Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 57: A rotten apple's tale --------------------------------- Kapitel 57: A rotten apple’s tale Er hatte die Hände locker in die Hosentaschen geschoben, fühlte, wie sich ein wirklich massives Gewicht von seinen Schultern, seiner Brust liftete; von dem Trubel der Menschen um ihn herum bekam er nicht wirklich viel mit. Erleichterung wehte wie eine warme Brise durch die Menschenansammlung, das kollektive Seufzen war fast zu hören. Die Sonne brach durch die Wolken, legte ihre in diesen Breitengraden eher gemäßigt wärmenden Strahlen auf seine Haut – dennoch reichte es für ihn um zu merken, wie durchgefroren er gewesen war. Bis zum Kern zu Eis erstarrt bei dem Gedanken, dem Gefühl… …dass sein Sohn tot sein könnte. Er wandte sich zu Heiji um, der neben ihn getreten war, in dieselbe Richtung blickte wie er – nämlich dem Krankenwagen nach, der langsam vom Hof rollte, in den Verkehr einfädelte. Gerade eben war die Tür des Krankenwagens hinter Ran und seinem Sohn zugeschlagen; er hatte ihr den Vortritt gelassen, ihn ins Krankenhaus zu begleiten. Sie hatte das verdient. Ganz abgesehen davon, dass sie wohl auch nicht mehr von ihm zu trennen gewesen wäre. Außerdem können die im Krankenhaus auch gleich mal nach ihr sehen, fast zu ertrinken kann auch nicht gesund sein. Seine Züge verhärteten sich kurz; dann nickte er Kogorô zu, der gerade in ein Taxi stieg, um dem Krankenwagen hinterherzufahren – wohl genau aus diesem Grund. Sie hätten heute fast beide ihre Kinder verloren. Der Gedanke war ernüchternd und goss ihm den metaphorischen Kübel Eiswasser über den Schädel. Er blinzelte, seine Schultern strafften sich, als seine Augen zu jenem Gebäude wanderten, in dem sein Sohn fast sein Ende gefunden hätte. Beinahe. Er konnte nicht leugnen, dass ihn immer noch eine gewisse Restsorge plagte – er ahnte, wusste, dass Shinichis Weg zur Genesung noch nicht zu Ende war. Noch eine ganze Weile nicht. Und leicht würde er auch nicht werden. Das sah eng aus, Shinichi. Enger, als es je hätte sein dürfen. Er seufzte, runzelte die Stirn. Das Gift lief immer noch Amok in seinem Körper, auch wenn Ran es wohl geschafft hatte, zumindest den Schalter in Shinichis Hirn umzulegen; es schien, als habe er zum ersten Mal die Chance, ein wenig Kontrolle zu behalten, wenn diese perfide Substanz seinen Körper davon überzeugen wollte, dass er keinen Sinn mehr hatte, zu leben. Als habe er die Chance, eine kleine Ecke in seinem Bewusstsein zu besetzen, wenn es losging. Eine kleine Stimme der Vernunft zu bewahren, die ihn am Leben hielt, wenn seine Welt um ihn her in Trümmer stürzte. Ein einzelner Stern in finstrer Nacht. Das war Ran. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Den Rest schaffst du auch noch, Shinichi. Das Schlimmste hast du hinter dir. „Yusaku!“ Er wandte sich um, als er Yukikos Stimme hinter sich hörte; Angst und Panik schwang in ihr mit. So wie es aussah, hatte sie es deutlich langsamer als Shiho geschafft, sich durch die Menge zu kämpfen. „YUSAKU!“ Atemlos kam sie vor ihm zum Stehen, kippte fast vornüber, starrte zu dem Punkt, an dem der Krankenwagen verschwunden war. „Yusaku, was… war das Shinichi? Ich hab – sie haben gesagt, er wäre –…“ Ihre Augen schimmerten glasig. „Was ist denn mit ihm? Was ist passiert? Und wo -…“ Sie schaute sich hektisch um. „Wo ist Ran?!“ Yusaku Kudô seufzte, nahm seine Frau in die Arme. „Er lebt, das ist das Wichtigste, Yukiko. Ran ist bei ihm. Alles…“ „Dann stimmt es…?