Last Desire Extra von Sky- ================================================================================ Kapitel 11: Der Ursprung des Zeitschleifenphänomens --------------------------------------------------- 23:50 Uhr Die Stimmung in der Lagerhalle war angespannt und jeder war bis auf die Zähne bewaffnet. Tyson Wheeler, der Anführer der Gruppe, rauchte inzwischen seine dritte Zigarette und wartete ungeduldig, während er mit seiner Pistole spielte. Zu Recht waren alle nervös, denn es würde bald zur Geldübergabe kommen und der „Kunde“ war der Kopf einer mächtigen Mafiafamilie. Folglich also musste man mit allem rechnen. Gegenstand dieser Erpressung war seine 20-jährige Tochter Alessandra, die sie auf dem Weg zur Arbeit entführt und dann ins Geheimversteck, wo nun Tyson Wheeler einen Deal von knapp 10 Millionen Dollar als Lösegeld für die Herausgabe von Alessandra Varesco ausgehandelt hatte. Diese sollten nun von einem Unterhändler gebracht werden. Natürlich hatte Wheeler seine Kontaktmänner und Informanten sofort auf diesen Unterhändler angesetzt um herauszufinden, mit wem sie es denn nun zu tun haben würden. Doch wie sich herausstellte, war der angekündigte Unterhändler ein absolutes Phantom, der unter verschiedenen Namen verschiedene Jobs hatte. Als John Walker erledigte er verschiedene Dienste für die Mafia. Angefangen von Schuldeneintreibungen bis hin zu Geldübergaben und „Beseitigen von Problemen“. Unter dem Namen Jeremy Fisher arbeitete er als Uhrenmacher und als Jesse Miltner war er sowohl Privatdetektiv, als auch Informant. Demnach wusste niemand, wer er wirklich war hinter all den Masken und wie er mit richtigem Namen hieß. Sein Erkennungsmerkmal war eine silberne Taschenuhr, die er bei sich trug. Und auf dieser war eine goldene Schlange abgebildet, die sich selbst in den Schwanz biss und innerhalb des Kreises stand geschrieben „Tempus Luxatus“. Eine lateinische Variante des Hamletzitats „Die Zeit ist aus den Fugen“. Diese Taschenuhr hatte ihm auch den eigentümlichen Namen „Der Taschenuhr-Killer“ eingebracht. Natürlich hatte Wheeler sofort nachgeforscht und sich mit seinem Informanten getroffen, den er bei der Varesco-Familie eingeschleust hatte. Und dieser hatte schon mal das Vergnügen gehabt, den berüchtigten „Taschenuhren-Killer“ zu treffen. Er beschrieb ihn als einen eiskalten und leicht arroganten Mann von ungefähr 27 Jahren, der scheinbar gegen alles eine Abneigung hegte. Gegen Ausländer, gegen Amerikaner selbst, gegen Männer und Frauen und auch gegen Tiere. Zusammengefasst war er also ein mürrischer und zynischer Mensch, der alles und jeden zu hassen schien. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte es, abwertend über alles und jeden zu reden und Uhren aller Art zu sammeln. Vor allem aber sagte man ihm nach, dass er absolut kranke und abartige Hobbys habe. Und nicht selten lebte er sie mit seinen Opfern aus, die danach so seelisch gebrochen waren, dass sie den Verstand verloren. Was genau mit ihnen passiert war, das wusste nur das Oberhaupt der Varesco-Familie und der sagte es nicht einmal seinen engsten Vertrauten. Sie mussten sich wirklich etwas überlegen, wie sie diesem Killer die Stirn bieten konnten, wenn selbst der Don der Varesco-Familie Stillschweigen über die Fähigkeiten dieses Kerls bewahrte. Ach was, es konnte eigentlich nichts schief gehen. Wheeler hatte genug Wachleute vor dem Eingang postiert und auch seine Männer in der Lagerhalle waren bis auf die Zähne bewaffnet. Selbst wenn der Kerl ein Ninja wäre, könnte der sich nicht an ihnen vorbeischleichen und sie alle auf einmal töten. So einfach würde er es diesem Bastard nicht machen. Sein Blick wanderte zu Alessandra Varesco, die gefesselt und geknebelt auf dem Boden kniete, während sein bester Mann Leo mit einer Pistole auf sie zielte. Sollte sich dieser Verrückte wirklich dazu entschließen, eine James-Bond-Nummer durchzuführen, würde die Frau sterben, so viel stand fest. 23:55 Uhr Die Tür zur Lagerhalle wurde geöffnet und ein schwarzhaariger junger Mann, den er als „John Walker“ alias „Jeremy Fisher“ alias „Jesse Miltner“ wiedererkannte, kam mit einem leicht hochmütigen Lächeln herein und trug einen schwarzen Mantel. Seine Haut hatte eine ungesunde Blässe und durch die Augenringe wirkte er etwas übernächtigt. Er trug keinen Koffer bei sich, was Wheeler schon verwunderte. Der Kerl tat ja nicht einmal so, als würde er nach seiner Pfeife tanzen und das Geld mitbringen. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass so eine offensichtliche Aktion das Leben der Geisel noch in ernste Gefahr bringen konnte. War er verrückt, oder hatte er sich eine Bombe um den Körper geschnallt? „Guten Abend die Herren“, grüßte er mit einem höflichen, aber trotzdem kalten Ton, der auch ein wenig Arroganz beinhaltete. „Ich bin hier, um die junge Dame abzuholen. Und wie ich sehe, komm ich noch zeitig.“ Während er sprach, holte er aus seiner Brusttasche die kleine silberne Taschenuhr heraus und prüfte die Uhrzeit. Diese selbstgefällige Art ließ Wheelers Blut kochen und er richtete seine Pistole auf ihn. „Willst du mich verscheißern, du Schwanzlutscher? Wo ist das Geld?“ Das Lächeln des Mannes war so eiskalt, dass es einem ebenso kalt den Rücken hinunterlaufen könnte. „Entschuldigen Sie, wenn es ein kleines Missverständnis gab. Aber ich hatte ausdrücklich gesagt, dass ich um Punkt 23:55 Uhr kommen werde, um Miss Varesco abzuholen. Von Geld war nie die Rede, höchstens von Ihrer Seite aus.“ Er drückte sich sehr gewählt aus und sprach nicht wie jemand, der zur Mafia gehörte. Die legten einen wesentlich raueren Ton an den Tag und marschierten nicht so herum wie irgendwelche Lackaffen. Langsam begann der Ankömmling durch die Lagerhalle zu schreiten und sich umzusehen. Der Geisel schenkte er jedoch überhaupt keine Beachtung. Was zum Teufel stolzierte der hier so herum und wieso tat er so selbstsicher? War Wheeler etwa in eine Falle getappt und war dieser Mann da bloß die Ablenkung? Nein, selbst wenn eine Horde schwer bewaffneter Mafiosi vor der Tür stehen würde, hätten seine Leute schon längst Bescheid gegeben. „Und wie willst du das anstellen? Bist du James Bond oder so?