Down Hill 2: Efrafa von Sky- ================================================================================ Kapitel 3: Dr. Helmstedter -------------------------- Einige Tage vergingen, in denen Mellos Fieber unverändert blieb. Die meiste Zeit verbrachte er mit Essen, Trinken und Schlafen und wenn er gerade nicht schlafen konnte, unterhielt er sich mit Echo, oder hörte zu, wie Rhyme ihm etwas vorlas. Schließlich war der Junge wieder so weit gesund, dass er die Quarantänestation verlassen konnte und das bedeutete, dass Mello erst mal wieder alleine war. Die Zeit in Quarantäne war wirklich anstrengend, vor allem weil sie so langweilig war. Notgedrungen hatte er damit angefangen, Bücher zu lesen, da er sich während seiner Wachphasen ja irgendwie beschäftigen musste, um nicht noch vor Langeweile draufzugehen. Schließlich aber kam eines Tages überraschend Besuch, mit dem er gar nicht gerechnet hatte. Es war Kaonashi, der durch einen der Luftschächte hereingekommen war. Wie immer trug er seine Maske und den langen khakifarbenen Kapuzenmantel. „Hey, dir scheint es ja ganz gut zu gehen wie ich sehe“, bemerkte er und setzte sich auf das leere Bett neben Mello. „Und? Wie ist dein Eindruck so bisher von Efrafa?“ Mello fragte sich, was Kaonashi wohl hier zu suchen hatte, aber er ahnte, dass er höchstwahrscheinlich keine Antwort darauf bekommen würde und entschloss sich einfach dazu, ehrlich zu antworten. „Nun ja, außer der Quarantänestation hab ich bisher nicht viel gesehen. Dafür bin ich aber schon Rhyme, Birdie und Christine begegnet und diesem Jungen namens Echo. Die scheinen hier eine sehr strenge Ordnung in diesem Lager zu haben.“ „Das kann man wohl sagen. Efrafa ist besser organisiert als jedes andere Lager hier in Down Hill. Das ist auch der Grund, warum sie so stark sind. Sie beschützen einander und haben ein strenges, aber dennoch geordnetes Regime, in welchem jeder seinen vorgesehenen Platz hat. Eigentlich ist es der perfekte Ort für Rookies, wenn es da nicht einen entscheidenden Haken gäbe.“ „Und der wäre?“ Kaonashi verschränkte die Arme und schwieg einen Moment. Irgendetwas ging ihm in diesem Moment durch den Kopf, nur konnte man wegen der Maske nicht sehen, was er gerade dachte oder fühlte. Doch allein schon an seiner Körpersprache ließ sich erkennen, dass er wegen irgendetwas wütend war. Er kämpfte mit einem tief sitzenden Hass oder Groll. „Der Shutcall von Efrafa hat sich mit dem Teufel eingelassen und beschützt ihn. Antworte mir mal ehrlich: was ist für dich ein Monster? Ist es ein Mensch, der durch eine Verkettung schrecklicher Umstände seine Menschlichkeit verliert, jemand der nie Menschlichkeit besessen hat oder jemand, der nur nach außen hin seine Menschlichkeit verloren hat?“ Was sollte diese Frage jetzt? Irgendwie verstand Mello nicht so wirklich, warum Kaonashi ihn ausgerechnet so etwas fragte, aber er hörte schon von der Stimme her, dass ihm diese Frage anscheinend sehr wichtig war. Er stellte sie nicht nur deshalb, um ihn zu testen, oder um ihn auf eine bestimmte Lösung zu bringen. Nein, diese Frage war auch emotionaler Natur und das hatte er bisher noch nicht erlebt. Also dachte er nach und kam zu dem Entschluss „Also das größte Monster ist jemand, der noch nie Menschlichkeit besessen hat. Danach würde ich den wählen, der seine Menschlichkeit verliert und zu einem Monster wird.