Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 37: Mrs Hudson räumt auf -------------------------------- Kapitel 37 – Mrs Hudson räumt auf Mrs Hudson eine Etage tiefer fuhr aus ihrem Dämmerschlaf hoch, in den sie genickt war, als sie sich mit einem Glas Wein in ihren Ohrensessel vor dem Fernseher hatte sinken lassen. Die Soap, die sie sich angesehen hatte, lief schon seit einer Stunde nicht mehr – und das Glas Wein, halbgetrunken, hatte sie sich fast über ihren Faltenrock gekippt, als sie hochgeschreckt war. Blinzelnd starrte die Zimmerdecke an, zögerte kurz – dann rumpelte sie aus ihrem Wohnzimmersessel hoch, schlüpfte sie in die erstbesten Schuhe, die im Flur standen, griff nach ihren Schlüsseln und eilte aus ihrer Wohnung die Treppe hoch, suchte im Gehen noch nach dem Schlüssel zu seiner Wohnung. Sie wusste nicht, ob sie es sich nur einbildete – oder ob sie wirklich dadurch geweckt worden war. Von diesem Schrei. Oh, cool guy… Als sie davor stand, den richtigen Schlüssel bereits in ihrer Hand, zögerte sie. Nie war sie hochgerannt, um ihn zu wecken, in all den Jahren nicht. Aber diesmal schien es anders. Sie wusste nicht, warum, aber sie scheute sich, sich einfach Zugang in seine Wohnung zu verschaffen. Noch dazu, wo sie gerade nicht wirklich sicher war, ob sie nicht einfach selber nur geträumt hatte. Dann hörte sie es – und dieses eine, kleine Geräusch zerstreute all ihre Zweifel im Nu. Ein gedämpftes, aber nichtsdestoweniger schmerzerfülltes Stöhnen. Entschlossen rammte sie den Schlüssel ins Schloss, riss die Tür auf – und kam keine fünf Meter weit. Sie schritt durch den winzigen Flur und sah ihn im Wohnzimmer liegen, schwer atmend, sich den Kopf haltend, zusammengekrümmt wie ein Embryo. Sie schaltete das Licht an, was ihm einen kleinen Aufschrei entlockte – offenbar war er wach, und anscheinend tat das Licht in seinen Augen weh. Sie ging zu ihm, kniete sich nieder, griff nach seinen Fingern, stemmte seine Hände von seinem Gesicht weg und wunderte sich, wie stark er immer noch war, trotz seines Zustands. Er wand und wehrte sich, bis sie sich mit einem Knie in seine Magengegend stützte, was ihm die Luft und damit auch jegliche Kraft zur Gegenwehr raubte. Und jetzt konnte sie ihn ansehen. Verschwitzt, zitternd, desorientiert, geweitete Pupillen. Offenbar war er nicht richtig bei sich. Sie schluckte, löste seine Krawatte und den obersten Hemdknopf, öffnete seinen Gürtel und ging, um ihm ein Glas Wasser zu holen. Als sie wieder kam, sah er sie zwar an – ganz im Hier und Jetzt war er immer noch nicht. „What was it this time, Sherlock?“, murmelte sie leise, wischte ihm mit dem feuchten Lappen, den sie neben dem Wasserglas geholt hatte, über die Stirn. „She drowned…“ Sie zuckte zusammen, sah ihn an. Sie hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, umso mehr stutzte sie, als sich sein Blick langsam auf sie fokussierte. „She drowned. Like Hamlet’s Ophelia. She told me this was the result of my rejection towards her… but I cannot believe she’s safer with me… than without me…“ Ungläubig sah er sie an- und wiederum doch nicht. Sein Blick verlor sich irgendwo hinter ihrem Rücken. „Would you believe this?