“ Sie hauchte die Worte fast, schluckte hart. „Er war der Boss? Black? Und er war mit ihm im Keller und hat eine Bombe…“ „James Black war Anokata, ja.“ Yukiko fuhr hoch, als sie Akais Stimme hinter sich hörte. Unbemerkt waren die beiden Agents nähergetreten; der schwarzhaarige Japaner nickte kurz. „Und er wollte ihn umbringen. Er hat ihn in die Autopsie gelockt, ihm eine Überdosis dieser Droge gespritzt und wollte ihn sterben stehen.“ Die ehemalige Schauspielerin starrte ihn an, krallte ihre Finger in das Sakko ihres Mannes – merkte, wie ihr Blutdruck schlagartig abfiel, sie fast ohnmächtig wurde. Bilder tauchten in ihrem Kopf auf, Bilder von damals, von ihrem Sohn, zu der Zeit als der Entzug von diesem Gift ihn durch die Hölle schickte, wieder, und wieder, und wieder. Der Vorstellung, wie es ihm ergangen war, als er in den Fängen der Organisation war, andauernd unter der Wirkung dieser Substanz… hatte sie sich einmal hingegeben, und dann nie wieder. Eine Überdosis von diesem Zeug, heute… Sie wandte sich um, ruckartig, schnappte nach Luft. Dann hob sie den Kopf, schaute ihrem Mann ins Gesicht, suchend. Und fand, was sie sich erhoffte. Ruhe, Zuversicht. „Er wird’s überleben, Yukiko, auch wenn… auch es wohl genauso schlimm ist, wie es sich anhört. Ich fürchte auch, er wird wohl doch noch etwas länger in London bleiben müssen, als er wahrscheinlich will. Ran ist mit ihm ins Krankenhaus gefahren. Wir sollten auch…“ Sie nickte heftig, schluckte. Langsam ließ sie von ihrem Mann ab, verarbeitete die Information, holte tief Luft. Es ist okay, Shinichi. Solange du lebst, ist alles gut. Und wir sind alle da. Du wirst nicht allein sein. Diesmal wirst du jeden Grund haben, dich da durchzubeißen. Ein kämpferisches Lächeln kräuselte ihre Lippen. Dann bemerkte sie den abwesenden Blick auf dem Gesicht des FBI-Agents, stutzte. Sie wandte sich zu Jodie, und auch sie schien etwas – oder vielmehr, jemanden – zu suchen. „Ist was?“ Shuichi runzelte die Stirn. „Er fehlt.“ Heiji, der sich gerade eben noch mit Jenna unterhalten hatte, die ihrerseits losgeeilt war, um endlich den Suchtrupp zu McCoys Haus zu schicken, wandte sich um. Akais Lippen formten einen dünnen Strich. „James Black. Hat ihn jemand gesehen, als sie raufkamen? Ihr Sohn und Ran? Ich muss gestehen, ich würde ihn ungern noch einmal entwischen lassen…“ Heiji legte sich nachdenklich einen Finger ans Kinn, neigte den Kopf, starrte seine Fußspitzen an, grübelte. „Ich glaub‘, nich‘ so wirklich. Sie warn recht plötzlich da, und als sie da warn, zogen sie eh alle Aufmerksamkeit auf sich. Keine Ahnung, wo er abgebliebn‘ is. Vielleicht kam er auch gar nich‘ rauf. Abgesehen davon – ist auch jemand anders immer noch wie vom Erdboden verschluckt, von dem ich auch angenommen hätt‘, sie hätte ein gesteigertes Interesse, hier heute anwesend zu sein…“ Jodie nickte. Sie warf ihrem Partner neben sich einen Blick zu – er scannte die Szene ebenfalls, sein Gesicht ausdruckslos, aber sie kannte ihn lange genug, um im Blick seiner eisblauen Augen die gleiche Frage zu lesen, wie sie sie selber beschäftigte. Is he hiding somewhere? Is he hurt? Was he… killed? And where are you, the devil’s daughter… Vermouth? Shuichi fing ihren Blick auf, nickte ihr dann kurz zu, setzte sich in Bewegung. Sie beeilte sich, ihm zu folgen, ließ ihren Blick weiter durch die Menge der Leute wandern. Heiji warf Yusaku einen kurzen Blick zu – dann fing er an, Richtung Autopsie zu gehen. „Hey, was machst du?