkt ins Gesicht schauen konnte und was er dort erkannte, war sowohl faszinierend als auch aufschlussreich. Browns Miene verdunkelte sich schlagartig, Hass und Schmerz blitzten in seinen grünen Augen auf, ließen sie kalt und leblos erscheinen, während er unbeweglich ohne auch nur zu blinzeln vor sich hinstarrte, verloren in einer dunkler Erinnerung. Riddles Herzschlag beschleunigte sich, als er erkannte, dass der Ausdruck auf seinem Gesicht nicht vorgetäuscht war. Was auch immer Brown als nächstes sagen würde, die Aussichten standen gut, dass es der Wahrheit entsprach oder zumindest in der Nähe davon lag. Tom konzentrierte seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Jungen neben sich. „Meine Eltern sind tot“, verkündete Brown mit monotoner Stimme, in der eine eisige Kälte mitschwang, die einem wohl einen Schauer über den Rücken jagen konnte, doch Tom genoss den trostlosen Ausdruck auf seinem Gesicht viel zu sehr, um sich davon beeindrucken zu lassen. Mühelos verwandelte er sein Gesicht in eine Maske der Anteilnahme und des Mitgefühls, wie man es von dem Musterschüler Hogwarts in einer Situation wie dieser nun einmal erwartete, tatsächlich spürte er jedoch kaum Trauer noch Beileid für den anderen Jungen. Er war selber in einem dreckigen Waisenhaus der Muggel aufgewachsen, ohne die Gesichter seiner Eltern auch nur gekannt zu haben. Die Tage aus jener Zeit hatte ihn abgehärtet, vielleicht sogar auf emotionaler Ebene abgestumpft, sodass er für das Leid anderer keinerlei Sympathie aufbringen konnte. Jeder Mensch hatte sein Päckchen voller Kummer und Leid mit sich zu tragen. Entweder man lernte damit zu leben oder man zerbrach daran. So einfach war das. Doch er wusste auch, dass die Gesellschaft dieses Denken nicht guthieß, daher behielt er es für sich, während er sich den sozialen Normen beugte, um als perfekter Schüler dazustehen. Manchmal widerte es ihn an, derartig entgegen seiner eigenen Natur zu handeln, doch wer wäre ihm noch gefolgt, hätte er ihnen sein wahres Gesicht offenbart? Niemand würde ihn verstehen, denn keiner besaß seine Intelligenz oder seine Fähigkeit, den eigentlichen Kern des Problems zu sehen. Sie alle würden ihn meiden oder als Monster beschimpfen. „Das tut mir sehr leid, Harry“, teilte Tom dem Goldjungen daher taktvoll mit und legte dem anderen sanft eine Hand auf sein Knie, was dazu führte, dass Brown sich augenblicklich verkrampfte, doch entgegen Toms Erwartungen, entzog sich der andere Junge seiner Berührung nicht. Zumindest schien er schlau genug zu sein, sich nicht vor den Augen aller Slytherins gegen ihren Vetrauensschüler und den inoffiziellen Kopf des Hauses zu stellen. Wenn auch nicht schlau genug, sich den grundlos hasserfüllten Blick, mit dem er Tom bedachte, zu verkneifen. Als wäre er Schuld an dem Tod von Browns Eltern, dachte Tom verärgert mit einem stummen Schnauben. Er hatte doch nur versucht, freundlich zu sein, genau wie es von ihm verlangte! Warum also schien eben dieses Verhalten dem Goldjungen sauer aufzustoßen? Tom konnte sich darauf keinen Reim machen. Und das störte ihn. Er musste mehr über Harry Brown wissen! Hoffentlich würde Lestrange einige nützliche Informationen über ihn zusammentragen können. Mit einer kleinen Kraftanstrengung zwang Tom ein einfühlsames Lächeln auf seine Lippen. „Das muss ein schwerer Verlust für dich sein. Mein Beileid.“ Harry presste seine Lippen zu einer schmalen Linien zusammen, bevor er ruckartig das Gesicht abwandte. „Schon gut“, murmelte Brown in abgehacktem Ton, während er die Position seines Beines so änderte, dass Toms Hand auf die weichen Polster des Sofas rutschte, wo sie still verharrte. „Ist schon lange her.“ Grimmig starrte er in die Runde. Tom musterte den anderen Jungen nachdenklich, versuchte abzuwägen, wie viel Wahrheit in Browns Worten lag, auch wenn er bezweifelte, dass der Tod seiner Eltern eine Lüge gewesen war. Nein, in diesem Moment hatte er die Wahrheit gesprochen, was man sowohl an seinem Verhalten als auch an seiner Tonlage erkennen konnte. Zur Abwechslung mal. Doch es steckte mehr dahinter, das konnte Tom spüren. Sollte er ihn nach der Ursache ihres Ablebens fragen? Kaum war dieser Gedanke durch seinen Verstand gegeistert, verwarf Tom ihn schon wieder. Brown schien bereits verärgert genug zu sein, kein Grund, seine Wut auf Tom noch weiter anzuheizen. Für heute beschloss er, das Thema Ruhen zu lassen. Zumindest vorerst. Mulciber allerdings schien anderer Meinung zu sein. „Wie sind sie denn gestorben?“, fragte er in einem gehässigen Tonfall, den man von einem Idioten wie ihm wohl in dieser Situation zu erwarten hatte. Selbstgefällig grinsend wandte er sich auf der Suche nach Anerkennung Tom zu, offensichtlich mehr als stolz auf seine eigne Dummheit, doch der Erbe Slytherin wies ihn lediglich mit einem vernichtenden Blick in seine Schranken, woraufhin Mulciber kreidebleich im Gesicht hastig den Kopf senkte, einen verängstigten Ausdruck in den kleinen Augen. Amüsant, dass sich dieser kräftige so leicht einschüchtern ließ. Und armselig! Tom kochte innerlich vor Wut. Wie konnte dieser Trottel es wagen, sich in sein Spiel einzumischen? Oder zu denken, er wüsste, was Tom als nächstes geplant hatte? Er würde diese aufmüpfigen Made zurück in ihre Schranken weisen müssen, sobald sich die Gelegenheit dazu bat. Bemüht, sich seinen Zorn durch keine noch so kleine Regung anmerken zu lassen, richtete Tom seinen gespielt besorgten Blick wieder auf Brown, dessen Muskeln sich bis zum Zerreißen angespannt hatten. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Anscheinend war Tom nicht der Einzige, der mit seiner Wut zu kämpfen hatte. Brown nahm einen tiefen Atemzug, dann sagte er mit tiefer, fester Stimme: „Sie wurden ermordet. Von einem dunklen Lord.“ Erschrockenes, bestürztes Aufatmen erfüllte die Luft, Schüler schlugen sich die Hände auf den Mund oder starrten den Neuen hilflos aus großen Augen an, Tom dagegen blieb vollkommen ruhig, während sein genialer Verstand die gewonnen Informationen sicher abspeicherte, um sich später in aller Ruhe mit ihnen befassen zu können. „War... war es Grindelwald?“, fragte ein Junge, wie auch immer sein Name sein mochte, es interessierte Tom nicht, aus den höheren Jahrgängen zögerlich. Brüsk schüttelte Brown den Kopf. „Nein, es war jemand anderes.“ Glaubte Tom das nur oder warf der grünäugige Junge ihm einen Blick aus den Augenwinkeln zu? Sicher nur Einbildung, versuchte Tom sich einzureden, was allerdings zum Scheitern verurteilt war, da er sich auf seine Beobachtungsgabe verlassen konnte. Er irrte sich nie. „Und deine Eltern?“, erhob Eileen Prince abermals das Wort, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Sie waren doch bestimmt große Zauberer, oder? Sie konnten sich nicht gegen ihn wehren?“ Gerissenes, kleines Biest, schoss es Tom bewundernd durch den Kopf. Sie wollte unbedingt seinen Blutstatus in Erfahrung bringen, schaffte es dabei jedoch einfühlsam und zurückhaltend zu wirken. Beeindruckend. Ein leises, sehnsüchtiges Lächeln umspielte Browns Lippen. „Ja. Ja, das waren sie.“ Dann, als wäre er von neuer Kraft erfüllt, richtete er seinen Oberkörper auf, die Schultern gestrafft, und blickte Eileen direkt in die hellbraunen Augen, die, etwas überrascht von seiner plötzlichen Energie, zurückwich. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter, regelrecht triumphierend. „Meine Mutter war eine mächtige Hexe, wisst ihr? Und das, obwohl ihre Eltern Muggel waren.“ In einem fast bedrohlichen Ton fügte er hinzu: „Unglaublich, nicht wahr?“ Er wusste es, fiel es Tom bei diesen Worten wie Schuppen von den Augen. Dieser Junge wusste, wie die Slytherins darauf reagieren würden, nein, mehr noch, er legte es sogar darauf an. So etwas wie Bewunderung schlich sich in Toms Herz für seinen Mut, wie unangebracht er auch sein mochte. Eine schlammblütige Mutter war schließlich nichts, womit man vor dem versammelten Slytherin-Haus prahlen sollte, wenn man von ihnen aufgenommen werden wollte. Brown dagegen schien es auf das genaue Gegenteil anzulegen. Er forderte sie heraus. Nur mit Mühe gelang es Tom, sich ein Lachen zu verkneifen. Wahrlich, der Goldjunge würde ihm noch viel Spaß bereiten. Eileen Prince fielen fast die Augen aus dem Kopf und nach einem Blick in die Runde bemerkte Tom, dass es den meisten Slytehrins nicht anders erging. Sie waren geschockt, mit wie viel Stolz und Zuversicht Brown diese Schmach vortrug. Einige von ihnen warfen Tom flüchtige Seitenblicke zu, doch sie verweilten nie lange genug auf seinem Gesicht, dass er sie hätte erwidern können. Feiglinge. Der Erbe Slytherins amüsierte sich köstlich. So, so. Der Neue war also ein Halbblut wie er. Wenn das keine Information war, die er nutzen konnte, um sich sein Vertrauen zu erschleichen. Ein Plan begann sich in Toms messerscharfem Verstand zu formen. Jetzt musste er nur noch abwarten, welche Ergebnisse Lestranges Nachforschungen zu Tage förderten, dann würde er Brown mit seinem Wissen in die Ecke drängen können, bis diesem nichts anderes übrig blieb, als den Grund für seinen Hass und all seine Geheimnisse zu offenbaren. Dieses Spiel hatte Tom so gut wie gewonnen.   Kapitel 10: Gemeinsamkeiten --------------------------- Trotzig hielt Harry den überraschten, teils misstrauischen, und sogar mörderischen Blicken Stand, gestatte es sich, die geschockten Mienen auf den Gesichtern der versammelten Slytherins ein, zwei Sekunden länger zu genießen, dann erhob er sich ruckartig, was die Schlangen in seiner Nähe überrascht zurückzucken ließ, und verließ ohne ein weiteres Wort den Gemeinschaftsraum, über den sich eine unheimliche Stille gelegt hatte. Harry konnte die Anspannung der Schlangen praktisch in der Luft knistern hören. Bevor die Wut und der Hass in ihnen die Überhand gewinnen konnten, wollte Harry von hier verschwunden sein. Oder sich zumindest in den Schlafraum zurückgezogen und mehrere Schutzzauber auf sein Bett gelegt haben. Nur um sicher zu gehen. Besser zu viel als zu wenig. Nur gut, dass Hermine ihm immer wieder, ob er wollte oder nicht, neue Sprüche eingetrichtert hatte, die ihm, ihrer Meinung nach, in seinen Kämpfen von Nutzen sein konnten. In diesem Moment verspürte Harry eine tiefe Dankbarkeit gegenüber der brillanten Hexe, die ihn oft genug mit ihrem besserwisserischen Verhalten nervte, aber die beste Freundin war, die er sich vorstellen konnte. Sobald er in seine Zeit zurückgekehrt war, musste er sie unbedingt wissen lassen, wie viel ihm ihre Hilfe und vor allem ihre Freundschaft bedeuteten. Und mit Ron würde er sich einfach nur über alles, was er in der Vergangenheit gesehen hatte, scheckig lachen können. Mit seiner unbeschwerten Art würde er Harry helfen, das Erlebte nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Der junge Gryffindor konnte es gar nicht erwarten, seine besten Freunde wiederzusehen. Ohne sie an seiner Seite fühlte er sich irgendwie... verloren. Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen stieg Harry die steinerne Treppe in die untere Ebene der Kerker hinab und folgte dem ungewohnten Weg durch den hohen, in ein unfreundliches, grünes Licht getauchten Gang, auf dem er zum Glück keiner einzigen Menschenseele begegnete, bis er schließlich vor der dunklen Tür zum Schlafraum der Fünftklässler stehen blieb, die er ohne zu zögern aufdrückte. Kaum hatte Harry einen Fuß in den düsteren Raum dahinter gesetzt, flammten die Kugellampen an den Wänden in ihrem grünen Schein auf, der dem Raum eine unangenehme, abweisende Atmosphäre verlieh, die Harry augenblicklich an seine trostlose Zeit bei den Dursleys erinnerte, aus der Hogwarts ihn Jahr für Jahr aufs Neue gerettet hatte. Doch nun fühlte er eben jene Hilflosigkeit, die ihn in dem Haus seiner Verwandten immer wieder überkam, ihn sich machtlos und klein vorkommen ließ, auch in dem magischen Schloss, das er stets als sein Zuhause angesehen, das ihm das Gefühl gegeben hatte, willkommen zu sein. Nie zuvor war Harry sich so fremd, so... unerwünscht in den Gemäuern von Hogwarts vorgekommen. Von seinen eigenen Gedanken entmutigt schlurfte Harry zu dem übertrieben luxuriösen Himmelbett auf der anderen Seite des Raumes, auf das er sich mit einem schweren Seufzer bäuchlings fallen ließ. Er vergrub das Gesicht in dem hellen Stoff des Lakens, musste den Kopf jedoch wieder heben, als seine Brille durch den Druck der Matratze auf seiner Nase verrutschte, sodass sie ihm schmerzhaft ins Auge stach. Murrend nahm er sie ab und schob sie halbblind auf das Nachtschränkchen neben dem Bett, dann ließ er seinen Arm kraftlos an der Außenseite des Möbelstücks zu Boden sinken, sodass er in einer etwas unbequemen Position aus dem Bett hing, doch in diesem Moment war Harry das vollkommen egal. Er war viel zu müde, um noch über irgendetwas nachzudenken. Das Feuer, das das Verhör der Schlangen in ihm entfacht und ihn mit neuer Energie erfüllt hatte, war erloschen. Stattdessen breitete sich eine bleierne Erschöpfung in seinen Gliedern aus, die es ihm beinahe unmöglich machte, sich zu bewegen. Die Anspannung, die ihn den gesamten Tag über nicht hatte loslassen wollen, zollte nun ihren Tribut. Harry glaubte zu spüren, wie der Schlaf am Rand seines Bewusstsein nur darauf lauerte, ihn endlich in seine Umarmung reißen zu können. Fast war der dunkelhaarige Junge sogar gewillt, sich ihm hinzugeben, hier und jetzt in seiner Schuluniform und mit den Schuhen an den Füßen auf der weichen Decke einzuschlafen, doch eine leise, nörgelnde Stimme, die verdächtig nach einer gewissen Hexe mit buschigem, braunem Haar klang, drängte ihn dazu, sich, wenn auch unter murrendem Protest, zu erheben und lustlos in die Richtung des angrenzenden Bades zu schlurfen. Hundemüde schwankte er durch eine verschwommene Welt, doch erst nachdem er beinahe mit der geschlossenen Tür zusammengeprallt wäre, die wie aus dem Nichts plötzlich vor ihm aufgetaucht war, fiel Harry ein, was er vergessen hatte: seine Brille. Genervt machte er noch einmal kehrt, um sich das alte, mehrmals, sowohl mit Muggel-Hilfsmitteln als auch Zaubern, geflickte Gestellt auf die Nase zu klemmen, bevor er in dem protzigen Bad verschwand. Nachlässig verteilte er seine Kleidung und Schuhe auf den kalten Bodenfliesen, platzierte dafür seine Brille jedoch um so sorgfältiger neben einem flauschigen Handtuch auf dem Brett an der Wand der äußersten Duschnische, bevor er sich halbblind zu der Duschapparatur vortastete. Entschlossen umfasste er den Hebel, achtete jedoch nicht darauf, in welche Richtung er zeigte, was er bitterlich bereute. Eisiges Wasser stach ihm wie tausend Nadeln in die Haut und ließ ihn hastig einen Schritt zurück machen, während sein rechter Arm den Hebel hektisch wieder nach unten drückte. Der Strahl erstarb sofort, trotzdem war Harry die Kälte bereits unter die Haut gekrochen, sodass ihn ein Frösteln durchlief, als ein leichter Hauch über in hinwegstrich. Bibbernd streckte er abermals einen Arm nach dem Hebel aus, drehte ihn dieses Mal jedoch kräftig in die entgegensetzte Richtung, bevor er ihn hochschob, dann wich er zurück, sodass ihn der noch frostige Strahl nicht treffen konnte. Vorsichtig streckte er eine Hand aus, um die Temperatur des Wassers zu prüfen, bis sich eine wohlige Wärme von seinen Fingerspitzen über seinen Arm und dann in seinem ganzen Körper ausbreitete. Zufrieden trat er unter den prasselnden Strahl, das Gesicht erhoben, die Augen geschlossen. Für einige Sekunden genoss er einfach nur das Gefühl des weichen Strahls auf seiner Haut, die entspannende Wirkung, die er auf seine verkrampften Muskeln ausübte, dann griff er nach einem Hahn zu seiner Linken, aus dem er sich eine große Ladung Schaum in die gewölbte Hand pumpte, um sich damit von Kopf bis Fuß einzuseifen. Als er sich sicher war, dass er auch noch den letzten Rest Seife abgewaschen hatte, lehnte Harry sich erleichtert seufzend mit dem Rücken gegen die feuchte Wand, während das Wasser unablässig seinen nackten Körper hinunterlief. Er war froh, dieses lästige Gespräch hinter sich gebracht zu haben, auch wenn ihn die Fragen teilweise an den Rand seiner Selbstbeherrschung getrieben hatten. Das ganze Gespräch, obwohl 'Verhör' wohl die passendere Beschreibung gewesen wäre, hatte ihm mal wieder gezeigt, wie oberflächlich und arrogant die Slytherins eigentlich waren. Ihre Ideale und Werte waren so verdreht, dass Harry schon allein bei dem Gedanken daran schwindelig wurde. Er verstand immer noch nicht, was der sprechende Hut sich eigentlich dabei gedacht hatte, ihn in dieses Haus zu stecken. Ob in seiner oder dieser Zeit: Slytherins und Harry waren einfach nicht auf derselben Wellenlänge. Er konnte ihr Denken einfach nicht nachvollziehen! Das war doch nicht normal. Ihre Vorstellung von der 'Reinheit des Blutes' war in Harrys Auge schon immer vollkommen bescheuert gewesen. Er hatte sich deswegen oft genug mit dem Malfoy aus seiner Zeit angelegt, vor allem, da seine beste Freundin Hermine von Muggeln abstammte. Na und?! Sie war die begabteste Hexe von ganz Hogwarts und hätte den achso reinblütigen Draco Malfoy bei jedem Duell locker in die Tasche gesteckt! Trotzdem war sie in den Augen der Schlangen minderwertig. Und in dieser Zeit schien den Slytherins ihre reinblütige Abstammung sogar noch wichtiger zu sein als in der Zukunft! Harry hätte nie gedacht, dass er das einmal denken würde, aber: er bevorzugte die Slytherins der Zukunft denen der Vergangenheit um Längen! Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Wie unheimlich. Und dann war da noch Tom Riddle gewesen! Mit seinem geheuchelten Mitleid hatte er Harry wirklich zur Weißglut getrieben! Und er hatte es sich nicht nur eingebildet, weil er gegenüber Riddle ein, zwei Vorurteile hegte, das Bedauern auf seinem Gesicht war wirklich nur gespielt gewesen! Von dem Mörder seiner Eltern persönlich zu hören, wie leid ihm ihr Tod tat, war schon schlimm genug, aber als Harry dann auch noch in seinen Augen erkannt hatte, wie kalt ihn das Ganze ließ, wie egal es ihm eigentlich war, hätte er ihm am liebsten eine reingehauen. Doch er hatte sich beherrschen können, worauf Harry sogar ziemlich stolz war. Außerdem waren die geschockten Gesichter der Slytherins, als er ihnen offenbart hatte, dass er ein Halbblut war, Entschädigung genug gewesen. Diesen Anblick würde er in seinem ganzen Leben nicht vergessen! Zufrieden grinsend stellte er den Strahl des warmen Wassers ab, das all den Stress und die Hektik des Tages aus seinem Geist vertrieben hatte, bis er von einer tiefen, inneren Ruhe erfüllt war, von der er hoffte, dass sie es ihm ermöglichen würde, diese Nacht wenigstens ein kleines bisschen Erholung zu finden. Riddle kostete ihm noch den letzten Nerv. Harry brauchte einen erholsamen Schlaf, sonst würde er spätestens in einer Woche komplett am Rad drehen! Wenn nicht sogar früher, sollten die nächsten Tage dem gleichen Schema folgen wie der heutige Höllentrip. Was für ein Albtraum. Mit einer Hand an der Wand verließ Harry die Duschnische, dann streckte er die Finger nach den verschleierten Umrissen des Handtuches auf dem Regal aus, um sich nachlässig mit dem weichen Baumwollstoff abzutrocknen, erstarrte jedoch in der Bewegung, als ihm wie Schuppen von den Augen fiel, dass er seine Klamotten für die Nacht auf seinem Bett vergessen hatte. Na toll. Verärgert über seine eigene Dummheit schlang Harry sich das Handtuch um die Hüften, dann setzte er sich seine Brille auf, die ihm dieses Mal jedoch dank der beschlagenen Gläser keine Hilfe auf dem Rückweg war, weshalb er sich sogleich den großen Zeh an der Ecke der Duschnische stieß. Einen Fluch unterdrückend umfasste Harry seinen schmerzenden, rechten Fuß, die Zähne so fest zusammengebissen, dass er glaubte, ein Knirschen zu vernehmen. Er wartete mehrere Sekunden, bis der Schmerz auf ein erträgliches Maß abebbte, bevor er seinen Weg fortsetzte, dieses Mal um einiges umsichtiger. Er lugte unter den Rändern seiner milchigen Gläser hervor , um das Bad nach seiner Kleidung abzusuchen, die er, so glaubte er, in der Nähe der geschlossenen Tür auf dem Boden entdeckte. Zumindest erkannte er dort einen Schatten, der die ungefähre Form eines zerknüllten Haufens Stoff aufwies. Harry bückte sich nach dem dunklen Etwas, das sich tatsächlich als seine Schuluniform herausstellte, dann zog er sich seine Brille von der Nase, deren Gläser er an dem Umhang abwischte, bis sie wieder einigermaßen klar erschienen. Zufrieden setzte er sie wieder auf, bevor er sich den Waschbecken zuwandte, die in der Mitte des Raumes in einem Kreis aufgestellt worden waren. Seine Zahnbürste und Zahnpasta lagen zu Harrys Freude noch an derselben Stelle, an der er sie am morgen im Halbschlaf zurückgelassen hatte, sodass er sich schnell die Zähne putzen konnte, während er in Gedanken mit sich haderte, ob er sich überhaupt die Mühe machen sollte, seine widerspenstigen Haare zu bürsten, entschied sich jedoch dagegen, da er aus Erfahrung wusste, dass es eh nichts bringen würde, dann klaubte er seine restlichen Klamotten zusammen und verließ schlussendlich erfrischt und zufrieden das Bad. Was er auf seinem Bett entdeckte ließ seine Stimmung jedoch sogleich wieder in den Keller fallen. Verdammt, das konnte doch nicht wahr sein! Tom Vorlost 'Ich-nerve-Harry-zu-Tode' Riddle saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf Harrys Decke, in den Händen ein übertrieben dickes Buch, das Hermine vor Neid wahrscheinlich hätte erblassen lassen. Streber unter sich. Nur, dass einer von ihnen zum wahnsinnigen Massenmörder aufsteigen würde. Obwohl, wenn Harry es sich recht überlegte... Hermine wäre sicher nicht scharf darauf, sich Voldemorts Bettlektüre zu Gemüte zu führen. Das konnte nicht gesund sein. Neugierig legte Harry den Kopf schräg, um den Titel zu lesen, doch bevor er die goldenen Buchstaben entziffern konnte, klappte das Buch plötzlich zu. „Harry“, rief die dem Gryffindor so verhasste Stimme Riddles erfreut aus, während der blauäugige Junge das Buch mit der Vorderseite nach unten neben seinem Oberschenkel auf dem Bett ablegte, sodass Harry nur noch die in dunkles Leder gebundene, unbeschriftete Rückseite sehen konnte. Zufall? Das bezweifelte Harry doch sehr. Riddle überließ nichts dem Zufall, das war ihm klar. „Ich habe auf dich gewartet“, erklärte der Erbe Slytherins in leichtem Plauderton, was in Harrys Ohren allerdings wie eine offene Drohung klang, die alle Alarmglocken in seinem Kopf auf einmal schrillen ließ, vor allem, wenn er das Verhör der Slytherins noch einmal Revue passieren ließ. Gar nicht gut. Was auch immer Riddle von ihm wollte, es hing wahrscheinlich mit dem zusammen, was Harry im Gemeinschaftsraum gesagt hatte hatte, was dem Gryffindor ganz und gar nicht gefiel. Er musste aufpassen, was er dem Möchtegern-Lord gegenüber erwähnte. Wenn er zu viel verriet, war er geliefert. Gut, tief durchatmen, mahnte er sich selbst in dem kläglichen Versuch, seine angespannten Nerven zu beruhigen. Jede Entspannung, die ihm das warme Wasser gebracht hatte, war wie weggeblasen, dafür kehrten die Müdigkeit und Erschöpfung des Tages mit aller Macht zurück, wofür er Riddle verantwortlich machte. Warum konnte dieser nervtötende Idiot denn nicht bis morgen warten, wenn Harry ausgeruht war? Musste er ihm heute Abend denn auch noch auf die Pelle rücken? Hatten sie das heute nicht schon hinter sich? Genervt ließ Harry seinen Blick durch den Raum schweifen, versuchte, seine vor Erschöpfung konfusen Gedanken zu ordnen, da fiel ihm etwas seltsames auf. Wo, zum Teufel, war Riddles Hofstaat? „Wo sind denn die anderen?“, fragte Harry in bemüht leichtem Ton, um den anderen Jungen seine innere Aufgewühlt nicht spüren zu lassen. Er und Riddle alleine in einem Raum? Wenn das mal nicht nach hinten losging. „Sie müssen sich erst einmal von ihrem Schock erholen“, erwiderte Riddle mit einem wissenden Schmunzeln auf dem makellosen Gesicht, während seine Augen langsam und stetig an Harry hinunterglitten, bevor sie mit einem seltsamen Blitzen zu seinem Gesicht zurückkehrten. Verstimmt runzelte der Gryffindor die Stirn. Was hatte Riddle für ein Problem? Waren die Leute in der Vergangenheit etwa so prüde, dass sie ein Problem damit hatten, wenn man als Junge in Gegenwart anderer Jungs halbnackt durch die Gegend lief? Das war doch vollkommen normal. Außerdem hatte Harry sogar ein Handtuch um, kein Grund zur Aufregung. Merlin, war der junge Lord verklemmt. Einen kurzen Augenblick musterte Riddle Harry noch mit diesem seltsamen Ausdruck, dann lehnte er sich ganz entspannt auf Harrys Bett zurück, die Arme hinter seinem Rücken aufgestützt. „Du hast für ganz schön viel Unruhe gesorgt.“ Harry unterdrückte ein Schnauben. Das war wohl noch eine Untertreibung. Wahrscheinlich hatte er die Weltanschauung der Schlangen in ihren Grundfesten erschüttert. Und das mit dem größten Vergnügen. Riddles eisig blaue Augen bohrten sich in Harrys, doch wenn er dachte, einen Gryffindor damit einschüchtern zu können, hatte er sich geirrt. Trotzig hielt Harry seinem Blick stand. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“ Riddle ließ ein leises, dunkles Lachen vernehmen. „Natürlich nicht.“ Seine Stimme triefte regelrecht vor Sarkasmus, während ein bedrohlicher Ausdruck in seine Augen trat, den Harry jedoch guten Gewissens ignorierte. Riddle konnte ihn mal. Er war müde. Er wollte schlafen. Riddle konnte von ihm aus hingehen, wo der Pfeffer wuchs. Harry war für diese Art von Gespräch momentan nicht aufgelegt. Dafür brauchte er einen klaren Kopf, den er jetzt einfach nicht hatte. Mit wenigen, weit ausholenden Schritten durchmaß er den schwach beleuchteten Raum, bis er neben der Riddle-freien Seite seines Bettes stand, dann warf er die Klamotten in seinen Armen achtlos auf die Decke, dabei brach er seinen Blickkontakt mit Riddle nicht auch nur eine Sekunde. Das wäre ja noch schöner. Harry würde bestimmt nicht als erstes den Blick abwenden, das konnte Riddle sich abschmieren. Wütend verschränkte Harry die Arme vor der Brust, eine Augenbraue auffordernd gehoben, doch der junge Lord bewegte keinen Muskel. „Das ist mein Bett“, knurrte Harry verstimmt, als der Möchtegern-Lord ihm ein engelsgleiches Lächeln schenkte, sich offensichtlich darüber im Klaren, worüber der Gryffindor sich ärgerte. „Setz dich auf dein eigenes. Ich will schlafen.“ „Aber hier ist es gemütlicher“, behauptete Riddle, während er sich auf der Kante von Harrys Bett umsetzte, sodass er sich nicht mehr den Hals verdrehen musste, um Harry anschauen zu können. „Komm schon, lass uns doch noch etwas reden.“ Bei Merlin, warum erschoss er ihn nicht gleich, fuhr es Harry durch den Kopf, als er das gefährliche Blitzen in Riddles Augen erkannte. Das würde ihnen beiden sehr viel Zeit ersparen. Bei diesem Gedanken hätte Harry beinahe bitter gelacht. Wahrscheinlich würde Riddle genau das tun, wenn er ihm die Chance dazu gab. „Wir haben nichts zu bereden, Riddle.“ Sein Gegenüber setzte eine übertrieben freundliche Miene auf. „Das sehe ich anders.“ Er beugte sich leicht vor, was Harry beinahe einen Schritt zurückweichen ließ, doch irgendwie schaffte er es, den Impuls zu unterdrücken und stattdessen lediglich seine Hände zu Fäusten zu ballen. Abermals wanderte Riddles Blick forschend über Harrys Körper, länger und auf eine unangenehme Weise ausgiebiger als zuvor, doch die Abscheu wurde schnell von einem Gefühl der Überlegenheit überschattet, als dem Gryffindor auffiel, dass der Möchtegern-Lord als Erster weggeschaut hatte. Dieses Duell hatte Harry gewonnen, auch wenn es sich nicht so anfühlte, doch das ignorierte er einfach. Gewonnen war gewonnen. Etwas milder gestimmt beugte der grünäugige Junge sich vor, um seine Schlafsachen unter dem Kopfkissen hervorzuziehen, die eisigen Augen auf seinem Körper wohlweislich ignorierend. „Weiß du, Harry“, begann Riddle nach einer Weile des Schweigens, als Harry gerade das Handtuch von seiner Hüfte löste, „nicht viele wären so… mutig, dem versammelten Slytherin-Haus direkt an ihrem ersten Tag die Stirn zu bieten.“ Oder dumm genug, konnte Harry regelrecht aus Riddles Tonlage heraushören, und auch wenn er es nicht laut aussprach, war Harry davon überzeugt, dass dem Möchtegern-Lord genau diese Worte auf der Zunge lagen. Wütend biss er die Zähne zusammen, während er das Handtuch auf den Teppich warf und nach seiner Schlafanzughose griff, ohne Riddle auch nur eines Blickes zu würdigen. Am besten, er ignorierte ihn für den Rest der Nacht. Vielleicht würde der junge Lord dann irgendwann aufgeben, redete Harry sich hoffnungsvoll ein, wusste aber, dass es vergebene Liebesmüh war. Riddle würde Harry wahrscheinlich so lange nerven, bis er bekam, was er wollte. Das waren ja tolle Aussichten. Frustriert ließ Harry sich auf die Matratze sinken, um sich seine Hose leichter anziehen zu können, doch gerade, als er den Stoff bis zu den Knien hochgezogen hatte, versetzte Riddle ihm einen verbalen Schlag in die Magengrube: „Das war ziemlich beeindruckend.“ Geschockt fuhr Harry zu ihm herum, um ins Gesicht schauen zu können, doch sogleich bereute er es, denn was er da sah, ließ ihn an seiner geistigen Gesundheit zweifeln: Aufrichtigkeit. Bei Tom Vorlost Riddle, dem größten Lügner weit und breit und potentiellen Massenmörder. Genau, Harry musste langsam verrückt werden. Riddle wusste wahrscheinlich noch nicht einmal, was sich hinter dem Begriff 'Wahrheit' verbarg. Jedes seiner Worte war von vorne bis hinten gelogen, es war unmöglich, dass Riddle es ernst meinte. Und wenn doch, dann war es umso schlimmer. Schon allein die Vorstellung, der junge Voldemort-Verschnitt könnte auf irgendeine Weise von ihm beeindruckt sein, ließ Harrys Magen verrückt spielen. Da war es ihm ja lieber, wenn er den Verstand verlor. Harry hatte den Schock gerade mal halbwegs verdaut, da versetzte Riddle ihm den nächsten, indem er ohne Vorwarnung die Hand nach ihm ausstreckte, was Harry augenblicklich aufspringen ließ, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er seine Hose erst halb angezogen hatte, sodass er nun mit entblößter Front vor Riddle stand, dessen Gesicht sich genau auf Höhe seines besten Stücks befand, das dieser ungeniert mit einem listigen Lächeln musterte. Gut, dass war jetzt doch mehr als unangenehm. Von wegen prüde! Wütend zog Harry die Hose bis zu seinen Hüften hoch, während er Riddle mit bösen Blicken zu erdolchen versuchte, doch dieser lehnte sich lediglich abfällig grinsend zurück, wofür Harry ihm am liebsten eine reingehauen hätte. Wieder einmal. Seltsam, normalerweise war er nicht gewalttätig, doch Riddle trieb ihn mit seiner Heuchelei und Überheblichkeit schlichtweg zur Weißglut. „Kein Grund, so panisch zu reagieren. Ich tu dir schon nichts“, behauptete Riddle mit Unschuldsmiene, doch dieses mal war die Ehrlichkeit in seiner Stimme eindeutig nur gespielt, nicht, dass Harry ihm diese Worte jemals abgekauft hätte. Wahrscheinlich war das davor auch gelogen gewesen. Riddle und ehrlich? Diese Begriffe stießen sich von Natur aus ab. Harry weigerte sich, dem Möchtegern-Lord eine Antwort zu geben, stattdessen richtete er seine gesamte Aufmerksamkeit auf sein plötzliches sehr interessantes Oberteil, das er sich einfach nur überwarf ohne es zuzuknöpfen. „Das sieht nicht gut aus“, erhob Riddle abermals die Stimme -konnte er nicht einfach die Klappe halten?