Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 46 - Überdosis ---------------------- Kapitel 46 - Überdosis Auch Jenna hätte viel für eine Tasse Kaffee gegeben, als sie an diesem Tag ins Yard gekommen war. Sie hatte die Nacht fast schlaflos verbracht, einerseits, weil sie sich einen Teil davon allein im Labor die Beine in den Bauch gestanden hatte – andererseits hatten sie die Ergebnisse der Tests von SI Kudôs Blutprobe nicht schlafen lassen. Sie hatte versucht, ihn gestern noch zu erreichen – allerdings hatte er anscheinend sein Handy nicht gehört. Sie war drauf und dran gewesen, zu ihm zu fahren, hatte sich dann aber mit den Gedanken abgehalten, dass es a) ein wenig sehr gluckenhaft wirkte, wenn sie mitten in der Nacht vor seiner Tür aufkreuzte, er b) wahrscheinlich einfach schlief und c) sich schon gemeldet hätte, wäre er in Schwierigkeiten. Letzteres hoffte sie zumindest. Nach dieser fast durchwachten Nacht hatte sie also verschlafen, dann versucht, im Badezimmer zu retten, was zu retten war, und ein gerüttelt Maß an Concealer auf ihre deutlich sichtbaren Augenringe gestrichen, etwas, das sie sonst nie tat – sie hatte ihre Haare so gut es ging zurückgezopft, sich die am wenigsten zerknitterte Bluse, einen Cordrock und eine blickdichte Strumpfhose aus dem Schrank geangelt, sich einen Schal um den Hals gewickelt, von dem sie hoffte, dass er zu ihren Schuhen passte, dann andere Schuhe angezogen, weil die, die sie eigentlich hatte anziehen wollen, aus unerfindlichen Gründen voller Matsch waren – um sich im Anschluss hinter das Lenkrad ihres Minis zu klemmen, wo sie sich nun durch die allmorgendliche Rushhour zu wühlte, ohne ihren Morgenkaffee. Sie wusste, heute würde der Fall geschlossen werden. Brady hatte nicht gesungen – offenbar hatte er zu viel Angst vor den Leuten, die ihn angeheuert hatten. Dann war der Anruf von Sherlock gekommen – und hatte sie statt des Vordereingangs den Hintereingang benutzen lassen, um sich möglichst ungesehen in die Labore schleichen zu können. Und sie damit auch der letzten Chance auf eine schnelle Tasse Kaffee beraubt, denn die Cafeteria lag in der entgegengesetzten Richtung. Nun war sie fertig mit der Überprüfung der Fingerabdrücke und hatte das Ergebnis auch bereits zurückgemailt, und damit bereit, „offiziell“ zur Arbeit zu erscheinen. Jenna atmete durch, stieß die Tür auf, betrat die Lobby – und sah Jillian McDermitt ihr bereits entgegenhetzen. „Sergeant Watson!“ Jenna blieb stehen, merkte, wie sich in ihrem Bauch ein sehr flaues Gefühl breitmachte. Ihr schwante Übles. „Sergeant Watson! Where have you been? AC Montgomery wishes to see you urgently, what…” Sie blieb nach Atem ringend vor ihr stehen. „Do tell, what the hell has happened yesterday with that student of fine arts after his interrogation?!” Jenna starrte sie an, sagte nichts. Erstens war sie sich ziemlich sicher, dass sie Jillian nichts über die „Befragung“ – sie setzte das Wort sogar in ihren Gedanken in Anführungszeichen – sagen durfte; zum Zweiten erschütterte sie der Ton, in dem die Chefsekretärin sprach (sie war sich ziemlich sicher, noch nie den Ausdruck „was zur Hölle“ aus ihrem Mund gehört zu haben) und zum dritten alarmierten sie der Tonfall und der dringende Wunsch des AC, sie zu sprechen. Good lord. Only one day has passed since Sherlock is gone and this fucking house seems to burn down to its base wall. Sie ließ sich stumm zu ihrem Vorgesetzten führen – in ihrem Magen rumorte es gehörig, und gerade eben war sie ganz froh, keine Zeit für ein Frühstück gehabt zu haben – nicht einmal für eine Tasse Kaffee. Montgomery sah sie nur an, als sie sein Büro betrat, bot ihr keinen Platz an. „Watson. Would you kindly tell me about the interrogation of Eduard Brady, yesterday? Especially about the events that followed his questioning?