Schatten der Vergangenheit von Zerina ================================================================================ Kapitel 8: Kindermädchen ------------------------ Lustlos folgte Harry dem langen, in helles Mondlicht getauchten Gang vor Dumbledores Arbeitszimmer in Richtung der Kerker, seiner Folterkammer für die nächsten Wochen, wie er befürchtete. Alles in ihm sträubte sich dagegen, auch nur eine weitere Nacht in den dunklen, ungemütlichen Gemäuern umgeben von potenziellen Todessern zu verbringen, doch wo sollte er sonst hin? Bei den Gryffindors um Asyl betteln? Ha, ha, sehr witzig. Für sie war er eine Schlange, nichts anderes. Sollte er vor ihrem Geimeinschaftsraum auftauchen und um Einlass bitten, würden sie ihn wahrscheinlich ohne zu zögern von der Spitze des höchsten Turmes stoßen. Der Astronomie-Turm wäre dafür eine gute Wahl. Harry machte ihnen deswegen keinen Vorwurf, immerhin konnten sie nicht wissen, dass er im Grunde seines Herzen ein Löwe war, allerdings erschwerte das alles seine Situation um einiges. Wie einfach hätte sein Aufenthalt in der Vergangenheit sein können, wenn er wenigstens in das Haus der Gryffindors sortiert worden wäre. Daran war nur dieser verdammte Hut Schuld. Harry schwor blutige Rache an dem ledernen Verräter. Deprimiert seufzend bog er um die Ecke am Ende des Ganges, so tief in seinen Gedanken versunken, dass er den dunkelhaarigen Jungen, der lässig im schwachen, orangenen Schein einer Fackel an der steinernen Wand lehnte, erst bemerkte, als dieser ihm mit seiner dunklen, melodischen Stimme den nächsten Schock seines Lebens verpasste. „Guten Abend, Harry.“ Vor Schreck machte der Gryffindor einen gewaltigen Satz zur Seite, wodurch er hart mit der Schulter gegen die unnachgiebige Mauer zu seiner Linken stieß. Er fluchte leise, als ein scharfer Schmerz durch seinen Arm bis in seine Fingerspitzen schoss. Verärgert über sein schreckhaftes Verhalten, rieb er sich mit der rechten Hand über die pochende Schulter. Das würde einen blauen Fleck geben. Naja, vom Quidditch war er schlimmeres gewöhnt. Erst als der Schmerz langsam abebbte und sich sein rasender Herzschlag langsam wieder normalisierte, richtete Harry seinen Blick auf die junge Version seines Erzfeindes, der ihn süffisant angrinste. Mistkerl. „Was willst du, Riddle?“, fragte Harry verstimmt, während er sich ebenfalls mit dem Rücken an die Wand lehnte, direkt gegenüber des Möchtegern-Lords, der jeder seiner Bewegungen mit seinen strahlend blauen Augen zu folgen schien. Wie unheimlich. „Ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht“, behauptete Riddle in angemessen fürsorglichem Ton, sodass niemand, der sein wahres Gesicht nicht kannte, an der Ehrlichkeit seiner Worte zweifeln konnte. Gut, dass Harry es besser wusste. Er stieß ein abfälliges Schnauben aus, was Riddle mit einem wissenden Lächeln quittierte. „Du bist vor dem Abendessen einfach so verschwunden“, fuhr der Möchtegern-Lord nun übertrieben besorgt klingend fort, stieß sich von der Wand ab und kam zielstrebig mit langsamen Schritten auf Harry zu, während er ihn mit seinen blauen Augen taxierte, wie ein Raubtier seine Beute. Alarmiert spannten sich Harrys Muskeln an, bereit zum Kampf, sollte Riddle auf irgendwelche dumme Ideen kommen. Dank der zahlreichen Scharmützel, die er sich mit den Lakaien des Dunklen Lords über die Jahre geliefert hatte, wusste er sich zur Wehr zu setzen. So leicht würde er ihn bestimmt nicht überrumpeln können. Riddle sollte sich besser warm anziehen. Eisige Augen glitten über Harrys Körper, bevor sie mit einem gefährlichen Blitzen zu seinem Gesicht zurückkehrten. Riddles Lippen verzogen sich zu einem perfekten Lächeln. „Es wäre doch eine Schande, wenn sich der Neue am seinem ersten Tag verlaufen und ihm etwas Schlimmes zustoßen würde, nicht wahr?“ Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an, der die Wut in Harrys Innern zum Kochen brachte. Wenn Riddle dachte, dass er so leicht einzuschüchtern wäre, hatte er sich geschnitten. Einen Schritt von Harry entfernt blieb der andere stehen, dieses beunruhigende, falsche Lächeln nach wie vor auf seinen Lippen. „Vor allem, da ich versprochen habe, auf dich aufzupassen, Harry.“ Der junge Gryffindor bedachte sein Gegenüber mit einem vernichtenden Blick. „Ich brauche kein Kindermädchen, schönen Dank auch.“ „Das sehe ich anders“, erwiderte Riddle verdächtig gut gelaunt. „Hast du eine Ahnung, wie spät es schon ist? Kleine Kinder gehören um diese Zeit eigentlich ins Bett.“ Er lehnte sich leicht vor, seine Augen blitzten amüsiert, während Harry all seine Selbstbeherrschung aufbringen musste, um diesen selbstgerechten Mistkerl nicht zu erwürgen. Er war so kurz davor! „Du hast wirklich Glück, dass du mich getroffen hast, Harry“, teilte Riddle ihm zuvorkommend mit und kam einen weiteren Schritt auf den jungen Gryffindor zu, sodass die Spitzen ihrer Schuhe sich beinahe berührten. Ja, was war doch für ein Glückskind. Er konnte seine Begeisterung kaum in Grenzen halten, dachte Harry sarkastisch, während er sich dichter an die Wand hinter ihm presste, um wenigstens einige Zentimeter mehr Abstand zwischen sich und Riddle zu bringen. „Wage ich zu bezweifeln“, rutschte es ihm unwillkürlich heraus, wofür er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte, wenn das nicht so verdammt wehtun würde. Musste er Riddle auch noch herausfordern? Warum konnte er sich nicht einfach fügen und seine Klappe halten? Sein Verhalten machte alles nur noch schlimmer! Riddles Lächeln wurde eine Spur dunkler, bedrohlicher, dann riss er seine Augen auf und bedachte Harry mit einem verletzten Blick. Dem Gryffindor lief ein Schauer über den Rücken. Wirklich unheimlich, wie gut er seine Miene unter Kontrolle hatte. „Aber, Harry, warum bist du denn so abweisend??“, fragte Riddle in gekränktem Ton, den er sich hätte sparen können, da Hrarry ihm dieses Schauspiel nicht auch nur für eine Sekunde abkaufte. „Ich will dir doch nur helfen. Wärst du einem anderen Vertrauensschüler um diese Zeit in die Arme gelaufen, hättest du jetzt eine Strafarbeit am Hals.“ Harry bedachte sein Gegenüber mit einem misstrauischen Blick. „Und was hast du vor?“ „Ich?“ Riddle legte eine überraschte Miene auf. „Hilfsbereit, wie ich bin“, Harry musste ein weiteres Schnauben unterdrücken, „werde ich dir den Weg zurück in die Kerker zeigen. Nicht, dass du noch einmal an deinem ersten Tag verloren gehst.“ Riddle blendete ihn mit einem strahlenden Lächeln, dann, plötzlich, ohne Vorwarnung streckte er eine Hand aus, was Harry augenblicklich eine abwehrende Haltung einnehmen ließ, bereit zum Kampf. Hastig duckte er sich in Erwartung eines Angriffs zur Seite, doch schon versperrte ihm Riddles Arm, den er gegen die Wand hinter Harry gestützt hatte, den Weg. Harry wandte den Kopf nach rechts, wo ihn, wie er mit wild hämmerndem Herzen feststellen musste, das gleiche Bild erwartete. Riddle hatte ihn in der Zange. Verdammt! Harrys rechte Hand schnellte zu seinem Zauberstab in seiner Robe. Was dachte Riddle, was er hier tat? Was hatte er vor? Wollte er Harry einschüchtern? Ihm Angst einjagen? Harry blickte sein Gegenüber zornig an. Warum, zum Teufel, lächelte dieser Mistkerl immer noch? In diesem Moment hätte der Gryffindor alles darum gegeben, es ihm auszutreiben! Mit einem entspannten Ausdruck auf dem hübschen Gesicht beugte sich der Möchtegern-Lord zu Harry vor, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten und sein warmer Atem über seine Wange strich, was den jungen Gryffindor beinahe würgen ließ. Seine linke Hand ballte sich zur Faust, während die andere den Zauberstab fester umklammerte, in dem Versuch, die brodelnde Wut in seinen Adern zu unterdrücken. Alles in ihm schrie danach, Riddle an die Gurgel zu gehen. „Warum so nervös, Harry?