“ „Nein, ich bin ich und ich trage viele Namen. Jetzt im Moment bin ich John Walker, die rechte Hand von Don Varesco und sein Auftragskiller. Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen, Mr. Wheeler? Haben Sie vielleicht Lust, ein kleines Spiel zu spielen? Das Spiel beträgt knapp 5 Minuten und geht bis Mitternacht. Bis dahin können Sie ruhig versuchen, mich zu töten. Erschießen Sie mich ruhig und tun Sie mit mir, was Sie wollen. Aber wenn die 5 Minuten vorbei sind, dann geht mein Teil des Spiels los und dann werde ich meinen Spaß mit Ihnen und den anderen Herrschaften haben.“ Tyson Wheeler starrte ihn an, als hätte der Kerl absoluten Schwachsinn erzählt. Was war nur los mit ihm und wieso forderte er ihn auf, das Feuer zu eröffnen? Eine Bombe, ja er musste eine verdammte Bombe unter seiner Jacke haben. Und dann würde er alles hier in die Luft jagen, wenn man auf ihn schießen würde. Das sah der Varesco-Familie ähnlich, dass sie nicht mit sich verhandeln ließ und lieber die Tochter des Dons zusammen mit ihren Geiselnehmern in die Luft jagte. Aber so einfach wollte es Wheeler diesem Idioten nicht machen. „Zeig mir erst mal, was du unter deiner Jacke hast, Arschloch!“ Langsam wanderte Johns Hand zu den Knöpfen seiner Jacke, dann begann er sie nach und nach zu öffnen. Unter seiner Jacke kam nur ein Dolch zum Vorschein, den er als einzige Waffe bei sich trug. Eine Pistole führte er nicht mit sich. Im Grunde war er fast unbewaffnet und damit so gut wie wehrlos. Wheeler begann erst ungläubig, dann aber höhnisch zu lachen. „Du hast ja Eier, dass du dich hier nur mit einem Zahnstocher blicken lässt. Bist du irgendwie lebensmüde oder so?“ „Das könnte durchaus sein“, gab der Unterhändler zu und steckte seine Hände in die Jackentaschen. „Wenn man schon so viel erlebt hat wie ich, verliert man alles. Seinen Glauben an das Gute, seinen Verstand und auch die Wertschätzung eines Menschenlebens. Das gilt sowohl für das eigene Leben, als auch für das anderer Menschen. Der Tod gehört zu meinen einzigen verbliebenen Hobbys, die mich noch zu unterhalten vermögen. Alles andere in dieser Welt ist für mich belanglos geworden. Selbst der Alkohol und der Tabak sind für mich nicht mehr von Wert. Ich rauche höchstens noch, weil es eine Angewohnheit ist, aber mehr auch nicht. Also Mr. Wheeler, gilt unser Spiel? Sie töten mich, dann töte ich Sie.“ Eindeutig war dieser Spinner nicht ganz bei Trost. „Dann will ich mal sehen, wie du das anstellen willst, wenn du erst mal mausetot bist. FEUER!!!“ Damit eröffneten alle Umstehenden das Feuer. Die Kugeln durchlöcherten den 27-jährigen wie ein Sieb und Blut spritzte auf. Nicht einmal eine kugelsichere Weste trug er. Eindeutig ist der Kerl ein Verrückter, dachte Wheeler und schoss sein gesamtes Magazin leer. Das war also die rechte Hand des großen Don Varesco und der so genannte „Pocket Watch Killer“? Lächerlich, der war doch die reinste Lachnummer gewesen. Wahrscheinlich hatte er zu viel Koks oder Heroin genommen und sich das Hirn komplett zugedröhnt, als er hergekommen war. Als ob er so eine Kugelsalve einfach so überstehen könnte, wenn er nicht mal eine Schutzweste trug. Nachdem auch der letzte Schuss verhallt war, fiel John Walker tot zu Boden und unter seinem Körper breitete sich langsam eine Blutlache aus. In der Hand hielt er immer noch die Taschenuhr, auf deren Glas, die das Ziffernblatt schützte, kleine Blutströpfchen zu sehen waren. 23:58 Uhr „Game Over würde ich sagen. Und damit du auch tot bleibst, bekommst du noch einen hübschen Schnitt verpasst!“ Damit nahm Wheeler den Dolch aus der Jackentasche des Toten und schlitzte ihm noch den Hals auf. Blut quoll heraus und während er von seinen Männern bejubelt wurde, begann er noch weitere Schnitte über das Gesicht zu ziehen und es zu einer hässlichen Fratze zu verunstalten. Durch den Beifall und die Zurufe seiner Männer ermuntert, begann er nun mit sichtlichem Vergnügen, ihm den Bauch aufzuschlitzen. Nachdem er seinem Blutdurst genug gefrönt hatte, warf er das blutige Messer zu Boden und wandte sich der Geisel zu, die das Ganze aber seltsamerweise sehr gefasst aufnahm und nicht einmal entsetzt aussah. Nein, sie war ganz ruhig, sah allerhöchstens etwas angewidert von der Sauerei aus, die gerade angerichtet worden war. Er nahm ihr den Klebestreifen vom Mund und fragte „Na, bist du immer noch so selbstsicher? Jetzt, da ich deinen heldenhaften Retter kalt gemacht habe?“ „Wie spät ist es?“ fragte sie, ohne auf seine Frage zu antworten oder ihn auch nur anzusehen. Wieso war sie nicht entsetzt darüber, dass er diesen Spinner kalt gemacht hatte? Er war durchlöchert wie ein Sieb, seine Kehle war aufgeschlitzt, genauso wie sein Bauch. Den holte nichts und niemand mehr zurück. Doch Alessandra Varesco fragte ganz ungerührt nach der Uhrzeit, als sei das ihre einzige Sorge. Er schaute auf die Uhr. In knapp zehn Sekunden war Mitternacht. Die fünf Minuten liefen gleich ab. Aber was kümmerte ihn denn noch dieses dämliche Spiel? John Walker war mausetot und nichts konnte ihn noch retten. „Du solltest dir besser mal Sorgen um dein Leben machen, denn da dein alter Herr versucht hat, mich zu verarschen, verpass ich dir ein hübsches Loch zwischen die Augen!“ Er lud sein Magazin nach, dann richtete er die Waffe auf ihren Kopf. „Auf Nimmerwiedersehen! Der Deal ist geplatzt!“ Für einen Moment herrschte eine unheimliche Stille, als hätte die Welt den Atem angehalten. Das einzig hörbare Geräusch war das Ticken der Zeiger der blutverschmierten Taschenuhr. Tick… Tick… Tick… Kling! Dann aber wurde dieses helle kling, welches pünktlich die Mitternacht einläutete, durch den Knall des Schusses unterbrochen. Natürlich erwartete Wheeler, dass die Kugel den Schädel seiner Geisel zerfetzte und sie tot zu Boden fiel, doch es tat sich nichts. Sie war vollkommen unversehrt. „Was zum…“ Gerade wollte er es noch mal versuchen, da rief Leo plötzlich „Boss!!!