“ Seine Stimme verlor sich, genauso wie sein Blick. Und erst jetzt merkte sie, dass er eigentlich mehr mit sich selbst redete als mit ihr. Immerhin war er jetzt aber soweit wach, dass sie ihm aufhelfen konnte. Sie ging in die Hocke, streckte ihre Hand aus, die er ergriff und sich beim Aufstehen helfen ließ. Er stützte sich an der Tischplatte ab, merkte, wie alles an ihm zittern und brechen wollte, zurücksacken auf den Boden, weil seine Muskeln den Befehlen seines Hirns nicht folgen wollten. Er ließ sich von ihr auf einen Stuhl setzen, kam sich dabei furchtbar schwach vor, stützte seinen Kopf in seine Hand und atmete schwer. Das Pochen in seinem Kopf war auf ein dumpfes Domdom gesunken, die Bilder ließen langsam wieder nach, wurden blasser und verschwanden schließlich nach und nach – dorthin, wo sie hergekommen waren. Und langsam rückte die Realität wieder in seinen Fokus. Irritiert starrte er auf seine Tischplatte, schüttelte den Kopf. „What was that…?“ „Can’t you answer that question for yourself?“ “…and what are you doing up here, Mrs Hudson…? How did you…”, setzte er nach, schaute sie verwirrt an. Sie schaute ihn ernst an – ihre Arme vor der Brust verschränkt, ihre Wirbelsäule durchgedrückt, ihre Haltung gerade, aufrecht und entschlossen – und alles in allem höher, als er sie in Erinnerung hatte. Und er stutzte, als sein Blick zu ihren Füßen glitt. Sie trug High Heels. Shinichi blinzelte, musterte sie von oben bis unten und wieder zurück. Mrs Hudson bemerkte seinen grübelnden Gesichtsausdruck, kicherte in sich hinein, hielt seinem fragenden Blick mühelos stand, den er ihr nun zuwarf. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, in seinen Augen stand pure Verwirrung. „Mrs Hudson?“ Er strich sich über die Augen, deutete dann auf den Stuhl ihm gegenüber. „May I ask you a question?“ Seine Stimme klang erstaunlich heiser. „Sure, my dear.“ Sie folgte seiner Geste, setzte sich. Shinichi schluckte hart, leckte sich über seine trockenen Lippen – griff dann nach dem Wasserglas, um seine ausgetrocknete Kehle zu befeuchten. „It’s not as if they don’t suit you… but aren’t those shoes a bit… unhealthy for you? At your age?“ Er zuckte zusammen, als sie lachte – lauter, als er es von einer derart alten Lady erwartet hatte, und so laut, dass es in seinen Ohren wehtat. Er stöhnte auf, hielt sie sich zu, kniff kurz die Augen zusammen. Dann spürte er ein Tätscheln auf seinem Kopf, wischte die Hand unwirsch beiseite. „What’s that funny?“ Mrs Hudson lächelte nachsichtig. „Well my dear – I thought they call you Sherlock Holmes? Think, detective, think… you’ve got two facts that exclude each other in your opinion – a 68-year-old lady, who should move in flat shoes, even if she’s in a good physical state – and high heels with fabulous nine centimeter stiletto heels. Which of these facts – isn’t a fact at all? And which theory do you make of it?“ Silver bullet? Shinichi starrte sie an, sein Mund leicht geöffnet, sein Atem flach. Sie sah, wie er nachdachte, konnte fast beobachten, wie sein Hirn trotz des offensichtlichen Anschlags auf seine grauen Zellen wieder auf Touren kam. Fast konnte sie zusehen, wie ein Teilchen nach dem anderen an seinen Platz fiel in diesem Puzzlespiel, das sie seit Jahren spielte. Er schluckte, griff nach dem Wasserglas, als sich die Wahrheit vor seinem inneren Auge manifestierte, trank einen Schluck, so hastig, dass er sich verschluckte. Shinichi hustete kurz, dann sammelte er sich, ehe er sie wieder ansah. Als er die Hand hob, sie ihrem Gesicht näherte, wich sie nicht zurück. Auch nicht, als er hinter ihr Ohr fasste, um seine Finger nach dem suchen zu lassen, was er dort vermutete – und auch fand. Sein Blick traf ihren – sie sah ihn an, wich ihm nicht aus. Als er anzog, an dem feinen Silikonrand, den seine Fingerspitzen ertastet hatten, schloss sie die Augen, verzog ansonsten aber keine Miene. Erst als er die Maske in seinen Händen hielt, sie seinen