Stolz und Vorurteil von Angelus75 ================================================================================ Kapitel 4: Erkenntnisse ----------------------- 4. Erkenntnisse Sicht Haldir: Ich floh vor ihm. Eine andere Bezeichnung, als „Flucht“ konnte ich dafür nicht finden. Schwer atmend ließ ich mich auf einer steinernen Bank nieder und zitterte immer noch. Ich ZITTERE, kam es mir gequält in den Sinn. Wie entwürdigend! So etwas passierte mir für gewöhnlich nicht. Da waren noch andere alarmierende Zeichen meines Körpers, die mir absolut nicht gefielen. Mein Herz raste, wie verrückt. Ich fühlte mich, als hätte ich in einem Flammenmeer gebadet und hatte Schweiß auf der Stirn. Die Haut meiner Hand, die gerade die Hand des Prinzen berührt hatte, brannte. Dies alles entsetzte mich bis ins Mark. Denn langsam und schmerzhaft begann sich eine leise Ahnung in mir zu regen, was das alles zu bedeuten hatte. Ich hatte wohl tatsächlich Gefühle für den jungen Prinzen...und die waren auch noch anders geartet, als es überhaupt für mich denkbar gewesen wäre! Diese Erkenntnis entsetzte mich nicht nur...sie erschütterte mich, versetzte mich in äußerste Panik. Wie konnte das nur passieren? „NEIN niemals“! kam ein Keuchen aus meiner Kehle. Niemals würde ich das weiter zulassen. Mit diesen Worten stand ich auf und ging in mein Quartier. Doch in dieser Nacht fand ich keinen Schlaf und wälzte mich ruhelos hin und her. Da war sie...die Schwäche, die ich mit Gefühlen verband und sie daher niemals zuließ. Wenn mir derartiges am Abend vor einer Schlacht mit hunderten bis an die Zähne bewaffneten Orks passiert, dann bin ich am nächsten Tag am Arsch...dachte ich in einer äußerst elben-untypischen Ausdrucksweise. Wie gut, dass der Prinz morgen endlich weiterzog und ich ihn hoffentlich für sehr lange Zeit nicht mehr sehen würde. Am besten niemals mehr. Als die Sonne aufging, verließ ich vollkommen gerädert meinen Schlafplatz und begab mich zu unseren warmen Quellen. Ich nahm ein sehr langes und ausgiebiges Bad in der Hoffnung, meine Erschöpfung vertreiben zu können, aber es half nichts. Ich wurde immer zorniger auf Legolas, aber auch auf mich selbst, denn ich war absolut nicht daran gewöhnt, solch Verwirrungen meines Geistes und meines Körpers zu ertragen. Mit einem Gesichtsausdruck, der selbst einen ausgewachsenen Uruk-hai in die Flucht getrieben hätte, begab ich mich auf unser Kampfgelände zu meinen Soldaten. Ich bemerkte, wie sie sich alle einen Schritt von mir entfernten, als sie mich so sahen und mich verwirrt beobachteten. Ich rief mich innerlich zur Vernunft, denn schließlich war ich nicht dazu da, um meinen Soldaten Furcht einzuflößen, sondern ich war ihr Anführer. Ich ging mit ihnen die Schichten des heutigen Tages durch und teilte eine weitere Truppe ein, die anstelle von mir heute Abend die südliche Grenze des Waldes bewachen sollte. Meine Aufgabe lag darin, die Gruppe der Gefährten zu dem Punkt zu führen, an dem sie ihre Reise fortsetzen würden. Mich schauderte. Ausgerechnet mir wurde diese Aufgabe zugeteilt. Ich wusste jedoch, dass es meine Pflicht war, als Hauptmann von Lothlorien, die ich gewissenhaft zu erfüllen hatte. Wenigstens war ich diesmal, während meines Kampftrainings von der Anwesenheit des Prinzen verschont, dachte ich erleichtert. Doch leider irrte ich mich, wie ich bald darauf feststellten sollte. Meine Männer und ich waren bis Mittag mit verschiedenen Kampftechniken beschäftigt und ich nahm mich tatsächlich etwas zurück. Zu erschöpft war ich immer noch, aufgrund meines nächtlichen Martyriums. Ein vernünftiger Gedanke wäre es eigentlich gewesen, das Training für heute zu beenden, um etwas Schlaf nachzuholen. Dieser Gedanke machte mich jedoch mehr als krank. Wenn es keinen triftigen Grund, wie eine vorangegangene Schlacht gab, dann war es für mich undenkbar, tagsüber zu schlafen. Wie