“ Er wandte sich um und glaubte nicht recht zu sehen, als sich jene Person wieder aufrichtete, von der er ganz sicher war, dass sie mausetot war! John Walker lebte und er hatte keinerlei Verletzungen. Nicht einmal seine Kleidung trug Spuren und es war auch kein Blut mehr auf dem Boden zu sehen. Nicht einmal ein winziger Tropfen. Wheeler musste mehrmals blinzeln, um sich wirklich sicher zu sein, dass seine Augen ihm keinen Streich spielten. Als ob nichts gewesen wäre, stand er da und warf einen Blick auf seine Taschenuhr. „Punkt 0 Uhr. Damit wäre Ihre Zeit abgelaufen. Nun fängt meine an.“ Wheeler verstand die Welt nicht mehr und sah auf seine Hände. Er hatte doch das Blut dieses Bastards an den Händen kleben, wie also… Ein eisiger Schauer überkam ihn, als er sah, dass da keines mehr war. Seine Hände waren sauber, selbst an seiner Kleidung war nicht einmal mehr ein Blutstropfen zu sehen. Als wäre das alles gar nicht passiert. Alle Umstehenden waren so vom Donner gerührt, dass sie rein gar nichts tun konnten. Wie gelähmt standen sie da und verstanden nicht, was das alles zu bedeuten hatte und wieso John Walker wieder auf beiden Beinen stand. Selbst wenn er ein verdammter Vampir wäre, müsste man doch wenigstens an seiner Kleidung Spuren finden, doch selbst die sah aus wie vor fünf Minuten. Kein Loch, kein Blutspritzer… Doch dann fand der Anführer seine Worte wieder und richtete seine Pistole auf John. „Was bist du nur für ein Freak?“ „Nun, ich bin ein Mensch wie jeder andere. Aber… meine Zeit läuft anders.“ Damit wanderte seine Hand zu seinem linken Auge und er offenbarte, dass er eine farbige Kontaktlinse trug. Nun sahen sie, dass sich am äußeren Rand seiner Iris ein leuchtender goldener Ring befand. Noch nie hatten sie etwas so seltsames gesehen. „Ich bin gezeichnet worden“, erklärte John und verbarg den Ring wieder unter seiner farbigen Kontaktlinse. „Ich weiß nicht, wie viele es noch außer mir gibt. Aber seit dem Massaker von Nowgorod und meiner Begegnung mit „ihr“ trage ich diesen Ring. Und seitdem läuft meine Zeit anders als die von anderen. Sie müssen wissen, Mr. Wheeler, dass alles seine Zeit hat. Der Körper, die einzelnen Organe, die Welt, der Mensch und alles Lebendige und Nichtlebendige. Selbst die einzelnen Planeten und Länder haben ihre eigene Zeit. Sie läuft normal weiter. Doch meine Zeit ist vergleichbar mit dieser Taschenuhr hier.“ Er klappte sie auf und hielt Wheeler und seinen Leuten seine Taschenuhr entgegen. Selbst auf ihr war nicht mehr ein einziger Blutfleck zu sehen. „Eine Uhr läuft immer im gleichen Rhythmus. Ihre Zeit geht exakt bis 23:59:99 und dann beginnt sie um 0:00 Uhr wieder von Neuen. Ein ewiger Kreislauf und verdammt dazu, bis in alle Ewigkeit so weiterzugehen, bis auch die letzte Uhr zu ticken aufgehört hat. Und so läuft auch meine Uhr in alle Ewigkeit weiter. Ich sterbe, werde verwundet oder werde gefoltert und mein Körper wird zerstört. Das alles geht bis exakt 23:59:99 Uhr, bis sich das alles wieder zurücksetzt und wieder neu beginnt. Deshalb gehört der Tod zu den einzig noch wirklich interessanten Hobbys, die mich noch unterhalten in dieser eintönigen und langweiligen Welt. Inzwischen gehört es zum Spiel dazu, dass ich sterbe. Somit kommt wenigstens Abwechslung ins Spiel und es ist nur fair, wenn ich auch getötet werde, wenn ich in Betracht ziehe, was ich mit Ihnen vorhabe. Aber zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Deshalb will ich mich auch beeilen und Sie befreien, Miss Alessandra.“ „Den Teufel wirst du tun, du Freak!“ Erneut drückte Wheeler ab mit der Absicht, seine Geisel endlich zu töten. Der Knall hallte in der ganzen Halle wieder, doch es tat sich rein gar nichts. Als hätte er nur eine Platzpatrone abgegeben. Was war nur mit seiner Munition los und wieso konnte er Alessandra Varesco nicht töten? „Was ist nur mit meiner Knarre los?“ „Überprüfen Sie ruhig das Magazin, Mr. Wheeler. Sie werden feststellen, dass die Kugeln noch an ihrem Platz sind.“ Tatsächlich! Als er das Magazin überprüfte, fehlte nicht eine einzige Kugel. Aber wie war das möglich? Die Pistole selbst war noch warm und den Schuss hatten sie alle gehört. Wie also konnte die Kugel einfach so wieder zurückwandern? Der Kerl ist ein verdammter Zauberer, dachte er und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Irgendwie hat er es geschafft, die Kugel wieder ins Magazin zurückzubekommen, ohne ihr auch nur zu nahe zu kommen. „Wie machst du das bloß?“ „Reset“, erklärte John Walker gelassen und kam langsam auf ihn zu. „Ich setze einfach die Zeit der Kugel zurück, während die allgemeine Zeit weiterläuft. Wissen Sie, „zurücksetzen“ ist etwas anderes als „zurückspulen“. Ich setze etwas ganz einfach wieder zu einem bestimmten Punkt zurück und deshalb hat die Kugel Miss Varesco auch nicht treffen können. Individuelle Zeit zurückzusetzen ist bei weitem einfacher und zudem amüsanter, als die weltliche Zeit zurückzusetzen. Der Aufwand wäre einfach zu groß und ich bin es müde geworden, denselben Tag mehr als ein Mal zu erleben. In Nowgorod habe ich diesen Zustand 50 Jahre lang ertragen müssen.“ 50 Jahre? Wie… wie alt war der Kerl denn, wenn er augenscheinlich nicht älter als 27 oder sogar 30 Jahre alt sein konnte? „Wie schon gesagt, meine Zeit läuft anders. Und solange ich immer noch an den Alptraum und die niemals enden wollende Zeitschleife von Nowgorod gebunden bin, wird sie auch niemals ablaufen. So oft bin ich gestorben und bin immer noch nicht tot. Da ist es nur selbstverständlich, dass man irgendwann seine Achtung vor dem Leben und seine Angst vor dem Tod verliert. Deshalb ist mir das Leben von anderen Menschen auch keinen Pfifferling mehr wert. So, nun wurde aber genug geplaudert. Der armen Dame ist sicherlich kalt und ihr Herr Vater wartet auch schon ungeduldig. Also spielen wir dieses Mal nach meinen Regeln.