-, während er sich bedeutungsvoll auf die Schulter tippte, den Blick jedoch auf Harry gerichtet hielt. Verblüfft strich Harry sich den Stoff zuerst von der rechten Schulter, nichts zu sehen, und dann von der linken, auf der ihm ein riesiger, blau angelaufener Bluterguss in seiner ganzen Pracht entgegen strahlte. Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, dann erinnerte er sich an seinen Zusammenstoß mit der Wand auf dem Gang, als Riddle ihn nach seinem Gespräch mit Dumbledore abgefangen hatte. Also ging der Bluterguss ebenfalls auf die Kappe des Möchtegern-Lords. Warum überraschte Harry das nicht. „Ich kenne einen einfachen Zauber, mit dem ich das heilen könnte“, bot Riddle hilfsbereit, wie er nun einmal war, bestimmt ohne auch nur den Hauch eines Hintergedankens an, doch seltsamerweise verspürte Harry einen gewissen Unwillen bei der Idee, Riddle mit einem Zauberstand in der Hand auf ihn loszulassen. Wie das nur kam? „Danke, kein Bedarf.“ Missmutig schob Harry den Ärmel wieder zurück über den Bluterguss, der, so fiel ihm erst jetzt auf, sich durch ein leichtes Ziehen bemerkbar machte, Harry ansonsten aber, Merlin sei Dank, verschonte. Nett von ihm. Ganz in Gegensatz zu einem gewissen dunkelhaarigen Jungen, dem Ursprung allen Übels auf der Welt, wie Harry von ganzem Herzen glaubte. Er warf dem Fluch seines Lebens einen mörderischen Blick zu, was diesem sehr zu Harrys Verdruss lediglich ein engelsgleiches Lächeln auf das Gesicht zauberte. Der junge Gryffindor spürte die Wut abermals in seinem Inneren brodeln. Das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge, bis Harry sich letztendlich laut seufzend geschlagen gab. Es half ja alles nichts. Wenn das so weiterging, würde der junge Lord ihn noch die ganze Nacht wachhalten. „Was willst du, Riddle?“, fragte Harry gereizt, als er sich an das Kopfende seines Bett setzte, so weit von seinem persönlichen Folterknecht entfernt, wie der begrenzte Platz es zuließ. Er zog ein Knie nah an seinen Körper heran, das andere ließ er über den Rand des Bettes baumeln, während sein Blick unruhig durch das Zimmer wanderte. Ein leises Rascheln drang an sein Ohr, woraufhin er den Blick auf Riddle richtete, dessen strahlend blaue Augen plötzlich viel zu nah war. „Mir ist heute Abend etwas aufgefallen, Harry“, sprach Riddle mit bedrohlich leiser Stimme, die Harry mulmig zumute werden ließ. Wie Stahlklauen umfassten seine Finger den Knöchel seines angezogenen Beines. „Das kann ja heiter werden.“ Belustigung zuckte über Riddles Gesicht, doch er hatte seine Züge schnell wieder unter Kontrolle. „Wir sind uns ähnlich, Harry. Sehr sogar.“ Langsam beugte Riddle sich vor, sodass sein warmer Atem über den Harrys Hals strich, was ihn vor Abscheu schaudern ließ. Indem Versuch, dem unangenehmen Gefühl zu entkommen, lehnte er sich an das Holzteil am Kopfende seines Bettes an. Viel, viel zu nah. „Das bezweifle ich“, knurrte er streitlustig, bevor er es verhindern konnte, hätte sich dafür aber am liebsten sogleich selber einen Kinnhaken verpasste, schließlich verfolgte er noch immer den Plan, Riddle das Interesse an ihm verlieren zu lassen, indem er sich unterwürfig und unscheinbar gab, auch wenn er bisher durchweg armselige Arbeit geleistet hatte. Es lag einfach nicht in seiner Natur als Löwe, zudem war er viel zu erschöpft, um nachzudenken, bevor er sprach. Warum konnte Riddle nicht einfach bis morgen warten? Herrgott, wovon sprach der Kerl da eigentlich? Sie waren sich nicht ähnlich, überhaupt nicht. Was auch immer die Erinnerung von Riddle aus dem Tagebuch in Harrys zweitem Schuljahr behauptet haben mochte, sie hatten keinerlei Gemeinsamkeiten. Es gab nichts, worin sie sich auch nur ansatzweise ähnelten. Allein die Vorstellung war ihm so zuwider, dass Harry glaubte, ihm würde alles hochkommen. Der Möchtegern-Lord ging nicht auf Harrys Worte ein, stattdessen kam er sogar noch näher, sodass Harry die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, auf seiner Haut spüren konnte. Widerlich. Er musste ein Würgegeräusch in seiner Kehle unterdrücken, was ihn all seine Selbstbeherrschung kostete, dafür erlag er dem Reflex, von dem anderen Jungen abzurücken, bis er sich dicht an das Holzteil in seinem Rücken gepresst wiederfand.. Riddle ließ sich von seinem Verhalten nicht beirren. „Es mag dich überraschen, aber ich bin auch ein Halbblut“, setzte er Harry in Kenntnis, offensichtlich mit der Absicht, irgendeine Art von Verbundenheit zwischen ihnen aufzubauen, aber da Harry bereits alles über seine Herkunft wusste, rang Riddles Geständnis ihm lediglich ein müdes Lächeln ab. „Was du nicht sagst“, rutschte es ihm unbeabsichtigt heraus, wobei der sarkastische Unterton nicht zu überhören war. Verdammt, falsche Antwort. Schlimmer ging nimmer. Harry konnte regelrecht spüren, wie die Temperatur im Schlafraum in dem Bruchteil einer Sekunde auf den Nullpunkt zuraste. Sein ganzer Körper verkrampfte sich schmerzhaft, während er auf Riddles Reaktion wartete, doch das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge, bis Harry es kaum noch aushielt, da flüsterte der junge Lord ihm bedrohlich leise ins Ohr: „Warum habe ich das Gefühl, dass dich das nicht sonderlich überrascht?“ Harry schluckte schwer. „Jemand aus Slytherin hat es mir bereits erzählt“, log er wild drauf los, doch dafür, dass die Worte wie von selbst aus ihm heraussprudelten, klangen sie ziemlich überzeugend, fand er. Riddles Körper versteifte sich augenblicklich. „Wer?“ Der grausame, eisige Ton in seiner Stimme ließ Harry die Nackenhaare zu Berge stehen, dennoch es gelang es ihm, eine selbstsichere Antwort von sich zu geben. „Kein Ahnung, ich kann mir die Namen noch nicht so gut einprägen. Ich bin neu, schon vergessen?“ Riddles Präsenz schien sich bei seinen Worten abermals zu verdunkeln, bis Harry glaubte, von einer undurchdringlichen Dunkelheit umgeben zu sein, die nur darauf wartete, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. „Und was hat derjenige dir sonst noch erzählt?“, fragte Riddle bedächtig, lauernd. Gefährlich. Harry beschloss, sein Heil in der Flucht nach vorne zu suchen. Was hatte er in dieser Situation noch zu verlieren? Abgesehen von seinem Kopf natürlich, den er soeben bereitwillig in das Maul der Schlange gelegt hatte. Er war ja manchmal so dumm. Wie sollte er Hermine jemals wieder unter die Augen treten? „Dass du in einem Waisenhaus der Muggel aufgewachsen bist“, ließ Harry seinen Todfeind, der nur einen Arm auszustrecken brauchte, um Harry das Genick zu brechen, mit solch ruhiger Stimme wissen, dass es ihn selbst überraschte, „und dass du nichts über Zauberei wusstest, bis Dumbledore bei dir aufgetaucht ist, um dich an diese Schule zu holen.“ Harry biss sich auf die Lippe, bevor er noch mehr verraten konnte. Er bewegte sich bereits zu nah am Rand, noch ein Stoß und er würde kopfüber in den dunklen Abgrund stürzen. Das würde er doch sehr gerne vermeiden, wenn es ging. „Hm“, brummte Riddle nachdenklich, was nicht gerade half, die Anspannung, die Harry beinahe zu erdrücken schien, aufzulockern, dann fuhr der Möchtegern-Lord mit tiefer, lockender Stimme fort: „Du weißt ziemlich viel über mich. Findest du mich so interessant?“ Das verschmitzte Lächeln war auf seine Züge zurückgekehrt, was in Harry das beinahe unwiderstehliche Verlangen wachrief, es ihm ein für allemal auszutreiben. Wie gerne, hätte Harry dem doch nachgegeben! Stattdessen begnügte er sich mit einem abfälligen Schnauben. „Träum weiter.“ Riddles Lächeln nahm etwas raubtierhaftes an. „Gerne. Mit dir in der Hauptrolle.“ Darauf... hatte Harry keine Antwort. Unmöglich. Er war... vollkommen sprachlos. Was stimmte mit diesem Kerl nur nicht?! Fassungslos starrte er Riddle an, in dessen Augen er einen seltsamen, undefinierbaren Ausdruck bemerkte, als dieser die Hand hob, um dem vor Schreck regungslosen Harry über die Wange zu streichen. „Du hast etwas besonders an dir, Harry, das habe ich schon bei unserem Treffen gestern gespürt, aber jetzt weiß ich auch, was es ist.“ Na toll, der Voldemort-Verschnitt hatte tatsächlich einen Narren an ihm gefressen. Verzweifelt musste Harry mitansehen, wie all seine Hoffnungen, Riddle könnte das Interesse an ihm wieder verlieren, vor seinem geistigen Augen in tausend Scherben zersprangen. Und jetzt? Harry stieß ein nervöses Lachen aus. „Keinen Schimmer, wovon du sprichst.“ Süffisant lächelnd beugte Riddle sich so weit vor, dass ihre Lippen sich beinahe berührten, was in Harry den Drang auslöste, ihn so hart wie nur irgend möglich von sich zu stoßen, doch die Absurdität dieser ganzen Situation machte es ihm unmöglich, auch nur einen Muskel zu rühren. Riddle nutzte seine Verwirrung aus und umfasste sein Kinn mit festem Griff, der Harry ganz klar zu verstehen gab, dass der junge Lord in dieser Situation keinerlei Gegenwehr dulden würde. Als würde Harry sich darum scheren! Dennoch hielt er still. Zumindest vorerst. Riddles letzte Worte schwirrten ihm immer noch im Kopf herum, ohne dass er ihre Bedeutung auch nur ansatzweise verstand. Oder verstehen wollte. Nein, am besten, er dachte nicht weiter darüber nach. Riddle hatte ganz eindeutig einen Sprung in der Schüssel. „Ich glaube“, begann Riddle mit ruhiger, gefasster Stimme, „dass du ganz genau weißt, wovon ich spreche.“ Unnachgiebig bohrte sich sein Blick in Harrys weit aufgerissene Augen, als wollte er dort nach all den Antworten suchen, die Harry sich weigerte, ihm zu geben, als könnte er dort all die Geheimnisse aufdecken, der junge Gryffindor so verzweifelt zu schützen versuchte. Trotzig hielt Harry dem prüfenden Blick des Voldemort-Verschnitts stand, entschlossen, sich nicht weiter von ihm einschüchtern zu lassen. Bei der erstbesten Gelegenheit würde diesen arroganten Mistkerl quer durch den Raum werfen. Blind tastete Harry mit einer Hand nach seiner Schuluniform, in deren Innentasche er seinen Zauberstab zu jedem Zeitpunkt griffbereit aufbewahrte. Riddle schien sein Vorhaben nicht zu bemerken. „Zwischen uns gibt es eine Verbindung, das kann ich ganz genau spüren. Und ich bin davon überzeugt, dass es auch kannst.“ Harrys Herz setzte einen Schlag aus, seine Finger stellten ihre Suche ein. Mit aller Macht unterdrückte er den Impuls, eine Hand auf die Stirn zu legen, um seine Narbe vor Riddles viel zu wachsamen Augen zu schützen. Wusste er es? Ahnte er etwas? Hatte Harry sich irgendwie verraten? Spürte Riddle die Magie, die von der gezackten Linie ausging? Riddles Lächeln wurde eine Spur breiter, eine Spur gefährlicher. „Wir sind zwei Halbblüter in einem Haus voller Menschen, die in uns nichts anderes als Missgeburten sehen, Harry. Das verbindet und.“ Beinahe schmerzhaft verstärkte sich der Druck seiner Finger um Harrys Kinn, verhinderte, dass er den Blick abwenden konnte, und dann, endlich, erkannte der Gryffindor, was sich hinter hinter dem seltsamen Ausdruck in Riddles Augen verbarg: Wahnsinn. Abgrundtiefer, grenzenloser Wahnsinn, wie Harry ihn in seinem bisherigen Leben nur bei einem Monster gesehen hatte: Voldemort. Bei dieser Erkenntnis gefror ihm das Blut in den Adern, Schweiß trat ihm auf die Stirn, ein Zittern lief durch seinen Körper, doch all das war nichts verglichen mit dem, was Riddles nächsten Worte in ihm auslösten. „Als Halbblüter müssen wir zusammenhalten. Harry, denk doch nur mal darüber nach. Wenn wir uns zusammentun würde, könnte uns niemand das Wasser reichen. Wir wären unbesiegbar.“ Ein selbstsicherer Ausdruck trat auf Riddles Gesicht, anscheinend davon überzeugt, dass seine Worte bei Harry auf Wohlwollen und Zustimmung treffen würde. Für einen Augenblick schwieg Harry, zu geschockt von der Erkenntnis, dass Voldemort tatsächlich versuchte, ihn, Harry Potter, auf seine Seite zu ziehen, doch dann konnte er nicht länger an sich halten: er lachte aus vollem Hals. Es war einfach zu lächerlich, zu absurd, um diese Situation noch ernst zu nehmen, um Riddle ernst zu nehmen. Es ging einfach nicht. Der Bann war gebrochen, die Angst wie weggeblasen. Und auch wenn Riddle ihn noch so böse anschaute, der Irrsinn in seinen Augen noch so mörderisch aufflackerte oder die Aura seiner Magie noch so bedrohlich waberte, Harry konnte einfach nicht aufhören zu lachen. Selbst als Riddles Finger so stark zupackten, dass Harry schon befürchtete, er würde ihm den Kiefer brechen, hielt sein Lachkrampf an. Es war so schlimm, dass ihm tatsächlich Tränen in die Augen traten. Wann war ihm das das letzte Mal passiert? Er erinnerte sich nicht. Harry hatte das Gefühl, eine Ewigkeit zu lachen. Er fragte sich, ob es an der Anspannung und der Verwirrung, die ihn den ganzen Tag über begleitet hatten, lag, dass er nicht aufhören konnte oder ob er langsam durchdrehte, verwunderlich wäre es nicht, wenn man bedachte, in welcher Gesellschaft er sich befand -vielleicht war Wahnsinn ja ansteckend-, aber wen kümmerte es? Es tat so gut,sich einfach alles von der Seele zu lachen. Harry glaubte zu spüren, wie ein riesiger, zentnerschwerer Stein von seinem Herzen fiel, wie die Last langsam von seinen Schultern rutschte, bis ihn eine solche innere Ruhe und Gelassenheit erfüllten, dass er beinahe vergessen hätte, dass er nicht alleine war. Zum Glück war Riddle so freundlich, ihn in die Realität zurückzuholen. „Was ist denn so lustig, Harry?“, fragte der junge Lord mühsam beherrscht, was Harrys Lachen dazu veranlasste, sich zu einem leisen Glucksen abzuschwächen, auch wenn es nicht ganz verstummte. „Das“, setzte er an, musste jedoch abbrechen, als ihn ein weiterer Lachkrampf schüttelte, bevor er mit etwas zittriger Stimme fortfuhr: „Das war einfach zu gut. Du hast ja keine Ahnung, wie abwegig deine Worte waren. Du und ich? Uns zusammentun?“ Schlagartig wurde Harry ernst, das Lachen erstarb restlos, sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Entschlossen blickte er Riddle in die vor Verwunderung geweiteten Augen. „Das wird niemals passieren. Nur über meine Leiche.“ Energisch entriss er sein Kinn Riddles mittlerweile erschlafften Fingern. „Und jetzt verschwinde von meinem Bett. Wir haben nichts mehr zu bereden.“ Herausfordernd blickte er seinem Erzfeind entgegen, der sich seltsam ruhig verhielt, wenn man bedachte, wie jähzornig Voldemort immer gewesen war. Oder sah Harry sich nur der berühmt-berüchtigten Ruhe vor dem Sturm entgegen? Für einen Augenblick schien sich Harrys Befürchtung zu bewahrheiten. Ein Schatten legte sich über Riddles Gesicht, Zorn blitzte in seinen strahlend hellen Augen auf, in denen Harry einen roten Schimmer aufleuchten zu sehen glaubte, doch er war so schwach, dass es auch Einbildung gewesen sein konnte, dann, als wäre es das einfachste auf der Welt, setzte Riddle seine Maske des vorbildlichen Musterschülers auf, verbarg seine wahren Gefühle hinter falscher Freundlichkeit und seinem perfekten Lächeln, die Harry in diesem Moment mehr Angst machten als jeder noch so ausgeartete Wutausbruch bewerkstelligt hätte. Das war einfach nicht normal. „Ich an deiner Stelle wäre mir da nicht so sicher, Harry“, sagte Riddle in übertrieben freundlichem Tonfall, eine ganz klare Drohung an Harry, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte, bevor er mit verschwörerisch gesenkter Stimme hinzufügte: „Ich kann sehr überzeugend sein.“ Dann -endlich!- er mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen von Harrys Bett. „Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Gute Nacht.