“ „Na“, rief Heiji, „mal auf den Gedanken gekommen, dass, nachdem Shinichi die Explosion ja überhebt hat, ihr Mann auch noch da unten sein könnt‘? Eingeklemmt vielleicht, oder er versteckt sich. Ob tot oder lebendig, wird rauszufinden sein… Kudô können wir vorerst nicht fragen, und Ran hat auch kein Handy mit. Wir müss’n also selber ran.“ Shuichi nickte kurz; wortlos drückten sich die vier an den Feuerwehrleuten vorbei, machten sich an den Abstieg in die Autopsie. Vermouth sah sie kommen, lächelte verhalten. Anscheinend war ihnen endlich aufgegangen, dass der, den sie suchten, eventuell noch da sein könnte, wo sie ihn zuletzt gesehen hatten. Sie hatte nicht vor, ihnen allen über den Weg zu laufen. Allerdings, ein Gespräch würde sie schon gerne führen. Miss Starling… I guess, you would appreciate a little chat with me too, wouldn’t you? Es war gespenstisch still. Und auch sonst tat das Treppenhaus nichts, um in irgendeiner Weise nicht wie eine Todesfalle zu wirken. Heiji merkte, wie ihm ein Schauer nach dem anderen aufreizend langsam und eiskalt den Rücken hinunter rieselte, als er sie sah – verwischte Blutflecke hier und da am Geländer, Tropfen auf dem Boden, blutige Schuhabdrücke. Wie die sprichwörtlichen Krümel, die einem den Weg wiesen – nur so ungleich gespenstischer waren diese Wegmarken. Yusaku neben ihm sog scharf die Luft ein, hielt sie an. Sie kamen an eine Stelle, wo er wohl stehen geblieben war – mehr Blut klebte hier am Geländer, ein voller Abdruck seiner Hand zierte die Wand, ein anderer klammerte sich um das Geländer. Yusaku wankte, stützte sich selbst an der Wand ab, konnte seine Augen kaum davon abwenden, blieb daran kleben, merkte nicht, wie sein ganzer Körper ein Standbild seines Entsetzens wurde. Shinichi. Er konnte ihn fast keuchen hören. Kämpfen mit der drohenden Ohnmacht, irgendwie die Schmerzen zu ertragen, die sich durch seinen Körper fraßen wie ein Feuer durch eine trockene Sommerwiese. Er sah die Hand fast vor Augen, die sich da um das Geländer gekrallt hatte – die Haut blass, an den Knöcheln durchscheinend und fast weiß, verkrampft, zitternd. Der Abdruck von Fingern, die sich um das Metallgeländer schmiegten, rot und organisch, lebendig auf sterilem, kaltem Silber, größtenteils verschmiert, verwischt, sprachen eine beredtere Sprache als er es je mit Worten vermocht hätte – und er war immerhin Schriftsteller. Es warf ihn fast um. Akai blickte ihn ruhig an, sagte nichts. Jodie jedoch, die selber ein Schaudern nicht unterdrücken konnte, erhob ihre Stimme. „Sie müssen sich das nicht antun, you know.“ Ihre Worte waren kaum lauter als ein Flüstern. „Gehen Sie zurück zu Ihrer Frau, fahren Sie ins Krankenhaus, das… das hier…“ Sie schaute auf, riss ihre Augen von dem Handabdruck los, musterte den Kriminalschriftsteller. „… das hier ist nicht nötig.“ „Doch.“ Yusaku schluckte. „Für mich ist es das.“ Weil es zeigt, wie sehr du gekämpft hast, Shinichi. Er riss sich los, drehte um die Ecke, um die nächste Treppenflucht hinabzusteigen, als er innehielt. Der Rauch wurde hier langsam merklich dichter, auch wenn die Wassersprinkleranlage unten im Keller schon gute Arbeit geleistet hatte, um die Brandherde zu löschen. Das war es allerdings nicht, was ihn hatte innehalten lassen. Blut, glänzend und fast schwarz im Zwielicht des Treppenhauses. Ein paar Füße in schwarzen Lederschuhen. Shuichi Akai trat neben ihn, ließ den Anblick auf sich wirken. Dann winkte er Jodie, und die beiden stiegen, mit der Waffe im Anschlag, so leise wie möglich die Treppen hinab, bedeuteten Heiji und Yusaku, oben zu warten. Heiji schluckte, blickte den beiden Agents hinterher. Schweiß war ihm auf die Stirn getreten, und auch er hatte seine Dienstwaffe gezogen. Jodie sah ihn als erste. Schloss die Augen und ließ die Waffe sinken, zitterte am ganzen Körper. James Black lag, ihnen zu Füßen, rücklings ausgestreckt auf dem Boden und starrte die Decke an – sein Mund war leicht geöffnet, in seinen Augen Wut und Überraschung gleichermaßen; er war tot, seine Gesichtszüge ansonsten erschlafft, allzu genau ließ sich das nicht mehr feststellen. In seiner rechten Hand hielt er immer noch das berühmte, verschollene Katana. „Er ist wohl schon seit einigen Minuten tot. Das muss… Vermouth gewesen sein.