“, fragte Riddle in leichtem Ton, der im kompletten Widerspruch zu seinem Verhalten stand. „Hast du Angst, ich könnte dir etwas tun?“ Nein, warum sollte er, dachte Harry sarkastisch. Diese ganze Situation war schließlich vollkommen normal. Nicht bedrohlich, kein bisschen. Laut sagte er jedoch gereizt: „Was soll das, Riddle?“ Der Möchtegern-Lord blickte ihn unschuldig an. „Ich wollte dich nur warnen.“ „Und vor was?“, fragte Harry zornig, während er sein Gegenüber aufmerksam beobachtete. Sollte er auch nur den Ansatz einer verdächtigen Bewegung bei Riddle bemerken, würde er ihn ohne zu zögern verfluchen. Blaue Augen bohrten sich in seine, ein leises, erwartungsvolles Knistern lag in der Luft, das Harry die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Jede Sekunde rechnete er mit einem Angriff von Riddle, doch er wartete vergebens. Stattdessen lehnte sich der blauäugige Junge wieder zurück, wodurch er auch die angespannte Atmosphäre zwischen ihnen brach. Doch Harry erlaubte sich nicht aufzuatmen. In Riddles Gegenwart musste er jeden Moment auf der Haut sein. Er durfte sich keine Schwäche erlauben, wenn er seine Geheimnisse bewahren wollte. „Weiß du, Harry“, begann Riddle in sanftem, belehrendem Ton, als müsste er einem kleinen Kind etwas vollkommen Offensichtliches erklären, was den Zorn in Harry abermals anheizte, „Slytherins mögen es ganz und gar nicht, wenn einer aus ihrer Mitte sich bei dem Hauslehrer der Löwen einschleimt.“ Seine Auge wurden hart, berechnend, doch das Lächeln blieb auf seinem Gesicht haften als wäre es dort eingemeißelt. „Du willst es dir doch nicht direkt am ersten Tag mit deinem Haus verscherzen, nicht wahr?“ Der bedrohliche Unterton war in seine Stimme zurückgekehrt, doch Harry ließ sich davon nicht beeindrucken. Wenn, dann stachelte Riddle seine Wut damit nur weiter an. Ausgerechnet vom dem Jungen als 'Schleimer' beschimpft zu werden, der alles und jeden um sich herum tagtäglich mit seinen Lügen hinters Licht führte, der mit seinem Schauspiel des Musterschülers sein wahres, grausames Gesicht verbarg, um sich die Sympathie der anderen Schüler zu sichern, brachte das Fass zum Überlaufen. Zornig funkelte er den größeren Jungen mit dem perfekten Lächeln auf seinem achso perfekten Gesicht an. Gott, wie Harry dieses Wort zu hassen begann. Er setzte zu einer ungehaltenen Antwort an, schaffte es jedoch, sich selber im letzten Moment davon abzuhalten, sie diesem selbstgerechtem Mistkerl um die Ohren zu hauen, indem er seinen Mund geräuschvoll zuklappte und die verhängnisvollen Worten hinunterwürgte, bevor ihm auch nur ein Laut über die Lippen kam. Die Mühe, die er für diese Aktion aufbringen musste, zwang ihn beinahe in die Knie. Wie gerne hätte er Riddle in diesem Moment seine perfekte Nase gebrochen! Für wen hielt sich dieser aufgeblasene Wichtigtuer eigentlich? Es interessierte Harry einen Dreck, was die Slytherins von ihm dachten! Am liebsten hätte er Riddle genau das offen ins Gesicht gesagt. Aber er durfte nicht. Wütend biss Harry sich auf die Zunge. Er durfte nicht austicken. Er musste sich unauffällig verhalten, seine Präsenz mindern, sodass ihn niemand bemerkte, um keinen Einfluss auf die Geschichte zu nehmen. Das hatte er doch gerade erst in Dumbledores Büro aus eigener Überzeugung beschlossen gehabt! Also warum verstieß er schon wenige Minuten danach gegen seine eigenen Worte? Er musste lernen, sich in Riddles Gegenwart zusammenzureißen, damit dieser sein Interesse wieder an ihm verlor. Verdammt, es war schwierig, aber er durfte sich nicht einmischen, sonst gäbe es bald keine Zukunft mehr, in die er hätte zurückkehren können. Er musste die Konsequenzen, die jede seiner Aktionen mit sich führen könnte, zu jeder Sekunde im Hinterkopf behalten. Er durfte sich von Riddle