“ Er hielt sich, sie sah es ihm an, nur mit Mühe unter Kontrolle. Jenna sah ihn dennoch leicht verwirrt an. „I wrote the exact details down into my report, Sir. I assume you’ve read it.“ Sie sah ihm an, dass er eben genau das nicht getan hatte – und fing innerlich ein wenig an zu kochen (für was schrieb sie dieses Zeug, wenns dann eh keiner las?!) fasste sich aber, bevor sie fortfuhr. „DI Henderson and I talked to Brady and his attorney – we’ve not been talking much, though. The attorney declared that Brady would retract his confession, deny to answer further questions and that he wished to file a complaint against SI Kudô, as he insisted that the confession of his client was made under pressure. Afterwards, he asked for some time with his client, alone. DI Henderson went back to his work, and I left both of them into the custody of the officers who guarded Brady’s door. I went writing my report. That was it.“ Montgomery starrte sie an. „Ah. Sure?“ „Yes. Sure.“ Jenna hob die Augenbrauen. „May I ask what’s this all about? Why are you doubting my words? Why am I to repeat everything, in the first place?“ Jackson Montgomery schaute sie ernst an. „Oh, of course you may, Watson. Please follow me.“ Durch die Gänge wanderten sie wieder nach unten – und wechselten kein Wort. Der Trakt mit den U-Haft-Zellen lag im ersten Untergeschoss. Sie mochte diesen Ort nicht – er schien trotz der allgegenwärtigen Neonbeleuchtung düster uns unheilverkündend. Und als die Wache auf Montgomerys Zeichen hin die Tür öffnete, und sie nur hörte – noch gar nicht sah – was drin los war, merkte sie, wie sich ihr jedes Härchen auf jedem Quadratzentimeter Hautoberfläche aufreizend langsam aufstellte. Was da an ihre Ohren drang und ihr diesen höchst unangenehmen Schauer bescherte, war eine rauchige, heisere, kraftlose Stimme, die ihren Weg eher kriechend nach draußen fand, als dass sie sich als Schall über die Luft verbreitete. „Meredith? Is that you? Is that her? Please, don’t hurt her, don’t, please…“ Ein Wimmern drang an ihre Ohren, ließ sie schaudern, vor Entsetzen erstarren. „Please, don’t harm her, leave her alone, let her go, please, please…“ Jenna war kalkweiß geworden. Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie eigentlich keinen Blick mehr in die Zelle werfen wollte. Nein. Nicht ziemlich sicher. Sie war sich bombensicher. Als Montgomery sie jedoch näher winkte, tat sie dennoch, wie ihr geheißen. Und sah ihn in der Ecke, die am weitesten von der Tür entfernt war, sitzen – kauern, vielmehr. Er starrte sie an wie ein verletztes, wehrloses Tier im Straßengraben, das seinen Gnadenschuss fürchtete. Er zitterte und bebte, hielt sich mit einer Hand an seinem Hemd fest, keuchte und schnappte nach Atem. Große, dunkle Pupillen, so groß und so schwarz, dass sie fast keine Iris mehr sehen ließen, in rotgeäderten Augen starrten durch sie hindurch, bleiche, fast wächserne Gesichtshaut spannte sich um seine Wangenknochen, ließ ihn eher tot als lebendig erscheinen. Und er heulte Rotz und Wasser. „Where’s she? Don’t hurt her! Please- please…!“ Sie hatte nie jemanden gesehen, der sie mit so viel Angst in den Augen angesehen hatte - oder besser gesagt, durch sie hindurch. Er schien keinen von ihnen wirklich wahrzunehmen, sein Blick flatterte von einem zum anderen, schien sie kaum zu streifen. Er sah ganz klar seine Auftraggeber. Jenna zerbiss sich die Lippen, warf einen Blick zu Montgomery. „He’s drugged.“, bemerkte sie leise. „Jeah, that much I’ve been guessing, too!