“, begann sie leise murmelnd, wurde von Shuichi unterbrochen, als ihre Stimme ohnehin mehr und mehr absoff. „Sie hat sein Herz getroffen. Er hat immerhin nicht lange leiden müssen.“ Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Fast ein Akt der Gnade, bedenkt man, was für ein ungleich qualvolleres Ende er Kudô bescheren wollte. Noch mehr, wenn man weiß, wie sehr dieser verdorbene Apfel ihn und Ran verehrt hat.“ Er warf Jodie, die leichenblass geworden war, einen kalkulierenden Blick zu. „Kommst du klar?“ Jodie nickte – dann schüttelte sie den Kopf. „I – I really don’t know, Shu...“ Sie zitterte, kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, verständnislos. „Ich kann das nicht glauben, Shuichi. Stimmt es denn? Gibt es ganz sicher gar keinen Zweifel? Was ist, wenn… wenn wir uns alle geirrt haben…“ Shuichi seufzte, dann ließ er seine Waffe sinken, wandte sich ihr zu – und tat etwas, das er noch nie getan hatte. Er hob zuerst mit seiner Hand ihr Kinn vorsichtig an, dann legte er ihr seinen Arm auf die Schulter. „Er hat es zugegeben, Jodie. Es gibt keinen Zweifel. Kudô wird es dir ebenfalls bestätigen können, sobald er aufwacht. Ran auch. Ich weiß… ich kann mir vorstellen, dass das seltsam surreal ist, für dich. Aber ich habe ihn gesehen. Ich habe den Hass in seinen Augen gesehen, als er Kudô am Boden liegen sah. Und auch wenn es für mich schwer fällt, das zu sagen…“ Shuichi nahm seine Hand von ihrer Schulter, nickte ihr mit festem Blick zu. „Dieses Ende ist milder, als er es verdient hat.“ Er brach ab, seufzte. „Dennoch kann ich dich verstehen. Auch ich verdanke James viel – und habe mindestens genauso viel durch ihn verloren. Du bist nicht allein.“ Damit schenkte er ihr ein seltenes, schmales Lächeln und wandte sich ab, kniete neben James nieder um sicherheitshalber den Puls zu fühlen und ihm das Schwert abzunehmen. Jodie blickte ihn an, dankbar. Dann ging sie um die Ecke, blickte in die Gesichter der beiden Japaner. „Sie können runterkommen, wenn Sie wollen. Black ist hier, er ist tot; von Vermouth keine Spur.“ Sie hatte sie beobachtet, wie sie wieder aus dem Nebengebäude, in dem die Autopsie untergebracht war, herausgekommen waren. Yusaku und Heiji hatten sich von den beiden Agents verabschiedet; der Schriftsteller wirkte erschüttert, aber gefasst, soweit. Sie hatten sich ein Taxi gerufen, zu dritt – er, Heiji und Yukiko – und waren aufgebrochen. Ins Krankenhaus, zweifelsohne. Shuichi war mit einigen Officers von Scotland Yard wieder nach unten gestiegen, um die Leiche Blacks zu bergen und die Tatorte zu sichern. Das war also ihre Chance. Vermouth beobachtete Jodie, wie diese das Gelände etwas verließ, über die Begrenzung in den Grünstreifen stieg, der neben dem Hauptquartier angelegt worden war, sich gegen eine Laterne lehnte, durchatmete. Sie zündete sich selbst eine Zigarette an, zog ihr Outfit, dass sie sich in den letzten Minuten „ausgeliehen“ hatte, zurecht, und trat neben die Blondine mit der auffälligen Brille. Wortlos streckte ihr die Zigarettenschachtel hin. Jodie