“ „Verstehe“, sagte der Maskierte und nickte. „Dann wären wir beide der gleichen Ansicht. Ich will dir deshalb einen guten Ratschlag geben, den du besser beherzigen solltest, wenn du eines Tages hier tatsächlich rauskommen willst: halte dich von Dr. Helmstedter fern und sag ihm nichts von deiner Begegnung mit Umbra. Sprich am besten mit niemandem darüber und belass es dabei, dass ich dich hergebracht habe. Glaub mir, es wird nichts Gutes dabei herauskommen, wenn du aus dem Nähkästchen plauderst und mit den falschen Leuten darüber sprichst. Ansonsten wirst du selbst hier in Efrafa nicht mehr sicher sein.“ „Wieso denn?“ fragte Mello, der nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte. „Wer oder was ist denn bitteschön Umbra?“ „Vielleicht erinnerst du dich noch an den Typen mit Kapuze, dessen Gesicht man nie sieht. Er geistert schon seit Jahren hier in Down Hill herum, taucht ebenso plötzlich auf wie er verschwindet und Kugeln können ihn scheinbar nicht töten. Da er der menschlichen Sprache nicht mächtig ist und Worte nicht zu verstehen scheint, existiert die Theorie, dass es sich um einen Häftling handelt, der im Hell’s Gate aufgewachsen ist und dann irgendwie in die obere Ebene gelangt ist. Aber Fakt ist: Umbra ist ein Monster der zweiten Art. Es war mal ein Mensch und für seinen jetzigen Zustand ist Dr. Helmstedter verantwortlich.“ Wie jetzt? Irgendwie verstand der 24-jährige gar nichts mehr und musste sich das von Kaonashi näher erklären lassen. „Dr. Helmstedter forscht seit Jahrzehnten am perfekten Menschen und schreckt dabei auch nicht vor Experimenten an lebenden Körpern zurück. Entweder malträtiert er sie so lange, bis sie sterben, oder aber er macht aus ihnen Freaks. Umbra ist das Produkt seiner Arbeit. Eine Kreatur, die man nicht töten kann und die wirklich alles Menschliche verloren hat und weder eine Persönlichkeit, geschweige denn überhaupt ein Sprachvermögen besitzt.“ „Und warum tut sich der Untergrund mit so einem Typ zusammen, der an Menschen experimentiert?“ „Es ist eine Art Zweckbündnis. Denn Helmstedter ist hier der einflussreichste Mann in Down Hill. Er mag zwar aufgrund seines Alters nicht danach aussehen, aber er ist extrem gefährlich. Wenn du nicht auf dem Seziertisch enden willst, solltest du deine Begegnung mit Umbra verschweigen. Ebenso dass es offenbar an dir interessiert ist. Da wird nichts Gutes dabei herausspringen.“ Mello erinnerte sich zurück, wie er inmitten dieses Leichenberges gelegen und dieses Wesen mit der Kapuze gekommen war. Wie es ihm sein Blut verabreicht und ihn bei seinem richtigen Namen gerufen hatte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Ich kapier es nicht. Wenn der Kerl im Hell’s Gate nicht Matt war, wer ist es denn bitteschön dann?“ Nun war es Kaonashi, der wirklich verwundert war und direkt fragte „Wie kommst du darauf, dass es dein Freund war, den du gesucht hast?“ „Als ich da unten war, hat er mich bei meinem richtigen Namen genannt. Und es gab in meinem ganzen Leben nur folgende Menschen, die ihn kannten: meine tote Familie, L und Watari und Matt. Und außer Matt sind alle tot. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass Matt mich gerettet hatte. Und jetzt das… Ich würde echt gerne wissen, was hier für eine Scheiße abläuft. Was ist das hier überhaupt für ein Ort, wo so ein Monster durch die Gegend spaziert und wo ein Doktor an Menschen experimentiert?“ „Tja, das wüsste ich auch gerne“, gestand Kaonashi und stand nun auf, woraufhin er den Raum durchwanderte. „Weißt du, ich bin nicht als Gefangener nach Down Hill gekommen. Ich bin freiwillig hier.“ „Wieso?