“ „Los!“, rief Wheeler und wandte sich an seine Leute. „Bringt ihn endlich zum Schweigen!“ Wieder wurde geschossen, aber es war das gleiche Ergebnis wie zuvor. Keine der Kugeln traf John Walker und so ging man zum Frontalangriff über. Mit Brechstangen, Schlagringen, Messern und Baseballschlägern stürzte man sich auf diesen unheimlichen Menschen, der nicht von dieser Welt zu sein schien. Es war unmöglich, dass er sich aus dieser Lage befreien konnte, nachdem er von allen Seiten umzingelt wurde. Mit einem lauten Kampfgeschrei stürzten sich die Männer auf ihn und schlugen, stachen und boxten, um ihn zu töten, doch da stand er plötzlich nicht mehr innerhalb des Kreises, sondern etwas weiter weg, als hätte er sich teleportiert. Nun bekam es der Anführer der Bande mit der Angst zu tun. Noch nie war ihm so ein Mensch begegnet, der zu solchen Dingen in der Lage war. Er muss der Teufel sein, dachte er und wich vor Angst zurück. Der ist doch nie und nimmer ein Mensch! John sah auf seine Taschenuhr und seufzte. „Wirklich enttäuschend. Dabei hatte ich mir von diesem Spiel ein klein wenig mehr erhofft. Na was soll’s. Der gute Don hat versprochen, dass ich mir mein Spielzeug aussuchen darf, wenn ich ihm dafür seine Tochter zurückbringe. Und vielleicht entschädigt mich ja das später für dieses langweilige Spielchen hier. Wirklich frustrierend…“ Damit nahm er seinen Dolch und stürzte sich auf den ersten der Angreifer. Er schlitzte ihm die Kehle auf und eine Blutfontäne spritzte auf. Sogleich griffen die anderen an und schon wieder verschwand John und tauchte an einer anderen Stelle wieder auf. Tyson Wheeler war unfähig, irgendetwas zu tun, oder vernünftige Befehle zu geben. Das, was da gerade geschah, ging über seinen Verstand hinaus. So etwas konnte es doch nicht geben. Nein, so etwas durfte es einfach nicht geben. Irgendwie musste das doch alles erklärbar sein. „Boss! Verdammt Boss!!!“ Seine Leute riefen nach ihm, erwarteten irgendwelche Befehle, während sie gegen diesen unheimlichen Kerl anzukommen versuchten. Doch dieser schien nicht nur über Kräfte zu verfügen, die über das normal Menschliche hinausgingen, er kämpfte auch noch wie ein Teufel. Ich muss hier verschwinden, das war sein einziger Gedanke. Er packte seine Geisel und lief davon, während seine Leute weiterhin gegen dieses Monster kämpften und getötet wurden. Das kann doch alles nur ein Traum sein, dachte er und eilte in Richtung Ausgang. Nie und nimmer passierte das hier wirklich! Er sah auf seine Uhr um sich zu vergewissern, dass hier nicht alles komplett verrückt spielte. 0:12 Uhr Also handelte es sich nicht um eine abartige Halluzination oder einen Traum? Er wusste es selbst nicht mehr und wollte nur noch weg von hier. 23:55 Uhr Die Tür zur Lagerhalle wurde geöffnet und ein schwarzhaariger junger Mann, den Wheeler als „John Walker“ alias „Jeremy Fisher“ alias „Jesse Miltner“ wiedererkannte, kam mit einem leicht hochmütigen Lächeln herein und trug einen schwarzen Mantel. Seine Haut hatte eine ungesunde Blässe und durch die Augenringe wirkte er etwas übernächtigt. Er trug keinen Koffer bei sich, was den Gangsterboss schon verwunderte. Der Kerl tat ja nicht einmal so, als würde er nach seiner Pfeife tanzen und das Geld mitbringen. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass so etwas das Leben der Geisel nur unnötig in Gefahr brachte. War er verrückt, oder hatte er sich eine Bombe um den Körper geschnallt? Das war ja mal wieder typisch für die Varesco-Familie. Lieber die eigene Tochter und ihre Kidnapper in die Luft jagen, als sich auf solch einen Deal einzulassen und vor der gesamten Unterwelt Schwäche zu zeigen. „Guten Abend die Herren“, grüßte er mit einem höflichen, aber trotzdem kalten Ton, der einem wirklich einen eiskalten Schauer über den Rücken jagen konnte. „Ich bin hier, um die junge Dame abzuholen. Und wie ich sehe, komm ich noch zeitig.“ Während er sprach, holte er aus seiner Brusttasche die kleine silberne Taschenuhr heraus und prüfte die Uhrzeit. „Willst du mich verscheißern, du Schwanzlutscher? Wo ist das Geld?“ „Entschuldigen Sie, wenn es ein kleines Missverständnis gab. Aber ich hatte ausdrücklich gesagt, dass ich um Punkt 23:55 Uhr kommen werde, um Miss Varesco abzuholen. Von Geld war nie die Rede, höchstens von Ihrer Seite aus.“ Das alles kam ihm verdächtig vertraut vor. Als hätte er das schon mal erlebt. Hatte er diesen kleinen Bastard nicht vorhin noch abknallen lassen und hatte dieser nicht seine Leute umgebracht, als er wie Jesus plötzlich wieder zum Leben erwacht war? Was war nur los und wieso auf einmal spielte die Szene wieder auf Anfang? Völlig verwirrt holte Wheeler sein Handy heraus, um selbst die Zeit zu prüfen. Es war 23:55 Uhr, kein Zweifel. Aber gerade war es doch noch 0:12 Uhr gewesen und er war mit seiner Geisel auf der Flucht vor diesem John Walker gewesen. Wieso um alles in der Welt war jetzt alles wieder zurück auf Anfang gedreht und warum war es wieder 23:55 Uhr? „Was zum Teufel wird hier gespielt, du kleiner Scheißer? Was hast du mit mir gemacht?“ „Wie bitte?“ fragte der Mann mit einem gespielten Unwissen, das schon fast herablassend war. „Was soll ich denn mit Ihnen gemacht haben, Mr. Wheeler?“ „Tu nicht so scheinheilig. Was für ein Zeug hast du mir gegeben und wieso ist alles wieder auf Anfang? Und wieso kommst du schon wieder hier rein?“ „Boss, was meinst du damit?“ fragte Leo verwirrt, der überhaupt nicht begriff, was denn mit ihm los war. „Er ist doch gerade erst reingekommen.“ Seine Männer sahen ihn ratlos an und verstanden nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Keiner von ihnen erinnerte sich an irgendetwas. Hatte er also doch nur halluziniert? Doch das eiskalte und hinterhältige Lächeln auf den Lippen des Mannes, der da gerade erst hereingekommen war, ließ etwas anderes vermuten. Er wusste es… Es war keine Halluzination gewesen… „Ich sagte es Ihnen doch, Mr. Wheeler: Zuerst dürfen Sie mit mir machen, was Sie wollen und dann darf ich mit Ihnen machen, was ich will. Und da ich die junge Dame nicht so lange warten lassen will, werde ich den Vorgang hier beschleunigen.