merkte, wie sie sich versteifte, ihre Augen sich weiteten, als sie die Blondine neben sich betrachtete; sie trug eine Politessenuniform, hatte sich die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und die Kappe aufgesetzt, trug eine Sonnenbrille und ging damit auf den ersten Blick ohne Probleme als solche durch. Auf den zweiten wohl auch. Jodie schluckte, dann griff sie nach den Zigaretten, zog das Feuerzeug aus der Schachtel, zusammen mit einer Kippe und zündete sie an, paffte ein wenig vor sich hin. „Didn’t know you where a smoker.”, bemerkte die Blondine trocken, als sie die Zigarettenschachtel wieder entgegennahm und in einer Jackentasche verstaute. „I’m usually not, you‘re right.” Jodies Stimme zitterte nur noch ein ganz kleines Bisschen; sie räusperte sich. „In the light of today’s events, though…” Sharons Lippen kräuselten sich zu einem wissenden Lächeln. „Quite an exciting day, that’s right.”, bestätigte sie mit leiser Stimme, klang dabei aber durchaus amüsiert – und da war es auch, das kleine, feine Lächeln auf ihren roten Lippen. Jodie verschluckte sich, hustete mit Tränen in den Augen, nahm einen weiteren Zug von ihrer Zigarette. „If that’s what you’d call a day where you discover that you were working for the boss of one of the biggest crime organizations this planet has ever seen –“ Sie blies den Rauch aus ihrem Mund, hustete erneut, fing sich einen spöttischen Blick Vermouths. „So, that’s basically making us to colleagues, isn’t it?” Jodie fiel fast die Kippe aus den Fingern, von der sie gerade ziehen hatte wollen, und war froh, es nicht getan zu haben – an dem Hustenanfall wäre sie wohl erstickt. Sie ächzte, wandte sich mit offener Kinnlade Vermouth zu, deren Augen hinter ihrer Sonnenbrille vergnügt glitzerten. „Oh, how utterly rude you are, Miss Starling. Don’t look so offended. I’ve been working more for your kind of business than for mine those last years and days, anyway.” Damit zog sie an ihrer Zigarette, zog genussvoll und ließ den Rauch langsam aus ihrem Mund entweichen, die Augen geschlossen – alles in allem ein Bild puren Seelenfriedens. Jodie starrte sie wortlos an, wandte sich ihrer Zigarette wieder zu, zog vorsichtig daran, diesmal. And that after having killed a man a couple of minutes ago. The nerve… „So, why did you seek me out, of all people? You surely know that I am after you since…”, begann sie schließlich, nachdem sie ihren Mut – und auch ihre Stimme – wiedergefunden hatte. Letztere krächzte zwar noch ein bisschen, aber damit würde sie leben müssen. “Since I killed your father. That’s why I am here. I know who picked you up afterwards. And I take it, you’ve got… a few questions, now.” Sharon wandte ihr schönes Haupt, blickte Jodie offen ins Gesicht. „That’s why. And I’m willing to give you the time we need to smoke these cigarettes to ask me all of your questions. After that, I’m gone. Forever.“ Sie drehte ihren Kopf wieder weg, ließ ihren Blick über die Skyline Londons schweifen, lächelte. „My job is done. I’ll retire.“ Ein leises Lachen drang an Jodies Ohr. „So better ask your questions quick.” Jodie blinzelte, dann sammelte sie sich; als sie sprach, hatte sie ihren Blick fest auf die zehn Quadratzentimeter Gras unmittelbar vor ihren Schuhspitzen geheftet. „Why did you kill my father?” “Because I was told to do that. It was an order.” “And who ordered you?” “You know that. The very man whose leftovers are carried away this very moment. It was nothing personal; your father found out too much about me, therefore he had to be annihilated. I told you he