Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 27: Tod auf Raten ------------------------- Kapitel 27 – Tod auf Raten Sie waren mehr oder weniger zusammen zurückgefahren ins Yard. Während Shinichi jedoch gleich auf den Parkplatz fahren konnte, kurvte Jenna noch einmal um den Block, um eine Lücke für ihren Mini zu finden – einen festen Stellplatz, so wie ihr Boss, konnte sie nicht ihr Eigen nennen. Shinichi hingegen wartete vor dem Eingang auf sie. Ihm war übel, wenn er daran dachte, was sie heute herausgefunden hatten. Nämlich, dass ich ihn in Sicherheitsverwahrung hätte lassen sollen. Jetzt muss ich klein beigeben und eine Fahndung ausschreiben. Allerdings suche ich immer noch nach Zeugen, nicht nach Tatverdächtigen. Montgomery wird das anders sehen. Jenna hechelte um die Ecke, als er gerade überlegte, wie er es seinem Boss am besten beibrachte. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt, und ein ganz dummes Gefühl sagte ihm, dass es ohnehin schon zu spät war, um noch irgendetwas zu retten. Als sie schließlich bei ihm angekommen war und zu ihm aufgeschlossen hatte, drehte er sich langsam um. „We’ve got to initialize a search for Brady and his girlfriend.“ Sie nickte langsam. „Would you care for this, please?“ Nun schaute sie ihn erstaunt an. „Me? Why don’t you tend to that yourself, am I …“ „… authorized to do that? Yes, you are authorized to do so, because I am authorizing you.“ Er runzelte die Stirn, Sorge färbte seine Augen dunkel. „I… want to try to find Brady myself. And if possible, I’d like not to meet Montgomery before I’ve got him.“ Jenna beobachtete, wie sein Adamsapfel einmal auf – und abhüpfte, als er hart schluckte. „You think you should’ve kept him in custody.“, bemerkte sie leise. „I am not sure.“ Er schaute sie an, seufzte, strich sich fahrig die Ärmel seines Sakkos glatt. „I am just not sure…“ Damit ließ er sie stehen, ging zurück zu seinem Auto, stieg ein. Seine Unruhe steckte sie an; nichtsdestotrotz drehte sie sich um, ging ins Hauptquartier von Scotland Yard. In Gedanken wünschte sie ihm viel Glück bei seiner Suche. Ehe er losfuhr, dachte er jedoch nach. Er wollte ihr Quartier finden – und das war angesichts der schieren Größe Londons ein fast unmögliches Unterfangen. Allerdings, ein Hotel konnte er wohl ausschließen. Zu viele Leute würden sie sehen, sie würden zu schnell auffallen und somit auch zu schnell gefunden werden können. Und jedem Zimmermädchen, das etwas auf sich und seinem Job hält, würde wohl der Blutfleck im Bad auffallen. Sollte ihr Quartier der Ort sein, an dem die Morde geschahen, dann schloss sich ein Hotelzimmer kategorisch aus. Ein schales Grinsen huschte ihm über die Lippen. Er suchte nach einer Immobilie. Einer Mietwohnung. Und nun konnte er tatsächlich wo ansetzen. Gedankenverloren zückte er sein Smartphone, öffnete die nächstbeste Immobilienseite. Sie suchten bestimmt etwas Abgelegenes. Etwas… das ihrem Charakter entsprach, und ihrem Zweck diente. Keine großen, gut bewohnten Häuser, keine Immobilien in begehrten Wohngegenden. Nicht zu nah am Zentrum Londons, aber auch nicht zu weit weg. Und am Besten von einem Vermieter, der nicht zu viele Fragen stellte und den Bares allein genug überzeugte. Geschickt sortierte er aus, bis er an einem Objekt hängenblieb. Ein exklusives Wohnerlebnis am Rande Londons Loftappartements. Shinichi runzelte die Stirn. Könnte passen. Er tippte die Suche ein, notierte sich alle Nummern und Namen von Maklern, die so etwas in ihrem Repertoire hatten, und fing an, zu telefonieren. Und einmal in den letzten Tagen hatte er Glück. Eine Maklerin erinnerte sich an ein seltsames, asiatisches Paar, angeblich ein Künstlerpaar, Fotographen, auf der Suche nach einer exklusiven Immobilie für ihr Atelier. Er, lange, zu einem Zopf gebundene Haare, Kette rauchend, in schwarzem Anzug und schwarzem Pullover, sie, eine platinblonde Bobfrisur im Stil der Golden Twenties, eine auffällige Sonnenbrille tragend, die sie nie abgenommen hatte. Sie hatten sich ein Objekt am Hafen angeschaut und gemietet. Was jedoch am meisten in Erinnerung geblieben war, war der Koffer voller Geld, um das Objekt sofort zu bezahlen, auf Monate im Voraus. Gin und Chianti. Selbst wenn sie nicht auffallen wollen, fallen sie noch auf. Und klar… sie wollen möglichst wenig Papierkram. Leider nur fallen auch große Mengen Bargeld auf. Er notierte sich die Adresse, merkte, wie sein Puls zu rasen anfing. Gerade überlegte er, ob er Black anrufen sollte, als er sich besann. Zuerst würde er selbst prüfen, ob er überhaupt richtig war. Wenn der schwarze Porsche 356a vor dem Gebäude stand, war der Fall ohnehin klar. Oder ein ähnlich exklusives Auto. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hier auf Minis umgestiegen sind. Langsam atmete er durch, griff dann mit ruhiger Hand nach dem Zündschlüssel, drehte ihn um und ließ den Motor an, setzte bedächtig zurück und fuhr vom Parkplatz. Als er an der angegebenen Adresse ankam, schien alles ruhig. Gründlich musterte er die Straße vor dem Haus – kein Porsche, weit und breit. Er stieg aus, atmete kurz durch, ehe er sich dem Gebäude näherte. Da die Tiefgarage nicht abgesperrt war, betrat er sie kurzerhand, um dort nach dem Objekt seiner Begierde zu fahnden – doch auch hier Fehlanzeige. Aus dem Augenwinkel heraus entdeckte er den Fahrstuhl, ein antikes, vergittertes Gerät. Er trat näher, betrachtete die Etagen, neben denen die Namensschildchen der Bewohner standen. Kein Mensch wohnte hier. Allerdings war ein schmutzigweißer Knopf deutlich mehr abgewetzt und blanker als es die anderen waren. Shinichi wandte sich kurz um – dann stieg er ein, drückte den Knopf und fuhr hoch. Sein Puls raste. Falls sie wirklich hier waren, würde er jetzt geradewegs in die Höhle des Löwen fahren. Unwillkürlich griff er nach seiner Dienstwaffe, zog sie aus dem Holster und entsicherte sie. Weiter kam er jedoch nicht mit seinen Gedanken, denn ein leises Klingeln und das knatternde Zusammenfalten der Gittertüren verkündeten ihm, dass er angekommen war. Er stieg aus, fand sich einer Tür gegenüber wieder. Sie schien schwer, solide, aus einem grau gestrichenen Metall. In der Mitte glitzerte ihn ein Türspion an. Und hier roch er es zum ersten Mal. Rauch von Zigaretten, die er nie mehr würde vergessen können. Er umklammerte seine Waffe fester. Im nächsten Moment wunderte er sich, wieso er den Rauch so deutlich roch – und erkannte, dass die Tür nicht ganz geschlossen war. Mit dem Fuß stieß er sie etwas weiter auf, späte in den Raum – und erstarrte. Der Raum war leer, keine Menschenseele weit und breit. Aber auf dem Boden glitzerte Blut. Dunkel im roten Licht der untergehenden Sonne lag sie da, eine ansehnliche Blutlache, kaum verwischt. Und es stank. Nach den halb verdauten Essensresten einer Person, die vor ihm auf dem Boden lagen. Nach ein wenig Ammoniak. Und um ihn drehte sich alles. Er zweifelte nicht mehr im Geringsten daran, dass er hier richtig war. Allerdings, und das war genauso klar – kam er zu spät. Langsam trat er näher, kämpfte die aufsteigende Übelkeit und das schlechte Gewissen nieder, um klar denken zu können. Als er sich bückte und mit einem seiner Bleistifte in das Blut stippte, stellte er fest, dass es noch nicht mal ganz geronnen war. Eine, vielleicht zwei Stunden. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt! Er stöhnte auf, umrundete die Lache, ging weiter. Fand den Tisch mit den Spirituosen, die Zeitungsberichte zum Fall. In einer Ecke fand er einen kleinen Haufen Kleider, die wohl einem jungen Mädchen gehört hatten. Eine sparsam genutzte Küche und zwei Schlafzimmer sowie ein nobel eingerichtetes, schlichtes Badezimmer rundeten die Wohnungsbesichtigung ab. Dann griff er nach seinem Smartphone, schluckte hart. Und fragte sich, wen er zuerst anrufen sollte – Scotland Yard oder das FBI. Eigentlich stellte sich die Frage nicht – er arbeitete für das Yard, also sollte das auch seine erste Wahl sein. Wobei, wenn die Leute vom Yard hier zuerst auftauchten, würden sie das FBI hier nicht mehr reinlassen. Andersherum schon. Eventuell. Er stöhnte auf, griff sich an die Stirn. Dann tippte er Blacks Nummer ein. Es läutete keine drei Mal, als der Engländer auch schon abhob. „Shinichi. Ich dachte nicht, so schnell von dir wieder zu hören…“ „Ich habs gefunden.