“ „Ich habe eine alte Rechnung mit dem Doktor zu begleichen. Aber vor allem will ich auch herausfinden, was er im Schilde führt, was es mit Umbra auf sich hat und welchen Daseinszweck ein unterirdisches Gefängnis wie dieses hier hat, in welchem man zulässt, dass die Häftlinge das Kommando inne haben. Das sind so Fragen, die mich beschäftigen. Dr. Helmstedter ist übrigens auch kein Häftling wie alle anderen. Er war damals der behandelnde Arzt hier und als vor 15 Jahren der Ausbruch aus dem Asylum stattfand, ist es ihm gelungen, genug Häftlinge auf seine Seite zu ziehen, um nicht auch noch getötet zu werden. Efrafa beschützt ihn und Helmstedter wiederum unterstützt den Untergrund. Du solltest besser aufpassen, Mello. Dieser Mann ist das größte Monster, das du je in deinem Leben treffen wirst. Menschliches Leben bedeutet ihm rein gar nichts. In seinen Augen sind wir alle nur Ressourcen für seine Arbeit und mehr nicht. Also sprich mit ihm nicht über uns oder über Umbra.“ Helmstedter… der Name sagte ihm etwas. Ja, er hatte diesen Namen in der Fallakte im Büro des Westblocks gelesen, als er die Informationen zu Sigma und Scarecrow Jack überflogen hatte. Dann war das also der zuständige Gefängnisarzt von Down Hill? „Was genau weißt du über diesen Dr. Helmstedter?“ „Mehr als jeder andere Insasse. Er entstammt einer deutschen Arztfamilie, die in den 60er Jahren in die USA ausgewandert ist. Sie sind sehr einflussreich gewesen und einige von ihnen haben entweder als KZ-Ärzte gearbeitet, oder aber sie haben die Gefangenen des DDR-Regimes medizinisch betreut.“ „Klingt nicht gerade nach einer Karriere, die man im Lebenslauf angeben kann“, stellte Mello fest und Kaonashi nickte zustimmend. „Ich sehe schon, du erkennst recht schnell, was das bedeutet. Jedenfalls konnte man diese Familie fast schon mit einem Mafiaclan vergleichen. Ausnahmslos jeder in der Familie war Arzt. Die Männer genauso wie die Frauen und sie alle waren genauso kaltherzig, menschenverachtend und skrupellos wie ihre Eltern. Nach außen hin wahrten sie immer den Schein einer perfekten und hoch angesehenen Familie, doch hinter der Fassade taten sich wahre Abgründe auf. Nicht selten haben sie die Patienten in den Krankenhäusern als lebende Versuchskaninchen für neue Behandlungsmethoden und Medikationen missbraucht und alles erfolgreich vertuscht, wenn etwas schief gelaufen ist und die Patienten aufgrund dessen verstarben.“ So langsam verstand Mello die Zusammenhänge. Dieser Dr. Helmstedter war nach Down Hill gekommen, weil die Insassen offenbar für irgendwelche Studien benutzt werden sollten und die Öffentlichkeit nicht davon erfahren durfte. Und wer würde denn schon nach ein paar verstorbenen Häftlingen fragen, die ohnehin schon von der Gesellschaft geächtet wurden? „Dann war Down Hill nicht nur ein Gefängnis, sondern auch eine Versuchsanstalt?“ „Der Verdacht liegt jedenfalls nah.“ „Und was ist mit dem Rest der Familie?“ „Tot. Eines Nachts ist ein Feuer ausgebrochen und die Familie ist in den Flammen umgekommen. Dr. Hinrich Helmstedter ist der letzte Überlebende dieser Familie und er treibt weiterhin sein Unwesen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Bei so vielen Feinden, die die Familie hatte, hätte mich etwas anderes auch nicht wirklich gewundert. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass Umbra ebenfalls das Ergebnis eines Experiments von Dr. Helmstedter ist. Zumindest ist dieser Gedanke sehr plausibel, wenn man bedenkt, was für eine Kreatur Umbra eigentlich ist. Jedenfalls stellen sich folgende Schwierigkeiten, die ich zu bewältigen versuche: ich will herausfinden, wer Umbra ist oder besser gesagt war, was Dr. Helmstedter mit diesen ganzen Experimenten bezweckt und ob Down Hill wirklich eine Versuchsanstalt ist. Außerdem gibt es noch ein paar andere Rätsel, die ich lösen will und vielleicht kannst du mir helfen, wenn du wieder gesund bist. Womöglich finden wir tatsächlich einen Weg hier raus und können aus Down Hill entkommen.“ Als Kaonashi das sagte, glaubte Mello seinen Ohren nicht trauen zu können. Es gab tatsächlich einen Weg aus Down Hill? „Es gibt einen Weg, wie man von hier entkommen kann?“ „Es gibt immer einen Weg, wenn man kreativ und ideenreich genug ist. Aber erst einmal solltest du darüber schweigen und gesund werden. Im kranken Zustand kannst du eh nichts ausrichten. Ich werde jetzt sowieso gehen, weil ich noch einige Dinge zu erledigen habe. Aber ich komme noch mal vorbei. Bis dahin vergiss nicht, dass man die Ratschläge anderer Insassen beherzigen sollte, wenn man hier drin überleben will.“ „Besonders die eines Shutcalls?“ „Insbesondere die. Denn wenn ein Shutcall Ratschläge erteilt, ohne direkt eine Gegenleistung dafür zu verlangen, sind sie mehr wert als alles, was du hier sonst bekommst. Ach ja und noch etwas: wenn du mal durch die Lüftungsschächte abhauen willst, solltest du nach Fiver und Sezru rufen. Alleine verirrst du dich nur.“ Damit verschwand Kaonashi wieder durch den Lüftungsschacht und war verschwunden. So war Mello wieder alleine, aber diese ganzen Dinge, die er erfahren hatte, stimmten ihn nachdenklich. Irgendwie verstand er das nicht. Er war wirklich sicher gewesen, dass dieser Kapuzentyp Matt gewesen war. Wer auch sonst wäre es denn sonst gewesen? Nur er kam infrage, denn seine Familie, Watari und L konnten es ja nicht sein. Die waren tot. Wer also kannte denn sonst seinen richtigen Namen? Oder waren damals irgendwelche Informationen nach außen gesickert, sodass seine wahre Identität doch bekannt worden war? Tja, um das herauszufinden, brauchte er deutlich mehr Informationen. Und wahrscheinlich würde er sie noch früh genug bekommen, wenn er erst mal die Quarantänestation verlassen konnte. Eine Weile saß Mello da und dachte nach, dann öffnete sich die Tür und hagerer Mann knapp Ende 50 kam herein. Er hatte sein längst ergrautes Haar zurückgekämmt und trug eine Brille. Ein kühles und überlegenes Lächeln, welches von Kaltblütigkeit und hoher Intelligenz zeugte, spielte sich auf seine Lippen und irgendwie hatte Mello nicht gerade ein sonderlich gutes Gefühl. „Schönen guten Tag“, grüßte der Mann und kam zu ihm hin. Er machte sich nicht die Mühe, ihm die Hand zu geben, sondern überflog stattdessen sein Klemmbrett. „Ich bin Dr. Hinrich Helmstedter, der Arzt dieser Einrichtung. Ich war für die operativen Eingriffe zuständig, die an deinem Körper durchgeführt werden mussten.“ „Danke deswegen“, kam es von Mello, der irgendwie nachfühlen konnte, warum Kaonashi diesem Kerl nicht über den Weg traute. Er hatte zwar schon immer ein gewisses Gespür für Leute gehabt, denen er lieber nicht vertraute, aber dieser Doktor übertraf alles bisher da gewesene. „Und? Wie war die Erfahrung im Hell’s Gate?“ „Wie der Name schon sagt: es ist die Hölle.“ Dr. Helmstedter sah ihn nicht an, sondern schien mehr an der Untersuchung seines Patienten interessiert zu sein. Er begutachtete die genähten Wunden und stellte offenbar etwas enttäuscht fest „Sie verheilen sehr gut. Auch die Entzündungen sind zurückgegangen. Und nun…“ Der Arzt unterbrach, als die Tür geöffnet wurde und Rhyme hereinkam. Er blieb abrupt stehen und Mello sah sofort die Angst in seinen Augen. Angst vor Helmstedter… „Was willst du hier?