fell asleep and sent you away to buy some juice, remember? I spared your life, then. I could’ve killed you, too. I burnt the house down to ashes afterwards, anyway. It would not have mattered. Actually, it really didn’t matter much to me back then. In hindsight, it would have been wiser to just kill you back then, too. Would have spared me much trouble.” Sie lächelte; in ihrer Stimme schwang nichts entschuldigendes mit sich; auch kein Triumph. Sie erzählte die Fakten, nichts weiter. Ein kalter Schauer rieselte der FBI-Agentin über den Rücken. Die Erzählung von den Lippen dieser Frau hatten auf sie einen ganz und gar ungewollten Effekt; Jodie fand sich, ob sie es wollte oder nicht, gefangen in den Bildern jener Nacht. >Why are you awake, little darling? >My father wanted to read a bedtime story to me. I waited… and waited, and he didn’t come, so I wanted to check that he didn’t forget… >Oh dear. I’m sorry, but I guess, you won’t hear a bedtime story tonight. It seems he fell asleep… but do you know what you could do? >No? What? >I bet he’s thirsty when he wakes up again. Why don’t you go and buy some of his favourite juice? Jodie blinzelte, versuchte, die Nachbilder dieses Abends zu vertreiben. Als sie wiedergekommen war, hatte das Haus in Flammen gestanden. Kurz darauf waren diese Männer angerückt – unter ihnen er. James Black. Er war wie eine Vaterfigur für sie geworden, hatte sie in all den Jahren im Zeugenschutzprogramm nicht aus den Augen verloren. Wegen ihm stieg sie ein beim FBI. War sie am Ende nichts weiter als eine Marionette gewesen? Von Anfang an verdammt dazu, keine Chance zu haben? Sie schüttelte sich, zog ein weiteres Mal an ihrer Zigarette, klopfte die Asche ab. „Why didn’t you kill me?” “I wanted to. You know that. Just not back then. You were a kid.” Sharon lachte. “Don’t laugh, even I cannot just headshot a kid. I assumed you’d get burned when you would seek for your father. I could not imagine that the FBI got there so fast. And afterwards – as you for sure recall vividly – I tried very hard to kill you, Miss Starling.” “Well then. Why didn’t you kill him, Shinichi? Or Ran, at the harbour? Why did you help them today?” Sharon wandte sich um, langsam, ihre blauen Augen glühten von einem seltsamen, intensiven Feuer, nahmen Jodie gefangen. „Because I own him my life in more ways than one. And so I’ve sworn, that I’ll protect him and those he wants to protect.” Sie verdrehte die Augen, als sie merkte, dass sie genauer werden musste. „When he was fifteen, he saved my life. And he did that, despite I tried to kill Ran a few seconds before. Despite he knew that I was a serial killer the police was after. Just because he could. Just because he deemed every life worthy to be saved. Just because he was of the opinion, that justice had to decide over my fate, my deeds, my life. That made me think. I started to observe him; and I tell you no news, when I say that he was freaking brilliant. He still is. I was looking for someone like that for ages… to destroy that rotten apple that was the organization. To revenge what they had done to me.” Sie lachte leise, als sie Jodies verblüffte Miene bemerkte. „What’s so surprising? That I considered a teenager capable of destroying the Black Organiszation, or that I wanted to destroy it at all?” Jodie hustete heiser. “Both, to be frank.” Sie betrachtete nachdenklich die Glut an der Spitze ihrer Zigarette. „Though, knowing that teenager, or rather that young man these days, this fact isn’t so surprising anymore.” Dann schloss sie die Augen, schluckte