“ Er fiel ihm ins Wort und er wusste, das war unhöflich. „Ihr Quartier?“ „Nein. Schlumpfhausen. Was sonst?“, fragte er gereizt, fing sich aber sofort wieder. Tief atmete Shinichi durch, seufzte dann leise. „Ja. Nachdem die Beschattung von Brady ein Schuss in den Ofen war, hab ich mal ein wenig nachgedacht. Und… ich hab es gefunden. Allerdings sind sie ausgeflogen. Nur… ein großer Blutfleck ist hier am Boden, ich nehme an, vom nächsten Opfer. Hören Sie, James, ich müsste eigentlich sofort Scotland Yard verständigen…“ „Keep waiting, please.“ Shinichi verdrehte die Augen. „Ich kann nicht lange…“ „Musst du nicht. I’ll be with you immediately.“ Und er hielt Wort. Nur eine Viertelstunde später stand er mit Shinichi im Loft von Gin und Chianti, ließ sich von Shinichi erklären, was er herausgefunden hatte, machte Fotos und notierte sich alles. „Überwachungskameras?“, fragte er dann. „Ja.“, meinte Shinichi trocken. „Allerdings alle schwarz übermalt. Die wollten ja selber nicht gesehen werden, also…“ „Hm.“ Er schluckte. „I do not think that they will come back.“ Shinichi nickte langsam. „Das denke ich auch. Wahrscheinlich haben sie noch ein zweites Schlupfloch. So wie es aussieht, haben sie auch eine Geisel.“ Shinichi schielte zu den Stühlen, die umgeworfen im Raum lagen. „Bradys Freundin wird vermisst.“ „Ah.“ Black nickte schwer. „Und unser Künstler?“ „Noch nicht aufzufinden. Wenn ich jetzt mal anrufen dürfte, schicke ich gleich wen bei ihm vorbei. Allerdings… wird er wohl auch dort nicht, oder nicht mehr sein. Ich denke, er weiß, dass wir ihm auf den Fersen sind.“ Er seufzte leise. „Gut. Dann… gehe ich jetzt, und du machst deine Arbeit.“ Shinichi warf ihm einen Blick zu – griff sich sein Handy und wählte die altbekannte Nummer, während James Black fast lautlos aus dem Appartement verschwand. Minuten später wimmelte es vor Polizisten – wie schwarze Ameisen überfielen sie den Raum und drehten jeden Stein um, den die Kolonne in den weißen Astronautenanzügen nicht mit ihrem Plastikband mit der Aufschrift „Crime Scene – do not cross“ umzäunte. Unter ihnen befanden sich auch Heiji und Kogorô, die von Jenna, die er ebenfalls angerufen hatte, informiert worden waren. Sie hatte ihm gerade eben auch gleich den ersten Misserfolg überbracht – Brady war weder bei sich zuhause noch im Atelier. Sie hatte keine Ahnung, wo der Kerl steckte, aber die Fahndung lief. Nun stand er hier und koordinierte die Spurensicherung, Jenna lief unter den anderen Polizisten herum und dirigierte ebenfalls. Überall standen Baustrahler, um die Szene auszuleuchten, da es draußen mittlerweile dunkel geworden war und das Licht im Loft nicht reichte, um den Tatort – und endlich hatten sie mal einen – ordentlich zu beleuchten. Heiji schluckte, starrte ihn an. Er ahnte, wie sehr ihm das zusetzte; er hatte selbst kurz einen Blick auf die Blutspur geworfen und war zu dem gleichen Schluss gekommen, wie der Forensiker, der die Lache untersucht hatte – und wie Kudô selbst wohl auch. „Wohl maximal zwei Stund’n her.“, murmelte er leise, als er neben Shinichi getreten war. Der nickte kurz, schaute ihn nicht an. „Heiji, das hier zu finden war so einfach. So einfach! Eine Idee, eine kurze Recherche, ein paar Telefonate. Hätte ich vorher einfach mal nachgedacht… ich hätte das verhindern können. Und ich hätte es verhindern müssen. So aber werden wir wohl ziemlich bald eine ziemlich blutleere Leiche finden, weil ich einfach unfähig war.“ „Kudô…“, begann Heiji langsam. „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. Kogorô, der ein wenig abseits stand, beobachtete ihn genau. „Du weißt, warum‘s soweit überhaupt kam. Weil ich seit… seit Tagen nicht mehr klar denken kann. Nicht mehr schlafen kann.“ Shinichi presste seine Lippen zusammen, verschränkte seine Arme vor seinem Oberkörper. „Montgomery hatte durchaus Recht… ich bin nicht bei der Sache, und meine privaten Probleme beeinflussen meine Arbeit.