“ fragte der Doktor unwirsch. „Ich bin mitten in einer Untersuchung.“ „Entschuldigung, Dr. Helmstedter“, kam es von Rhyme, der fast schon eingeschüchtert den Blick senkte. Obwohl er danach aussah, als könnte er es locker mit dem Doktor aufnehmen, hatte er regelrecht Angst vor ihm und Mello ahnte, dass da wohl einige Leichen im Keller waren. Was wohl der Grund für Rhymes Angst vor Dr. Helmstedter war? Irgendwie beschlich ihn das Gefühl, als wollte er das lieber nicht herausfinden. „Ich wollte ihm seine Medikamente bringen und seine Wunden untersuchen.“ „Das tue ich bereits“, entgegnete Helmstedter mit eiskalter Stimme und wandte sich wieder Mello zu. „Und nun bitte unten rum freimachen.“ „Was?“ Der 24-jährige glaubte, nicht recht zu hören, als so etwas von ihm verlangt wurde. Insbesondere von so einem Typen, dem er normalerweise lieber aus dem Weg gegangen wäre. Irgendwie beschlich ihn ein ganz mieses Gefühl dabei und er warf dem Arzt einen feindseligen Blick zu. Doch das kümmerte diesen wenig. „Ich muss auch deine anderen Verletzungen untersuchen. Du hattest mehrere Analfissuren und eine Darmblutung. Also wenn ich bitten darf… Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“ „Dr. Helmstedter“, kam es schließlich von Rhyme, der nun ganz kleinlaut geworden war und irgendwie deutlich zusammengeschrumpft war. „Vielleicht wäre es ihm lieber, wenn ich diese Untersuchung durchführen würde und…“ „Ich bin hier der behandelnde Arzt“, erklärte der 58-jährige und rückte seine Brille zurecht. „Und von einem Fehlkonstrukt wie dir muss ich mir keine Vorschriften machen lassen. Du verschwendest meine kostbare Zeit, also geh mir aus den Augen. Ich will dich in einer Stunde in meinem Büro sprechen. Dort werden wir noch mal in aller Ruhe über dein ungebührliches Verhalten sprechen.“ Rhymes Gesichtsfarbe wich und Mello ahnte, dass dem Ärmsten noch etwas Schlimmes bevorstand. So wie er reagierte, würde ihn nichts anderes verwundern. „Ja, Dr. Helmstedter.“ Rhyme warf Mello einen Blick zu und dieser Blick sagte in diesem Moment alles: tu, was der Doktor verlangt. Als Rhyme den Raum verlassen hatte, begann Mello seine Hose auszuziehen, dann seine Unterhose. Dabei ruhte der Blick des Doktors die ganze Zeit auf ihm. Er hörte, wie sich Dr. Helmstedter einen Handschuh überstreifte und wie er dann sagte „Nach vorne beugen und die Beine etwas spreizen.“ Es war so unsagbar demütigend, insbesondere nach den Horrorstunden im Westblock, die er durchlebt hatte. Und auch wenn es nur eine Routineuntersuchung sein würde, er wusste, dass dieser Dreckskerl von Doktor genau beabsichtigte, ihn mit dieser Aktion zu quälen. Er befolgte die Anweisung des Doktors und spürte dann auch kurz darauf, wie diese behandschuhte Hand seinen Schließmuskel abtastete und sich langsam ein Finger in sein Innerstes schob. Es fühlte sich so falsch und künstlich an. Er biss die Zähne zusammen und fühlte wieder diese bohrende Scham. Und er wusste, dass der Doktor genau das beabsichtigt hatte. „Das sieht auch soweit gut aus. Es scheint alles erstaunlich schnell zu verheilen. Ein wenig zu schnell…“ Als er bemerkte, wie unangenehm Mello diese Prozedur war, schnaubte er verächtlich und meinte „Ihr jungen Leute habt aber auch wirklich nicht mehr den leisesten Funken Rückrad. Allesamt vollkommen verweichlicht und weinerlich. Die Menschheit steht mit einer solch verwöhnten und gleichzeitig so verweichlichten Generation vor dem Abgrund. Die Jugend von heute ist aber auch zu gar nichts mehr zu gebrauchen.