“, erwiderte er gereizt. „I’d just really love to know what stuff he swallowed and where the hell he got it?!“ Der AC wandte sich zu seiner Mitarbeiterin um. Jenna schluckte nur. In ihr hatte sich eine dunkle Ahnung manifestiert, als sie den Mann vor sich auf dem Boden liegen sah, beobachten konnte, wie er um Atem rang, die Augen zusammenkniff und wimmerte. „Where is my Merry…“, hörte sie ihn erneut wispern. Er keuchte lauter, bekam anscheinend wirklich kaum mehr Luft. „We need to call a doctor.“, murmelte Jenna. „He’s on his way. But that’s not the answer to my question.“ Jenna drehte sich um. „You know the answer already. I’m pretty sure his attorney applied it to him. He was the last person to see Brady and no one has met the man afterwards.“ Montgomery lachte. „What nonsense! Tell me, Sergeant Watson, do you actually hear yourself talking? Why on earth should his own lawyer…?“ „Probably because of the lawyer being no real lawyer at all.“ Sie wandte sich zu ihm um. „The man could have been one of his employers, probably. And he came to switch him off, giving him no chance to tell us something. And you know who has told you the very same theory, Sir.” Montgomery kniff die Augen zusammen. „You have no proof of SI Kudô’s theory being right in this matter. And you know that I just can’t allow my employees consuming drugs in their offices..." „To say it with your words – you have no proof of SI Kudô consuming drugs at all. And therefore you’ll quit alleging this immediately!“, fauchte Jenna. „What do we have to do to make you believe us! Man, open your eyes! Someone who achieves poisoning your suspect under your own roof will easily be able to smuggle a flask of diamorphine into the desk drawer in an unlocked office! The only thing he didn’t master was to put SI Kudô’s fingerprints onto it!“ Sie schluckte hart, merkte, dass sie zu weit gegangen war. Montgomery war puterrot geworden, funkelte sie mit unverholenem Zorn in den Augen an. „Who do you think you are, Sergeant…“ „Sir.“ Ein etwas außer Atem befindlicher Beamter war den Gang entlang gelaufen und blieb nun keuchend vor ihnen stehen. „Another victim was found. In a bright gray dress. Accompanied by a picture. She matches the description of Meredith Rowling…“ „Meredith…“, wisperte der Mann hinter ihnen mit ersterbender Stimme. Jenna schluckte hart, bedachte ihn mit traurigem Blick. „When will the victim arrive here?“, murrte Montgomery. „She won’t arrive here at all. She was brought into the London Central Hospital.“ „And what the hell is she doing there?“, herrschte der Mann ungehalten den armen Inspektor an, der der unglückselige Überbringer der Botschaft gewesen war. Spucke flog durch die Luft, sein Schnurrbart zitterte, als Jackson Montgomery nachsetzte. „What the hell do they want to do with that girl there!?“ „Saving her live, I assume strongly, Sir.“ Er schluckte hart. „She was found alive. They were in a big hurry to get her into medical care.“ Jenna atmete tief ein, schluckte. He’s got to know this! Dann drang die Stimme ihres Chefs, der offenbar genauso wie sie ein paar Sekunden brauchte, um die Information zu verarbeiten, an ihr Ohr. „And who has discovered here? Have the witnesses arrived already?“ Der Mann lächelte auf einmal, grinste viel mehr von einem Ohr zum anderen – offenbar hatte er sich auf diesen Moment der Nachricht schon die ganze Zeit ganz besonders hingefreut. „SI Kudô has found her, Sir. At the Sherlock Holmes Museum. Obviously only minutes after her disposal there. I don’t know if he’s on his way here, though. As far as I know he’s been advised to take his… holiday.“ Jenna schaute an die Decke, grinste in sich hinein, musste an sich halten, um nicht lauthals loszulachen. Well done, Mr. Holmes – very well done, indeed! “Anyway, perhaps he’s able to tell himself. Lady McDermitt has him on the phone, still.