nicht zum unbedachten Handeln hinreißen lassen. In dem verzweifelten Versuch, sich zu beruhigen, holte Harry mehrere Male zitternd Luft, sich der blauen Augen, die ihn die ganze Zeit über beobachteten, unangenehm bewusst, dann zwang er einen betroffenen Ausdruck auf sein Gesicht, auch wenn es ihn einiges an Mühe kostete. Verdammt, es kostete ihn alles an Kraftreserven, die ihm nach diesem Tag noch auf den Beinen hielten! „Natürlich nicht“, murmelte Harry leise, um schwach und... nunja, unterwürfig zu wirken. Hoffentlich kaufte Riddle ihm das ab. Harry hatte seine Zweifel, ging aber sogar noch einen Schritt weiter: „Tut mir leid, das war heute alles etwas zu viel für mich.“ Harrys Hand umklammerte seinen Zauberstab so fest vor unterdrückter Wut , dass er schon befürchtete, das Holz würde unter seinen Fingern zersplittern. „Ich sollte dich nicht so anfahren. Bisher warst du ja... sehr nett“, presste er angestrengt hervor, brachte dann aber sogar noch, zu seiner großen Überraschung, ein Lächeln Zustande. Es gefiel ihm gar nicht, sich so duckmäuserisch zu geben, nein, das war eine Untertreibung: es widerte ihn an, aber wenn ihm Riddle dieses Verhalten vom Leib halten sollte, nahm er es in Kauf. Hauptsache, er wurde den Schleimbeutel los. Für einen Moment musterten die blauen Augen Harry lediglich kritisch, schienen hinter die Fassade, die Harry mit größtem Kraftaufwand aufrecht zu erhalten versuchte, blicken zu wollen, doch schließlich gab Riddle auf. Er ließ seine Arme sinken und trat einen Schritt zurück, wobei seine Miene seltsam enttäuscht wirkte, als hätte er sich eine andere Reaktion von Harry erhofft gehabt, doch nur den Bruchteil einer Sekunde später blendete er den Gryffindor abermals mit seinem falschen Lächeln, das jeden anderen Ausdruck von seinem Gesicht gewischte. Etwas überrumpelt von Riddles unerwartetem Rückzug, warf Harry ihm einen verwirrten Blick zu, während er die Hand, die noch immer seinen Zauberstab umklammerte, langsam lockerte, da legte der größere Junge plötzlich einen Arm um seine Schultern und zog ihn an seine Seite. Harrys Körper verkrampfte sich augenblicklich, der Griff um seinen Zauberstab verstärkte sich. Geschockt starrte Harry in Riddles übertrieben freundliches Gesicht. „Keine Sorge, Harry, ich bin nicht sauer“, verkündete Riddle beschwichtigend. Na, da war er aber froh, dachte Harry trocken. Er könnte den Gedanken nicht ertragen, sollte er Riddle mit seinen Worten verletzt haben. Widerwillig ließ er sich von dem Möchtegern-Lord, eng an dessen Körper gepresst, den nächsten Gang hinunterführen, darum bemüht, aufgrund der Nähe seines Todfeindes nicht laut zu würgen. Die langen Finger des anderen Jungen gruben sich beinahe schmerzhaft in seine bereits ramponierte Schulter. Das tat der Heuchler mit Absicht, davon war der Gryffindor überzeugt. „Komm, bringen wir dich ins Bett“, wies Riddle mit einer Stimme an, die abermals so klang, als wäre sie bei einem Gespräch mit einem Kleinkind angebrachter. „Da der Tag für dich so anstrengend war, solltest du dich gut erholen.“ Harry sagte dazu nichts. Warum auch? Wahrscheinlich war genau das der Kern des Problems. Er ließ sich von Riddle zu leicht reizen. Vielleicht sollte er die Provokationen des jungen Lords einfach ignorieren, bis dieser schließlich aufgab und ihm seine Ruhe ließ. Oder er könnte ihn nett darum bitten, was höchst wahrscheinlich in demselben Szenario enden würde, wenn Harry Riddle richtig einschätzte: beides würde den Möchtegern-Lord lediglich dazu anspornen, seine Bemühungen, Harry in den Wahnsinn zu treiben, zu verstärken. Toll. Harry war begeisert. Deprimiert über seine eigenen Gedanken, stieß der Gryffindor einen stummen Seufzer aus. Wie sollte er auch nur noch einen weiteren Tag in dieser Zeit überstehen ohne durchzudrehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)