“ Harry antwortete ihm nicht. In seinem Inneren toste ein Sturm von widersprüchlichen Gefühlen. Zum einen war er ziemlich stolz auf sich, Riddle so offensichtlich vor den Kopf gestoßen zu haben, sicherlich gefiel es dem jungen Lord gar nicht, wenn er seinen Willen nicht bekam, zum anderen beschlich ihn die ungute Vorahnung, soeben den größten Fehler seines Lebens begangen zu haben. Nicht, dass er jemals auch nur in Betracht ziehen würde, sich auf Voldemorts Seite zu stellen, schon allein bei dem Gedanken wurde ihm kotzübel, aber vielleicht war es nicht gerade seine beste Idee gewesen, Riddle so offen auszulachen. Mit leerem Blick starrte Harry vor sich hin, dann beugte er sich mit gestrafften Schultern vor, zog seinen Zuaberstab aus seinem Umhang und begann, ein gutes Dutzend verschiedener, teilweise komplizierter Sprüche auf sein Bett zu legen. Als er einen verdächtig gut gelaunten Riddle im Bad verschwinden sah, beschloss Harry, noch ein halbes Dutzend draufzulegen. Sicher war sicher. Kapitel 11: Missgeschick ------------------------ Harry war es gewohnt, auf der Abschussliste der Slytherins zu stehen, was er vor allem Draco Malfoy zu verdanken hatte. Klar, es war nervig, aber nichts, was Harry schlaflose Nächte beschert hätte. Außerdem hatte das Haus der Gryffindors ihn stets mit offenen Armen empfangen, ihm Halt und Wärme gespendet, wie er sie nie zuvor in seinem Leben gekannt hatte. Und dann waren da noch Ron und Hermine, auf die er sich immer hatte verlassen können. Sie waren die besten Freunde, die man sich nur wünschen konnte. Doch nun war es anders. Er hatte keinen Ort mehr, der ihn willkommen hieß, an den er sich zurückziehen konnte, wenn ihm alles zu bunt wurde, wo seine Freunde, die Familie der Löwen auf ihn wartete. Er war alleine, gestrandet in einer längst vergangenen Zeit, umgeben von Baby-Todessern und dem Fluch seines Lebens höchstpersönlich. Es war schwierig, den Anfeindungen der Slytherins zu entgehen, wenn man von früh bis spät mit ihnen zusammen hocken musste, in einem Raum mit ihnen eingesperrt war. In der Nacht nach seinem… Gespräch mit Riddle, in dem seine Lordschaft Harry das unglaublich großzügige und fast unwiderstehliche Angebot unterbreitet hatte, auf seine Seite zu wechseln -allein bei der Erinnerung wurde Harry kotzübel-, hatte der junge Gryffindor kein Auge zugetan. Gehüllt in das erwartungsvolle Summen der, wahrscheinlich, übertriebenen Anzahl von Schutzzaubern, die sein Bett wie eine unsichtbare Mauer umgaben, einzig an einem leichten Flimmern in der Luft zu erkennen, dafür aber umso deutlicher dank der großen Menge magischer Energie zu spüren, mit der Harry sie gespeist hatte, war er einfach nicht zur Ruhe gekommen. Ständig hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden, als würden die Schlangen nur auf eine Gelegenheit warten, ihn für seine Aufmüpfigkeit zahlen zu lassen. Was, wie sich am nächsten Tag sehr zu seinem Leidwesen herausstellte, sogar ziemlich nah an der Wahrheit lag. Der Morgen war eine Endlosschleife aus gehässigem Getuschel, abwertenden Blicken, schadenfrohem Gelächter und anderen, kleineren Sticheleien, gefolgt von leise gemurmelten Zaubersprüchen am Mittag -anscheinend wurden die Schlangen mit der Zeit mutiger-, die Harry über seine eigenen Füße stolpern, sein Bücher wiederholt auf unerklärliche Weise vom Tisch fallen oder, was ihn ganz besonders nervte, seine Feder beim Schreiben mitten im Zaubertränke-Unterricht aus seiner Hand springen und eine Tanzeinlage hinlegen ließ, wobei sie dunkle Schnörkel aus Tinte auf dem Pergament zog, direkt über Harrys Aufzeichnungen, sodass der grünäugige Junge kein einziges Wort mehr entziffern konnte. Schließlich gab Harry genervt seufzend auf und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Arme vor der Brust gekreuzt. Diese kleinen Sticheleien waren eine waschechte Plage, für Slytherin-Verhältnisse allerdings noch recht… harmlos. Und genau das machte Harry Sorgen. Das konnte noch nicht alles sein. Das war unmöglich. Slytherins waren die Meister der Vergeltung. Harry konnte das erwartungsvolle Knistern des Sturmes, der zweifellos auf ihn zukam, praktisch auf seiner Haut prickeln fühlen. Die Schlangen planten etwas. So wie immer. Sie würden es sich niemals gefallen lassen, von einem Halbblut an der Nase herumgeführt zu werden. In seiner Zeit wäre es einfach gewesen, das alles zu ertragen, dank seiner Freunde, seines Hauses, doch hier war es einfach nur lästig und ermüdend. Harry war schlichtweg, heillos genervt. Gut, im Nachhinein musste er sich wohl oder übel eingestehen, dass es nicht gerade eine seiner besten Ideen gewesen war, den Schlangen die Abstammung seiner Mutter auf die Nase zu binden, doch er stand zu seiner Entscheidung. Er war stolz auf seine Eltern. Sie waren großartige Menschen gewesen, die bis zu ihrem letzten Atemzug gekämpft hatten, um ihn zu beschützen. Die ihn mit ihrer Liebe vor einem frühen Tod bewahrt hatten. Nichts und niemand würde ihn dazu bringen, ihr Andenken mit Füßen zu treten. Nein, wirklich bodenlos und unheilbar dumm hatte er sich in dem Moment benommen, in dem er Riddle offen ins Gesicht gelacht hatte. Harry verstand nicht, was da über ihn gekommen war. Vielleicht war es die Anspannung gewesen, vielleicht Riddles, zugegeben vollkommen absurde, Worte oder der Gryffindor verlor schlicht und einfach nur den Verstand, das Übliche halt, aber… was auch immer der Grund gewesen sein mochte, Harry wusste, dass er damit sein Todesurteil unterschrieben hatte. Direkt vor der Nase des Sensenmannes höchstpersönlich. Ja… Wenn man im Wörterbuch den Begriff 'bescheuert' nachschlug, klebte daneben als leuchtendes Beispiel bestimmt ein Bild von ihm selbst. Gewundert hätte es ihn nach der Aktion Weißgott nicht. Riddle benahm sich seit gestern Abend noch seltsamer als ohnehin schon. Wenn das überhaupt noch ging. Nach wie vor war er verdächtig nett und hilfsbereit Harry gegenüber. Er begleitete ihn wie ein Hund sein Herrchen -bei dem Vergleich musste der Gryffindor unwillkürlich grinsen-, half ihm, sich in den Stoff einzufinden, er hatte ihm sogar seine penibel geführten, in eleganter, gut leserlicher Handschrift verfassten Aufzeichnungen in die Hand gedrückt, gegen die selbst Hermines Mitschriften wie ein einziges Gekrakel wirkten! Und das wollte was heißen! Aber das alles war es nicht, was Harry störte. Er hatte sich mehr oder weniger mit Riddles Heuchelei und falsche Freundlichkeit abgefunden, obwohl er bezweifelte, dass das ein gutes Zeichen war. Nein, was ihn wirklich störte, war, dass Riddle ihn nicht mehr… bedrängte. Er rückte Harry nicht mehr wegen seiner Vergangenheit auf die Pelle, er versuchte nicht mehr, Harry durch geschickte Wortspiele Informationen zu entlocken oder ihn in die Enge zu treiben, bis er ihm von sich aus alles gestand. Natürlich wäre Harry nie etwas rausgerutscht, egal, wie viel Mühe sich seine Lordschaft auch gab, aber dass Riddle es nicht einmal mehr versuchte, rief in Harry eine nie gekannte Panik wach, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgte. Hinzu kam zum einen der siegessichere Ausdruck, der Riddles Augen keine Sekunde mehr verlassen zu wollen schien, zum anderen waren da noch die Baby-Todesser, die Harry mit jedem ihrer Blicke unmissverständlich einen langsamen, äußerst qualvollen Tod versprachen, also wie gehabt, das Problem jetzt war nur, dass eine gewisse erwartungsvolle Stimmung zwischen ihnen herrschte, als wäre alles schon beschlossene Sache und sie würden nur noch auf das Kommando ihres Herrn und Meisters warten, wie gute, brave Speichellecker es nun einmal taten. Hoffentlich gab der junge Lord ihnen auch genügend Leckerchen zur Belohnung. Missmutig bedachte Harry die Feder, die unschuldig neben seinem beschmierten Pergament lag, als könnte sie keiner Fliege etwas zu leiden tun, mit einem mörderischen Blick. In den anderen Fächern hätte es ihn vielleicht nicht gestört, wenn seine Feder plötzlich zum Leben erwacht wäre, doch Zaubertränke war und blieb nun einmal sein schlechtestes Fach, wofür er vor allem Snape die Schuld gab, daher war er gar nicht einmal so unglücklich darüber gewesen, den Stoff ein zweites Mal durchnehmen zu müssen, auch wenn er das Buch des Halbblutprinzen schmerzlich vermisste. Die vielen, kleinen Hinweise hatten ihm sein Leben um einiges erleichtert, doch dann erinnerte Harry sich an den Fluch, den er darin gefunden hatte, und verwarf den Gedanken sogleich wieder. Es war gut, dass er das Buch los war. Er hätte Malfoy mit diesem verdammten Zauber beinahe umgebracht! Schon allein bei der Erinnerung daran, wie sein Erzrivale auf den Fliesen in einer Lache seines eigenen Blutes gelegen hatte, lief Harry ein Schauer des Grauens über den Rücken. Nein, so war es besser. Da quälte er sich lieber auf eigene Faust durch sein Hass-Fach und lief Gefahr, den Kessel zum Explodieren zu bringen! ...Tatsächlich brodelte das giftgrüne Gebräu in dem Zinnbehälter besorgniserregend stark, vor allem, wenn man bedachte, dass im Lehrbuch ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Trank überhaupt nicht brodeln durfte! Alarmiert wandte Harry sich seinem Tischnachbarn zu, dessen Aufgabe es gewesen war, die Temperatur im Auge zu behalten, während Harry sich um das Protokoll kümmerte. Je weniger er mit dem eigentlichen Brauen zu tun hatte, desto besser, doch das Gleiche konnte man anscheinend auch von Alphard Black behaupten, denn anstatt sich um den Trank zu kümmern, hatte der Junge mit den grauen Augen und der langen, dunklen Mähne es vorgezogen, ein Nickerchen einzulegen, das Gesicht in der Beuge seines rechten Armes vergraben, der lang ausgestreckt auf der Holzplatte ihres Tisches lag. Harrys Herz sank ihm in die Hose. Nun, da er darauf achtete, drang sogar ein leises, gleichmäßiges Schnarchen an seine Ohren, das ihm eine Warnung hätte sein sollen, zuvor jedoch in dem Blubbern des seltsamen Gebräus untergegangen war. Die unsagbare Erleichterung, die Harry verspürt hatte, als er in den Klassenraum getreten war und in der hintersten Reihe einen leeren Platz neben der Kopie seines Patenonkels gesehen hatte, auf den er natürlich sofort ohne nachzudenken zugesteuert war, da die einzige Alternative gewesen wäre, eine weitere Stunde eingeklemmt zwischen Abraxas Malfoy und Tom Riddle ertragen zu müssen, verschwand mit einem Schlag. Wenn sie nicht schnell eine Lösung fänden, würde der ihnen die fragwürdige Brühe noch um die Ohren fliegen, nichts, worauf Harry unbedingt scharf gewesen wäre, vor allem, da er keine Ahnung hatte, was sie da eigentlich fabriziert hatten. Damit wollte er bestimmt nicht in Berührung kommen. Wo war nur Hermine, wenn man sie brauchte, damit sie einen vor der Dusche eines falsch gebrauten Trankes bewahrte? Harry hätte heulen können. Mit anwachsender Panik griff Harry nach Alphards Schulter, um ihn wachzurütteln, doch Sirius' Doppelgänger ließ lediglich ein verstimmtes Grunzen vernehmen, bevor er zu dem dunklen, friedlichen Geräusch seines Schnarchens zurückkehrte. Frustriert fuhr Harry sich mit einer Hand durch das Haar. Sein Blick zuckte hilflos zu dem nun schäumenden Gebräu, während er Alphard immer heftiger schüttelte, doch dieser weigerte sich vehement, auch nur ein Auge zu öffnen, obwohl Harry den starken Verdacht hegte, dass er bereits wach war. Gerade wollte Harry aufgeben und einen Arm heben, um Professor Slughorn auf sich aufmerksam zu machen, da er selber keine Ahnung hatte, wie er das Unheil wieder bereinigen sollte, doch noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, stieg das Brodeln im Kessel auf eine bedrohliche Lautstärke an. Dank jahrelanger Übung, vor falsch gemischten Tränken mit unbekannten Auswirkungen in Deckung zu gehen, rutschte Harry von seinem Stuhl unter die dicke Platte des Tisches, wobei er Alphard instinktiv an einem Arm mit sich zog. Hastig legte er sich die Hände auf die Ohren und schon im nächsten Moment explodierte das Gebräu mit einem ohrenbetäubenden Knall, den Harry sogar durch seine Handflächen, wenn auch etwas gedämpft, hindurch vernehmen konnte. Ein Seitenblick auf Alphard zeigte ihm, dass der hochgewachsene Junge es ihm gleich tat, einen Gleichmütigen Ausdruck auf den aristokratischen Gesichtszügen, als wäre es für ihn nichts neues, dass Tränke in seiner Nähe in die Luft folgen. Seine grauen Augen kreuzten Harrys und ein leises, verschlagenes Schmunzeln trat auf seine Lippen, das in Harry die Frage aufwarf, ob dieser ganze Schlamassel nicht vielleicht sogar Alphards Absicht gewesen war, doch bevor er diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, wurde er von einem hohen, panischen Kreischen abgelenkt. Von seinem sicheren Platz unter dem Tisch aus beobachtete der Gryffindor, wie unzählige Spritzer des giftgrünen Trankes durch die Luft folgen, um als große und kleine Pfützen sowohl auf dem Boden als auch auf Tischen und Bänken zu landen. Harrys Blick fiel auf ein braunhaariges Mädchen, aus deren Richtung er auch spitzen Schrei vernommen zu haben glaubte, nur wenige Schritte von seinem Versteck entfernt, das fieberhaft die Hände an seinem Umhang abwischte, dessen dunkler Stoff leuchtend giftgrüne Flecken aufwies. Mit bangem Gesichtsausdruck hielt sich die junge Hexe eine zitternde Hand vor die Augen, auf der mehrere, unförmige grüne Tropfen prangten. Abermals rubbelte sie ihre Hand an dem Umhang ab, mit dem gleichen Erfolg: die grünliche Verfärbung hob sich weiterhin deutlich von ihrer hellen Haut ab. Harry schluckte, dann ließ er seinen Blick weiter durch den Raum gleiten. Jeder Schüler in einem Umkreis von geschätzt fünf Schritten, egal, ob sie wie Alphard und Harry unter einem der Tische kauerten oder verdattert in der Gegend herumstanden, war übersät mit grünen Spritzern, die sie, egal wie sehr sich die junge Hexen und Zauberer auch bemühten, nicht wieder loswurden, so als wäre das Gebräu bis in alle Ewigkeit in ihre Haut, Uniform und Haare eingesickert. Harry hoffte, dass dem nicht so war, denn ansonsten wären bestimmt die meisten der Mädchen auf blutige Rache aus. Das würde er nicht überleben. Nur langsam ließ der giftgrüne Regen nach, und als er endlich erstarb, wartete Harry noch mehrere Herzschläge, um sicher zu gehen, bevor er letztendlich unter dem Tisch hervorkroch, wobei er sehr genau darauf achtete, mit keinem einzigen der Flecken auf dem Boden in Kontakt zu kommen. „Mr. Black“, hörte Harry eine kurzatmige, panische Stimme rufen, kaum dass er sich aufgerichtet hatte. Er drehte sich um und sah Professor Slughorns beleibte Gestalt auf sich zurollen, gefolgt von, natürlich, niemand geringerem als Tom Vorlost Riddle, Harrys persönlichem Plagegeist, dessen Gesicht in einer Mischung aus gespielter Sorge und echter Belustigung, die ihn beinahe… menschlich wirken ließ, auf seltsame Weise verzogen wirkte, als wüsste er nicht, ob er seine Maske des Musterschülers aufbehalten oder sich einfach dem Drang, laut loszulachen, hingeben sollte. Harry war auf keine der beiden Möglichkeiten sonderlich scharf. Von ihm aus hätte Riddle an seinem unterdrückten Lachen ersticken, doch leider tat ihm der junge Lord diesen Gefallen nicht. Wäre ja auch zu schön gewesen. Hätte ihm in der Zukunft jede Menge erspart. Verstohlen ließ Harry seinen Blick über Riddles Gesicht und Kleidung schweifen, doch zu seiner maßlosen Enttäuschung musste der Gryffindor feststellen, dass wohl keiner der grünen Tropfen den Möchtgern-Lord getroffen hatte. Anscheinend war die erste Reihe von dem lästigen Gebräu verschont geblieben. Wirklich zu schade. „Professor!“, rief die hohe Stimme eines Mädchens zwei Tische weiter, das den Tränen nahe schien. „Das Zeug kommt einfach nicht ab! Was soll ich tun?“ Verzweifelt wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Umhangs über die Nase, auf deren Spitze sich ein besonders hinterhältiger, grüner Fleck verirrt hatte. Abermals meldete sich das schlechte Gewissen in Harry. Er hoffte wirklich, dass Professor Slughorn ein Gegenmittel für das grüne Zeug würde herstellen können. Weitere Schüler meldeten sich zu Wort, sie jammerten und beschwerten sich, einige, allesamt Reinblüter, drohten sogar, ganz in Malfoy-Manier, Briefe an ihre Eltern zu schreiben, in denen sie ihnen von diesem Vorfall berichten würden. Was auch immer sie damit zu erreichen versuchte, war Harry ein Rätsel, aber wenn es sie glücklich machte... Slughorn versuchte verzweifelt, Herr der Lage zu werden. Er blieb bei mehreren, grün gepunkteten Schülern stehen, um beruhigend auf sie einzureden und ihnen zu vergewissern, dass er so schnell wie möglich ein Gegenmittel herstellen würde, bevor er keuchend vor Alphard und Harry stehen blieb. „Was ist hier passiert?