Last Desire Extra von Sky- ================================================================================ Kapitel 15: Die Aufklärung -------------------------- Es war ein heißer Sommertag und die Sonne brannte unerbittlich auf sie nieder. Obwohl die 4-jährige Charity ein luftiges weißes Sommerkleidchen trug, war ihr furchtbar heiß und sie hatte kaum noch Energie zum Laufen. Das merkte auch Oliver, der sie beim Spaziergang an der Hand hielt. „Na meine kleine Prinzessin? Kannst du nicht mehr laufen?“ „Mir ist heiß“, klagte das kleine Mädchen und blieb stehen. „Ich kann nicht mehr.“ „Wir sind ja gleich an der Eisdiele, es ist nicht mehr weit.“ „Na komm“, meldete sich schließlich Andrew und nahm die andere Hand seiner Tochter. „Das letzte Stück schaffen wir zusammen.“ So hielt Charity ihre beiden Väter an der Hand und ging weiter. Dabei entging ihren aufmerksamen grünen Augen nicht, wie auch andere Eltern mit ihren Kindern unterwegs waren, um Eis zu essen. Nur irgendetwas war anders. Diese anderen Kinder hatten eine Mutter, im Gegensatz zu ihr. Sie hatte schon recht schnell gemerkt, dass sie keine Mutter hatte, sondern zwei Väter, aber lange Zeit hatte sie sich noch keine großartigen Gedanken darum gemacht. Sie war da auch viel zu jung gewesen um zu verstehen, was der Unterschied zwischen ihrer Familie und die der anderen war. Aber jetzt so langsam begann sie sich natürlich zu fragen, warum sie unter so vielen Kindern das einzige war, das keine Mutter hatte. Eine Zeit lang hatte sie wirklich gegrübelt, aber keine Antwort finden können. Und sie war sich auch nicht ganz sicher gewesen, wie sie diese Frage stellen sollte. Durfte sie überhaupt fragen? Sie wusste es nicht. Charity war ein sehr aufgewecktes und neugieriges Mädchen mit großen smaragdgrünen Augen und schwarzen Locken. Obwohl sie als Frühchen zur Welt kam und sie teilweise sogar mit dem Tod gekämpft hatte, war sie gesund und munter herangewachsen und zu einem hübschen kleinen Mädchen geworden, welches eine große Vorliebe für hübsche Kleidchen hatte. Hosen trug sie äußerst ungern und diese Eigenschaft hatte ihr den Spitznamen „Prinzessin“ eingebracht. Doch auch wenn sie gerne Kleider trug, kam es auch vor, dass sie nicht bloß mit Puppen spielte, sondern auch gerne mal im Dreck und im Sandkasten spielte. Sie war ein sehr fröhliches und abenteuerlustiges Kind, das auch gerne auf Entdeckungstour ging. Diese Eigenschaft hatte sie eindeutig von Oliver, den sie liebevoll „Daddy“ nannte. Es gab aber auch Momente, in denen Charaktereigenschaften ihres „Papas“ Andrew zum Vorschein kamen. Nämlich besonders dann, wenn sie Fremden begegnete. Denn auch wenn Charity ein sehr lebhaftes Kind war, so zeigte sie eine gewisse Scheu vor fremden Erwachsenen und insbesondere bei einer größeren Menschenmenge wurde sie schnell ängstlich. Naja, es ließ sich eben nicht ganz vermeiden, dass auch gewisse Charaktereigenschaften von Andrew auch auf sie übergegangen waren. Eine besondere Fixierung auf einen bestimmten Elternteil hatte aber niemand bisher feststellen können. Charity liebte ihre beiden Väter gleichermaßen und freute sich auch, wenn sie an Tagen wie diesen etwas gemeinsam mit ihnen unternehmen konnte. Als sie die Eisdiele erreicht hatten, setzten sie sich an einen schattigen Platz und bestellten sich je einen Eisbecher. Wieder ließ Charity neugierig den Blick umherschweifen und sah wieder diese Eltern mit ihren Kindern. Mutter, Vater und Kind… „Verdammt ist das heiß“, murmelte Andrew und wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn. „Wenn das so weitergeht, sollten wir vielleicht mal die Klimaanlage einschalten. Ich hab gehört, es soll die ganze Woche so bleiben.