fassungslosen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte, obgleich er doch seine Vermutung bestätigt vorfand, lachte sie. Laut und schallend. Er hob die Hand unwirsch, und sie brach ab. Shinichi sah sie an – dann legte er das, was von Mrs Hudson übrig geblieben war, auf den Tisch, wandte sich ab von ihr, trank sein Wasser aus, massierte sich die Schläfen – und schwieg. Eine ziemliche Weile lang. Sie saß neben ihm, schaute ihm dabei zu, wie er langsam versuchte, das alles zu verarbeiten. Und herauszufinden, wie er darauf reagieren sollte. Schließlich ließ er sich zurücksinken, bis er im Rücken die stützende, starre Lehne seines Stuhls spürte, und sah sie an. Sharon, die sich mittlerweile die Perücke abgenommen hatte und ein ganz und gar lächerliches Bild abgab, mit ihrem Modelgesicht auf dem Körper einer runzligen, aus der Form geratenen alten Frau, erwiderte seinen Blick gespannt. Er seufzte auf, schüttelte immer noch konsterniert den Kopf. „Himmel, Sharon… bitte sag mir nicht, du bist seit fünf Jahren…“ Sie grinste nur, zog sich eins der Polster unter dem Oberteil ihres Twinsets hervor. Shinichi zog die Augenbrauen hoch. „Schön, wenn es dir damit besser geht, sag ichs dir nicht.“ Ihr Grinsen wuchs – und er wäre jede Wette eingegangen, dass sie, wenn es ihr anatomisch möglich gewesen wäre, rundherum gegrinst hätte. Leider aber waren ihr ihre Ohren im Weg. „Weißt du eigentlich, wie viele Bewerber ich abgewimmelt habe, bis endlich du vor meiner Tür standst? Verdammt, ich dachte, für den Preis könntest du dieser Wohnung keine fünf Minuten widerstehen- stattdessen lässt du mich Wochen warten…!“ Ein weiteres Seufzen kroch über seine Lippen. „Und warum spieltest du dieses Spiel mit mir? Wärs nicht… leichter gewesen, du hättest mir von Anfang an reinen Wein eingeschenkt?“ Er sah sie an. Sein Gesicht war immer noch blass, aus seinen Augen sprach immer noch Erschöpfung, auch wenn in ihnen Unmut glomm, gepaart mit dem sturen Willen, aus ihr die Antworten, die er wollte, herauszukriegen. „Hätte ich eine Chance gehabt, mich so um dich zu kümmern, wie als Mrs Hudson…?“, fragte sie – auf ihren Lippen lag immer noch dieses kleine Lächeln. „Ganz sicher nicht.“, Shinichis Stimmte troff vor Sarkasmus – dann stutzte er, schaute sie erstaunt an. „Warum wolltest du das?“ Sharon fuhr sich durch die Haare, atmete tief aus – und mit einem Mal wirkte sie nicht mehr wie Ende dreißig aus, sondern wie fast sechzig. „Weil ich gesehen habe, was sie mit dir angestellt haben, cool guy. Das weißt du. Und mir war klar, dass du es nirgends lange aushalten würdest, wo irgendjemand war, den du kanntest, und der dich auch nur ansatzweise an dieses Drama erinnerte, nicht einmal bei deinen Eltern. Weil ich dich gesehen habe. Weil ich dich gehört habe. Weil ich weiß, in welchem Zustand du uns verlassen hast und weil… ich Gin habe höhnen hören, was er dir angetan hat… dir und Angel.“ Shinichi schloss die Augen, atmete leise aus. „Ich machte mir Sorgen. Und ich hatte… well, call it guilt, I guess, that’s what I felt. Ich fühlte mich schuldig. Deshalb beobachtete ich dich, deshalb folgte ich dir, deshalb… diese Wohnung, dieses Haus. That’s why I am sitting here this very moment. What the hell was that, just now, by the way?