“ Der soll mal lieber sein Maul halten und sich selbst mal den Arsch aufreißen lassen, dachte Mello sich nur, sagte aber lieber nichts. Nicht, nachdem er erlebt hatte, wie viel Angst Rhyme vor ihm hatte und nachdem Kaonashi ihn schon eindringlich vor diesem Kerl gewarnt hatte. Wenn Helmstedter wirklich so gefährlich war, sollte er lieber vorsichtig sein. Noch mal so ein Erlebnis wie im Westblock wollte er lieber nicht riskieren. „Ich bin ohnehin der Meinung, dass man selbst schuld ist, wenn so etwas passiert. Wer sich nicht zur Wehr setzen kann, der braucht sich nicht wundern, wenn ihm so etwas passiert. Genauso wie dein Freund…“ „Wen meinen Sie damit?“ Mello zuckte zusammen, als der Doktor nun damit begann, einen zweiten Finger hinzuzunehmen und diese langsam zu bewegen. Es tat etwas weh, aber nicht mehr ganz so schlimm wie vor ein paar Tagen noch. Doch das Schlimmste war, dass Helmstedter schließlich einen ganz empfindlichen Nerv ertastete. Er verkrallte die Hände ins Bettlaken und spürte, wie sein Körper auf diese Berührung reagierte und wie leichte Lustschauer von ihm Besitz ergriffen. „Mit deiner Prostata scheint auch alles in Ordnung zu sein.“ Doch Helmstedter hörte nicht auf damit und kam schließlich wieder auf Mellos Frage zurück. „Vor vier Jahren wurde ein junger Mann zu mir gebracht. Er hatte schwere Kopfverletzungen und ebenfalls Spuren einer Vergewaltigung. Zum Glück wurde er noch rechtzeitig zu mir gebracht, ansonsten wäre er gestorben.“ „Und wie hieß er?“ „Er nannte sich…“ Bevor Dr. Helmstedter weitersprechen konnte, unterbrach ein lauter Lärm ihn. Schreie waren von draußen zu hören und Schüsse ertönten. Sofort zog Helmstedter seine Finger wieder heraus und nahm den Handschuh ab. Sichtlich verärgert verzog er das Gesicht. „Was hat dieser Lärm denn jetzt schon wieder zu bedeuten? Kann man hier nicht ein Mal in Ruhe arbeiten?“ Er erhob sich und ging zur Tür. Wütend rief er „Was hat dieser Krach zu bedeuten? Ich habe hier eine Untersuchung zu machen.“ „Wir haben wieder einen Angriff aus Konngara“, antwortete eine Stimme und obwohl Mello sie aufgrund des Lärms kaum verstehen konnte, glaubte er, diese Stimme zu kennen. Sofort zog er seine Hosen wieder an und lief zur Tür, da hörte er die Stimme wieder und dieses Mal deutlicher. „Es wird nicht lange dauern, also gedulden Sie sich bis dahin noch etwas. Wenn wir sie beseitigt haben, dürfte es wieder Ruhe geben.“ Mello hatte die Tür fast erreicht und sah einen rothaarigen jungen Mann in einer schwarzroten Lederjacke, der Handschuhe trug und einen kämpferischen und ernsten Eindruck machte. Er war nicht sonderlich groß gewachsen, machte aber den Eindruck, als könnte er dies locker durch seine Kampfbereitschaft und seine Autorität perfekt ausgleichen. Was aber an ihm auffiel, war eine Fliegerbrille, die er trug. Sie kam Mello bekannt vor, sah aber anders aus, da es sich um ein anderes Modell handelte. Doch das Gesicht dazu war gleich geblieben. Er hätte es unter tausenden wiedererkannt und dennoch konnte er nicht wirklich glauben, dass dies hier gerade wirklich passierte und seine Augen ihn nicht täuschten. Nach all den Erlebnissen erschien ihm dies wie ein verrückter Traum oder wie eine Illusion. Aber es war die Realität und er stand wirklich vor ihm. „Matt…“, kam es von Mello, der den Rothaarigen mit Fassungslosigkeit in den Augen ansah. „Bist… bist du es wirklich, Matt?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)