Down Hill 1: Arrival von Sky- (Welcome to Hell) ================================================================================ Kapitel 10: Im Inneren von Hell's Gate -------------------------------------- Merkwürdig, dachte Mello, als diese Bilder vor seinem Auge wieder verschwanden und wieder in die Tiefen seines Unterbewusstseins verschwanden. Wie kann ich denn von meiner Zeit in Wammys House träumen, wenn ich doch tot bin? Oder ist es möglich, dass ich wie durch ein gottverdammtes Wunder doch noch überlebt habe? Nein, das ist eigentlich völlig unmöglich. Er erinnerte sich doch, dass er mehrere Meter in die Tiefe gestürzt war. Nie und nimmer hätte er den Sturz überlebt, nachdem er in den Schacht gefallen war. Irgendetwas musste den Aufprall abgedämpft haben. Nur was? Er öffnete die Augen, stellte aber fest, dass es hier drin fast völlig finster war. Lediglich ein paar rote Lampen gaben ein schwaches Licht ab und ein infernalischer Gestank herrschte hier unten. Der Geruch war süßfaulig und brannte in der Kehle, sodass er husten musste. Seine Augen tränten regelrecht und er hatte das Gefühl zu ersticken. Großer Gott, was war das denn bloß für ein Ort? Er versuchte aufzustehen, doch da rutschte der Boden unter ihm ab und er stürzte eine Art kleinen Hügel hinunter. Er landete wieder auf einem weichen Boden, der sich aber wirklich mehr als komisch anfühlte. Und auch hier sammelte sich dieser widerwärtige Gestank, der ihm fast die Luft abschnitt. Ihm wurde erneut schlecht und er wollte aufstehen und möglichst schnell hier raus, doch da durchfuhr ein entsetzlicher Schmerz seinen Körper und er spürte das warme Blut, das seinen Körper hinablief. Ja richtig, er war doch von Jacksons Machete schwer verletzt worden. Ach verdammt noch mal, warum nur musste er in dieses Loch fallen? Wo war er denn bitteschön und wie kam er hier raus? So wie es roch, würde er fast glauben, dass er auf einer Art Müllhalde war. Der Gestank von Verwesung war so infernalisch, dass er das Gefühl hatte, als würde dieser Geruch sich auf seinem gesamten Körper ausbreiten wie ein Parasit. Als würde der Gestank in ihn eindringen und ihn bis auf die Knochen damit infizieren, sodass er selbst anfangen würde wie eine Leiche zu stinken. Moment mal… Leiche? Eine böse Vorahnung überkam den 24-jährigen, doch er wagte es nicht, hinzusehen. Angst überkam ihn. Angst vor dem, was er sehen würde, wenn er versuchen würde, den Boden unter seinen Füßen genauer zu erkennen. Oh Gott, bitte lass es das nicht sein, was ich befürchte. Das darf es nicht sein! Mellos Herz begann wie wild zu schlagen, Adrenalin wurde durch seine Adern gepumpt und mit einem Male beherrschte ihn die nackte Todesangst. Langsam sah er herunter und wurde in seiner schlimmsten Befürchtung bestätigt: er lag auf einem Leichenberg. Wirklich überall waren Leichen, die teilweise längst verwest waren. Einige waren mumifiziert, andere hatten sich komplett zersetzt und die Luft war erfüllt vom lauten Surren der Fliegen. Überall wo er hinblickte, sah er Leichen. Leichen von Frauen und Männern, teilweise brutal verstümmelt und zerfetzt, manche von ihnen kaum noch zu identifizieren. Andere sahen aus, als wären sie von Krankheiten dahingerafft worden, nachdem sie ein wochen- bis sogar monatelanges Martyrium hinter sich hatten. Egal wohin er