hart. „You guys did unforgivable things to him. I can hardly image the hell he went through, not only back then, but even five years later.” Sharon zog an ihrer Zigarette, nickte gedankenverloren. „A lesser man than him would have caved in.” “Is that why you chose him? Did you see that potential, that strength? Were you willing to sacrifice his health, his happiness, his life, even…?” Jodies Stimme war gegen Ende immer lauter geworden. “No.” Sharon’s Stimme klang kalt und schneidend. “I knew he would not remain unblemished by those plans I laid out for him. I’m no fool. Just like a bullet that hits its target collects its scratches and bruises. But I never wanted him to suffer like that.” Sie warf Jodie einen Blick zu, der sie zusammenzucken ließ. Sharon wandte sich nicht ab, als sie weitersprach; ihre Stimme verlor nur nach und nach an Schärfe. „And I am glad, that the outcome now is a different one from the lie he believed in for five long years. I didn’t know she had survived, just like him. I could not forgive myself my inability to protect her. That’s why I took care of him. I’ve actually been his landlady; he found out only some days ago. But that way I could keep an eye on him - and send that black devil into the hell he belongs. He’s not going to harm anyone ever again. He paid for what he did to Shinichi… and to Ran. And to me, for that matter.” Sharons Stimme klang bitter. “I guess, that’s what you want to know, your last question. I guess, you figured out that I am Sharon Vineyard, not Chris. Chris is fiction, I invented her. Do you know, why?” Jodie schüttelte ihren Kopf. “My husband was a member of the Black Organization.” Sie hielt inne; und zum ersten Mal in dieser Konversation zeigte sich in ihren Zügen Schmerz. Schmerz, der ihre Augen dunkel färbte, ihre Mundwinkel nach unten zog, ihre Lippen zu einem feinen Strich werden ließ. Schmerz, der sie auf einmal wie die alte Frau aussehen ließ, die sie war. Jodie schwieg, schluckte. Fast unwillig bemerkte sie, wie so etwas wie Mitgefühl sich in ihr breitmachen wollte. Sie schüttelte es ab, trampelte es nieder, versuchte, sich wieder auf die Worte Sharons zu konzentrieren, die mit gezwungen teilnahmsloser, fester Stimme weitersprach. „I didn’t know that; I found out months after he had deceased. When I found the strength to sort through his things, I found his secret diaries. He wrote about his jobs, and that he wanted to leave. He told about his fears; he was afraid that James already suspected that he wanted to leave. That he could hurt me. He knew that the Black Organization never lets someone leave its talons. He dreaded his death, and sure enough, his fears became true. When he was on his way home, his car crashed. It looked perfectly like a tragic accident, but I knew better.” Sie fauchte die Worte fast. „I went to the police. They turned me down; I didn’t dare to show them my husband’s diaries, so I … so I… made my own investigations. They didn’t go unnoticed. And Mr Black… Anokata… made me an offer.” Sie lächelte verführerisch. “You know, I’ve had some very useful talents. And I’ve been a stunning creature, always. And Mr. Black was a young man, back then, not oblivious towards the pleasures of a female body.” Jodie warf ihr einen angewiderten Blick zu. Sharon lachte. „There, there. No need to look so shocked. After what he did to Shinichi, can you still think so highly of him? You know what he did to him. Make him a drug addict, let him spill out all of his most intimate thoughts and feelings about Ran, record them, let him