“ Sie wedelte mit ihrer Hand, gestikulierte seinen Körper entlang. Shinichi zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß nicht… und du lenkst ab. Du hättest es mir ruhig früher sagen können. Dass du… du bist. Außerdem bin und war ich kein Kind, ich brauch keinen, der auf mich aufpasst wie eine Glucke auf ihr Küken…“ "Apropos Glucke. Deine Mutter wusste sofort wen sie vor sich hatte, als sie mich vor ein paar Tagen getroffen hat... im Gegensatz zu deinem Vater, um deine Ehre ein wenig zu retten. Ihr Kudô-Männer scheint ein wenig blind zu sein..." Sie lachte vergnügt, als sie sah, wie Shinichis heruntergefallene Kinnlade fast den Boden zu streifen schien. Er ächzte, seufzte dann. "Prima. Das werd ich mir für den Rest meines Lebens anhören dürfen. Aber diesmal lenkst du ab. Warum glaubst du, bitte schön, ich bräuchte ein Kindermädchen? Ich bin kein..." „Might be correct for the last months – except the last days, I suppose - but for sure it wasn’t, when you came here five years ago. And now, you are misleading me. What was it? You, lying breathless on the floor, screaming, telling me something of Ran drowning…”, unterbrach sie ihn unwirsch. Shinichi fuhr zusammen, starrte sie an. „Ach ja…“, murmelte er. Die Erinnerung an den Traum war schon teilweise verblasst, hatte nicht viel mehr als ein paar vage, geisterhafte Bilder in seinem Kopf zurückgelassen. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Wirres Zeug über Ran und…“ „Ihren Tod?“ Shinichi lächelte schief, warf ihr einen Blick zu, der äußerst bitter auf ihrer Zunge schmeckte. „Wär ja nichts Neues. Wie du wohl weißt, soviel wie ich aus deinen Andeutungen vor ein paar Tagen heraushören konnte. Das Haus ist diesbezüglich wohl sehr hellhörig.“ Er wandte sich ab, wischte sich übers Gesicht, betrachtete seine Hand, die immer noch leicht zitterte, sichtbares Merkmal für seinen rasenden Puls. „Ich weiß es wirklich nicht. Ich hatte einen anstrengenden Tag heut, das wird’s gewesen sein.“ „Mhm.“ Sharon zog eine Augenbraue hoch. „Wenn man den Gerüchten des Reporters Glauben schenken darf, hat sich Sherlock Holmes Urlaub genommen nach der Lösung seines letzten Falls.“ Shinichi starrte sie an, völlig verständnislos – dann lachte er laut auf. Sharon schaute ihn unwillig an. Der Ton dieses Lachens gefiel ihr nicht – hohl, unecht und wütend. „Tja, so kann mans auch nennen, schätze ich. Man hat mich suspendiert vom Dienst heute, soviel also zu meinem „Urlaub“. Wegen des Funds eines Fläschchens Heroin in meinem Schreibtisch. Natürlich sind meine Fingerabdrücke nicht drauf –…“, schob er ein, als sie ihn durchdringend ansah, „und es ist auch nicht meins. Jemand muss es mir untergeschoben haben, der mich da weghaben wollte. Jemand der entweder meine Akte oder meine Vergangenheit kennt. Oder beides. Abgesehen davon, wären meine Fingerabdrücke drauf, wär ich nicht suspendiert auf Zeit, sondern gefeuert, endgültig.“ Er schluckte. „Daneben hab ich mich mit Ran gestritten, was ja ebenfalls nichts Neues ist… nur weiß sie seit heute, dass es ihr Vater war, der mir seinerzeit im Krankenhaus ihren Tod verkauft hat. Ich wollt ihr das nie sagen, ich weiß, wie sehr sie ihn liebt, und ich weiß… dass sie ihm das nicht verzeihen kann, genauso wenig wie mir meine erneute Lüge. Sie hat mich wohl endgültig abgeschrieben… seit Tagen versuch ich genau das, sie loszuwerden, von mir abzubringen, mit wenig Erfolg – aber die Methode, die ich nicht hatte wählen wollen, fruchtet wohl nach wie vor am Besten. Ihr eine Lüge auftischen und sie draufkommen lassen…“ Er schob den Stuhl zurück, stand auf, tigerte unruhig hin und her. „Zu guter Letzt kam dann unser Gerichtsmediziner und hat mir ausufernd und erschöpfend erläutert, dass all meine Indizien, dass sie in diesen Fall verwickelt sind, a) hanebüchen und b) allesamt anders zu erklären sind, als ich dachte und ich meine Karriere völlig grundlos gegen die Wand fahre. Wie auch wohl mit dem gleichen Tritt aufs Gaspedal, um im Bild zu bleiben, meine Beziehung zu Ran, die ich ja nur abschiebe, weil ich Angst um sie habe…“ Er blieb stehen, lehnte sich gegen die Wand, mit der Stirn die kalte Mauer berührend, seine Hände in die Hosentaschen vergraben. „Angst habe, dass sie sie mir noch einmal wegnehmen. Dass sie noch lebt ist…“ „A mystery.