sah, er sah nichts als Leichen und riesige Fliegenschwärme, die ihre Larven in den verrottenden Körpern der Insassen abgelegt hatten. Dieser Anblick war endgültig zu viel für Mellos Psyche nach dem Horror, den er schon vorher erdulden musste. Dieser Ort hier… diese fleischgewordene Hölle war schlimmer als alles, was er sich in seinen schlimmsten Alpträumen jemals hätte ausmalen können. Er schrie entsetzt auf und wollte nur noch eines: aus diesem Alptraum aufwachen. So einen Ort konnte es doch nie und nimmer wirklich geben. Nein… er wollte das nicht glauben. Er wollte das alles nicht mehr eine Sekunde länger ertragen, ja er wollte nur noch schnellstmöglich raus hier und weit weg von diesem Ort. Warum nur hörte das nicht endlich auf? Wieso nur musste das alles passieren und womit hatte er das hier verdient? Mello versuchte aufzustehen, doch seine Beine gehorchten ihm kaum noch. Er hatte bereits viel Blut verloren und spürte, wie ihm langsam kalt wurde, obwohl dieser Ort warm und stickig war. Ihm war speiübel und wenn er sich nicht vorhin schon erbrochen hätte, dann hätte er es spätestens jetzt getan. Irgendwo hörte er Stimmen. Er hörte das qualvolle Stöhnen von Menschen, die noch lebten und die hier zum Sterben hinuntergeworfen worden waren und die nun hier qualvoll und elendig hier krepieren mussten. Hier in dieser stinkenden und verwesenden Hölle, wo es nichts gab als den Tod. Was für ein Horror. Tränen der Verzweiflung kamen ihm. Er wollte hier drin nicht sterben. Es musste doch irgendwie einen Weg geben, der hier rausführte. Horace hatte doch gesagt, dass es irgendwo einen Luftschacht gab oder etwas anderes in der Art. Ja, er musste diesen Luftschacht finden und hier raus. Wenn er den Luftschacht erreichte, hatte er vielleicht noch eine kleine Chance, hier rauszukommen und zu verschwinden. Mit Mühe versuchte er sich an dem Leichenberg hochzuziehen, doch da packte ihn etwas am Arm und er sah in das schmerzverzerrte Gesicht eines Mannes, der unter unzähligen Leichen eingeklemmt war. Er hatte keine Augen mehr, sondern nur noch zwei blutige Löcher. „Hilf mir“, flehte er Mello an. „Ich will hier nicht sterben. Hilf mir bitte.“ Doch Mello wusste, dass er diesem Mann nicht helfen konnte. Sein Körper war inzwischen so schwach, dass er selbst in Zweifel geriet, ob er es selbst überhaupt schaffte, hier wieder rauszukommen. „Lass mich los! Loslassen!“ rief er und versuchte sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. Doch da streckten noch andere ihre Hände hilfesuchend nach ihm aus. Viele von ihnen waren schwer verletzt, einige mehr tot als lebendig und ihre verzweifelten und kraftlosen Hilferufe erfüllten das Innere dieser entsetzlichen Ebene. Das war also Hell’s Gate… Die Hölle auf Erden. Nie hätte Mello sich vorstellen können, dass es so einen Horror wirklich geben könnte und er selbst noch ein Teil davon wurde. Und er wusste nicht, was in diesem Moment schlimmer war. Die Angst vor diesem Ort, oder die Verzweiflung, dass er kaum noch stehen konnte und tief in seinem Herzen wusste, dass er hier genauso elendig verrecken würde wie die anderen, die ihn um Hilfe anflehten. Auf dieser menschlichen Müllhalde, wo er mit hunderten von Leichen verrotten würde. Er wollte es nicht akzeptieren und kämpfte sich weiter. Obwohl die Lichtverhältnisse so schwach