“ Damit kam John Walker auf sie zu und in dem Moment rief Wheeler halb panisch „Los, schießt endlich!!!“ Es wurde geschossen, doch keine der Kugeln traf ihn oder sonst irgendetwas. Das alles war wie verhext. Seelenruhig kam der Pocket Watch Killer auf sie zu und holte aus seinem Mantel den Dolch, den er bei sich trug. Das kalte und hochmütige Lächeln war gewichen und wich einem wahnsinnigen Grinsen und ein mörderisches Funkeln war in seinen Augen zu sehen. Sein Lachen jagte den Umstehenden einen eiskalten Schauer über den Rücken und Angst überkam sie. Doch sein einziges Augenmerk war nur auf Tyson Wheeler gerichtet. „Ich frage mich, wie oft ich dich wohl umbringen muss, um dich zu brechen. Weißt du, es ist nicht der Tod, den wir fürchten, sondern allein die Vorstellung des Todes. Und ich bin gespannt, wie lange du durchhältst, bis der letzte Rest deines minderwertigen kleinen Verstandes zerstört ist. Mein Spiel hat noch nicht einmal richtig angefangen! Also unterhalte mich ruhig noch eine Weile, mein Lieber. Der Tod ist nämlich das Einzige, was mir noch wirklich Spaß macht!“ Damit griff er Rudy Manson an, schlitzte ihm die Kehle auf, stach ihm ein Auge aus und riss ihm die Pistole aus der Hand, dann eröffnete er seinerseits das Feuer. Und während er schoss, hallte sein wahnsinniges Gelächter in der ganzen Lagerhalle wieder. Schließlich wurden die meisten von ihrer Angst ergriffen und wollten weglaufen, doch selbst das gelang ihnen nicht. Kaum, dass sie auch nur fünf Schritte gegangen waren, verschwanden sie für den Bruchteil einer Sekunde und standen dann wieder da, wo sie vorher noch gestanden hatten, nur um wieder loszurennen und wieder auf Anfang zurückgesetzt zu werden. Es war wie verhext. Als würde eine Art… Zeitschleife stattfinden. Ja, es war so als würde jeder in seine eigene Zeitschleife geraten und dort festsitzen, bis sie von diesem John Walker umgebracht wurden. Und keiner konnte entkommen. Es war ein einziger verdammter Alptraum! Nun bekam es Tyson Wheeler mit der Angst zu tun und wollte ebenfalls weglaufen. Er rannte in Richtung Hinterausgang in der Hoffnung, diesem Monster noch irgendwie entkommen zu können. So schnell ihn seine Beine trugen rannte er los und erreichte auch schon fast die Tür, doch innerhalb eines Augenaufschlags stand er plötzlich wieder neben seiner Geisel Alessandra Varesco, die das Ganze gar nicht zu verwirren schien. Hatte sie es etwa gewusst? Hatte sie gewusst, was für Fähigkeiten dieser Kerl hatte? Er musste es wissen, also riss er ihr das Klebeband ab, welches ihren Mund versiegelte und richtete die Pistole auf sie. „Was ist das für ein Monster, das dein Alter hierher gebracht hat?“ „Hat er dir das nicht gesagt? Er ist jemand, der in seiner eigenen Zeit lebt.“ „Was willst du damit sagen?“ „Dass ich in meiner eigenen Zeitschleife gefangen bin.“ Bevor Tyson Wheeler reagieren konnte, packte der Pocket Watch Killer ihn am Kragen und hob ihn von den Füßen. Nicht nur, dass er über unheimliche Kräfte zu verfügen schien, er hatte auch Bärenkräfte. „Die Leute nennen mich zwar wegen meiner Taschenuhr den „Taschenuhren-Killer“, aber jene, die meine wahren Fähigkeiten kennen, nennen mich bei meiner wahren Bezeichnung, nämlich den „Zeitschleifen-Killer“. Und ich bin auf meine Weise einzigartig, denn ich töte meine Opfer mehr als nur ein Mal, bevor ich genug von ihnen habe. Und wir zwei werden noch richtig Spaß haben.“ Damit schleuderte er ihn zu Boden und Tyson Wheeler schlug hart auf dem Boden auf. Dann bekam er auch schon einen brutalen Tritt in den Brustkorb verpasst, doch bevor er auch nur die Chance hatte, Luft zu holten, drückte der Killer ihm seinen Fuß gegen die Kehle. Seine manisch grinsende Fratze ließ machte ihm mehr Angst als alles andere, was er bis dato erlebt hatte und in diesem Moment kam er sich entsetzlich hilflos vor. Dieser geisteskrank grinsende Freak war nicht mit dem Mann zu vergleichen, der vor wenigen Minuten hereinstolziert kam und wie ein Adliger geredet hat. Mit einem Male war er wie ausgewechselt gewesen, als wäre er plötzlich eine ganz andere Person. Langsam und mit einem sadistischen Kichern hob der Killer die Pistole und feuerte einen Schuss direkt in Wheelers rechtes Auge und tötete ihn damit sofort. Als der Schuss verhallt war, wurde es ruhig in der Lagerhalle und als sich John Walker umsah, sah er nichts außer Leichen und Blut. Schade, dass es schon vorbei war. Aber er hatte kein Interesse daran, sich mit minderwertigem Spielzeug zufrieden zu geben. Mit Tyson Wheeler würde er noch genug Spaß haben. Aber vorher musste er unbedingt seinen Job zu Ende bringen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen und der gute Don wartete schon sehnsüchtig auf sein Töchterlein. Sein wahnsinniges Grinsen war augenblicklich wieder verschwunden und zurück war der charismatische und höfliche junge Mann von gerade eben. Er wandte sich der gefesselten Alessandra Varesco zu und nahm ihr die Fesseln ab. „Ich hoffe, sie haben dich nicht allzu schlecht behandelt, meine Liebe.“ „Spar dir doch die gespielte Höflichkeit“, entgegnete sie und sah sich mit angewidertem Gesichtsausdruck um. „Ich sah dir doch an, dass du deinen Spaß hattest, mich gefesselt zu sehen.“ „Nun, es hat mich zumindest darin bestätigt, dass ihr Frauen unfähig seid, auf euch selbst aufzupassen und euch selbst zu helfen.“ „Könntest du irgendwann mal aufhören, dich über Frauen lustig zu machen?“ „Würde ich ja gerne, aber ihr Frauen hört ja nicht damit auf, mich in meiner Ansicht zu bestätigen, dass ihr unfähig und dumm seid. Aber komm schon, dein Vater wartet bereits draußen.