“, fragte er sofort, während er sich mit großen Augen das Dilemma besah, bevor er sie auf Harry, bei dessen Anblick er kurz stockte -wahrscheinlich hatte er vergessen, wer Harry war- und Alphard Black, der sich mit noch immer entspanntem Gesichtsausdruck endlich unter dem Tisch hervorgekommen war, richtete. „Geht es Ihnen gut? Haben Sie sich verletzt?“ Heillose Verwirrung zierte das Gesicht des rundlichen Mannes. Sein besorgter Blick zuckte zwischen Alphard und Harry hin und her, während Riddle, der leicht versetzt hinter ihm stand, noch um seine Fassung kämpfen musste. Es schien nicht mehr viel zu fehlen, dann würde er sich vor Lachen auf dem Boden rollen. ...Klar, das wollte Harry sehen. Tom Riddle, der einen Lachkrampf bekam. Toller Scherz. „Nein, Sir“, antwortete Harry nach einem kurzen Schweigen, das ihm zu verstehen gab, dass Alphard nichts sagen würde, mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, das ihn verdächtig stark an Schuld erinnerte. „Uns geht es gut“, fügte er kleinlaut hinzu, den Blick auf starr auf Slughorn fixiert, der bei diesen Worten sichtlich erleichtert aufatmete, bevor er sein Augenmerk auf den Ursprung der Katastrophe, Alphards und Harrys Kessel, richtete. Riddles Anwesenheit blendete Harry für den Moment einfach aus, was nicht einfach war, da er die eisigen Augen praktisch auf seiner Haut prickeln fühlen konnte. Alphard sagte noch immer kein Ton. „Wie konnte das nur geschehen?“, murmelte Slughorn gedankenversunken, während er in den Kessel stierte, aus dem nun kleine, grünliche Dampfwölkchen aufstiegen und ihm ins Gesicht schlugen, was ihn hustend zurückweichen ließ. Für einen winzigen Moment zögerte Harry, der Verdacht, dass das alles nicht 'aus Versehen' geschehen war, wuchs mit jeder Sekunde, doch als er den Mund öffnete, behauptete er: „Ich weiß es nicht, Professor.“ Betont ratlos zuckte er mit den Schultern. „Von einem Moment auf den anderen ist uns das Zeug um die Ohren geflogen.“ Aus den Augenwinkeln bemerkte Harry, wie Riddle eine Augenbraue hochzog, während sein Blick wissend sowohl über Harrys als auch Alphards unversehrte Roben glitt. Harry beschloss, ihn zu ignorieren und stattdessen ein unschuldiges Gesicht aufzusetzen, um Slughorn von der Ehrlichkeit seiner Worte zu überzeugen. „Wirklich seltsam“, murmelte der Professor gedankenversunken, während er ein kleines Röhrchen aus seiner Brusttasche zog, dessen Öffnung er an den oberen Rand des Kessels hielt, um mehrere Tropfen des fragwürdigen Gebräus aufzufangen. Kurz hielt er sich das Glas vor die zusammengekniffenen Augen, dann verschloss er es mit einem kleinen Korken und ließ es zurück in die Tasche gleiten, bevor er sich mit einem aufmunterndem Lächeln wieder Alphard und Harry zuwandte. „Nun, was auch immer geschehen ist, ich bin froh, dass niemand verletzt wurde.“ Er fuhr sich mit einer Hand über das schüttere Haar, das er sich in dem Versuch, eine kahle Stelle ans einem Hinterkopf zu verbergen, quer über den Schädel gekämmt hatte. Das Ergebnis ließ eindeutig zu wünschen übrig. Slughorn schien Harrys zweifelnden Blick zu bemerken, doch glücklicherweise interpretierte er ihn falsch. Wohl in der Annahme, Harry befürchtete, Ärger für den vermurksten Trank zu bekommen, legte Slughorn ihm in einer freundlichen Geste eine Hand auf die Schulter, während er in beruhigenden Ton sprach: „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Unfälle geschehen nun einmal, vor allem in einem Fach wie Zaubertränke. Jedem ist schon mal ein Trank missglückt, das bleibt nicht aus. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Mr. ...“ Er brach ab, einen angestrengten Ausdruck auf dem Gesicht. Harry musste sich ein Seufzen verkneifen. Slughorn hatte seinen Namen vergessen. Jetzt wusste Harry, wie Ron sich gefühlt hatte, wann immer dem beleibten Professor sein Name entweder entfallen oder er ihn falsch ausgesprochen hatte. Das wäre Slughorns zukünftigen Ich bei Harry niemals passiert, viel zu sehr war er von dem Gedanken besessen gewesen, den Jungen-der-lebte als eine Art Trophäe für seinen 'Slug-Club' zu gewinnen. Aber hier, in dieser Zeit, war Harry nicht der 'Junge-der-lebte', keine Berühmtheit, sondern einfach nur… nur Harry. Nur er selbst. Wenigstens einen Vorzug schien die reise durch die Zeit mit sich zu bringen. Bei diesem Gedanken konnte Harry sich noch nicht einmal mehr über Slughorn ärgern. „Brown“, half Harry dem zerknirscht wirkenden Professor aus. „Harry Brown, Sir.“ Slughorns Gesichtsausdruck hellte sich augenblicklich auf. „Ja, natürlich, entschuldigen Sie.“ Er ließ Harrys Schulter los, um geschäftig in die Hände zu klatschen. „Nun, Mr. Brown, jedenfalls können Sie ganz beruhigt sein. Es wird weder für Sie noch für Mr. Black Konsequenzen geben. Es war ein Unfall, weiter nichts.“ Mehr als erleichtert, sich nicht direkt an seinem zweiten Schultag eine Strafarbeit eingehandelt zu haben, schlich sich ein leises Lächeln auf Harrys Lippen. „Danke, Sir.“ Dann stieß er Alphard, der, so war Harry nun überzeugt, ihnen den Ärger erst eingebrockt hatte, mit dem Ellenbogen in die Seite, damit auch er endlich die Zähne auseinander bekam. „Ah, ja, klasse, danke“, kam es etwas holprig von dem jungen Black, als hätte er dem Gespräch nicht eine Sekunde zugehört und müsste sich nun bemühen, den Faden aufzunehmen. Harry unterdrückte ein Seufzen, doch Slughorn schien zufrieden zu sein, womit das ganze Thema eigentlich hätte erledigt sein sollen. Tja, weit gefehlt. „Sir“, schaltete sich nun Riddle, der bisher verdächtig still gewesen war, mit gespielt zurückhaltendem Tonfall ein, einen gequälten Ausdruck auf dem Gesicht, als wäre es ihm unangenehm, überhaupt etwas zu sagen. Misstrauisch verengte Harry die Augen. Was hatte dieser verlogene Schleimbeutel vor? Eine böse Vorahnung beschlich Harry, doch da schien er nicht der einzige zu sein. Als der Gryffindor Alphard einen schnellen Seitenblick zuwarf, erkannte er, dass sich jeder einzelne Muskel im Körper des jungen Blacks bis zum Zerreißen angespannt hatte. Seine hinter dem Rücken verborgenen Hände waren zu Fäusten geballt, außerhalb von Slughorns und Riddles Sichtweite, und seine Kiefermuskeln mahlten angestrengt, während er Riddle ebenso misstrauisch beobachtete wie Harry. Hah, anscheinend gab es unter den Slytherins doch jemanden, der zumindest ein wenig Grips besaß. Riddle bemerkte ihre bohrenden Blicke, woraufhin er ihnen sein unschuldigstes Lächeln schenkte, das ihm weder Harry noch Alphard, wie der Gryffindor an seinen weiterhin verkrampften Muskeln erkannte, abkaufte, bevor sich der dunkle Lord direkt neben Slughorn stellte, der den Musterschüler erwartungsvoll mit einer gewissen Bewunderung im Blick bedachte. Harrys Herz sackte ihm in die Hose. Slughorn hatte Riddle damals, also, in der jetzigen Vergangenheit… Harry machte eine gedankliche Pause. Zu diesem Zeitpunkt, legte er sich schließlich fest. Zu diesem Zeitpunkt hatte Slughorn Riddle praktisch aus der Hand gefressen, vollkommen verzaubert von seinem falschen Charme und seinem Schauspiel als ehrenwerter Musterschüler, daher glaubte er wahrscheinlich alles, was Riddle ihm auftischte, egal ob Lüge oder Wahrheit, und dieses unheimliche Lächeln auf dem Gesicht des Möchtegern-Lords versprach nichts Gutes. Wenn Riddle beschlossen hatte, Alphard und Harry in die Pfanne zu hauen, waren sie erledigt. Harry hätte kotzen können. Das alles erinnerte ihn viel zu sehr an seine eigene Zeit, an die vielen Male, die Malfoy ihn bei seinem Hasslehrer, meistens zu unrecht, angeschwärzt hatte, was Snape natürlich jedes Mal ohne mit der Wimper zu zucken ausgenutzt hatte, um Harry Nachsitzen aufzubrummen, egal ob berechtigt oder nicht. Harry konnte nicht glauben, dass ihm das Gleiche auch in dieser Zeit drohte, mit Slughorn als eine, wie er hoffte, etwas mildere Variante von Snape und Riddle als Malfoy, nur doppelt so nervig, fies und hinterhältig. Toll. Wie konnte man so viel Pech haben? Wütend über diese Ungerechtigkeit, bedachte der Gryffindor Riddle mit einem mörderischen Blick, was diesem lediglich ein Engelslächeln ins Gesicht trieb. Bei Merlin, wie sehr er Riddle hasste! Und das nicht nur, weil er im Laufe der Zeit zu einem psychopathischen Massenmörder, gemeinhin bekannt als Lord Voldemort, mutieren würde! ...Nicht dass dieses Wissen sonderlich dabei half, ein besseres Licht auf Tom Riddle zu werfen. Im Gegenteil, aber das war es nicht mal. Es lag einfach an seiner… ganzen Art! Die Überheblichkeit, diese heuchlerische Maske des Musterschülers, die gespielte Freundlichkeit, das falsche Lächeln,… Gott, Harry konnte ihn nicht ausstehen. Schade, dass er da wohl so ziemlich der Einzige war. „Ja, Tom?“, hörte der junge Gryffindor, der hartnäckig versuchte, die junge Version seines Erzfeindes Blicken zu töten oder wenigstens zum Schweigen zu bringen, Professor Slughorn in einem schmeichelndem Tonfall sagen, den, in Harrys Augen, kein Lehrer annehmen sollte, wenn er mit einem seiner Schüler sprach, da er viel zu deutlich zeigte, dass er in seinen Augen eine bevorzugte Behandlung verdiente. Wie bei Snape und Malfoy. Verdammt. „Professor“, begann Riddle gespielt unsicher, einen entschuldigenden Ausdruck auf dem verlogenen Gesicht, „es ist mir wirklich unangenehm, das zu sagen, und ich möchte natürlich auch niemandem etwas unterstellen!“, beteuerte er hastig mit weit aufgerissenen Augen. Die Unschuld vom Lande. Wie süß. Scheiße, Slughorn würde ihm alles abkaufen. Harry schnaubte abwertend, im gleichen Augenblick, in dem Alphard ein höhnisches Lachen ausstieß, jedoch so leise, dass weder Slughorn noch Riddle es hören konnten. Harry war ziemlich überrascht. Für einen Slytherin zeigte Alphard seine Abneigung gegenüber dem Kopf ihres Haus ziemlich… offen. Interessant. Harry war davon überzeugt gewesen, dass Riddle bereits jeden in Slytherin um den kleinen Finger gewickelt hatte oder es zumindest niemand wagen würde, sich ihm auf irgendeine Art und Weise, wenn auch noch so unscheinbar, entgegenzustellen. Da hatte er sich wohl geirrt, aber was kümmerte es ihn, wie weit Riddles Einfluss bereits reichte? Harry würde sich nicht einmischen. Er würde die Vergangenheit nicht ändern. Basta. Grimmig verschränkte Harry die Arme. Ihm fiel ein leichtes Zucken in Riddles Mundwinkeln auf, ganz offensichtlich waren ihm ihre Reaktionen auf seine Worte nicht entgangen, allerdings beeinflusste es sein Schauspiel nicht eine Sekunde. Die Maske des verantwortungsbewussten Vertrauensschülers zeigte keinerlei Risse, seine Lippen verzogen sich zu einem entschuldigenden Lächeln. Einzig in seinen Augen konnte Harry sein wahres Ich durchblitzen sehen, die Verschlagenheit, die Grausamkeit. Unwillkürlich knirschte er mit den Zähnen. In Riddles Augen trat ein zufriedenes Funkeln. Mistkerl. Slughorn blieb das alles selbstverständlich verborgen. „Natürlich, Tom, das weiß ich doch“, versicherte er in behutsamen Tonfall, woraufhin Riddle vorgab, erleichtert aufzuatmen. Vor Wut vergrub Harry seine Finger tief in sein Fleisch. Riddle straffte die Schultern, als müsste er sich für seine nächsten Worte wappnen. „Professor, ich bin mir sicher, dass Harry an diesem Vorfall keinerlei Schuld trägt“, er schenkte dem vor Wut zitternden Gryffindor ein warmes Lächeln, das praktisch danach schrie, dass man seine Faust in ihm versenkte, „und es war mit Sicherheit auch keine Absicht von Mr. Black“, ein eiskalter Blick für Alphard, „aber ich kam nicht umhin zu bemerken, dass bei der Herstellung des Trankes etwas… nachlässig gehandelt wurde.“ Slughorn strich sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn, ganz gebannt von Riddles Wroten, bevor er den Möchtegern-Lord mit einem Nicken aufforderte fortzufahren. Riddle kam dem selbstverständlich mit Feuereifer nach. „Ich möchte niemanden in Schwierigkeiten bringen, Sir, und ich spreche es auch nur an, weil ich mir Sorgen um die Sicherheit der anderen Schüler mache“, Slughorn schien tief gerührt, Harry hätte sich am liebsten übergeben, Alphard lachte abermals spöttisch, lauter als zuvor, was ihm einen verstörten Blick des Professors einbrachte, „aber als Vertrauensschüler sehe ich es als meine Pflicht, so schwer es mir auch fällt, Sie darüber zu informieren, dass Mr. Black womöglich während des Brauen eingeschlafen ist, was der Grund für dieses Unglück sein könnte.“ Riddles Gesicht zeigte Bedauern, die Schadenfreude in seinen Augen sprach jedoch ganz andere Bände. Slughorn maß Alphard mit einem ungewohnt strengen Blick. „Ist das wahr, Mr. Black?“ Bevor Alphard etwas sagen konnte, ging Harry dazwischen. Nicht, weil er Alphard für unschuldig hielt, das genaue Gegenteil eigentlich, sonder aus dem ganz einfachen Grund, weil es Riddle war, der diese Anschuldigen vorbrachte, was Harry schon aus Prinzip gegen den Strich ging. Nach gestern Abend hatte Harry genug davon, sich duckmäuserisch und 'unterwürfig' zu geben. Wenn er schon mit Riddle in dieser Zeit festsaß, konnte er dem Möchtegern-Lord wenigstens das Leben schwer machen. Sein Todesurteil hatte er bereits unterschrieben, verpackt und abgeschickt, als er Riddle in dessen Gegenwart ausgelacht hatte. Wenn er schon starb, dann wenigstens mit offenen Augen und Stil. Oder besser: er hatte die Schnauze voll, sich von Riddle an der Nase herumführen zu lassen. „Sir, Riddle muss sich irren“, mischte Harry sich mit fester Stimme ein, sehr zu Riddles Unmut, wie der Gryffindor hocherfreut an seinem wütenden Gesichtsausdruck feststellen durfte, der kurz hinter seiner Maske hervorblitzte. Er war es wohl nicht gewohnt, dass ihm widersprach. Gleich darauf hatte sich der Möchtegern-Lord natürlich wieder gefangen, doch diese eine Sekunde, in der seine Maske verrutscht war, reichte aus, um Harry selbstsicherer werden zu lassen. Ja, er tat das Richtige. Der Professor wandte sich ihm zu, sein Blick um einiges freundlicher als noch Sekunden zuvor. Harry gab sich einen Ruck: „Alphard ist nicht eingeschlafen, er hat die ganze Zeit über genau auf die Temperatur geachtet.“ In Riddles Augen blitzte etwas dunkles, mörderisches auf, das Harry lieber nicht weiter untersuchen wollte, während Slughorn eine Augenbraue hob. Er war eindeutig nicht überzeugt. „Sind Sie sicher?“ Harry hatte keinerlei Schwierigkeiten dabei, dem Professor ins Gesicht zu lügen. Schließlich ging es hier um eine gute Sache: Tom Riddle vorzuführen. Harry nickte. „Ja, Sir. Ich saß direkt neben ihm, ich muss es wissen.“ Unsicher blickte der Professor zwischen Harry und Riddle hin und her, dann sagte er schließlich etwas zittrig: „Nun, also, Mr. ...“, offensichtlich war ihm Harrys Name wieder entfallen, „Brown, ich würde Ihnen ja gerne glauben, aber wenn Tom sagt...“ Harry schnitt ihm unwirsch das Wort ab. „Dann hat Riddle sich eben verguckt. Ich weiß nicht, was bei dem Trank schief gelaufen ist, aber Alphard war die ganze Zeit über wach.“ Es ärgerte ihn, dass Alphard die ganze Zeit über schwieg, schließlich ging es hier um ihn, trotzdem würde er nicht klein beigeben, daher reckte er trotzig das Kinn und schaute Slughorn herausfordernd in die Augen. Riddles Anwesenheit versuchte er so gut es ging auszublenden, auch wenn der forschende Blick der eisblauen Augen auf seinem Gesicht es ihm nicht leicht machte. Slughorn schien verzweifelt, gefangen zwischen ihren Worten, unsicher, welcher Aussage er glauben sollte, doch die Last wurde ihm von den Schultern genommen, als ein Mädchen mit tränenüberströmten Gesicht an ihn herantrat. „Professor, tun Sie doch etwas!