“ Sharon sah ihn unergründlich an; er schenkte ihr einen Blick aus den Augenwinkeln, rührte sich nicht. „A heavenly gift. Du denkst also, die Organisation steckt hinter den Morden – Gin steckt hinter den Morden?“ „Ich dachte es, ja.“ Shinichi seufzte gegen die Mauer. „Den Kerl, den wir haben, diesen kleinen Kunststudenten Brady… halte ich einfach nicht für fähig, so etwas zu planen und durchzuführen, mir fehlt zudem das Motiv… Ja, wahrscheinlich hat er unser letztes Mädchen umgebracht, aber hinter der Planung steckt er nicht. Und wenn ich den Grund hinter dieser Tötung suchen muss, so denke ich, dass Gin seine Freundin gekidnappt hat. Sie ist nämlich verschwunden.“ Er warf ihr einen weiteren Blick aus den Augenwinkeln zu, runzelte die Stirn. „Why on earth do I tell you this?“ Er schüttelte den Kopf, stieß sich langsam von der Wand ab. “Abgesehen davon ist es ohnehin egal. Ich weiß nicht, was stimmt. Ob ich richtig lag. Scotland Yard denkt, seinen Mörder gefasst zu haben, und wird nicht weiter suchen. Mich werden die erst in Wochen dort wieder haben wollen, am Liebsten wohl mit dem Attest eines Therapeuten. Ran wird mich nie mehr wieder haben wollen. Wen… interessiert da noch, ob sie es waren oder nicht. Wenn sie mich hätten töten wollen, hätten sie’s längst getan, seien wir ehrlich…“ Sharon reagierte nicht. Sie sah ihn nur an, erkannte ein Gefühl, das sie in seinen Augen nie gesehen hatte – in seinen schwärzesten Stunden nicht. Kapitulation. „Wenn sie da noch draußen sind, und Rache wollen… warum kommen sie nicht einfach und nehmen sie sich…?!“, murmelte er müde. „Warum dieses Katz – und Maus-Spiel, warum… warum können sie mich nicht einmal unmissverständlich wissen lassen, dass sie es sind…“ „Weil das nicht ihr Stil ist. Nie war, das weißt du. Sie arbeiten im Verborgenen.“ Shinichi setzte seine unruhige Wanderung durch sein kleines Wohnzimmer fort, den Blick starr auf den Fußboden gerichtet, bis er stehenblieb. „Weißt du denn etwas von ihnen?“ Sharon schüttelte den Kopf. „No. Du weißt, warum. Ich hab es geschafft, mich ähnlich unbeliebt wie Sherry zu machen… indem ich euch entkommen ließ, hab ich mich zur Verräterin gemacht.“ Ein feines Lächeln ließ ihre Zähne blitzen. Shinichi seufzte still. „Why are you asking?“ Er schüttelte den Kopf. „Wie gesagt. Ich bin nicht sicher… ich hab keine Beweise und momentan… bin ich wohl ohnehin kaum zurechnungsfähig.“ Ein zynisches Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. „Ernsthaft, Sharon, ich habs verbockt. Den Job, Ran, mein ganzes, kümmerliches Leben. Seit fünf Jahren treffe ich eine falsche Entscheidung nach der anderen, und das Fatale daran ist, ich machs immer mit den besten Absichten und merke immer erst viel zu spät, dass es ein großer Fehler war. Die beste Entscheidung war die, mich aus dem Leben anderer rauszuhalten…“ Er seufzte, strich sich über die Augen. Sharon schaute ihn an. „You know that’s…“ „… the very truth.“ Sharon zog die Augenbrauen hoch, lächelte traurig. „That’s bullshit, and you know that. Your life isn’t ending here. It’s still in your hands… take it and use it properly!” Shinichi wandte den Kopf minimal, schaute sie konsterniert an. „Und was soll ich machen, deiner Meinung nach? Mir sind die Hände gebunden. Ich bin eine persona non grata, momentan.