waren, dass er kaum etwas sehen konnte, wollte er nicht aufgeben. Es konnte doch nicht sein, dass er zwischen all den Leichen inmitten dieses infernalischen Verwesungsgestanks krepieren würde wie ein Straßenköter. Nicht auf dieser Leichendeponie, wo alles verfaulte und verweste. Tränen der Verzweiflung sammelten sich in seinen Augen, er versuchte sich durch dieses Leichengebirge zu kämpfen, doch da verließ ihn endgültig die Kraft und er brach zusammen. Die Erschöpfung und der Blutverlust waren zu groß, als dass sein Wille zu überleben dagegenhalten konnte. Sein Körper hatte seine Grenzen erreicht und ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er verloren hatte. Er würde hier sterben… Sein Körper würde aufgrund des hohen Blutverlusts einen Schock erleiden, sein Kreislauf würde endgültig den Geist aufgeben und er würde dann einfach sterben. Nie hätte er sich träumen lassen, dass es mal so mit ihm zu Ende gehen würde. Natürlich hatte er gewusst, dass kein feierliches Staatsbegräbnis auf ihn warten würde. Keine Familie, die um ihn trauerte und kein mit Blumen geschmückter Sarg. Aber das war für ihn nicht schlimm gewesen. Er hätte auch nichts dagegen gehabt, in einer Hintergasse zu sterben, nachdem ein Räuber oder irgendjemand anderes ihm eine Kugel durch den Schädel gejagt hatte. Es wäre ihm egal gewesen. Aber um nichts in der Welt wollte er in dieser Hölle sterben. Was für ein Horror, dachte er und lag nun da zwischen all den Leichen. Dem Tod ins Auge blickend und mit Tränen in den Augen. Und ich hatte nicht einmal die Chance, Matt wiederzusehen und ihm zu sagen, wie sehr es mir leid tut, dass ich ihn damals geschlagen habe. Ich werde nie wieder die Gelegenheit bekommen, um ihm zu sagen, wie lange ich nach ihm gesucht und was ich mir für Sorgen um ihn gemacht habe. Geschweige denn, dass ich ihm jemals sagen kann, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich werde nie erfahren, was er alles erleben musste und wie es ihm geht. Nein, stattdessen verrecke ich hier auf dieser stinkenden Mülldeponie aus Menschen, bis auch mein Körper langsam verrottet und nur noch als Fraß und Brutstätte für die Fliegen dient. So hatte er sich sein Ende wirklich nicht vorgestellt. Er spürte, wie seine Augenlider langsam schwer wurden und er immer schwächer wurde. Lange würde es wohl nicht mehr dauern, bis er starb. Zumindest nahm er keine Schmerzen mehr wahr. Ein Zeichen dafür, dass allmählich der Schockzustand eingesetzt hatte. In dem Fall würde es sich wohl nur noch um wenige Minuten handeln, bevor es auch für ihn zu Ende ging. Matt… es tut mir alles so unendlich leid. Ich wünschte, ich hätte dich wenigstens noch ein allerletztes Mal sehen und ein allerletztes Mal deine Stimme hören können, bevor ich sterbe. Aber wenigstens hatten wir eine tolle Zeit zusammen, bis vor vier Jahren… Langsam schlossen sich Mellos Augen, aber auch nur für kurz, als er plötzlich eine Bewegung wahrnahm und sein Bewusstsein zurückkehrte. Etwas näherte sich ihm und nur verschwommen erkannte er eine Kapuzengestalt, die an ihn herankroch und ihn anstarrte. Aufgrund der Kapuze konnte er das Gesicht nicht sehen, aber er konnte dennoch hören, wie dieses Wesen leise schnüffelte. Moment mal… das war doch dieser komische Kapuzentyp aus dem Asylum. Was hatte er hier zu suchen? Und was