“, verlangte sie schnippisch. „So kann ich mich doch nicht in der nächsten Stunde zeigen!“ Sie zeigte auf die grünen Flecken auf ihrer rechten Wange. Offensichtlich erleichtert über die Fluchtmöglichkeit, legte Slughorn ihr beruhigend einen Arm um die angespannten Schultern. „Na, na, keine Sorge, meine Liebe. Das kriegen wir schon wieder hin.“ Etwas lauter sagte er dann: „Diejenigen, die nicht getroffen wurden, können den Klassenraum verlassen.“ Einzig die Schüler der ersten beiden Reihen begannen, ihre Sachen zusammenzupacken, darunter auch Abraxas Malfoy und Riddles Gefolge. Harry war ehrlich enttäuscht. Slughorns kleine Augen richteten sicher abermals auf Alphard und Harry. „Sie auch, meine Herren. Der Unterricht ist für heute beendet.“ An Riddle gewandt fuhr er mit einem schleimigen Lächeln fort: „Tom, wären Sie so nett, mir bei dem Brauen des Gegenmittels zu helfen?“ Erwartungsvoll blickte er seinen Lieblingsschüler an, doch Riddle reagierte nicht. Stattdessen starrte er Harry fassungslos an, offenbar geschockt, dass Alphard und Harry trotz seiner Bemühungen fürs erste ungeschoren davonkamen. Slughorn hatte ihm nicht aufs Wort gehorcht wie seine Speichellecker. Wahrscheinlich brach für seine Lordschaft gerade eine Welt zusammen. Harry musste grinsen und dieses Mal tat er nichts, um es zu verhindern. Warum auch? Er hatte gewonnen. Riddle hatte seinen Willen, fürs Erste, nicht bekommen. Harry hätte vor Freude Purzelbäume schlagen können. „Tom?“, wiederholte Slughorn zögerlich, sichtlich irritiert, von seinem Musterschüler ignoriert zu werden. Das schien Riddle endlich in die Realität zurückzuholen. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, doch es wirkte hohl und kalt. Seine Augen waren weiterhin auf Harry geheftet, ließen ihn nicht eine Sekunde los. Der Gryffindor hielt seinem bohrendem Blick entschlossen stand. „Natürlich, Professor“, entgegnete Riddle übertrieben freundlich, dann drehte er sich langsam mit starrem Blick um und folgte einem verstörten Slughorn und dem weinenden Mädchen in Richtung Lehrerpult. Als er sich noch einmal zu Harry umdrehte, teilte das unheimliche Lächeln noch immer sein Gesicht. In seinem Blick lag ein dunkles Versprechen, doch Harry ließ sich davon nicht einschüchtern. Scheiß drauf. Er hatte gewonnen. Diesen Triumph würde er sich von Riddle in diesem Moment nicht verderben lassen. Selbstgefällig lächelnd wollte Harry nach seinen Sachen auf dem Tisch greifen, erstarrte jedoch, als er die mit grünen Flecken übersäten Schreibutensilien und Bücher erblickte. Na, großartig. Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, mit seinen Sachen, gepunktet wie sie waren, den Raum zu verlassen, besann sich dann jedoch eines besseren. Wo sollte er Ersatz herbekommen? Und wie sollte er ihn bezahlen? Er hatte kaum Geld, nur das, war er auch in der anderen Zeit in seinen Koffern aufbewahrt hatte, aber ansonsten war er arm wie eine Kirchenmaus. Es war schon ein Wunder, dass es überhaupt etwas von seinem Besitz, darunter auch sein Tarnumhang und die Karte des Rumtreibers, in diese Zeit gefunden hatte, da musste er so sorgfältig wie möglich mit ihnen umgehen. Über das Warum oder Wie, wollt er sich zu diesem Zeitpunkt nicht den Kopf zerbrechen, dafür brauchte er eine ruhigere Minute -oder mehrere Stunden in der Bibliothek. Daher packte er mit einem leisen Seufzen auf den Lippen seine Sachen und warf sich seine, ebenfalls grün verfärbte, Tasche über die Schulter, dann ging er schweren Herzens auf das Lehrerpult zu, hinter dem Slughorn mit Riddles Hilfe fieberhaft alle möglichen Zutaten in einen großen Kessel warf, aus dem roter Qualm aufstieg. Doch auf halbem Weg hielt er inne. „Harry, warte mal“, hielt ihn eine tiefe Stimme zurück, die der Gryffindor beim besten Willen nicht einzuordnen wusste, dennoch blieb er stehen und drehte sich auf der Suche nach ihrem Ursprung um. Alphard Black kam mit locker über die Schulter geworfener -gepunkteter- Tasche auf ihn zu geschlendert, ein verschlagenes, leicht überhebliches Grinsen auf den vornehmen Gesichtszügen. Harry traf beinahe der Schlag, als ihm wieder einmal schmerzhaft bewusst wurde, wie viel Ähnlichkeit Alphard Black mit seinem zukünftigen Neffen Sirius hatte. Es war schon fast beängstigend. Das gleiche, selbstsichere Lächeln, die gleichen, vor Schalk glitzernden, silbernen Augen, fast identische Gesichtszüge. Nur bei der Frisur musste Harry Abstriche machen. Alphard Blacks Haaren waren, wenn auch nicht viel, kürzer als Sirius' es gewesen waren. Doch ansonsten sahen sie exakt gleich aus. Das war doch verrückt. Etwas aus der Bahn geworfen, wartete Harry, bis Alphard ihn eingeholt hatte. Insgeheim wunderte er sich, dass der junge Black seinen Namen überhaupt kannte, schließlich war er bei ihrer Vorstellung geistig in anderen Sphären unterwegs gewesen und bei dem Gespräch vorhin schien es auch nicht anders gewesen zu sein. Nein, eigentlich war es ein Wunder, wenn Alphard überhaupt irgendetwas mitbekam. Harry hatte noch nie in seinem Leben einen Menschen getroffen, der so viel schlief. 'Schlafmütze' war bei Alphard noch untertrieben. Der junge Black hatte Harry eingeholt und betrachtete ihn mit einem wachen Blick, der im starken Kontrast zu seiner üblichen Schläfrigkeit stand, dann legte er dem kleineren Jungen kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Danke, dass du mich nicht bei Slug verpfiffen hast. Hast was gut bei mir.“ Etwas verdutzt wusste Harry darauf nichts zu antworten. Alphards Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Lass dich nicht von Riddle unterkriegen, Kleiner.“ Mit diesen Worten schlenderte zum fröhlich pfeifend zum Lehrerpult und ließ einen überforderten Harry zurück. Kleiner?   Dass Tom sie die ganze Zeit über mit blitzenden Augen grimmig beobachtet hatte, merkte keiner von ihnen. Kapitel 12: Mordlust -------------------- Über dem dunklen Schlafsaal des fünften Jahrgangs lag eine nächtliche Stille, einzig unterbrochen von Blacks lautem, regelmäßigem Schnarchen, das Tom in jeder anderen Nacht, in der er zu dieser gottlosen Stunde noch wachgelegen hätte, wahrscheinlich zur Weißglut getrieben hätte, nun jedoch nahm er es nur am Rande wahr, da er zu tief in seiner eigenen Gedankenwelt versunken war. Der Tag war bei Weitem nicht so erfreulich verlaufen, wie er erwartet hatte. Nach dem gestrigen Abend war er davon überzeugt gewesen, Brown am heutigen Tag in seine Schranken weisen zu können. Wie konnte dieser Idiot es wagen, ihn, Tom Riddle, den zukünftig mächtigsten Zauberer aller Zeiten, so offen vor den Kopf zu stoßen, einen Platz an seiner Seite so leichtfertig abzuschlagen! Jeder andere in Slytherin hätte ihm auf Knien für diese Möglichkeit gedankt, hätte sich vor Eifer, ihm seine Loyalität zu beweisen, überschlagen, doch Brown hatte die Frechheit besessen, ihn auszulachen! Unbändige Wut stieg bei der Erinnerung an diese Schmach in Tom auf und er bleckte unwillkürlich die Zähne, verborgen von der Dunkelheit der mondlosen Nacht. Das Letzte, was er nun gebrauchen konnte, war, dass einer dieser nichtsnutzigen Hohlköpfe, die sich seine 'Freunde' schimpften, bemerkten, wie sehr ihn 'Browns' Ablehnung aufregte. Nach außen hin hatte er sich den ganzen Tag über gelassen und kontrolliert gegeben, doch innerlich hatte er gebrodelt, bereit, diesen Idioten, die jedem seiner Worte widerspruchslos folgten - wie langweilig -, den Befehl zu geben, Brown das Leben restlos zur Hölle zu machen, um dem neuen Jungen endlich auf seinen rechtmäßigen Platz unter seinen Füßen zu verweisen. Nie zuvor hatte jemand es gewagt, zumindest nicht, wenn derjenige sein wahres Gesicht kannte, wie Brown es ganz offensichtlich tat, sich über ihn lustig zu machen. Es erklärte sich von selbst, dass Tom ein derart beleidigendes Verhalten nicht auf sich beruhen lassen konnte - oh, seine Rache würde grauenhaft sein -, gleichzeitig musste er sich jedoch eingestehen, dass es ihn mit freudiger Erregung erfüllte, zu beobachten, wie sein neues Spielzeug, das ihm eine wirklich köstliche Unterhaltung in dem tristen Alltag Hogwarts' bot, Stunde für Stunde nervöser wurde, wie seine Augen immer wieder zu Tom zuckten, das Gesicht gezeichnet von banger Vorahnung. Tom hatte diesen Ausdruck in vollen Zügen genossen, vollkommen davon überzeugt, dass der Junge sich nun der Gefahr, in der er schwebte, bewusst war, dass er es nicht mehr wagen würde, Tom Widerstand zu bieten, aus Angst, seine Wut noch weiter zu entfachen, die Vergeltung, die Tom für ihn im Sinn hatte, noch zu verschlimmern, doch das erste Mal in seinem Leben hatte Tom Riddle, das unbestreitbare Genie, das er nun einmal war, sich geirrt. Und wie er sich geirrt hatte! Tatsächlich hatte sich Browns aufmüpfiges, angesichts seiner… etwas prekären Situation ganz und gar unangebrachtes Verhalten, das Tom eher an einen Gryffindor denn einen Slytherin erinnerte, sogar noch verschlimmert, wie sich in Zaubertränke mit lästiger Deutlichkeit gezeigt hatte. Harry Brown hatte ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen! Er konnte es nicht glauben! Wollte es nicht glauben. Dieser Wurm hatte ihn gedemütigt! Vor den Augen aller! Vor den Augen der gesamten Klasse! Vor den Augen seiner Gefolgsleute! Dafür würde er bezahlen! Vor Wut schlug Tom mit einer Hand auf die weiche Matratze, auf der er lag, doch es reichte nicht! Oh, wie wollte er Brown leiden sehen! Mühsam drehte Tom seinen Kopf in die Richtung, in der er die Umrisse von Browns Bett dank der Finsternis nur schwach erkennen konnte, seine Bewegungen steif vor unterdrücktem Zorn. Niemand wagte es, ihn zu demütigen! Geschwind warf er die Bettdecke zurück, erhob sich von seinem komfortablen Himmelbett und durchquerte auf nackten Füßen mit grimmiger Entschlossenheit den Raum, die vor Wut blitzenden Augen fest auf die Konturen des anderen Bettes gerichtet, die nun, da er sich auf sie konzentrierte, von Sekunde zu Sekunde deutlicher wurden. Doch als ihn nur noch zwei Schritte, zwei lausige Schritte davon trennten, sein Vorhaben, Brown im Schlaf zu erwürgen, in die Tat umzusetzen, musste er abrupt stehen bleiben. Es war, als wäre er vor eine unsichtbare Mauer gelaufen. Ein lautes Summen drang in seine Ohren, eine unangenehme Hitze brannte auf seiner Haut, verstärkte sich mit jedem Augenblick, den er wie angewurzelt verharrte, bis Tom schließlich widerwillig einige Schritte zurückwich, wodurch das Brennen zu einem erträglichen Prickeln abschwächte. Mit einem irren Ausdruck in den weit aufgerissenen Augen betrachtete Tom das entspannte Gesicht des schlafenden Jungen, das unter seiner bis zum Kinn hochgezogenen Decke hervorlugte. Schutzzauber, überlegte er, milde beeindruckt von den teilweise komplizierten Sprüchen, die er in der Luft knistern hörte. Einige von ihnen waren eindeutig höhere Magie, ansonsten wären sie nicht in der Lage gewesen, Tom aufzuhalten. Ein Zittern lief durch seinen Körper. Er hatte es gewusst! Hinter Brown steckte mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Woher kannte der Junge solche starken Schutzzauber? Hatte Dumbledore, dieser elende Stümper, sie ihm beigebracht, da er befürchtete, Tom könnte ihm etwas zuleide tun wollen? Brown war gestern lange in seinem Büro gewesen. Hatte er sie ihm da gelehrt? Oder schon vorher, bevor Brown an diese Schule gekommen war? In Tom wuchs der Verdacht, dass Brown als Spion für den Quacksalber arbeitete, zu eiserner Gewissheit an. Warum sonst sollte er diese Zauber beherrschen? Ein normaler, fünfzehnjähriger Schüler hätte keinerlei Grund, derart mächtige Zauber zu seinem eigenen Schutz zu lernen. Kein normaler Jugendlicher verschwendete auch nur einen Gedanken an seine eigene Sicherheit. Sie fühlten sich unsterblich, als könnte ihnen nichts auf der Welt etwas anhaben. Eine ungesunde Einstellung in Toms Augen. Man konnte nie vorsichtig genug sein, doch für ihn war es nützlich, wenn seine Untergebenen mit geschwollenem Kopf durch die Gänge spazierten, dass sie auf diese Weise zu sehr viel riskanteren Aktionen bereit waren. Harry Brown dagegen war… anders. Er war nicht normal. Bei weitem nicht. Was verbarg er vor Tom? Er musste es wissen! Jetzt! Warum war er so anders? Seine Hände, die zu beiden Seiten seines langen, schlanken Körpers herabhingen, zuckten unkontrolliert in dem Verlangen, sich um Browns Hals zu legen und gnadenlos zu zudrücken. Die Vorstellung, dem ahnungslos schlummernden Jungen langsam das Leben aus dem Leib zu pressen, bis der nach Luft schnappend die Augen aufriss, nur noch Herzschläge vom Tod entfernt, in seinem Blick das stumme Versprechen, Tom alles zu verraten, was er wissen wollte, bereitete ihm ungeheures Vergnügen. Ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken, sein Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln, doch seine gute Stimmung hielt nicht lange an, denn die Schutzzauber, alarmiert durch seine unguten Absichten gegenüber ihrem Beschwörer, antworteten mit einem heftigen, elektrischen Schlag, der Tom durch Mark und Bein fuhr. Er taumelte einige Schritte zurück, ein leises, gepeinigtes Keuchen auf den Lippen, die Vorfreude von erneuter Wut verdrängt. Dieser verdammte… Ein scharfer Schmerz zuckte durch seinen Körper, ließ ihn sich mit verzerrtem Gesicht krümmen, die Zähne fest zusammengebissen, um jeden weiteren Laut zu unterdrücken. Nach Luft schnappend hob er eine zitternde Hand vor seine Augen, den anderen Arm hatte er eng um seinen Leib geschlungen. Grelle Blitze, die sein bleiches Gesicht in der Dunkelheit der Nacht für wenige Sekunden erhellten, sprangen zwischen seinen langen Fingern hin und her, ließen sie sich wie in einem Anfall verkrampfen und zucken, bevor Tom die Hand zur Faust ballte, um die Kontrolle zurückzuerlangen, während er mit heftig pochendem Herzen darauf wartete, dass das Brennen in seinem Inneren endlich abebbte. Mehrere Sekunden verharrte er in gebeugter Haltung, bevor er sich vorsichtig aufrichtete, sein Atem betont ruhig und gleichmäßig, um sein wild klopfendes Herz zu beruhigen. Mit leicht zitternden Händen strich Tom sich einige verirrte Strähnen aus der Stirn, auf der sich, wie er missmutig feststellte, vereinzelte Schweißperlen gesammelt hatten. Erbärmlich. Abermals vergrößerte Tom den Abstand zu dem Bett, bis jedes noch so schwache Prickeln von seiner Haut verschwunden war. Wütend, auf solch demütigende Weise zum Rückzug gezwungen worden zu sein, ballte er die Hände zu Fäusten, sodass seine sorgsam gepflegten Nägel sich tief in sein Fleisch gruben, den Blick starr nach vorne gerichtet, ohne wirklich etwas zu sehen. Toms schöne, ebenmäßige Gesichtszüge verzerrten sich zu einer grotesken Grimasse aus Hass und Wahnsinn, die jede Erinnerung an den Musterschüler aus seiner Erscheinung verdrängte. In diesem Moment war Tom mehr Monster denn Mann, das wusste er, und er genoss es in vollen Zügen. Seine Wut auf Brown steigerte sich in unbekannte Ausmaße. Oh, wie wollte er ihn für diese Schmach leiden lassen! Seine vollen Lippen verzerrten sich zu einem kalten, erbarmungslosen Lächeln, als sich zahlreiche Möglichkeiten in seinen Kopf stahlen, Brown für seine Torheit und seine maßlose Dummheit, sich ihm, Lord Voldemort, dem künftig mächtigsten Zauberer aller Zeiten, zu widersetzen, auf grausame Weise zu bestrafen, eine Vorstellung brutaler als die andere. Ein leises Stöhnen ließ Tom seine verlockenden Fantasien vergessen und den Blick zurück auf das imposante Himmelbett richten, in dem Brown sich nun unruhig hin und her wälzte, das Gesicht frei von jeder Entspannung, die ihm der Schlaf noch vor wenigen Minuten gebracht hatte, dafür war es nun seltsam verzogen, als würde der Junge qualvolle Schmerzen leiden. Fasziniert beobachtete Tom, wie Brown eine Hand an seine Stirn hob, die Augen nach wie vor im Schlaf geschlossen. Ein Keuchen entschwand seinen Lippen, als seine Fingerspitzen die Haut unter den Strähnen seines dichten, schwarzen Haares berührten, bevor er seinen Handballen auf die gleiche Stelle presste, die Zähne gepeinigt zusammengebissen. Für einen Moment runzelte Tom, verwirrt von dem seltsamen Verhalten, die Stirn, dann begriff er: die Narbe! Browns Narbe schmerzte. Aber warum? Warum jetzt? Warum so plötzlich? Bis vor einer Sekunde hatte Brown noch friedlich geschlafen, bis… Toms Zorn ihn beinahe übermannt hatte. Den Erben Slytherins beschlich eine dunkle Ahnung. Etwa… wegen ihm? War es… Toms Anwesenheit? Seine Wut? Konnte Brown es spüren? Gab es tatsächlich… eine Verbindung zwischen ihnen? Diese Narbe… Misstrauisch musterte Tom den anderen Jungen, der offensichtlich Höllenqualen leiden musste, die Zähne jedoch tief in seiner Unterlippe vergraben hatte, sodass ihm kein anderer Ton als ein leises, jämmerliches Wimmern entkam. Im Stillen war Tom beeindruckt von Browns Stehvermögen. Viele andere hätten wahrscheinlich vor Schmerzen den Schlafsaal zusammengeschrien. Gleichzeitig genoss er jedoch diesen Anblick der Pein auf Browns Gesicht so sehr, dass die Wut in seinem Inneren langsam abflaute, um einem anderen, dunkleren und intensiveren Gefühl Platz zu machen: blanke Genugtuung. Tom hoffte wahrlich von ganzem Herzen, dass Brown diese Qualen wegen ihm litt, was auch immer der Grund sein mochte. Und er würde ihm noch so viel mehr bereiten... „Was machst du da?