“ „Na wenigstens ist es im Labor kühl genug“, meinte Oliver und ihm schien die Hitze nicht sonderlich viel auszumachen. „Und so heiß finde ich es nun auch wieder nicht.“ „Machst du Witze? Ich geh hier ein wie ein Gänseblümchen und Charity schafft das auch nicht wirklich. Ich will mir gar nicht erst vorstellen, wie dreckig es Jeremiel im Moment gehen muss. Der Ärmste geht bei der Hitze doch komplett vor die Hunde.“ Während sich ihre Väter unterhielten, durchblätterte Charity die Speisekarte, aber auch nur deswegen, um sich die hübschen abgedruckten Bilder von den Eisbechern anzusehen, die so schön bunt waren. Nach ein paar Minuten kamen dann endlich die ersehnten Eisbecher und Charitys Augen wurden groß. „Iss aber nicht zu schnell“, warnte Andrew sie. „Sonst kriegst du noch Kopfweh.“ „Ist gut, Papa!“ Damit nahm Charity nun einen Löffel von ihrem Eisbecher und spürte sofort die herrliche Abkühlung in ihrem Mund. Ein Eis war jetzt genau das, was sie gebraucht hatte. „Das schmeckt toll!“ rief sie begeistert und aß sogleich mehr davon, doch es dauerte keine Minute, bis sie die Kopfschmerzen spürte. „Ich hab dich ja gewarnt“, meinte Andrew und streichelte mit einem amüsierten Lächeln ihren Kopf. „Wenn du zu schnell isst, gibt das nur Kopfweh.“ Charity wartete, bis der Schmerz vorbei war und aß dann weiter. Aber dieses Mal etwas langsamer. Und dann endlich sprach sie die Frage aus, die sie beschäftigte. „Warum hab ich eigentlich zwei Papas und keine Mama wie die anderen Kinder?“ Bei dieser Frage sahen sich Andrew und Oliver an und tauschten viel sagende Blicke aus. Sie hatten gewusst, dass Charity eines Tages diese Frage stellen würde und sie wussten auch, wie sie ihr das Ganze erklären sollten. Nur war es schwierig, dies einem vierjährigen Kind zu erklären. Schließlich aber übernahm Oliver diese Aufgabe, da er das besser erklären konnte. Er nahm Charity auf seinen Schoß und begann es ihr zu erklären. „Weißt du Prinzessin, es gibt verschiedene Arten von Familien. Die meisten Kinder haben eine Mama und einen Papa. Aber es gibt auch Kinder, die haben zwei Mamas oder zwei Papas. Dein Papa und ich, wir haben uns sehr lieb, aber weil wir beide Männer sind, können wir keine Babys bekommen. Denn ein Baby entsteht nur, wenn eine Frau und ein Mann zusammenkommen. Deshalb haben die meisten Kinder auch eine Mama und einen Papa. Erinnerst du dich noch an Tante Rumiko?“ „Ja, ich hab sie sehr lieb. Ich spiel ganz oft mit Eden und Faith.“ „Genau. Weißt du, dein Papa und ich können ja keine Kinder kriegen, deshalb hat Tante Rumiko zu uns gesagt, dass sie dich für uns zur Welt bringt. Also ist Tante Rumiko deine Mutter. Sie hat dich zur Welt gebracht, weil dein Papa und ich uns beide ganz doll ein eigenes Kind gewünscht haben.“ „Tante Rumiko ist meine Mama?“ fragte Charity und neigte fragend etwas den Kopf zur Seite. Oliver nickte. „Ja genau. Weißt du, wenn zwei Männer ein Kind haben wollen, dann haben sie genau zwei Möglichkeiten: sie adoptieren ein Kind, das keine Eltern hat, oder aber sie fragen eine Frau, ob sie die Mama werden will. Die bringt dann das Kind zur Welt und die beiden Papas sind dann die Eltern.“ Eine Weile schwieg Charity und versuchte, sich diese Info zu verinnerlichen und auch klar zu verstehen, was Oliver ihr da gesagt hatte. Und was sie verstanden hatte war, dass Tante Rumiko ihre Mutter war, weil sie für ihre beiden Väter ein Kind zur Welt bringen wollte. „Und wieso habt ihr zwei euch lieb, wenn ihr doch keine Kinder bekommen könnt?