wollte er von ihm? Vielleicht ist er ja Kannibale und checkt ab, ob ich wirklich genießbar für ihn bin, dachte Mello sich. Das würde zu seinem größten Unglück noch fehlen. Doch dann streckte das Wesen mit der Kapuze seine Hand aus und… strich sanft über seine Wange. Diese Hand fühlte sich eiskalt an, so wie die einer Leiche. Mello hörte den rasselnden Atem der Kreatur und dann eine heisere Stimme. Ja, sie versuchte zu sprechen… „M… Mi… ha…“ Wie? Was hatte das Wesen gerade gesagt? „Mihael…“ Mello konnte es nicht fassen, als diese Kreatur doch tatsächlich diesen Namen gesagt hatte. Seinen wahren Namen. Aber wie war das möglich? Woher kannte es denn bitte seinen richtigen Namen? Es gab doch nur eine Person, die… Matt, schoss es Mello durch den Kopf. Konnte es wirklich sein, dass dieser Kerl da vielleicht Matt sein konnte? War das wirklich möglich? Mello wollte etwas sagen, doch selbst dazu hatte er nicht mehr die Kraft. Es fiel ihm ja schon schwer genug, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben. Er sah, wie das Wesen die Hand zu seiner Kapuze führte und dann biss es sich selbst in die Hand. Ja, es biss so fest zu, dass seine Zähne die Haut durchbohrten und Blut herausquoll. Oder zumindest wäre Blut geflossen, doch stattdessen tropfte eine schwarze zähflüssige Masse heraus, die irgendwie von der Konsistenz her an Kleister erinnerte. Dann drückte es Mellos Kiefer mit seiner anderen Hand gewaltsam auseinander und ließ diese dickflüssige Masse in seinen Mund tropfen. Es schmeckte widerwärtig und nur im Ansatz nach Blut. Mello wollte sich dagegen sträuben, doch das Wesen hielt ihm Mund und Nase zu und zwang ihn dazu, dieses Zeug zu schlucken. Erst als er alles heruntergewürgt hatte, ließ es von ihm ab und biss sich erneut gewaltsam in die Hand, woraufhin es wieder blutete. Dieses Mal war sein Blut jedoch nicht mehr so zähflüssig wie zuvor und nachdem es genug geblutet hatte, schob es Mellos Shirt hoch und ließ sein Blut auf die Wunden tropfen. „Wa-was machst du da?“ brachte der 24-jährige mit unsäglicher Mühe hervor, nachdem er mehrmals krampfhaft husten musste. Das Wesen hob kurz den Kopf, um ihn anzusehen, doch es antwortete nicht. Es versuchte zwar irgendwie Worte zu formen, doch offenbar war es der menschlichen Sprache nicht mächtig. Fraglich war, ob es ihn überhaupt verstanden hatte. Nachdem es genug von seinem Blut in Mellos Verletzung an der Seite hatte tropfen lassen, widmete es sich nun der Bauchverletzung zu, die wohl am schwersten war. Mello begriff nicht ganz, was das Wesen mit dieser Aktion bezweckte. Wollte es irgendwie auf eine sehr unbeholfene Art und Weise Blut spenden? Wer oder was war dieses Ding eigentlich und woher kannte es seinen richtigen Namen? „Mihael“ brachte das Wesen mit großer Mühe hervor und strich wieder mit seiner unversehrten Hand über Mellos Kopf. Schließlich ließ es im Anschluss noch etwas von seinem Blut auf die Kopfwunde tropfen, die sich Mello ebenfalls zugezogen hatte und dann sah Mello das Unfassbare: mit einem Mal hörte die Wunde bei diesem Wesen auf zu bluten. Von einer Sekunde zur anderen stoppte die Blutung und das Blut selbst schien von der Haut einfach absorbiert zu werden. Was zum Teufel war das nur für ein Monster? Das war doch nie und nimmer ein Mensch! Mello spürte, wie ihm immer kälter wurde. Eine