“, drang eine kalte Stimme an Toms Ohr und ließ ihn erschrocken herumfahren. Abraxas Malfoy, beleuchtet von dem schwachen Schein einer einzigen Kugellampe an der Wand neben ihm, saß aufrecht in seinem Bett, das sonst sorgsam gekämmte Haar wirr vom Schlaf, das von Müdigkeit gezeichnete, dennoch überraschend wache Gesicht Tom zugewandt, die Augen skeptisch zusammengekniffen. Toms Herzschlag beschleunigte sich, während er hastig nach einer logischen Erklärung dafür suchte, warum er mitten in der Nacht vor Browns Bett stand, ohne Malfoys deutlichen Argwohn weiter zu steigern. Er zwang sein Gesicht eine besorgte Miene anzunehmen. „Harry hatte einen Albtraum, ich bin davon wach geworden“, log Tom in fürsorglichem, angesichts der Uhrzeit angemessen leisem Ton, dennoch laut genug, dass Malfoy ihn verstehen konnte. Nun, eine halbe Lüge, korrigierte er sich selbst mit einen Seitenblick auf Brown, dessen Gesicht sich wieder etwas entspannt hatte, der nun jedoch ganz in einem Albtraum gefangen zu sein schien. Unruhig schmiss er sich von einer Seite auf die andere, ein leises Murmeln auf den Lippen, die Bettdecke, die bis zu seinen Hüften hinabgerutscht war, mit beiden Händen fest umklammert. Tom musste sich mit aller Mühe ein Grinsen verkneifen. Hoffentlich bescherte er Brown die bösen Träume. Malfoy hob zweifelnd eine Augenbraue. „Vielleicht solltest du dich wieder hinlegen, Riddle, dann kann Brown auch in Ruhe weiterschlafen. Jeder würde einen Albtraum bekommen, wenn er im Schlaf so angestarrt wird, wie du es getan hast.“ Herausfordernd hob Malfoy das Kinn, einen trotzigen Ausdruck auf dem blassen Gesicht, den Tom ihm nur zu gerne mit einigen gezielten Flüchen ausgetrieben hätte, doch dann, mit einem Schlag, fiel ihm auf, wie still es im Schlafsaal war, abgesehen von Browns leisem Gemurmel. Es war ruhig. Zu ruhig. Alphard Blacks Schnarchen war verstummt. Tom musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um sein Gesicht nicht zu einer Grimasse zu verziehen, während er einen scharfen Blick auf Blacks Bett warf, auf dem er zwar keine Gestalt sitzen sehen, aus dessen Richtung er jedoch deutlich einen bohrenden Blick spüren konnte. Tom verkniff sich ein Schnauben. Was? Waren sie Browns Leibwächter? Passte Black jetzt auf den Neuen auf? Weil Brown ihn in Zaubertränke gedeckt hatte, obwohl es offensichtlich gewesen war, dass Black die Schuld an dem 'Unfall', wie so oft, getragen hatte? Lächerlich. Brown hatte sich nur für ihn eingesetzt, weil Tom ihn, wie er fand, zurecht bei Slughorn hatte anschwärzen wollen. Brown hatte nur etwas gesagt, um Tom Widerstand zu leisten, nicht um Black zu helfen. Und jetzt wollte Black sich in sein Spiel einmischen? Aus falscher Dankbarkeit? Was bildeten er und dieser lästige Abraxas Malfoy sich ein? Hatte Tom ihnen nicht schon eine Lektion erteilt? Musste er sie daran erinnern, was passierte, wenn sich jemand in sein Spiel einmischte? Mit einem kalten Lächeln wandte Tom sich wieder Malfoy zu. „So besorgt um den Neuen, Malfoy? Das passt gar nicht zu dir.“ Er maß sein Gegenüber mit einem warnenden Blick. Der blonde Junge blickte ihm trotzig entgegen. „Zu dir auch nicht“, erwiderte er mit fester Stimme, in der trotz all seiner Bemühungen ein leichtes Zittern mitschwang, das Tom natürlich nicht entging. Sein Lächeln wurde eine Spur breiter, eine Spur bedrohlicher, dann setzte er eine verletzte Miene auf und legte eine Hand auf seine Brust, direkt über seinem Herzen. „Das verletzt mich. Ich kümmere mich immer gut um meine Mitschüler.“ Malfoy schnaubte abfällig, erwiderte jedoch nichts. Tom musterte ihn einen Moment nachdenklich, bevor er sich umdrehte, den Blick auf Brown gerichtet, der sich nach wie vor unruhig im Schlaf regte, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen. Schutzzauber, dachte Tom abfällig, während er eine Hand hob und die schlanken Finger der unsichtbaren Mauer entgegenstreckte, die ihn von Brown trennte. Er verspürte ein leises Prickeln, als seine Fingerspitzen die Magie in der Luft berührten, eine stille Warnung, mehr jedoch nicht. Kein Schmerz! Ein überhebliches Lächeln breitete sich auf Riddles vornehmen Zügen aus. Schutzzauber konnte man leicht umgehen. Man musste nur wissen wie. Er nahm einen tiefen Atemzug, verdrängte all die wunderbaren Bilder in seinem Kopf, die Brown zu seinen Füßen kauernd um Gnade flehen zeigten, verbannte die Wut und den Hass in eine dunkle Ecke seines Herzens, bevor er langsam, um die Schutzzauber nicht durch hektische Bewegungen zu provozieren, auf den schlafenden Jungen zuging, seine Haltung angespannt, bereit zurückzuweichen, sollten es sich die Banne anders überlegen. Das Summen kehrte in seine Ohren zurück, das Prickeln auf seiner Haut verstärkte sich, doch auch dieses Mal blieb der Schmerz aus. Die Schutzzauber schienen ihn nicht als direkte Gefahr einzustufen, da Tom sich dem Beschwörer nicht wie zuvor mit bösen Absichten näherte. So einfach auszutricksen, dachte Tom mit einem überlegenen Schmunzeln, während er sich immer weiter dem Bett näherte, bis seine Knie das Gestell berührten. Seine Augen wanderten über die verkrampfte Gestalt auf der Matratze, über die Finger, die sich in das Laken krallten, die Brust, die sich hektisch hob und senkte, über die angespannten Schultern, bis zu dem verzerrten Gesicht. Tom lehnte sich leicht vor und hielt nur eine Sekunde inne, als er ein panisches Rascheln hinter sich vernahm, als würde jemand in aller Hast aus seinem Bett springen, bevor er seine langen Finger über Browns Stirn wandern ließ, um einige dunkle Strähnen seines zerzausten Haares zur Seite zu streichen. Gebannt folgten Toms Augen dem gezackten Verlauf der seltsamen Narbe, die so viele Fragen in seinem Verstand wirbeln ließ, dass ihm schwindelig wurde, doch er hütete sich davor, sie zu berühren. Er erinnerte sich nur zu gut an die Schmerzen beim letzten Mal, daher ließ er lediglich die Kuppe seines Zeigefingers über die unversehrte Haut um den Schnitt kreisen. Es schmerzte nicht, doch ein starkes Kribbeln schoss durch seinen Arm, das ihn beinahe zurückzucken ließ. Mit einem wahnsinnigen Glitzern in den hellen Augen beugte er sich hinab, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von Browns entfernt war. „Ich werde herausfinden, was du vor mir verbirgst, Harry“, versprach er ihm dunkel, seine Stimme kaum mehr als ein Wispern. Tom beobachtete, wie Brown im Schlaf die Stirn runzelte, bevor er sich auf die Seite drehte, das Gesicht von ihm abgewandt. Ein Schmunzeln umspielte Toms Lippen, während er seine Hände zu der Decke um Browns Hüften wandern ließ und sie bis zu seinem Kinn hochzog, als hätte er sich wirklich nur um Brown kümmern wollen. Mit einem hungrigen Ausdruck in den eisblauen Augen richtete Tom sich auf, dann verließ er den Kreis der Schutzzauber schnellen Schrittes, wobei er sicher ging, dass seine Bewegungen nicht hektisch wirkten, doch er konnte ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken, sobald er dem unangenehmen Prickeln entkommen war. Er blieb stehen und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, über Alphard Black, der nur wenige Schritte von ihm entfernt stand, die Hände geballt, einen feindseligen Ausdruck auf den vornehmen Zügen, der Tom beinahe hätte laut auflachen lassen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Malfoy, der noch immer auf seinem Bett saß, seine Miene betont kühl und ungerührt, doch seine Haltung wirkte um einiges verkrampfter und angespannter als zuvor. Tom grinste. Das wurde immer interessanter. „Seht ihr!“, sagte Tom in gespielt leichtem Ton. „Kein Grund zur Aufregung.“ Für einen Moment behielt er seine freundliche Miene bei, dann ließ er seine Maske fallen, das Gesicht eine Grimasse aus Hass und Abscheu, und fuhr mit leiser, bedrohlicher Stimme fort: „Also mischt euch nicht ein, wenn euch euer Leben lieb ist.“ Ohne eine Reaktion der beiden anderen Jungen abzuwarten, da er wusste, dass es mehr nicht brauchte, um sie in ihre Schranken zu weisen, welch große Reden sie auch immer schwingen mochten, ging Tom zu seinem eigenen Bett. Seine Lippen formten ein grausames Lächeln. Er konnte den morgigen Tag gar nicht erwarten. Kapitel 13: Warnhinweise ------------------------ Als Harry am Morgen des dritten Tages seiner unfreiwilligen -und nach wie vor unerklärlichen- Reise in die Vergangenheit erwachte, glaubte er, ihm müsste vor Schmerzen der Schädel platzen. Stöhnend drehte er sich auf den Rücken, hielt die Augen jedoch weiterhin geschlossen. Er presste sich eine Hand auf die Stirn, hinter der es fürchterlich pochte, die andere krallte er in etwas Weiches - seine Decke nahm er an -, die Zähne hatte er vor Pein zusammengebissen. Es fühlte sich an, als hätte eine Horde Gnome in der Nacht seinen Kopf als Fußball missbraucht. Oder als hätte Voldemort einen seiner berühmt-berüchtigten Wutanfälle, die Harry immer das zweifelhafte Vergnügen hatte hautnah mitzuerleben. Kaum hatte sich dieser beunruhigende Gedanke durch sein vor Schmerzen vernebeltes Gehirn geschlichen, riss Harry geschockt die Augen auf, halb in der Erwartung, ein Paar roter Pupillen über sich in der Luft schweben zu sehen. Doch da war niemand. Mit hämmerndem Herzen starrte Harry auf den grünen Baldachin seines Bettes, sein Atem ein einziges, panisches Keuchen in dem stillen Raum, dann wandte er langsam den Kopf zur Seite, wobei er leicht zusammenzuckte, als die Bewegung das Pochen in seinem Schädel verschärfte. Mit zitternden Fingern setzte er seine Brille auf und spähte angestrengt ins morgendliche Halbdunkel, nur um zu entdecken, dass die Betten der anderen leer und er alleine war. Harrys Herz machte einen freudigen Satz. Kein Riddle. Kein verdammter Riddle weit und breit. Für den Moment von seiner Sorge um den Ursprung seiner Kopfschmerzen abgelenkt, richtete Harry auf seine Ellenbogen gestützt den Oberkörper auf, ein erleichtertes Seufzen auf den Lippen, doch das Pochen hinter seiner Stirn erstickte das Glücksgefühl über Riddles Abwesenheit schon bald im Keim. Unruhig fuhr Harry mit einem Finger die gezackte Linie seiner Narbe nach, während seine Gedanken sich unaufhörlich im Kreis drehten. Wie so oft in den letzten Tagen sehnte er sich nach der Gesellschaft seiner besten Freunde. Mit ihnen hätte er offen über dieses seltsame Phänomen sprechen, seine Sorgen mit ihnen teilen können, ohne sich deswegen schämen zu müssen, doch sie waren nicht hier. Ron und Hermine waren in ihrer eigenen Zeit, während Harry in der Vergangenheit festsaß. Verfluchter Mist! Der einzige, dem Harry sich anvertrauen konnte, war Dumbledore. Aber wie viel durfte Harry seinem späteren Mentor erzählen, ohne Gefahr zu laufen, die Zukunft zu beeinflussen? Wie viel durfte Dumbledore wissen? Machte es überhaupt noch einen Unterschied? Hatte Harry nicht vielleicht schon alles einfach durch sein Auftauchen in dieser Zeit geändert? Und wenn ja, was hieß das dann für ihn? Gab es überhaupt noch eine Zukunft, in die er zurückkehren konnte? Existierte seine Zeit überhaupt noch? Diese und viele andere Fragen wirbelten unablässig in Harrys Kopf herum, bis er sich schließlich stöhnend zurück auf das weiche Kissen fallen ließ und das Gesicht in den Händen vergrub, damit er das Grün und Silber um sich herum nicht mehr ertragen musste. Er hatte die Schnauze ja so voll. Verdammt! Warum passierte immer ihm so eine Scheiße? Er wollte seine Freunde wiedersehen, er wollte wieder bei den Gryffindors sein! Er wollte… einfach zurück nach Hause. Bei diesem Gedanken brannte eine solche Sehnsucht in seinen Adern, dass sich Harrys Brust schmerzvoll zusammenzog und zu seinem maßlosen Entsetzen spürte er, wie ein erbärmliches Schluchzen seine Kehle hinaufsteigen wollte, was er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern versuchte. Zu allem Überfluss fingen seine Augen auch noch unter seinen Fingern an zu brennen. Tränen sammelten sich unter seinen Lidern, als er sie hastig zusammenpresste und drohten überzulaufen, doch der Schreck ließ sie sogleich wieder versiegen, als die Tür zum Schlafsaal mit einer solchen Wucht aufgestoßen wurde, dass sie lautstark gegen die Wand knallte. Pfeilschnell setzte Harry sich auf und tastete nach seiner Brille auf dem Nachttisch, während er halbblind in das Dämmerlicht starrte, die Augen leicht zusammengekniffen, um den verschwommenen Umrissen wenigstens ein wenig Schärfe zu verleihen. Im Türrahmen entdeckte Harry eine Gestalt, deren Ränder seltsam ausgefranst wirkten, aber dennoch auf die Umrisse eines Menschen schließen ließen, der etwas auf den Händen trug. Argwöhnisch beäugte Harry die verschwommene Gestalt, die langsam auf ihm zukam, da stießen seine Finger gegen den Rahmen seiner Brille. Er klemmte sie sich auf die Nase, ohne den Blick von seinem Gegenüber abzuwenden, der sich als ein breit grinsender Alphard Black entpuppte, welcher auf seinen Händen ein Tablett balancierte, das so voll beladen war mit Essen, dass es an ein Wunder grenzte, dass nicht alles seitlich hinabgerutscht war. „Morgen, Schlafmütze“, grüßte Alphard Harry ungewöhnlich munter - immerhin war es noch morgens, was normalerweise hieß, dass Alphard mehr Ähnlichkeit mit einem Zombie denn einem Menschen hatte -, was Harry so sehr überraschte, dass er sprachlos dabei zusah, wie der andere Junge sich auf sein Bett setzte und das Tablett mit den köstlich duftenden Speisen zwischen ihnen platzierte. Harrys Magen rumorte erwartungsvoll. Er hatte gar nicht gemerkt wie hungrig er eigentlich war. „Was ist?“, fragte Alphard offensichtlich amüsiert als Harry auch nach mehreren Sekunden keinen Ton herausbringen und ihn einfach nur verwirrt anstarren konnte. „Das Essen ist nicht nur zum Angucken. Hau rein.