“ Nun, in dem Fall war es nun an Andrews Sache, seine Tochter darüber aufzuklären. Einen Teil der Aufklärungsgeschichte musste schließlich auch er übernehmen. „Manchmal kommt es, dass man jemanden sehr lieb hat. Und zwar so sehr, dass man für immer mit ihm zusammenbleiben will. Meistens sind es ein Mann und eine Frau. Aber es kann auch vorkommen, dass ein Mann einen anderen Mann liebt. Genauso kann es auch sein, dass eine Frau eine andere Frau sehr liebt. Und deshalb wollen diese auch für immer zusammenbleiben. Das ist etwas ganz Normales und Wunderbares. Nimm zum Beispiel Onkel Beyond und Onkel L. Die haben sich auch sehr lieb. Genauso wie Onkel Ezra und Onkel Elion.“ „Oder Onkel Jeremiel und Onkel Liam?“ „Genau. Und man liebt diesen Menschen so sehr, dass sie eben auch auf einem anderen Weg ein Kind kriegen müssen, weil sie keine andere Wahl haben.“ Wieder schwieg Charity einen kurzen Augenblick, bevor sie dann sagte „Ich finde es traurig, dass ihr keine Babys kriegen könnt!“ Diese Aussage brachte die beiden Väter zum Schmunzeln. Sie hatten mit mehr Fragen gerechnet, aber anscheinend schien Charity schon damit zufrieden zu sein, dass es auch andere Arten der Liebe gab. „Das ist gemein! Wenn ihr euch doch lieb habt, dann solltet ihr auch Kinder kriegen können.“ Oliver schmunzelte und drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Wange. „Dann findest du es nicht schlimm, dass du zwei Papas hast?“ fragte Andrew und energisch schüttelte Charity den Kopf und aß ihren Eisbecher weiter. „Ich finde das toll! Viele Jungs bei mir im Kindergarten sagen, sie hätten auch gerne zwei Papas. Aber deren Eltern finden das nicht so toll. Sie sagen, dass das nicht richtig ist.“ „Das ist Unsinn“, sagte der rothaarige Engländer sofort. „Egal was andere auch sagen, du darfst nie vergessen: solange sich zwei Menschen sehr lieben, ist es egal, ob es Mann und Frau, zwei Frauen oder zwei Männer sind. Verstehst du?“ Die Vierjährige nickte und meinte dann freudestrahlend. „Ja. Ich finde das richtig toll. Denn ich bin die Einzige in meiner Gruppe, die sogar zwei Papas hat. Das hat sonst keiner.“ „Und darauf darfst du auch stolz sein. Solange du glücklich bei uns bist, ist alles gut. Die anderen verstehen das nur vielleicht nicht, weil sie das nicht kennen. Deshalb glauben sie auch, dass das nicht richtig ist.“ „Dann sind die anderen Eltern richtig dumm.“ Damit war für Charity das Thema erledigt und sie war zufrieden mit der Antwort. Und insgeheim machte sich Erleichterung bei Andrew breit, denn er hatte mit Schlimmerem gerechnet. Dass sich seine Tochter gegen sie wenden würde und sie stattdessen verstärkt den Kontakt zu Rumiko suchte. Gegen letzteres hatten sie ja nichts einzuwenden, immerhin hatte Charity ein Recht auf ihre biologische Mutter. Es mochte daran liegen, weil sie noch so jung war, aber sie ging sehr locker damit um und es schien sie nicht großartig zu stören. Vielleicht lag es aber auch daran, weil sie von beiden Vätern genug Liebe und Aufmerksamkeit erfuhr und glücklich mit ihrer Familie war. Wieder sah sich das verheiratete Paar an und musste dann lachen. „Unsere Tochter hat aber auch wirklich das Meiste von dir“, meinte Andrew. Doch Oliver war da anderer Meinung. „Das kommt daher, weil wir beide eben verdammt gute Väter sind.“ Damit gab der gebürtige Ire ihm einen Kuss. Doch die gute Stimmung wurde jäh unterbrochen, als ein Mann nicht weit von ihnen entfernt meinte. „Das ist ja widerlich. Sie sollten sich schämen, so etwas vor einem Kind zu machen.