“ Jackson Montgomery schnappte nach Luft – in seiner Schläfe pochte eine Ader. Er sagte nichts mehr, dampfte den Gang entlang, und Jenna konnte deutlich sehen, wie es in ihm arbeitete. Sie hatte ihren Chef nie so aufgebracht gesehen. Ihn nie so erlebt wie in den letzten Tagen. Jetzt zu sehen, dass er es gewesen war, der den Fehler gemacht hatte, und nicht der, den er beurlaubt hatte, brachte ihn fast zum Platzen – allerdings, und das wusste sie, war er Profi genug, sich einen Fehler einzugestehen, wenn er einen gemacht hatte. Und so atmete er tief durch, bis er bei Jillians Büro angekommen war, wo die Sekretärin ihm geduldig den Hörer reichte und Jenna mit einem hocherfreutem Lächeln bedachte, ihr eine Tasse Kaffee über die Theke schob. „Good afternoon, Superintendent Kudô.“ Shinichi horchte auf, als er die Stimme Montgomerys am anderen Ende der Leitung vernahm. Der Mann schnaufte wie ein Walross – also war er entweder gerannt, oder aber aufgebracht. Vielleicht auch beides. Immerhin ließ ihn aber der Gebrauch seiner Dienstgradbezeichnung und seines Nachnamens aufmerksam werden. Er schluckte, warf einen Blick zu seinem Vater, der immer noch sein Sakko auf Merediths Wunde presste. Er hatte gerade noch die Sirene des herannahenden Krankenwagens gehört – gerade eben bahnten sich polternd Stimmen ihren Weg über die Stufen hinauf. „Good afternoon, AC Montgomery.“, bemerkte er dann, räusperte sich kurz. „I take it, you have been informed?“ “I’ve got the outlines.” Montgomery schnaubte ins Telefon, während Shinichi Platz machte, um den Sanitätern, die sich nun durch die Tür drängten, Zutritt zu verschaffen, und auch sein Vater räumte nun seine Position. „You can confirm it’s the missing Meredith Rowling?“ “It definitely is her. I talked to her. She asked me about her boyfriend, Brady.“ Er hörte, wie sein Gesprächspartner am anderen Ende scharf Luft holte – und fragte sich, was das nun wieder zu bedeuten hatte. Nichts Gutes, höchstwahrscheinlich. „How’s she doing?“ „She’s in medical care right now. If you would wait a second, I can ask the ambulance men about her state.” “Please do so.” Er hörte, wie angespannt der Mann war, ließ seine Hand, mit der er das Smartphone hielt, kurz sinken, als er sich den Sanitätern näherte. „Good afternoon. I found her – my name is SI Shinichi Kudô, I am working for Scotland Yard…” Einer der Männer schaute auf, hob nun erstaunt die Augenbrauen. „AH! Sherlock Holmes!“, er grinste. „My little son is a big fan. What a coincidence to find you here…” “Not as big a coincidence as one might assume.”, meinte Shinichi bitter lächelnd, fuhr dann fort. “She seems to be part of our case. Luckily enough, we found her alive. Could you give us some information about her health state?” “Sure.” Der Mann, der bis gerade eben seinem Kollegen geholfen hatte, einen Druckverband anzubringen und einen Venenzugang zu legen, um ihr eine Infusion anzuhängen, nickte und stellte sich kurz mit Shinichi zur Seite, damit die anderen beiden Sanitäter die junge Frau die Treppen auf ihrer Trage hinunterbringen konnten. „She seems to have lost a critical amount of blood, but seems stable enough, though. She’ll get a blood transfusion immediately. We cannot give a detailed guess on her wound; seems deep and made by a sharp blade, but has obviously missed the arteria abdominalis – she would have been dead before you could finish your call on us if it had hit it. Thus considered I guess she’ll make it. Five minutes later though, and we’d have no chance at all.” Shinichi merkte, wie ein schier übermächtiges Gewicht einfach von ihm abfiel, als ein erleichterter Seufzer sich den Weg aus seiner Brust suchte. Der Sanitäter klopfte ihm auf die Schulter, als er sich zur Tür wandte – und hielt noch einmal inne, ehe er die Treppe hinunterging, um seinen Kollegen zu folgen. „Well done, Mr. Holmes.