“ Wie um seine Worte zu untermalen schnappte Alphard sich ein Stück Kürbispastete und schob es sich halb in den Mund. Harry zögerte noch einen Moment, dann griff auch er beherzt zu. Für den Bruchteil einer Sekunde war ihm der Verdacht gekommen, das Essen könnte vergiftet sein - bei Slytherins konnte man nie wissen -, doch er hatte er ihn schnell wieder verworfen. Das war lächerlich. Alphard schien… nett zu sein. Und nachdem, was Harry gestern gesehen hatte, war es offensichtlich, dass er kein Gefolgsmann von Tom Riddle war. Außer natürlich, er spielte das alles nur. Dass Riddle ihm befohlen hatte, er sollte so tun, als würde er ihn leiden können, damit er sich Harrys Vertrauen erschleichen… Jetzt reichte es aber, schalt Harry sich entschieden. Er schüttelte den Kopf, um diese albernen Ideen loszuwerden. Er litt langsam unter Verfolgungswahn. Wenn er so weitermachte, würde er noch hinter jeder Ecke eine Verschwörung Riddles vermuten. Also wirklich! Nicht, dass man es ihm würde verübeln können, sollte er tatsächlich etwas paranoid werden. Die Situation, in der er sich befand, war alles andere als rosig. Wofür er ganz allein Riddle die Schuld gab. Der Typ ging ihm sogar noch mehr auf die Nerven als Malfoy! Also, der Malfoy aus seiner Zeit. Nicht der aus dieser. Der ließ ihm zum Glück seine Ruhe, auch wenn Harry sich öfters von ihm beobachtet fühlte. Aber verglichen mit dem Hohn, den Draco Malfoy immer für ihn bereit hielt, war das harmlos. Zum Glück, denn schon allein dank Riddle lagen Harrys Nerven blank. Nicht auszudenken, wenn er sich auch noch mit einem Malfoy hätte herumschlagen müssen! Dann hätte er seinem Vertsand auch gleich ade sagen können. Nicht, dass ihm das irgendjemand hätte verübeln können. Harry musste eine ganze Weile ins Leere gestarrt haben, so in seiner eigenen Welt versunken, dass er sogar vergessen hatte zu essen, denn als Alphard ihn schließlich aus seinen Gedanken riss, war das Tablett zwischen ihren Beinen nur noch halbvoll. Harry fühlte sich mit einem Mal stark an Ron erinnert. „Schlecht geschlafen, was?“, fragte Alphard, der sich, mit einer Hand auf Harrys Decke aufgestützt, locker nach hinten gelehnt hatte, während er die Finger seiner anderen genüsslich ableckte. Sein Ton war locker, entspannt, doch in seinen Augen konnte Harry erkennen, dass hinter der Frage sehr viel mehr steckte. Er konnte sich nur nicht erklären, was. Betont gleichgültig zuckte Harry mit den Achseln. „Kommt schon mal vor. Nichts weiter dabei.“ Alphard sah aus, als wollte er ihm widersprechen, tat es jedoch nicht. Harry wusste nicht, was ihm das sagen sollte. Wieder schwiegen sie eine Weile, dann gab Harry sich schließlich einen Ruck und meinte: „Hey, ich will nicht undankbar sein, oder so, aber warum...“ Hilflos wedelte er mit seiner angeknabberten Scheibe Toast in Richtung des Tabletts. Alphards silberne Augen huschten unruhig durch den Raum. Er wirkte eindeutig verlegen. „Naja… du hast mir gestern Slughorn vom Hals gehalten. Und Riddle dazu“,fügte er mit offensichtlicher Erleichterung hinzu. Er fuhr sich mit einer Hand durch das lange Haar. „Du hättest mich locker verpfeifen können, hast es aber nicht getan. Nicht gerade Slytherin, um ehrlich zu sein.“ Er zwinkerte Harry verschwörerisch zu, was diesem ein Grinsen aufs Gesicht zauberte. Er hatte ja gar keine Ahnung, wie egal Harry das war. „Wie dem auch sei“, fuhr Alphard mit einem Achselzucken fort, während seine Finger abermals auf der Decke auf das Tablett zu glitten, das Harry jedoch hastig in Sicherheit und außerhalb seiner Reichweite brachte, da er sonst wahrscheinlich Gefahr gelaufen wäre, auch diesen Morgen hungrig zum Unterricht gehen zu müssen. Was ihn auf einen Gedanken brachte. Wie spät war es eigentlich? Alphard grinste ihn breit an. „Ich schulde dir was dafür, dass du dicht gehalten hast. Also hatte ich die geniale Idee, ich begleiche das, indem ich dich vor dem Verhungern bewahre.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ er seinen Blick kritisch über Harrys Körper wandern. „Du bist viel zu dünn, ist dir das eigentlich klar.“ Harry schnaubte belustigt. Als würde er das nicht schon oft genug von Mrs. Weasly zu hören bekommen. Wie zum Trotz stopfte sich Harry eine Scheibe gebratenen Speck in den Mund. Alphard schien das äußerst komisch zu finden, denn er ließ ein bellendes Lachen hören, das Harry so sehr an Sirius erinnerte, dass er sich verschluckte. Hastig legte er sich eine Hand auf den Mund und beugte sich nach vorne, während er krampfhaft versuchte, das Essen runter zu würgen. Ein Schlag traf ihn auf den Rücken, so stark, dass er ein ganzes Stück nach vorne ruckte und beinahe vom Bett gefallen wäre. Mit einiger Anstrengung gelang es Harry, den Bissen runter zu schlucken. „Alles klar?“, fragte Alphard eher amüsiert als ernsthaft besorgt, während er Harry weiterhin auf den Rücken klopfte, wenn auch um einiges sachter als zuvor. Nach Atem ringend hielt Harry einen Daumen in die Höhe, was Alphard abermals zum Lachen brachte, doch dieses Mal war Harry davor gewappnet, sodass er sich kein weiteres Mal verschluckte. Mit leicht zittrigen Fingern griff Harry abermals nach dem Tablett, die Augenbrauen misstrauisch zusammengezogen, als sein Blick auf das Essen fiel. Meinte er das nur, oder fehlte etwas von der Kürbispastete? Aus dem Augenwinkel schielte er zu Alphard hinüber, der ihn vollkommen unschuldig anlächelte. Harry kaufte es ihm nicht ab. Der Mistkerl hatte den Moment der Ablenkung genutzt, um sich noch mehr von dem Essen zu stibitzen. „Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Harry einen Deut missmutig, während er die letzte Scheibe Toast mampfte. Alphard winkte ab. „Keine Bange, wir haben noch etwas Zeit, Kleiner.“ Harrys Blick verfinsterte sich. „Nenn mich nicht so.“ Missmutig schnappte er sich den letzten Speck. „Wie?“, fragte Alphard arglos, sein Gesicht eine Maske der Unschuld, als hätte er keine Ahnung, worüber Harry sich ärgerte, doch das leichte Zucken seiner Mundwinkel verriet ihn. Harry hätte beinahe frustriert geknurrt. „Das weißt du genau.“ Alphard grinste schief. „Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest.“ „Kleiner!“, rief Harry schließlich ungehalten aus, nachdem er den Rest des Specks runter gewürgt hatte. Das Tablett war jetzt bis auf einige Krümel leer. „Du sollst mich nicht so nennen. Ich habe einen Namen.“ Alphard zuckte grinsend mit den Achseln. „Den kenne ich nicht.“ „Klar kennst du den!“, grollte Harry verärgert, da er sich ganz deutlich daran erinnerte, dass Alphard ihn gestern damit angesprochen hatte. Herausfordernd blickte er dem anderen Jungen in die Augen, der auf einmal gar nicht mehr amüsiert wirkte, ganz im Gegenteil. Alphard wirkte ungewohnt ernst. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, seine Augen hatten einen scharfen Ausdruck angenommen, seine Züge wirkten hart und unnachgiebig. Etwas verunsichert wich Harry vor ihm zurück, die Wut in seinem Innern nur noch ein leises Echo. Eine angespannte Atmosphäre hing zwischen ihnen in der Luft. Alphard musterte ihn mit schmalen Augen. „Tue ich das?“ Harry schluckte. Scheiße, scheiße, scheiße. War Alphard doch einer von Riddles Speichelleckern? Hatten sie ihn reingelegt? Sollte er ihm für Riddle seine Geheimnisse entlocken? War das Riddles neue Taktik? War er deshalb nicht hier, nachdem er Harry die letzten Tage unentwegt auf die Pelle gerückt war? Harry versuchte sich an einem Lachen, doch selbst in seinen Ohren klang es schrecklich nervös. „'türlich kennst du ihn. Harry Brown, schon vergessen? Schläfst du etwa noch?“ Für einen Augenblick, der sich für Harry wie eine Ewigkeit anfühlte, hüllte Alphard sich in ein angespanntes Schweigen, dann verzogen sich seine Lippen zu einem schiefen Grinsen, das allerdings die Härte nicht aus seinen Augen vertrieb. „Vielleicht. War eine seltsame Nacht.“ Harry lag die Frage auf der Zunge, was denn so Seltsames geschehen ist, doch er hielt sich zurück. Er hatte das Gefühl, gerade nur knapp mit heiler Haut davongekommen zu sein, da musste er sein Glück ja nicht gleich wieder auf die Probe stellen. Mit einem leisen Stöhnen streckte Alphard die Arme über seinen Kopf, dann sprach er mit einem Seitenblick auf den kürzeren Jungen: „Was hast du eigentlich heute in der ersten Stunde?“ Harry, von dieser Frage etwas überrumpelt, versuchte sich zu erinnern, welcher Tag heute war - die Zeitreise hatte alles durcheinander gebracht - dann ging er seinen Stundenplan benommen in seinem Kopf durch, bis er schließlich äußerst widerwillig „Wahrsagen“ murmelte. Toll, eines seiner Hassfächer. Harry freute sich ungemein. Er konnte sich kaum vorstellen, dass es in der Vergangenheit interessanter werden würde als in der Zukunft. Naja, wenigstens würde er Trelawney nicht ertragen müssen. Das war doch schon mal ein Lichtblick des Tages. Seufzend wandte Harry den niedergeschlagenen Blick Alphard zu, runzelte jedoch die Stirn, als er die leise Panik auf dem Gesicht des anderen Jungen bemerkte. „Wahrsagen ist oben in einem der Türme, oder?“, fragte er etwas nervös mit einem unsicheren Seitenblick auf eine Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Harry nickte langsam, auch wenn er keine Ahnung hatte, wo genau Wahrsagen in der Vergangenheit stattfand. Er hoffte einfach mal, dass es der gleiche Raum war wie in seiner Zeit, sonst hatte er ein ernsthaftes Problem. Alphard erhob sich hastig von Harrys Bett. „Dann musst du dich beeilen! Wenn du hoch in einen Turm musst, wird es ganz schön knapp.“ Harry schaute ihn verwirrt an. „Wieso, wir sind doch…“ In den Kerkern, beendete er seinen Satz stumm, während er mit einem lauten „Scheiße“ vom Bett sprang. So schnell wie noch nie zuvor hatte er seinen Schlafanzug gegen seine Uniform getauscht, sich die Zähne mehr schlecht als recht geputzt, war einmal mit einer Hand durch seine schwarzen Locken gefahren, was alles nur noch schlimmer gemacht hatte, sodass er zehn Minuten später, seine Tasche unter den Arm geklemmt und seine Krawatte lose um den Nacken drapiert, durch die Korridore hastete, Alphard zu seiner Überraschung, dicht auf den Fersen, der ihm keuchend Anweisungen gab, in welche Richtung Harry musste. Zu seiner maßlosen Erleichterung war es derselbe Weg wie in seiner Zeit. „Warte mal“, keuchte Alphard, als Harry den Fuß auf die erste Stufe einer Treppe gesetzt hatte, die in die oberen Stockwerke des Schlosses führte. Ungeduldig und völlig außer Atem drehte Harry sich zu ihm um. „Ja?“ Alphard hatte sich mit einer Schulter gegen die kühle Wand gelehnt, das Gesicht rot vor Anstrengung, als wäre er soeben einen Marathon gelaufen, sein schwarzes Haar wirkte zerzaust und klebte ihm auf der verschwitzten Stirn. Harry nahm an, dass er kaum ein besseres Bild abgab. „Der Raum für Wahrsagen ist da oben, glaube ich“, stieß Alphard zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor. Eine Hand hatte er sich auf die Seite gepresst, mit der anderen wischte er sich einige feuchte Strähnen aus dem Gesicht. „Ich muss zu Runenkunde. Findest du den Rest allein?“ Harry zögerte, unsicher, ob es verdächtig wirken würde, wenn er ihm sagte, dass er schon zurecht kommen würde, wischte seine Bedenken jedoch schnell wieder beiseite. „Kein Problem“, erwiderte er mit einem Nicken in Richtung Alphard, der unglaublich erleichtert wirkte. Wahrscheinlich graute es ihm davor, den ganzen Weg hoch zur Spitze des Turmes rennen zu müssen. „Danke für die Hilfe. Bis später.“ Harry setzte gerade zum Spurt die Treppe hoch an, da hielt ihn Alphard abermals zurück. Etwas genervt wandte Harry sich wieder zu ihm um. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf das steinerne Geländer der Treppe, während er darauf wartete, dass Alphard, der mit sich selbst zu hadern schien, endlich mit der Sprache herausrückte. „Kleiner“, begann Alphard nach wenigen Sekunden, doch Harry unterbrach ihn sofort wieder. „Harry.“ Alphard blinzelte, dann breitete sich ein schiefes, dieses Mal echtes, wenn auch verschlagenes Grinsen auf seinen vornehmen Zügen aus. „Harry, Kleiner.“ Harry sog scharf die Luft ein, um die Wut, die in seinen Adern kochte, im Zaum zu halten. „Was?!“, fragte er schroff, was Alphard nur noch breiter grinsen ließ. Harry verwünschte ihn stumm auf jede erdenkliche Weise. Doch dann verschwand das Grinsen aus Alphards Gesicht, um einem ernsten, eindeutig besorgten Ausdruck Platz zu machen, der Harry bei ihm irgendwie fehl am Platz vorkam. Alphard wirkte wie jemand, der sich um nichts und niemanden Sorgen machte. „Hör mal“, begann Alphard langsam, besonnen, als würde er jedes seiner Worte genau abwägen, dann schaute er sich hastig um, wie um sicherzugehen, dass sie niemand belauschte, bevor er mit leiser Stimme fortfuhr: „ich weiß nicht, was zwischen dir und Riddle vorgefallen ist, aber ich finde es gut, dass du dich gegen ihn wehrst. Wirklich. Es ist an der Zeit, dass ihm mal jemand Kontra gibt. Aber...“, er senkte seine Stimme bis sie nicht mehr als ein Flüstern war, sodass Harry sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen, „aber du solltest vorsichtig sein. Du hast keine Ahnung, wozu Riddle fähig ist.“ Harry gelang es nur mit Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Oh, wenn Alphard nur wüsste… „Ich kann es mir ganz gut vorstellen, um ehrlich zu sein“, entgegnete Harry mit einem leisen Schmunzeln, das sich trotz aller Anstrengung auf sein Gesicht geschlichen hatte. Alphard wirkte alles andere als überzeugt. „Glaub mir, du hast keine Ahnung.“ Ein gehetzter, beinahe… ängstlicher Ausdruck trat in seine silbernen Augen. „Riddle ist gefährlich. Nimm dich lieber in Acht. Wenn er ernst macht, ist mit ihm nicht zu spaßen. Momentan ist das alles noch ein Spiel für ihn und du solltest hoffen, dass es auch so bleibt.“ Er musterte Harry, der nicht wusste, wie er auf Alphards Warnung reagieren sollte, dass er sich das alles schon mehr oder weniger selber zusammengereimt hatte, einige Sekunden lang nachdenklich bevor in sanfterem Ton hinzufügte: „Niemand in Slytherin wird sich offen auf deine Seite stellen, nicht wenn dein Gegner Riddle ist. Und auch aus den anderen Häusern solltest du keine Hilfe erwarten. Schon gar nicht die Gryffindors, auch wenn sie Riddle wohl am wenigsten leiden können.“ Harry musste ihm recht geben, wenn auch etwas wehmütig. In seiner Zeit hatte er sich immer auf die Unterstützung der Gryffindors verlassen können, wenn es hart auf hart kam. Alphard legte ihm eine starke Hand Schulter, das Gesicht seltsam verzogen, als würde er sich selbst verabscheuen. „Ich kann es mir nicht leisten, meine Position in Slytherin zu gefährden, indem ich dir vor den Augen aller helfe, aber ich könnte...“ Bevor Alphard weitersprechen konnte, brachte Harry ihn mit einem entschiedenen Kopfschütteln zum Schweigen. „Ich weiß, was du sagen willst und danke, aber nein, danke. Das hier geht nur Riddle und mich etwas an. Ich werde niemanden sonst damit hineinziehen.“ Von einer grimmigen Entschlossenheit erfüllt, blickte Harry geradewegs in Alphards bleiches Gesicht, das ein perfektes Spiegelbild des Schocks und des Grauens darstellte, die in seinen vor Überraschung geweiteten Augen tanzten, bevor er die mit einem Mal kraftlose, schwache Hand von seiner Schulter mit einem Ruck abschüttelte und die Stufen in Richtung vierten Stock hinaufstieg, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er war Alphard für seine Worte durchaus dankbar; es tat gut zu wissen, dass es auch in dieser Zeit Menschen gab, denen er nicht vollkommen egal war, auch wenn er sich immer noch nicht ganz sicher war, ob er dem jungen Black trauen konnte, doch letztendlich war Riddle sein Problem. Schon immer gewesen. Seit er Harry, als er gerade mal ein Jahr alt gewesen war, die Narbe auf seiner Stirn verpasst hatte. Und er würde nicht zulassen, dass am Ende noch jemand wegen ihm verletzt werden würde. Diese Schuld konnte er nicht ertragen. 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