hear his own fever dreams… kill her… then follow him, observe him, just to give him another overdose to let him drown in his own blood, this-“ “Stop it!” Jodie hielt die Hände hoch, hatte sich fast erneut an ihrer Zigarette verschluckt, hustete qualvoll. „I know. I…“ Sie rang um Atem, fing sich langsam wieder. „It’s just… it’s hard. Hard to realize, hard to believe. I knew him as the grandfatherly man he acted towards me. Caring, thoughtful, understanding. It’s… hard to believe that you are the good one, actually. Or at least… less bad. Not as bad as I wanted to believe all those years.” Sie seufzte tief, ließ die Zigarette vor sich hin brennen, beobachtete, wie sich die Glut immer näher an den Filter fraß. „So you…“ „So I acted as one of them for years, tried to figure out how they work, and looked for someone to help me destroy them. My life was forfeited anyway, I didn’t care anymore. It took me years to find one; first, I thought your dear Shuichi would be the appropriate man for that. Then I met Shinichi in New York when he was fifteen, and… saw so much more potential…” “You used him!” “As did you.” Sharon warf ihr einen kalkulierenden Blick zu. „Don’t judge me for a crime that you committed, too.” Jodie lächelte traurig. “Touché.” Sharon zog ein weiteres Mal an ihrer Zigarette, tief, blies dann den Rauch in einem langen, kontrollierten Atemzug aus, starrte dabei in den Himmel. „Let’s hope he faces a more peaceful and pleasant future from now on.” Jodie nickte zustimmend, betrachtete dann die Frau neben sich nachdenklich. Sie sah auch in einer Politessenuniform noch umwerfend aus. Ein wenig Neid keimte in Jodie auf, den sie allerdings schnell niederwalzte. Sie räusperte sich geräuschvoll, um sich der Aufmerksamkeit Vermouths zu versichern. „Your age, though…“ „A secret makes a woman woman.”, grinste sie, ließ ihre perfekten Zähne im Sonnenlicht blitzen, lachte dann, als sie Jodies genervtes Gesicht bemerkte. „Come on. You know the stuff that did that. Prototype of the stuff that created Conan.” Sie lächelte breit. “Just didn’t take the antidote. Didn’t see any use in that.” Jodie grinste säuerlich. “Yeah. What a waste would that be…” Sie seufzte leise, ließ ihren Blick über die Menge schweifen, blieb dann wieder an der umwerfend schönen Frau neben sich hängen. „I guess it’s unwise to try to capture you now, to imprison you.” “Very much so.” Sharon hob kurz ihre Hand, ließ Jodie einen Blick auf die Walther PPK werfen, die im Bund ihres Rocks steckte. Damit warf sie ihre fertig gerauchte Zigarette auf den Boden. „I’ll leave now. And one advice between us - I wish not to be tracked down, Miss Jodie. Don’t bother me, and I won’t bother you.” Sie lächelte, zeigte ihre makellos weißen Zähne zwischen bordeauxrot gemalten Lippen. „Tell him my thanks – and my best wishes for his future. And greet my blessed angel.” Damit drehte sie sich um, stöckelte davon; zog sich im Gehen die Kappe vom Kopf und warf sie in den nächsten Mülleimer, schälte sich aus ihrer Jacke, öffnete mit Schwung ihren Pferdeschwanz und winkte sich ein Taxi heran. Jodie starrte ihr nach, seufzte tief. Neben sie trat Shuichi, blickte dem Taxi nach, als es davonfuhr. „Ich kann sie nicht ausstehen.“ Jodie grinste kurz. „Me neither. Case closed?“ „Case closed.“ Er nickte. „Die anderen sind schon los in seine Wohnung, dann ins Krankenhaus. Jenna und ein paar Jungs von Scotland Yard befreien wohl gerade den echten Doc McCoy. Ich würde vorschlagen, wir…“ „… fahren auch ins Krankenhaus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)