“ Shinichi hob die Hand zum Gruß, bis der Mann aus seinem Blickfeld verschwunden war, ehe er sich damit übers Gesicht wischte – Yusaku schaute ihn an, sah die unendliche Erleichterung auf seinen Zügen. „Sie wird’s also schaffen…?“ „Höchstwahrscheinlich.“ Dann hob er sich das Handy wieder ans Ohr. „The ambulance man says, as she was found in time and the blade has obviously missed the abdominal artery, so she’s likely to recover. They take her to hospital right now.” Er hörte seinen Vorgesetzten am anderen Ende der Leitung genauso laut aufatmen, wie er es gerade eben getan hatte. „That’s the best news for days.“ “Very true.”, bestätigte Shinichi. “Well, Sh – Superintendent Kudô. I’ll send the crime scene investigators right away. May I kindly ask you to make some first photographs, if you haven’t done so already, and find yourself on your way to Scotland Yard to provide us with a detailed report?” Shinichi holte tief Luft. Jetzt oder nie. Er spürte die Blicke seines Vaters auf sich ruhen, als er die Frage stellte. “Do you want me as a witness or as an investigator of this case?” Montgomery lächelte säuerlich. “As an investigator, SI Kudô. As I hoped you’d realize when hearing me constantly call you…” “SI Kudô. I took it, but I wanted to make sure. It’s not easy to accept to get dismissed because of being suspected of being drug addicted.“ Er wusste, das hatte gesessen. „I am sorry. That was a big fault of mine and I beg your pardon.“ Shinichi lächelte zufrieden. „So you do believe me, that there is more to this than just a little painter wanting to become famous? Maybe my old enemies? I must be sure of your confidence, if I am not…” “I do believe everything you say.” Montgomery seufzte laut. “I really am sorry, Shinichi. I should never have doubted your word, as you never gave me the slightest reason to – you’ve done great work for five years. It was as you said… I wanted this case closed. I believed every simple explanation rather than your accuse of having a mole among us…” Er warf einen Blick zu Detective Sergeant Watson, die ihren Kaffee sichtlich genoss. „I should have believed when I saw absolute loyalty.“ Shinichi zog die Augenbrauen hoch, blinzelte. Jenna… Dann schluckte er hart, als er die raue Stimme seines Vorgesetzten erneut an seinem Ohr hörte. „Well, Detective Superintendent Kudô, would you please come back to work, get back your gun and your sign and help to put an end this case of murder?“ Shinichi hatte seinem Vater seinen Wohnungsschlüssel gegeben und war ohne Zwischenstop zurück ins Yard gefahren. Und nie würde er Jenna vergessen, die mit breitestem Grinsen und einer Tasse Kaffee vor der Eingangstür auf ihn gewartet hatte. „Welcome back, Mr. Holmes!“ Und er hatte nicht verhindern können, dass auch ihm ein kleines Lächeln auf die Lippen gekrochen war, als er ihr den Kaffeebecher abnahm, mit ihr anstieß und einen Schluck nahm. „Thank you, Jenna. And… thank you.“ Sie grinste nur, stieß mit ihm an. „Worst two days in my life, to be honest. By the way – I tried to call you last night, but I couldn’t…” Sie stoppte, als sie merkte, wie er rot wurde und sich langsam abwandte – das Grinsen, dass dann auf ihren Lippen erblühte, hätte er bei jeder anderen Person als unverschämt bezeichnet. „NO!