“ Damit begleitete er sie nach draußen. Es war eine sternenlose kalte Nacht und am Hafen herrschte eine angenehm reine Luft und eine Meeresbrise wehte ihnen entgegen. „Ich frage mich echt, wie man die gesamte Menschheit nur so verachten kann. Du hast doch gegen alle was. Gegen Männer, Frauen, Alte und Kinder, Ausländer und Amerikaner… sogar Tiere kannst du nicht ausstehen. Ich kapier es echt nicht.“ „Die Menschheit selbst finde ich ja amüsant, es ist nur der Mensch selbst, den ich abscheulich finde. Aber wenn man schon so lange gelebt hat wie ich, dann beginnt man den Menschen zu hassen. Nenn es ruhig altersbedingte Griesgrämigkeit. Der Hass und Rassismus ist auch nur eine Begleiterscheinung jahrelanger Langeweile.“ „Und warum arbeitest du für meine Familie, wenn du doch sowieso etwas gegen die Menschen hast?“ Ein kühles und leicht herablassendes Lächeln spielte sich auf seine Lippen und er führte sie zu einer schwarzen Limousine. Er holte eine Taschenlampe hervor und gab ein Lichtsignal, woraufhin die Scheinwerfer des Wagens aufleuchteten. „Ich habe einen Deal mit deiner Familie. Ich sagte es deinem Vater, seinem Vater und seinen Großvater und seinem Urgroßvater: Das einzige Ziel in meinem ewigen Leben ist für mich Frederica.“ Verwirrt runzelte Alessandra die Stirn und sah ihn fragend an. „Frederica? Wer ist das?“ „Das Monster von Nowgorod. Sie ist dafür verantwortlich, dass ich so lange schon auf dieser Welt wandeln und immer wieder aufs Neue sterben muss. Und da dein Vater gute Kontakte hat, erledige ich den einen oder anderen Gefallen für ihn und im Gegenzug sorgt er dafür, dass ich unbehelligt meiner Leidenschaft frönen kann. Aber eines solltest du dir merken: Ich arbeite für niemanden! Solltest du jemals auf den Gedanken kommen, dass ich für dich arbeite und dir unterstellt bin, werde ich herausfinden, wie oft ich dich umbringen muss, um dich in den Wahnsinn zu treiben. Mach besser nicht denselben Fehler wie dein Großvater, das könnte gefährlich für dich werden!“ Die Tür der Limousine öffnete sich und heraus trat Don Varesco, ein Mann von fünfzig Jahren und untersetzter Statur. Erleichtert schloss er seine Tochter in die Arme und war sichtlich froh, sie in Sicherheit zu wissen. Nachdem sie in die Limousine gestiegen war, wandte er sich John Walker zu. „Gracie Levi, dass du meine Tochter befreit hast.“ „Schon gut, aber nenn mich nicht bei meinem alten Namen. Für die Familie Varesco bin ich immer noch John Walker. Pass aber in Zukunft besser auf deine Tochter auf. Diese Frauen machen doch sowieso immer nur Schwierigkeiten und ich habe keine Lust, dass sie noch auf den Trichter kommt, dass ich sie jedes Mal gleich retten komme, wenn sie an irgendwelche Penner gerät.“ Der Don versicherte ihm dies und reichte ihm einen Umschlag mit Geld als Bezahlung. John ließ sich seine Dienste hoch anrechnen und verlangte teilweise schon stolze Summen. Aber er konnte nun mal Dinge bewirken, die kein normaler Mensch schaffte. Und er war nun mal die rechte Hand des Dons und seine Erfolgsquote lag bei 100%. „Und? Was hast du herausfinden können?“ „Ein Mädchen ist wie aus dem nichts in St. Petersburg in Russland aufgetaucht, welches sich selbst Frederica nennt. Aber sie scheint nicht auf die Beschreibung zu passen, die du geliefert hast. Dafür aber ist von einem Kayser-Fleischer-Kornealring die Rede.“ „Ein goldener Ring in der Iris… Danke Don, ich werde mich demnächst auf den Weg nach St. Petersburg machen und mir dieses Mädchen genauer ansehen. Wenn sie wirklich denselben goldenen Ring hat wie ich, scheint es noch mehr Menschen zu geben, die dem Phänomen von Nowgorod entkommen konnten. Ich bin wirklich gespannt, ob sie wirklich Frederica ist oder welche Verbindung sie zu ihr hat. Aber vorher will ich noch meinen Spaß mit Tyson Wheeler haben.“ 01:44 UhrAls Tyson Wheeler die Augen aufschlug, lag er gefesselt auf einer Art OP-Tisch und wurde von einem grellen Licht geblendet. Das Erste was er spürte, war der rasende Schmerz in seinem rechten Auge und in seinem Kopf und es fühlte sich an, als hätte sich dort etwas hineingebohrt. Er stöhnte gequält und kniff die Augen zu und fragte sich, warum es ihm dort so wehtat. Dann aber erinnerte er sich wieder. Die Lösegeldübergabe… der Mann mit der Taschenuhr… die Kugel, die ihn ins Auge getroffen hatte. Ja richtig, dieser Hurensohn hatte ihm ins Auge geschossen, aber wieso war er auf einmal hier und konnte auf beiden Augen normal sehen? Warum nur war er nicht tot? Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er es für eine Art verrückten Traum gehalten, aber der Schmerz war so präsent, als wäre es gerade eben erst passiert. „Tut weh, nicht wahr?“ hörte er eine vertraute Stimme fragen und als er sich umsah, erkannte er tatsächlich John Walker wieder. Er war elegant gekleidet und trug einen Anzug, hatte aber sein Jackett ausgezogen und die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt. „Den Körper zurückzusetzen ist für mich kein Problem. Meiner setzt sich automatisch zurück, aber witzigerweise funktioniert mein Bewusstsein ganz normal. Auch dieses hat seine eigene Zeit und ist nicht unbedingt an den Körper selbst gebunden. Heißt also: auch wenn unsere Verletzungen durch die Zurücksetzung verschwinden, sind die Schmerzen nach wie vor sehr präsent. Man kann das mit Phantomschmerzen vergleichen. Menschen spüren noch Schmerzen in ihren amputierten Gliedmaßen, weil er sich allein im Kopf abspielt. Demnach werden die Schmerzen auch nicht schwinden, wenn ich dich erneut kalt mache. Mal sehen, wie lange du das aushältst. Ich habe 50 Jahre lang ein und denselben Tag erlebt, bin selbst gestorben und habe meine Familie sterben sehen. Mal sehen, ob du auch so lange durchhältst. Das wird noch sehr unterhaltsam werden.“ Mit einem eiskalten Lachen ging John zu einem Tisch hin, wo er verschiedene Werkzeuge vorbereitet hatte. Skalpelle, Zangen, Lötkolben, Latexhandschuhe und noch andere Utensilien, bei deren Anblick Tyson Wheeler schon angst und bange wurde. Was um Gottes Willen hatte dieser Wahnsinnige nur vor mit ihm? „Nein, das kannst du doch nicht machen. Lass mich sofort frei!!!