innere Kälte breitete sich in seinem Körper aus und seine Gliedmaßen begannen zu zittern. Ihm war so furchtbar kalt, als würde ihm buchstäblich das Blut in den Adern gefrieren. Es schnürte ihm die Lungen zu und er bekam kaum noch Luft. Es war kalt… so verdammt kalt, dass es fast schon schmerzhaft war. Großer Gott, was passierte da nur gerade mit ihm? War das der Blutverlust oder hatte dieses Wesen etwa damit zu tun, dass es sich anfühlte, als würde er innerlich erfrieren? Er rang keuchend nach Luft und kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Vor seinen Augen verschwamm alles und er fürchtete, dass er gleich noch das Bewusstsein verlieren würde. Doch er hatte Angst davor, denn er wusste nicht, was passieren würde. Was hatte diese Kreatur nur mit ihm vor und was würde ihm bevorstehen, wenn er wieder aufwachte? Wäre er dann immer noch hier in dieser Hölle oder würde ihn vielleicht doch ein kleines Wunder retten und er musste nicht hier sterben? Innerlich hoffte er es ja, doch nach dem Martyrium, das ihn seit seiner Ankunft in Down Hill widerfahren war, verlor er so langsam den Glauben daran. Hier in diesem Gefängnis, welches nichts anderes war als ein gigantisches Grab, gab es keine Hoffnung, genauso wie es keinen Lichtschimmer gab. Der Tod hier war nur noch eine Frage der Zeit. Dieser Ort war die Hölle. Es war eine von Menschenhand erschaffene Hölle, in der die Starken die Schwachen unterdrückten. Dieser Ort machte aus Menschen Ungeheuer… Mellos ganzer Körper verfiel in ein unkontrolliertes Zittern, teilweise verkrampften sich seine Muskeln und wieder spürte er diese entsetzlichen Schmerzen. Er stöhnte gequält auf und fragte sich, ob dies jetzt vielleicht sein Ende war. War das hier vielleicht die so genannte Todesagonie, die er noch erdulden musste, bevor es mit ihm zu Ende ging? Er wusste nicht, wie lange dieser Zustand andauerte. Vielleicht nur ein paar Sekunden, womöglich aber auch Minuten. Dann ließ es langsam wieder nach. Diese quälende innere Kälte schwand und mit ihr auch die Krämpfe und das heftige Zittern. Erschöpft lag er da und spürte nur noch, wie diese zwei eiskalten Hände ihn packten und wie er hochgezogen wurde. Was passierte denn jetzt mit ihm? Wollte es ihn etwa von hier wegbringen? Ja aber wohin? Mello hatte nicht mehr die Kraft dazu, sich noch weiter darum Gedanken zu machen. Vor seinen Augen verschwand alles in eine tiefe Dunkelheit. Doch bevor er endgültig das Bewusstsein verlor, schaffte er es noch, ein paar letzte Worte zu sagen. „Matt… es tut mir leid…“ Das Wesen hielt kurz inne, so als hätte es tatsächlich diese Worte verstanden. Es sagte aber nichts, es brachte nur ein heiseres „Mihael“ zustande und lud sich dann den Bewusstlosen über die Schulter. Kaonashi wartete ungeduldig am Eingang zum Westblock auf Horace und fragte sich, warum das wohl so lange dauerte und ob vielleicht etwas schief gelaufen war. Dann aber hörte er Schritte und sah Horace herbeieilen. Er war ziemlich aus der Puste und musste erst einmal wieder zu Atem kommen und sich von dem Spurt erholen. „Was ist passiert? Sind die beiden hinter dir her gewesen oder warum bist du so gerannt?