“, rief sie lachend aus. „No way – you did it?!” Er drehte sich um, schlenderte zur Eingangstür. „I don’t have the slightest idea what you are talking about…“ Sie grinste immer noch, sah ihn mit einer Freude an, die ihn innehalten ließ. „Oh, no problem. I’ll lend you a hand. You met her, you talked to her, you confessed your love to her…“ Sie schaute ihn mit glänzenden Augen an. Er warf ihr mit schiefgelegtem Kopf einen leicht überraschten Blick zu. „You really are happy for me…?“ „Of course! You deserved to feel like this. And by the way – you never looked better.“ Sie lächelte ihn an. „And I believe, that must be a woman’s deed – only we are capable of working wonders in such short time.“ Jenna lächelte selbstzufrieden. Shinichi grinste schief. „Very true… you are able to let us men experience both, heaven and hell. Within twenty-four hours, if necessary.“ Nachdenklich trank er einen weiteren Schluck Kaffee. „But yeah, you’re right. I was with Ran.“ Ein sanftes Lächeln glitt über seine Lippen. Dann seufzte er laut. „Nevertheless she’s boarding a plane home today… until this game is finally over. She’s safe everywhere else, except with me.“ Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, als ihm eine neue Erkenntnis vor Augen erschien. „I’ve got to call her. I wanted… I wanted to bring her to the airport, but it seems… this won’t work, as I am… back at work.“ Shinichi schluckte hart. Jenna sah ihn an – er sah wirklich betroffen aus. Er hingegen betrat das Gebäude, ohne sich noch einmal umzublicken, schlug den Weg zu Montgomerys Büro ein, um wieder ein vollwertiges Mitglied von Scotland Yard zu werden und den bisherigen Ermittlungsstand um seine Informationen zu erweitern – nur die Sache mit Bourbon ließ er vorerst noch aus – aus einem einzigen Grund. Kari braucht ihren Bruder. Wenige Minuten später standen sie vor der offenen Tür zu Eduard Bradys Zelle, sahen ihn an, der vor ihnen auf dem Boden lag, wimmerte und weinte und nach Meredith schrie. Shinichi hatte die Luft angehalten. Jenna sah ihn von der Seite her an, konnte kaum sagen, welches Gefühl ihn gerade bewegte. Klar war nur eins. Er schien es kaum zu ertragen. Jackson Montgomery stand neben ihm, schaute ihn unverwandt an, versuchte das zu lesen, was Shinichis Mimik noch hergab. Er war völlig erstarrt, blickte den jungen Mann vor sich an, ehe er sich ihm näherte, sich vor ihn hinkniete um ihm in die Augen zu sehen und versuchte, seinen Blick zu fangen. Dann stand er wieder auf. „Do you know what this is?“ Shinichi nickte knapp. „Yeah.“ Montgomery horchte auf. Jenna zerbiss sich die Unterlippe. Sie ahnte, was jetzt kam. Shinichi blickte um sich, um sicherzugehen, dass niemand außer ihnen dreien das hörte. „You… know about my therapy.“ Jackson Montgomery nickte knapp. „You know that.“ „You didn’t know, why I had to make it, though.“ Er blickte zu Brady, der auf dem Boden lag, rücklings, und die Decke anschrie, während ihm heiße Tränen übers Gesicht liefen. Und Shinichi wusste genau, was er sah. „Because of this.“ Sein Vorgesetzter starrte ihn an wie ein Bus. Dann wandte er sich abrupt um, ging den Gang hinab, blieb stehen, offenbar unschlüssig, wie er reagieren sollte. Shinichi hingegen seufzte, massierte sich die Nasenwurzel, ehe er in den Raum trat, erneut, Bradys Hand nahm, ihn so dazu brachte, ihn anzusehen. „Keep calm. She is well.“ Seine Stimme klang eindringlich, als er sich näher zu ihm beugte. „I know what you’re walking through. But she is fine. She’s hurt, yes, she’s in hospital, yes. But she is fine. I saw her. She talked to me.