“ „Aber, aber! Es war doch Teil der Abmachung, schon vergessen? Zuerst werde ich getötet und dann stirbst du. Allerdings habe ich nie etwas davon gesagt, dass ich dich nur ein Mal töten werde. Ich habe alle Zeit der Welt, im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich hoffe, dass du mich noch sehr lange unterhalten wirst. Der Rekord liegt bei 43 Toden. So lange hat mein bisher bestes Opfer durchgehalten. Mal sehen, ob du das noch toppen kannst. Denn ich will möglichst lange und ausgiebig mit meinem neuen Spielzeug spielen.“ Nachdem er sein Werkzeug ausgebreitet hatte, schnappte er sich eine kleine Fernbedienung und drückte einen der Knöpfe. Ein leises Surren ertönte und eine Art Maschine setzte sich in Gang. Unruhig sah sich Wheeler um, doch er konnte gar nicht erkennen, was da gerade aktiviert wurde. Dann aber hob er den Kopf und in dem Moment wich alles Blut aus seinem Kopf. Eine riesige Kreissäge war aus einer Versenkung hochgefahren und begann sich zu drehen. Großer Gott, hatte dieser Wahnsinnige etwa wirklich vor, ihn in der Mitte durchzusägen wie ein verdammter Baumstamm? Das konnte er doch unmöglich ernst meinen! „Hör endlich auf mit diesem Scheiß und lass mich frei! Was willst du von mir? Geld? Frauen? Drogen? Waffen? Ich kann dir all das besorgen aber lass mich hier endlich frei! LASS MICH FREI!!!“ Doch John sah funkelte ihn eiskalt an und lächelte hochmütig. „Kein Interesse. Drogen erfüllen mich nicht und Frauen verursachen nur Probleme und sind allesamt oberflächlich und furchtbar stupide. Genauso wie der Rest von Amerika. Nimm es mir nicht übel, mein Freund. Ich bin nun mal ein übellauniger, pessimistischer, narzisstischer Psychopath mit einem Hang zu Zynismus. Mir gehen die Amis genauso auf den Senkel wie die Deutschen, die verdammten Kanadier und Holländer oder wie die verdammten Russen oder diese Schlitzaugen. Wenn man so lange lebt, entwickelt man irgendwann einen Hass gegen sämtliche Religions- und Ethikgruppen. In der langen Menschheitsgeschichte hat jede Völker- und Glaubensgruppe ordentlichen Mist verzapft und Blut an den Händen gehabt. Meiner Meinung nach sollten diese bescheuerten Katholiken und Protestanten genauso zur Hölle fahren wie die Atheisten oder die frauenfeindlichen Muslime, oder diese unzähligen anderen hirnverbrannten Religionen und Sekten. Ich liebe Tiere am liebsten auf dem Grill und ich sehe in den Menschen von heute nichts anderes als verfressene, konformistische, selbstsüchtige und habgierige Schweine, die immer fetter und fauler werden und sich in ihrem eigenen Dreck und Müll suhlen. Sie widern mich an, sie bringen mich zum Kotzen, aber sie erfreuen mich auch und unterhalten mich. Sie sind alle strunzdumm und unverbesserlich und obwohl sie mich anekeln, amüsieren sie mich doch immer wieder aufs Neue. Diese Menschen finden Spaß daran, sich aus niederen Beweggründen gegenseitig abzuschlachten. Sie nehmen Rassen-, Kultur- und Religionsunterschiede als Grund, um zu töten und warum? Weil sie Langeweile haben und unzufrieden sind und sich selbst und anderen beweisen wollen, dass sie besser sind als andere. Frustrierte Menschen neigen dann eben zur Gewalt. Wenn sie schon nicht die eigene Ehefrau grün und blau schlagen können, dann nehmen sie die Knarre in die Hand und knallen auf der Straße mal eben ein paar Schwarze ab, oder stecken gleich ein paar Juden in die Gaskammer wie damals während des Holocausts. Oder sie reisen nach Afghanistan und pissen auf ein paar Leichen und lachen dabei. Ich habe schon viel miterlebt. Zu viel. Das Massaker von Nowgorod war das beste Beispiel dafür, dass Menschen keinen Grund brauchen, um zu morden. Und dieses Massaker hat sich für mich 50 Jahre lang wiederholt und es wiederholt sich bis heute noch. Es wiederholt sich bis in alle Ewigkeit.“ Wovon zum Teufel sprach er denn da überhaupt? Was für ein Massaker? Dieser John sprach doch in Rätseln und so langsam fragte sich Wheeler, ob er einfach nur verrückt war, oder ob es mehr hinter der Fassade dieses Mannes gab. „Ich verstehe nicht…“ „Natürlich nicht, es ist ja auch schon lange her. Nicht einmal deine Väter und Vorväter werden sich daran erinnern können, weil es schon zu lange her ist. In Russland herrschte eben eine schreckliche Zeit damals und ganz Nowgorod wurde ausgelöscht. Die Opritschnina haben alles niedergemäht, was ihnen in die Quere kam. Sie haben die Leute gevierteilt, geköpft, aufgespießt und sie von wilden Tieren zerfleischen lassen. Auch haben sie unzählige Menschen lebendig verbrannt und zu Tode gefoltert. Frauen und Kinder haben sie gefesselt und in den Wolchow-Fluss geworfen. Und wenn sie wieder auftauchten, wurden sie mit Beilen und Fischerhaken erschlagen. All das habe ich mit ansehen müssen und zwar ein halbes Jahrhundert immer wieder aufs Neue, 18250 Tage insgesamt. Aber versteh mich nicht falsch, ich bin nicht süchtig nach Mord und Schmerz. Ich bin weder ein Sadist, noch ein Masochist. Aber leider ist der Tod nun mal die einzige verbliebene Leidenschaft, die abwechslungsreich genug ist, dass sie noch nicht langweilig geworden ist. Also unterhalte mich schön mit deinem qualvollen und blutigen Tod, Tyson Wheeler.“ Damit drückte er einen weiteren Knopf, der das Fließband in Gang setzte. Die Panik ergriff den Ganganführer und er versuchte sich irgendwie von seinen Fesseln zu befreien. Sein Denkvermögen hatte sich komplett ausgeschaltet und es gab nur noch eines, was in seinem Kopf noch existierte „Du musst dich befreien und weglaufen!“ Mit aller Kraft, zu der er nur fähig war, stemmte er sich gegen seine Fesseln, schrie hysterisch und betete um ein plötzliches Wunder, das ihn vielleicht noch retten konnte. Doch die Fesseln waren einfach zu straff und würden nicht nachgeben. Und niemand würde kommen, um ihn zu retten, ebenso wenig würde sich der „Zeitschleifen-Killer“ dazu entschließen, hier und jetzt an dieser Stelle abzubrechen und ihn laufen zu lassen. Denn für ihn war das hier nur ein Spiel. Er hatte den Tod hingenommen als Teil des Spiels, sodass er nun das Recht hatte, danach sein ausgewähltes Opfer umzubringen. Und ausgerechnet Tyson Wheeler hatte er sich ausgesucht. Sein Blick wanderte zu seinem Kidnapper und er sah, wie dieser sichtlich amüsiert grinste und eine Videokamera auf ihn gerichtet hielt. „Das wird sicherlich unterhaltsam werden, mein Lieber. Aber keine Sorge. Nach der Kreissäge habe ich noch genug andere Spielsachen, die wir austesten können.