“ „Entschuldigen Sie bitte, aber das ist unsere Tochter“, erklärte Andrew. „Wenn es Sie stört, dass ein verheiratetes Paar mit seiner Tochter Eis essen geht, dann schauen Sie doch woanders hin.“ Ein glatzköpfiger und ziemlich grimmig dreinblickender Mann starrte ihn finster an und sah stark danach aus, als wäre er auf Krawall gebürstet. Sofort erhob sich dieser und baute sich direkt vor Andrew auf. „Gegen Paare hab ich nichts, nur gegen so widerliche Arschficker wie euch. Und jetzt…“ Er wollte Andrew am Kragen packen, doch da war schon Oliver zur Stelle und hielt den Mann am Handgelenk fest. „Wir wollen keinen Ärger, klar? Aber wenn Sie es darauf anlegen, dann sollten Sie besser aufpassen. Und Sie sollten sich schämen, solche Ausdrücke vor einem Kind zu benutzen.“ „Ich lass mir doch von einer Schwuchtel wie dir nichts sagen.“ Damit stieß er Oliver weg und es sah so aus, als wolle er diesem eine reinhauen, doch da reichte es der kleinen Charity. Zwar verstand sie die Schimpfwörter nicht, die der Mann da sagte, aber sie verstand sehr wohl, dass er ihre Väter beleidigt hatte und das wollte sie nicht länger zulassen. Sie trat dem Mann, der lediglich Sandalen trug, kräftig auf den Fuß und das reichte erst mal, um ihn kurz außer Gefecht zu setzen. „Hör auf, so gemein zu Daddy zu sein, du… du dicker Blödmann! Du bist doch bloß neidisch, weil du keine zwei so tollen Papas hast!“ Da es riskant war, noch länger hier zu bleiben, entschieden sich Andrew und Oliver vorsorglich für den Rückzug. Oliver zahlte die Rechnung bei der Kellnerin, Andrew hingegen nahm Charity auf den Rücken und gemeinsam gingen sie, bevor der Glatzkopf noch dazu kam, ihnen zu folgen und eine Schlägerei anzuzetteln. Als sie sicher waren, dass der Kerl ihnen nicht gefolgt war, setzte Andrew Charity ab. „Was hast du dir dabei gedacht, Charity? Das war gefährlich!“ Doch da sah er schon, dass sie Tränen in den Augen hatte. Leise schluchzend senkte sie den Blick und dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. „Das war so gemein“, sagte sie nur. „Warum hat er dich so angeschrieen? Du hast doch nichts Böses getan.“ „Nun… es gibt leider Menschen, die hassen Männer, die andere Männer lieben.“ „Warum denn?“ „Weil sie nicht wollen, dass es so was gibt. Sie denken, dass es das einzig Richtige ist, wenn ein Mann und eine Frau sich lieben. Und alles andere ist falsch.“ „Aber du hast doch gesagt, dass es normal ist, wenn es zwei Papas oder zwei Mamas gibt.“ „Ist es ja auch. Aber nicht alle denken so. Hey, jetzt wein doch nicht gleich. Na komm, es ist doch alles gut. Papa und Daddy ist nichts passiert und du hast es dem dicken Blödmann ordentlich gezeigt.“ Tröstend nahm Andrew die weinende Charity auf den Arm und sofort gesellte sich auch Oliver dazu, der seiner Tochter den Kopf streichelte. „Das hast du wirklich gut gemacht, Charity. Aber beim nächsten Mal lass das ruhig Papa und Daddy regeln, ja? Wir beide wären nämlich sehr traurig, wenn dir etwas passieren würde. Versprichst du das?“ Die Vierjährige nickte und wischte sich die Tränen weg. „Versprochen! Du, Daddy?“ „Ja?“ „Ich hab dich lieb. Und dich hab ich auch ganz doll lieb, Papa.“ Und hier lagen sich nun alle drei in den Armen, als sie das hörten und selten hätten Oliver und Andrew je stolzere Väter sein können als in diesem Moment. „Wir beide haben dich auch sehr lieb. Du bist und bleibst unsere kleine Prinzessin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)