“ Shinichi schluckte, als er merkte, wie starr Bradys Augen auf seinen Lippen lagen. „She wanted to know where you were. She loves you, still. She loves you… Eduard.” Er merkte nicht, wie Montgomery hinter ihn trat. „Listen to me! No matter what you see – it’s not real. It simply isn’t. Just…“ Ein heiseres Wimmern rang sich aus Eduards Kehle. „Merry…“ Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter, schaute auf. „I’d like to hear the whole story, Shinichi. The doctor is here, anyway, he’ll take care about him.” Sie saßen zu dritt im Büro von Jackson Montgomery – die Tür hatte der ACC hinter ihnen vorsorglich zugesperrt. Er hatte die Geschichte knapp erzählt – hatte weggelassen, was er gesehen und geträumt hatte, hatte über die Wochen danach geschwiegen – er hatte ihm lediglich die Wirkweise und den Zweck des Gifts erläutert. Das allerdings schien schon zu reichen. Montgomery starrte ihn an. Sein Teint war gräulich, eine Farbe, die Shinichi in seinem Gesicht noch nie gesehen hatte. Und er ahnte, welche Gedanken dem Mann jetzt im Kopf rumschwirrten. Und über allem die Frage, wie man sich mit fünfundzwanzig Jahren schon so in die Scheiße hatte reiten können. „So this is some kind of torture.“, fasste Jackson Montgomery schlussendlich zusammen, als er seine Stimme wieder gefunden hatte. Shinichi nickte kaum merklich. „Yeah.“ „And you have undergone the substitution therapy to get away from that stuff.“ „Right.“ Shinichi nickte erneut. „Do you think we should do the same with him…?“, fragte Montgomery, knetete seine Hände. „I don’t know.“, murmelte Shinichi. „To be frank, I’m surprised he’s still alive. I can’t imagine only one reason for Gin not to kill him immediately.” Er brach ab, als er merkte, wie es ihn siedendheiß durchlief, gerade so, als hätte jemand einen Topf gerade aufgekochten heißen Wassers über ihn gekippt. Er stand auf, so heftig, dass der Stuhl ins Kippen geriet. Montgomery und Jenna schauten ihn fragend an. „What…?“ „He has given him an overdose.“ Shinichi war blass geworden. „He for sure has dealt with the withdrawal for the whole night already. He has to be treated, immediatly!“ Montgomery stand ebenfalls auf, gleichwohl auch Jenna. „If what you say is right, he has to be helped, of course! But how?“ Shinichi schluckte. „I’d like to… consult a specialist on that matter.“ Kurz biss er sich auf die Lippen. „Are Mr Mori and Mr Hattori still here?“ Heiji kam ihm breit grinsend in der Lobby entgegen – das ihm allerdings von den Lippen fiel, als er Shinichis ersten Gesichtsausdruck bemerkte. „Was is‘ los, Kudô? Jenna hat uns grad gesagt, du bist wieder dabei – aber du…“ „Ihr müsst Shiho herholen.“ Er schluckte hart. „Ruf Kazuha an, frag sie, wo sie sind und fahr mit ihr im Taxi her. Es wird nicht lange dauern. Sie soll sich Brady ansehen… es scheint, als habe man ihm das HLZG verabreicht, vielleicht eine Überdosis, wir müssen wissen, wie wir ihm noch helfen können…“, murmelte er gepresst. Heiji starrte ihn an – dann nickte er knapp, zog Kogorô mit sich. Etwa eine halbe Stunde später stand Shiho mit Shinichi vor Eduard Brady, der in seiner Zelle lag und keuchte. Er bekam kaum noch Luft. Neben ihnen stand der Arzt. Shiho schluckte hart, starrte den jungen Mann an, dem seine Klamotten am Kleid klebten und der doch vor Kälte schlotterte. Sie hatten ihm Decken geholt, ihn auf seine Liege gelegt, doch das alles schien er kaum mitzubekommen. Er hatte die Augen halb geöffnet, und in ihnen schimmerte fiebriger Glanz. Der junge Maler schien sie nicht wahrzunehmen, murmelte unablässig den Namen seiner Freundin vor sich hin wie ein Mantra, nur durchbrochen von leisem Stöhnen oder leisem Wimmern, je nachdem, ob ihn grad ein Krampf quälte oder ob er halluzinierte, wie man seiner Freundin etwas antat. Für Shinichi war das hart an der Grenze dessen, was er ertragen konnte – und Shiho sah ihm das auch an. Er hatte Bradys eiskalte Hand in seine genommen, redete ihm mit Engelszungen ein, dass es seiner Freundin gut gehe – es schien nichts zu helfen. „Das wird nichts bringen, Shinichi.