“ „Umbra“, brachte Horace hervor und musste sich an der Wand abstützen. In so einem Zustand hatte Kaonashi ihn selten gesehen und dabei war Horace ein verdammt guter Läufer. Er musste wirklich um sein Leben gerannt sein. Und als er auch noch hörte, dass die Ursache dafür Umbra war, setzten bei ihm die Alarmsignale ein. „Hat es dich attackiert oder verletzt?“ „Nein. Es war offenbar hinter Sigma her, frag mich aber nicht wieso. Ich war gerade dabei, mich mit ihm ein wenig zu zanken um deinem Rookie genug Vorsprung zu verschaffen, da kam auf einmal Umbra auf uns zu. Es hat dann irgendwie geschnüffelt, als wolle es eine Fährte aufnehmen und dann hat es uns verfolgt. Sigma und ich haben die Beine in die Hand genommen und sind abgehauen, aber dann hat sich Umbra auf ihn gestürzt und ich hab natürlich die Gelegenheit genutzt und bin abgehauen. Zuerst wollte ich zu den Treppen hin, aber da kam mir auch schon Scarecrow Jack entgegen und hat mich durch das halbe Asylum gejagt. Ich konnte ihn schließlich abhängen und das offenbar mit Erfolg. Tja und jetzt bin ich eben halt ziemlich aus der Puste. Mann… ich glaub, ich bin schon lange nicht mehr so gerannt, seit ich 16 Jahre alt war.“ „Und Mello?“ „Den hab ich nicht gesehen. Wahrscheinlich kommt er gleich, oder aber er hatte das Pech und ist Jack in die Arme gelaufen.“ Langsam aber sicher kam Horace wieder zu Atem, musste aber dennoch eine kurze Verschnaufpause einlegen, bevor er weitergehen konnte. Diese Flucht durch das ganze Asylum war nicht ohne gewesen und selbst für einen fitten Läufer wie ihn anstrengend. „Und ich konnte mich nicht mal warm machen“, beklagte sich der Schauspieler. „Das gibt morgen sicher Muskelkater.“ „Na jetzt hast du dir ja deinen Feierabend verdient und jetzt hör auf zu jammern. Du kriegst ja noch deine Belohnung für die Mühe, die du dir eigentlich gar nicht erst hättest machen müssen.“ „Ach was. Wenn es für dich ist, tu ich es doch gerne, Kao. Und was jetzt? Willst du noch warten und sichergehen, dass dein kleiner Rookie-Freund auch den Weg findet?“ Diese Frage beantwortete Kaonashi mit einem klaren „Nein“. „Ich habe ihm genug Hilfestellung gegeben und wenn er es nicht schafft, ist es nicht meine Schuld. Nur was mich interessieren würde wäre, was Umbra denn im Asylum zu suchen hatte und was es von Sigma will. Knapp sechs Monate war es wie vom Erdboden verschluckt, taucht urplötzlich im Asylum auf und das zu dem Zeitpunkt, wo dieser Mello auftaucht.“ „Du vermutest einen Zusammenhang?“ Unsicher zuckte Kaonashi mit den Schultern und auch Horace war etwas skeptisch. Es konnte reiner Zufall gewesen sein, dass Umbra genau zu dem Zeitpunkt zurückkehrte, wo dieser Mello nach Down Hill gebracht wurde. Die Wahrscheinlichkeit eines Zufalls war auch sehr hoch, aber andererseits hatten sie beide im Hinterkopf, dass Nine deutliches Interesse an Mello gezeigt hatte. Und in dem Fall hatte das alles auch seine Gründe. „Was sollen wir jetzt machen?“ „Wir gehen zurück. Ich hab genug getan und ich hab auch nicht sonderlich Lust, noch weiter hier dumm rum zu stehen. Ich bin ja auch nicht die Gefängnis-Nanny.“ „Das klingt schon mehr nach dir“, rief Horace zufrieden und klopfte ihm auf die Schulter. Gerade wollten sie sich auf den Weg in Richtung Ostblock machen, da bemerkten sie, dass da jemand aus der Richtung des Westblocks herbei kam. Kaonashi und Horace wandten sich um und sahen, dass es Umbra war. Und er hatte jemanden bei sich. Kaonashi reagierte sofort und stellte sich schützend vor Horace. Da Umbra absolut unberechenbar war, wollte er lieber kein Risiko eingehen. „Was willst du damit?