“ „Was auch nicht zum ersten Mal so ist.“ Sie lehnte sich zurück, schlug lächelnd die Beine übereinander, verschränkte ihre Arme hinter ihrem Rücken. Shinichi zog die Augenbrauen hoch ob des grotesken Anblicks. „Don’t look, if you don’t like what you see.“ Sharon grinste noch breiter. „Was du machen sollst, fragst du? Musstest du bei der Polizei arbeiten, um sie das letzte Mal dranzukriegen? Außerdem, Schwachkopf, hast du Kontakte zum FBI. Sie sind hier und drehen Däumchen; ich glaube kaum, dass sie sich nur deswegen hierher bemüht haben, um Babysitter für deine Lieben zu spielen und dir beim Nichtstun und Herumjammern zuzusehen.“ „Du weißt, warum ich nicht mit ihnen gearbeitet habe. Scotland Yard...“ „… has dismissed you...“ “… suspended me. That’s a difference.“ „Call it as you want. At this very point, their case is closed and you are not working for them.” „Das siehst du jetzt ein wenig zu einfach, Sharon. Actually, I am still an officer of…“ “Tell me, Shinichi, can’t you or do you not want to understand what I am trying to suggest you…?!” Sie starrte ihn genervt an. Shinichi lächelte schmal. „I know very well what you want me to do. You are suggesting to ally with the FBI again and to deal with the case myself.” “Clever boy.“ Sie lächelte breit. „Ich weiß sehr wohl, was du offiziell noch bist; aber inoffziell interessierst du da momentan keinen, also tu und lass was du willst! Abgesehen davon… denk mal nur für fünf Pennies weiter, silver bullet. Du bist beurlaubt, weil du die Organisation hinter all dem vermutest. Und dein Chef glaubt dir weshalb nicht?“ Shinichi stöhnte auf. „Wegen einem Fläschchen Heroin. Das mir wer untergejubelt haben muss. Und wenn die Theorie…“ „Von der Organisation stimmt, läge es doch nahe…“ „… dass im Yard einer von ihnen ist.“ Shinichi fuhr sich mit seiner Hand übers Gesicht, schüttelte den Kopf. „Das weiß ich. Soweit war ich auch schon.“ Sharon nickte. „Egal ob es stimmt oder nicht, dass sie dahinterstecken - dass dich jemand in die Pfanne hauen will, ist eine Tatsache.“ Sie schaute ihn durchdringend an. „Ich wage mich sogar noch weiter aus dem Fenster zu lehnen, cool guy…“ Shinichi presste die Lippen zusammen. Er ahnte, was sie nun anführen würde. „I don’t reckon that this little blackout just now was a result of too much work and distress...“ Sharon stand auf, schaute ihm ins Gesicht – dann hob sie die Hand an seinen Hals, drückte gegen die Hauptschlagader. „Your blood pressure is still extraordinary high…“ Shinichi wich zurück. „Was soll es sonst…?“, fing er an, unwillig, ahnte er doch die Antwort. Sie ließ ihre Hand sinken, verschränkte die Arme vor der Brust. „You very well know what I mean. And don’t you dare to tell me that you did not think about that, liar.” Shinichi schaute sie abwehrend an. „Das ist Schwachsinn, Sharon. Woher…“ „Well. I might guess, if something manages to hide a flask of heroine in your desktop drawer, he’ll easy enough will achieve to pour something in your coffee cup, for example, Shinichi.“ „Das glaub ich nicht.“ Shinichi schüttelte den Kopf. „Du weißt, ich hab… diese Träume doch die ganze Zeit. All die fünf Jahre kehrten sie immer wieder.“ Er brach ab, als er ihren warnenden Blick sah. „She never drowned, Sherlock.“ „Woher willst du das wissen.