“ Ihre sachliche Stimme klang nüchtern an sein Ohr. „Gegen dieses Gift gab es kein Gegengift, noch nie. Und wenn es zu stark überdosiert ist, führt es wie jede andere Droge zum Tod. Ihr könnt für ihn nichts mehr tun.“ Shinichi schaute sie an, merkte, wie er erstarrte. „Das ist nicht dein Ernst…“ Shiho schluckte, schüttelte den Kopf. „Sieh ihn dir an, Shinichi. Seit Stunden macht sein Körper das mit. Allein seine blutunterlaufenen Augen reden schon Bände. Die ersten kleinen Äderchen platzen schon, weil sein Blutdruck und sein Puls zu hoch sind, bald wird das auch in der Lunge passieren, in den Nieren, überall - und dann wird’s schnell bergab gehen. Er atmet flach, bekommt kaum Sauerstoff dadurch, deswegen ist er auch so blass. Das Gift spielt seinem Geist immer neue Horrorszenarien vor, hält seinen Adrenalinspiegel konstant hoch, zu hoch… gleichzeitig provoziert es Krämpfe, Hitze- und Kälteschübe. Das hält kein Körper auf Dauer aus. Ihr könnt ihm nichts geben, es wird ihm nichts helfen. Keine Sedierung, kein Schmerzmittel, weil dieses Gift so konzipiert wurde, dass es auf radikalste Weise mit diesen Substanzen reagiert, Schmerzen von ungeahnter Intensität provoziert. Alles was du tun kannst, ist die Situation noch zu nutzen. Zu Helfen ist ihm nicht mehr.“ Er starrte sie erschüttert an – und sie lächelte mitfühlend. „Ich weiß, das schmeckt dir nicht… mit gebundenen Händen dazustehen und nicht helfen zu können. Seine Freundin konntest du retten, aber hier hast du verloren, Kudô. Ich kann dir nur eines… raten, und auch dieser Rat wird dir nicht gefallen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Willst du, dass sein Tod nicht umsonst war, Kudô, dann nutz die Situation. Verhör ihn, wie sie dich verhört haben. Finde sie. Bring sie zur Strecke.“ „Nein!“ Entsetzen sprach aus ihm – aus seinem Blick, seiner Haltung, seiner Stimme. Jedes Haar schien ihm der Gedanke allein aufzustellen, mit ihm so zu verfahren wie diese Gangster damals mit ihm. Shiho lächelte ihn mitleidig an. „Du weißt, dass du es tun wirst. Weil du musst. Weil du dir diese Chance nicht entgehen lassen kannst.“ Sie schaute ihn an – ein bitteres Lächeln lag auf ihren Lippen. „Soll ich ihr sagen, dass du sie nicht zum Flughafen bringen wirst?“ Shinichi schüttelte den Kopf, schluckte hart. „Nein. Das… mach ich selber. Ich bring dich zurück zu den anderen und …“ Weiter kam er nicht. Hinter Shiho, mit der er immer noch vor der Tür zu Bradys Zelle stand, war sein Chef erschienen. „And? How can he be helped?“ Shinichis Gesichtsausdruck, als er sich abwandte und zu Brady schaute, der röchelnd hustete, sagte ihm wohl alles. Er schluckte, schüttelte den Kopf. „Can we ease his pain, at least?“ Shiho schüttelte den Kopf. „No. Unfortunately not.“ Montgomery schluckte. „How much time has he left, then?“ „A few hours. Maybe more, maybe less.“ Shiho warf einen Blick zu dem Gefangenen, der keuchend nach Luft schnappte, hustete – als er sie ansah, war sein Blick seltsam klar, seine Lippen rot vom Blut. Die Zeit schien still zu stehen für einen Moment, als sie ihn alle anschauten – alle, bis auf Shinichi, der mit geschlossenen Augen in der Tür lehnte, seine Stirn gegen den Türstock hatte sinken lassen und das Schicksal stumm für sich verfluchte. Dann hörten sie seine Stimme. Heiser, erstickt, so leise, dass ihr Schall es kaum bis an ihre Ohren schaffte. „Sherlock Holmes…“ Shinichi sah ihn aus dem Augenwinkel an, regte sich ansonsten nicht. „I’ve got to tell you something, Mr. Holmes…” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)