“ „Nein, bitte lass mich gehen. Ich… Aaaaaaaah!!!“ Tyson riss die Augen weit auf, sein Körper verkrampfte sich vor Schmerz und er schrie, als sich das Sägeblatt langsam seinen Weg durch seinen Körper bahnte. Noch nie in seinem Leben hatte er so große Schmerzen gehabt, war noch nie einem solchen Wahnsinn ausgesetzt wie hier. Lass es aufhören, schrie eine Stimme in seinem Kopf und Tränen vermischten sich mit den Blutstropfen, die ihm ins Gesicht spritzten. Bitte lass es endlich aufhören. Diese Schmerzen… ich kann es nicht ertragen. Ich sterbe… ich… ich sterbe… Vor seinen Augen versank alles in ein tiefes Rot und in seinem Kopf gab es nur noch diese unsagbare Höllenqual, die sein Körper gerade durchlitt und er glaubte schon, den Verstand zu verlieren. Langsam bahnte sich das Sägeblatt durch seinen Unterleib vor bis zur Brust und er wusste, dass es noch nicht vorbei sein würde. Es würde noch dauern, bis die Säge seinen Brustkorb entzweischnitt und ihn hoffentlich dann tötete. Er wollte sterben, einfach nur um diese Schmerzen nicht mehr ertragen zu müssen. Seine Augen begannen sich in den Höhlen zu verdrehen, während sich sein Körper immer weiter verkrampfte. Alles in ihm schrie danach, endlich das Bewusstsein zu verlieren und zu sterben. Und tatsächlich begann sich der blutrote Schleier vor seinen Augen zu verdüstern, bis er in eine tiefe Schwärze hinabfiel. Prüfend sah John Walker auf seine Taschenuhr. Sie zeigte inzwischen zwei Uhr morgens an. 01:44 Uhr Der Schmerz in seinem Körper war kaum zu ertragen und beinahe hätte sich Wheeler übergeben. Es existierte nichts mehr in seinem Kopf als dieser brennende Schmerz, als würde sein Körper entzweigerissen werden. Kaum fähig, etwas anderes außer Schmerzen und den blutroten Schleier vor seinen Augen wahrzunehmen, sah er auf seinen Körper hinab. Unversehrt und ohne den geringsten Kratzer. Der Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon wieder geschehen war. Die Zeit war einfach zurückgesetzt worden und damit auch seine eigene. Er lebte wieder und er würde wieder sterben. Es war ein elender Teufelskreis, eine alptraumhafte Zeitschleife, in der es für ihn nichts anderes mehr gab als aufzuwachen, zu leiden, zu sterben und dann aufzuwachen, um wieder denselben Ablauf zu durchleben. „Und? Bereit für die nächste Runde?“ hörte er wie durch Watte gefiltert die Stimme seines Folterers fragen. Er antwortete nicht, fühlte sich einfach zu schwach dazu und atmete schwer. Sein Kopf dröhnte und alles um ihn herum drehte sich. Jede Faser seines Körpers war von diesem unerträglichen pulsierenden Schmerz ergriffen und er begann zu zittern. Bitte nicht noch mal, dachte er und versuchte diese Bitte in Worte zu fassen, doch er brachte nur ein leises und schwaches Stöhnen hervor. Bitte hör endlich auf damit. Es tut mir Leid, dass ich dich erschossen habe und Don Varescos Tochter entführt habe. Bei Gott, es tut mir alles unendlich leid. Aber bitte… nicht noch einmal… „Keine Sorge, die Kreissäge wird nicht mehr gebraucht. Es wäre doch zu langweilig, denselben Vorgang zu wiederholen. Stattdessen habe ich etwas anderes vorbereitet.“ Damit zog sich John dicke Handschuhe an, legte eine Schutzbrille und einen Mundschutz an und holte einen Kanister herbei, auf dem mehrere Warnzeichen zu sehen waren. „Flusssäure ist wirklich ein heimtückisches Zeug. Selbst wenn man nur einen Tropfen abbekommt, kann es gefährlich werden, weil sie so hochtoxisch ist, dass sie im Nervensystem erhebliche Schäden verursachen kann. Und auch die Dämpfe sind extrem gefährlich. Aber keine Sorge, die Kamera läuft natürlich mit. Es wäre doch die reinste Verschwendung, wenn ich nicht wenigstens ein kleines Erinnerungsstück an unser Spiel hätte.“ Er stellte kurz den Kanister auf das Fließband und schraubte den Verschluss auf. Tyson Wheeler wusste, was gleich folgen würde, schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, um sich auf das nächste Martyrium vorzubereiten, was gleich folgen würde. Noch nie in seinem Leben hatte er jemals an die Hölle geglaubt. Er hatte sich über jene lustig gemacht, die wirklich an sie glaubten. Jetzt würde er nicht mehr darüber lachen, denn nun wusste er es besser. Die Hölle existierte, er befand sich gerade in ihr. Und sein Daseinszweck bestand nur noch in der Belustigung dieses Psychopathen, der ihn nicht so einfach gehen lassen würde. Selbst wenn er ihn mit Säure übergießen und ihn damit töten würde, war es noch lange nicht vorbei. Wenn er starb, würde alles einfach wieder auf Anfang zurückgesetzt werden und ein neues Martyrium würde folgen. Es würde wieder und wieder passieren. Wieder und wieder und wieder und wieder und wieder. So lange, bis der Zeitschleifen-Killer den letzten Rest seines Verstands ausgemerzt und ihn zu einer lebenden Leiche gemacht hatte. Bitte lass mich nach diesem Tod einfach nur leer werden, damit er die Lust daran verliert, mich zu foltern. Lass es schnell vorbei sein! Das waren seine letzten Gedanken, bevor der Schmerz von neuem seinen Körper ergriff und sich die Säure langsam durch seinen Körper fraß, während er bei Bewusstsein war. Doch wie lange würde es wirklich brauchen, bis er den Verstand verloren hatte und John Walker endlich die Lust daran verlor, ihn zu foltern und umzubringen? Wie viele Tode würden bis dahin folgen? Der Rekord lag bei 43. Und Tyson Wheeler wollte nicht daran denken, wie viele grausame Tode er noch sterben musste. Denn dies hier war nur der Anfang, dessen war er sich sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)