“ Damit wies er auf den augenscheinlich leblosen Körper und als er genauer hinsah, erkannte er, dass es Mello war. Offenbar hatte es ihn schlimm erwischt. Umbra antwortete nicht, sondern setzte den Bewusstlosen vorsichtig auf dem Boden ab und strich mit seiner totenbleichen und eiskalten Hand vorsichtig über dessen Gesicht. Kaonashi trat näher und sah sich das Ganze näher an. „Ach du Scheiße“, murmelte er. „Das sieht böse aus.“ Nun kam auch Horace dazu und sah die Verletzungen und vor allem das kalkweiße Gesicht. „Lebt er überhaupt noch?“ Kaonashi fühlte den Puls und tatsächlich: Mello lebte, wenn auch nur gerade eben noch. Aber dann fiel ihm der Geruch auf und sofort wandte er sich seinem Begleiter zu. „Bleib lieber weg von ihm.“ „Wieso? Was ist?“ fragte der Schauspieler irritiert und ging sofort zwei Schritte zurück. „Es riecht stark nach Verwesung. Ich vermute mal, er ist einen der Schächte hinuntergestürzt und im Hell’s Gate gelandet.“ „Shit“, rief Horace und wich nun noch weiter zurück. „Und was jetzt? Der Typ braucht dringend einen Arzt. Sollen wir ihn zu Clockwise bringen?“ „Nein. Es wäre besser, wenn er nach Efrafa kommt. Die haben dort eine Quarantänestation im Gegensatz zu uns. Im schlimmsten Fall wird eine Seuche ausbrechen, wenn wir nicht aufpassen. Ich schlage vor: ich bring ihn eben bis vor die Tür, du gehst schon mal zurück und stellst dich unter die Dusche. Das letzte, was wir riskieren können, wäre eine Seuche.“ „Und du willst ihn allen Ernstes nach Efrafa bringen, obwohl der Doktor dort ist?“ „Helmstedter steht unter der Beobachtung des Untergrunds. Zwar beschützen sie dieses Monster, aber solange die in der Nähe sind, wird es Helmstedter nicht wagen, dem Jungen was anzutun. Etwas anderes wäre glatter Selbstmord und würde gar nicht zu ihm passen.“ „Hm… auch wieder wahr.“ Damit ging Horace und so wandte sich Kaonashi Umbra zu, als er dabei war, sich den bewusstlosen Mello auf den Rücken zu laden. „Ich werde ihn in Sicherheit bringen. Keine Sorge, es wird ihm gut gehen.“ Umbra reagierte nicht, sondern schien Kaonashi viel eher zu beobachten. Dann aber begann es offenbar zu verstehen, was sein Gegenüber vorhatte und erhob sich, dann schlich es in Richtung Westblock davon. Kaonashi seinerseits machte sich auf den Weg zum Ostblock. „Das ist ja mal interessant“, murmelte der Maskierte und ein listiges Grinsen spielte sich über seine Mundwinkel, was aber niemand hätte sehen können. „Da scheint Umbra doch tatsächlich an dir interessiert zu sein, mein Lieber. Wirklich erstaunlich. Du bist kein Schlüssel und auch kein M.O. und trotzdem: kaum bist du hier, wirkst du wie ein Magnet auf Umbra. Warum wohl? Tja, das werde ich auch schon noch herausfinden. Und wer weiß… vielleicht bist du ja noch ganz nützlich für uns. Und dann werde ich auch endlich herausfinden, was der Doktor im Schilde führt und was es mit Umbra auf sich hat. Ich glaube, wir zwei werden uns noch öfter treffen, mein lieber Mello. Aber du kannst dich wirklich glücklich schätzen. Du hast echt mehr Glück als Verstand und bis jetzt kenne ich niemanden, der das Hell’s Gate jemals lebend verlassen hat.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)