entwürdigend...schoss es mir heute bereits zum zweiten Mal durch den Kopf. Plötzlich hörte ich hinter mir eine wohl bekannte Stimme sprechen und ich erstarrte. „Verzeiht, dass ich es wage, Euch anzusprechen, aber was ist mit Euch passiert? Ihr seht aus, als hättet Ihr die ganze Nacht mit einem Bären gerungen“. Mit einem unbeschreiblich entnervten Seufzer drehte ich mich zu Prinz Legolas um und sah ihn kalt und abweisend an. Seine Augen blickten fast etwas besorgt. Ich verbannte sämtliche Gefühlsregungen, die sein besorgter Blick in mir auslöste, in die hinterste Ecke meines Herzens und sagte unberührt „Müsst Ihr Euch nicht um Eure bevorstehende Abreise kümmern?“ Der Prinz erwiderte „Seid unbesorgt. Das habe ich bereits. Ich hielt es für klug, noch einmal meine Sinne im Kampf zu schärfen...so lange ich noch die Gelegenheit dazu habe, mit Euch und Euren Soldaten zu trainieren“. Ich sah, wie sich ein belustigter Ausdruck in seine azurblauen Augen schlich, als er sagte „Wie es mir scheint, seid Ihr jedoch heute zu ermattet, um gegen einen würdigen Gegner anzutreten“. Fassungslos und sprachlos starrte ich ihn an. Bisher hatte es niemand jemals gewagt, so mit mir zu sprechen. Langsam nahm ich ein Schwert und warf es dem Prinzen zu. Dann zog ich meines und sagte leise „Nun denn...dann kommt her“! Der Prinz legte seinen Köcher und Bogen ab, lächelte mich auffordernd an und trat auf mich zu. Ich nahm die linke Hand vor meinen Oberkörper und ließ mit meiner rechten Hand das Schwert in großen Bögen um meinen Körper sausen. Die Soldaten, die mir gegenüber standen, sahen mich voller Anerkennung an. Blitzschnell griff ich den Prinzen an und er wehrte gekonnt meinen Angriff ab. Wieder ging ich auf ihn los und nahm mir Zeit, mein ganzes Können in diesen Kampf zu stecken. Wir kämpften, wie die Besessenen. Meine Müdigkeit war wie vom Erdboden verschwunden und ich registrierte beeindruckt, dass er auch im Schwertkampf ein würdiger Gegner war. Insgeheim wusste ich, dass ich im Vorteil war, denn wenn Legolas seinen Bogen gebraucht hätte, dann hätte ich keine Chance gegen ihn gehabt. Das Schwert war meine große Stärke im Kampf und jeder wusste das. Letztendlich unterlag er. Ich hatte ihn mit einem gewaltigen Schwerthieb zu Boden befördert und kniete nun über ihm...mein Schwert an seiner Kehle. „Hütet Eure spitze Zunge, mein Prinz“ raunte ich ihm zu. Er bewegte sich nicht und sah mich aus azurblauen Augen unergründlich an. Ich sah ihn ebenfalls an und versuchte zu erkennen, was er dachte. Die Art, wie er mir in die Augen blickte, ließ meinen Atem stocken...so seltsam und ungewohnt war sie. Meine Augen weiteten sich, als ich in seinen, wie in einem Spiegel, meine eigene Erkenntnis und meine ungewollten Gefühle von gestern Abend sah. Ich keuchte auf. Eine Gänsehaut begann sich über meinen Arm zu ziehen, der das Schwert noch immer an seine Kehle hielt. Ich nahm es zur Seite und ließ es fallen. Entsetzen und Zorn mischte sich mit Hitze und Kälte. Meine Arme begannen zu beben, als ich so dicht über ihn gebeugt war. Mir wurde bewusst, wie nahe ich seinem Körper in diesem Moment war. Wie von selbst begannen sich meine Arme etwas zu senken und ich beugte mich noch weiter über ihn. Mein Gesicht kam dem seinen bis auf wenige Zentimeter nah und ich sagte „Fordert mich nie wieder heraus, Prinz!“ Er sah mich weiter an und flüsterte lediglich „doch...das werde ich“. Das Blut in meinen Adern fühlte sich an, wie glühende Lava und verbrannte mich innerlich. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Zu sehr war ich gefangen von der Nähe zu dem warmen Körper unter mir. Meine Augen glitten über sein Gesicht und blieben an seinen sanft geschwungenen Lippen hängen. Ein unausgesprochener Wunsch begann sich in mein krankes Herz zu schieben und meine Sinne zu durchfluten. Ich spürte, wie glühend heiße Hitze durch mein Becken zog. Ich näherte mich ihm immer weiter und stand kurz davor meine Kontrolle zu verlieren. Der Prinz starrte mich aus dunklen Augen an. Ich spürte, wie er unter mir erbebte. Er stöhnte kaum hörbar und grub seine Finger in meinen Arm. Durch diese Geste begann mein Verstand wieder aufzuklaren. Ich erschrak und mein Oberkörper rückte blitzschnell von ihm ab. Schwer atmend und um Fassung ringend saß ich nun auf seinen Knien und hörte den ebenso schnellen Atem des Prinzen. Ich schloss kurz die Augen und konzentrierte mich. Dann sprang ich mit einem Schwung auf und streckte dem immer noch keuchenden Prinzen meine Hand entgegen. Ich zog ihn hoch und sah ihm dabei schmerzerfüllt in seine dunklen blauen Augen. Er sagte immer noch kein Wort und schien genauso fassungslos und hilflos, wie ich. "Legolas" hörte ich den Zwerg laut rufen. Ich drehte den Kopf in seine Richtung. Der Zwerg stand auf seine Axt gestützt am Rande und hatte uns offensichtlich zugesehen. Heute ist wohl mein Glückstag...dachte ich bitter und zornig. Wieder hörte ich den Zwerg "Legolas komm. Wir haben etwas zu besprechen". Kühl und entschlossen sagte ich „Geht zurück zu Euren Gefährten. Lebt wohl, Prinz“ und dann drehte ich mich von ihm weg. Ich hörte, wie er ging. Stumm blickte ich zu meinen Männern und registrierte erleichtert, dass sie nichts von dem Vorangegangenen mitbekommen hatten. Sie hielten es wohl für einen Teil unserer Kampfszene und sprachen gerade noch begeistert darüber, was für ein Privileg es gewesen war, diesem besonderen Kampf beizuwohnen. Ich beendete das Training und zog mich in mein Quartier zurück. Sicht Legolas: Mein Atem begann sich langsam wieder zu normalisieren, als ich mich nach diesem aufwühlenden Kampf in die Wälder Lothloriens zurückzog. Ich musste nun ein wenig alleine sein und distanzierte mich daher von der Besprechung meiner Gefährten. Zu Seltsames war gerade über mich hereingebrochen. War es doch Freundschaft, die ich zu diesem stolzen und unbarmherzigen Elb suchte. Das dachte ich zumindest. Nun war ich mir nicht mehr so sicher. Die Gefühle, die sich am Ende des Kampfes aus meinem Herzen geschlichen hatten, waren alles andere als freundschaftlich. Ich war absolut machtlos gegen sie. Ein brennendes Verlangen durchdrang meinen Körper und meinen Geist, als der Hauptmann der Wache über mir kniete und mir immer näher kam. Ich war wie gelähmt, denn was ich jetzt empfand, war anders, als alles, was ich jemals empfunden hatte. Wie er mich angesehen hatte, dachte ich erschaudernd. Ich hatte gespürt, wie sein Atem immer schneller ging und wilde Glut aus seinen Augen schoss. Für einen winzigen Moment dachte ich, er würde seine Lippen auf meine legen. In meinem Kopf hallte dieser Satz wieder und wieder. War es das, was mein Herz sich gewünscht hatte vom ersten Augenblick an, da ich ihm begegnete? Zuerst still verborgen und nun unauslöschbar zugegen? Je mehr ich darüber sinnierte, desto mehr wurde mir klar, was es war, das mich so sehr in den Bann dieses Elbenkriegers zog. Kein Wunsch nach seiner Freundschaft... Mein Körper verspannte sich und ich legte meine Hände an meine Stirn „auch das noch!“ Seufzend kehrte ich nach Stunden zu meinen Gefährten zurück. Es war Zeit aufzubrechen. Still und dankbar, verabschiedeten wir uns von unseren Gastgebern und ritten los. Allen voran ritt Hauptmann Haldir mit einem Trupp seiner Soldaten. An der Grenze des Waldes blieb er stehen und verneigte sich vor uns. Als ich an ihm vorüber ritt, sah er mir kurz in die Augen. Sein Blick war nicht mehr ganz so kalt, wie er es sonst zu sein pflegte, dennoch war er unnahbar und unbeugsam. Ich erwiderte seinen Blick und neigte kurz meinen Kopf, dann setzten wir unsere Reise fort. ----------------------------------------------------------------------------------------------------- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)