“ Zwar gab er sich abwehrend, aber sie sah an seinem Blick, dass sie Recht hatte. Er hatte immer wieder von diesem Abend geträumt. In keinem seiner Träume war sie je ertrunken. Shinichi griff sich an die Stirn, schüttelte langsam den Kopf. „Sharon, es spielt keine Rolle, was ich träume. Aber das HLZG - ich würds doch wissen, hätt ichs intus. Ich hab… diese Entzugserscheinungen doch miterlebt, ich wär fast draufgegangen beim Entzug, das hier war nie so heftig. Ich glaube kaum, dass das…“ Die Blondine schaute ihn ausdruckslos an. „If you say so.“ Sie lehnte sich gegen die Tischkante. „The other thing you can fix is your relationship with Ran. Go and talk to her.” Sie fixierte ihn mit ihren eisblauen Augen. Er sah sie an, lange – und schwieg. „That’s impossible.“ „You just told me, she said to you that she would be safer with you than without you…“ Ihre Stimme war leise. “And don’t you think, that could be right?” Er hatte sie mehr oder minder zur Tür gedrängt, schaute sie müde an. „That was a dream. A nightmare, to be correct. I don’t believe messages my nightmares tell me. I don’t want them to become true.“ Sie schaute ihn an, schüttelte den Kopf. „But let’s face the truth, Shinichi… that’s what your nightmares tend to do.” Sharon trat näher an ihn heran, blickte ihn starr ins Gesicht. Sie mochte seinen fahlen Teint nicht, und auch nicht die Schatten unter seinen Augen. Sie mochte nicht, dass sein Gesicht ein wenig hager wirkte, ein wenig ausgezehrt – ein wenig nur, aber dieses Bisschen war in ihren Augen ein bisschen zu viel. „You don’t do yourself any good if you reject her. Don’t you see that you need her like the air you breathe, the water you drink, you stupid boy?” Ärger klang in ihrer Stimme. Er schüttelte nur den Kopf. „I do know that. You know that, you’ve heard it and you’ve seen me, though I definitely prefer you hadn’t. But… she’ll be safer and happier without me. You do remember what had happened to her, the last time she went with me. Und du konntest sehen, was diese Zeit ohne… Luft und Wasser aus mir gemacht hat. Einen Geist, Sharon.” Er schüttelte den Kopf, um seine Lippen lag ein verkniffener Zug. „Egal, ob sie hier dahinterstecken oder nicht,… es ist zu riskant. Sie lebte fünf Jahre sicher in Tokio… das will ich nicht aufs Spiel setzen. Sie sollte wieder zurück. Ich weiß jetzt, dass sie lebt, dass es ihr gut geht, das muss mir reichen…“ „Nobody can talk of wellbeing or happiness, Shinichi. She is not well-…“ Sie brach ab, als sie das wütende Funkeln in seinen Augen bemerkte. „It’s none of your business, Sharon. And now leave me alone, I’ve got to go to sleep – I’m pretty tired, and as you are so worried about my health…” Er trat einen Schritt auf sie zu, zwang sie, zurückzuweichen. Sie warf ihm einen resignierten Blick zu – hier und heute würde sie bei ihm nicht weiterkommen, soviel machte er ihr gerade ziemlich deutlich. Er zweifelte und er war müde. Sie schüttelte den Kopf, langsam, ging zur Tür und öffnete sie. Ehe sie hinaustrat, drehte sie sich jedoch noch einmal um. „Shinichi – you’re up to making some more wrong decisions, you know that, don’t you?“ Damit drehte sie sich um, ließ ihn allein. Shinichi schloss die Tür, lehnte sich kurz dagegen – dann machte er kehrt, ließ sich im Schlafzimmer aufs Bett fallen, wie er war – und blieb entgegen seiner Hoffnung, sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu gleiten, noch lange wach, starrte in die Finsternis seines Schlafzimmers, hörte gedämpft den Lärm der nie schlafenden Stadt durch seine Fensterscheibe. Und seine Gedanken drehten sich im Kreis, genauso wie das London Eye vor seinem Fenster. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)