“ Heiji trat vor ihn. „Dein Boss will einfach nur jemanden einbuchten, Kudô. Und dafür, dass er noch keinen hat, macht er dich verantwortlich…“ „Er wird kein Argument zulassen, Hattori, und mit „Sie wollen doch nur einen Sündenbock“ kann ich ihm nicht kommen. Wir hatten die Diskussion heute, und er hat nicht ganz Unrecht, ich weiß das selber… ich weiß doch selber, dass ich nicht bei der Sache war, seit ich weiß, dass Ran…“ Er brach ab, wandte sich um, massierte sich die Schläfen. Kopfschmerzen, leise und bohrend, begannen sich durch sein Hirn zu wühlen. Es wunderte ihn kaum. Kogorô kniff die Augen zusammen. Er ahnte, in welche Situation Shinichi steckte – und er wusste, ihm stand bestimmt ein sehr unangenehmes Gespräch bevor. Da is einem wohl ein Einlauf noch lieber. Dennoch, ich hätte nicht anders entschieden. Da steckt jemand anders dahinter, das sieht ein Blinder mit Krückstock. Und der einzige Weg, den zu kriegen, war Brady wieder laufen zu lassen… auch wenn man durch eine Sicherheitsverwahrung diesen Mord vielleicht verhindern hätte können… oder aufschieben… Wobei… Die hätten sie so oder so getötet. Er seufzte still, trat näher. Shinichi drehte sich um, als er ihn im Augenwinkel bemerkte. „Wir können gehen, denke ich. Hier ist nichts mehr zu tun… den Bericht bekommen wir morgen dann. Wahrscheinlich auch die Leiche, die zu diesem enormen Blutfleck passt.“ Ein bitteres Lächeln kroch über seine Lippen, als er sich umwandte, Jenna, Kogorô und Heiji im Schlepp. Als sie im Yard ankamen, war die Sonne fast untergegangen, die ersten Straßenlaternen gingen gerade an. Er hatte kurz seine Notizen verschriftlicht in einem Vorabbericht, die Presseabteilung informiert, die die nächste Pressekonferenz für morgen ansetzte, während Heiji, Jenna und Kogorô vor dem Gebäude auf ihn warteten, dampfend heißen Kaffee aus Pappbechern tranken. Er war froh, als er endlich zu ihnen stoßen konnte, den Tag für heute beenden. Der morgige würde anstrengend genug werden. Sie gingen gerade über den Parkplatz zu seinem Wagen, mit dem er Heiji und Kogorô zurück in ihr Hotel fahren wollte, als er stehen blieb, unwillkürlich. In Shinichis Nacken prickelte es, ein untrügerisches Zeichen, dass er beobachtet wurde. Allerdings nicht von ihnen. Shinichi drehte sich um, seufzte leise, vergrub dann seine Hände in seinen Manteltaschen. Heiji schaute ihn perplex an, irritiert darüber, dass sein Kollege einfach stehen blieb. „Ran. Komm raus, ich merk doch, dass du mich verfolgst.“ Als sie zögernd neben ihn trat, sah er sie nicht an. Heiji starrte ihn an – dann wanderten seine Augen zu ihr. Sie hatte hinter einem großen Einsatzwagen gestanden, hatte ihn tatsächlich beschattet, wie es schien. Shinichi hingegen gab sich reserviert. Heiji wusste genau, warum. „Was willst du denn?“ Langsam setzte er sich wieder in Bewegung. „Das weißt du.“ Sie hielt neben ihm locker Schritt, schaute ihn an, ging neben ihm her, ohne ihm zu nahe zu kommen. Ihren Vater, der hinter ihnen her schritt, ignorierte sie. „Wenn du denkst, dass ich meine Meinung ändere, nur weil…“ „Oh. Ich denke gar nichts.“ Sie lächelte ihn an. Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel, schluckte hart, als er merkte, wie ihm langsam etwas Wärme ins Gesicht stieg. Er sah sie einfach zu gern lächeln. Und dennoch konnte er es nicht sehen, ohne nicht gleichzeitig ein anderes Bild im Kopf zu haben. Das, in dem sie die Augen schloss. Lächelnd. Er wandte sich ab, betrachtete stur den Boden vor seinen Füßen. „Du hast mir deutlich genug klar gemacht, dass du keine Beziehung willst.“ Ihr Lächeln schwand nicht, als sie geradeaus schaute. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Shinichi neben ihr starrte in den Fußboden, war deutlich rot geworden im Gesicht. „Verdammt, du weißt, dass das nicht stimmt, Ran, es liegt nicht daran, dass ich nicht will. Ich kann einfach nicht. Du weißt so gut wie ich, dass sie noch da draußen warten, und ich will einfach nicht, dass du nochmal ins Schussfeld gerätst…“ Ran griff sich vorsichtig am Arm, schluckte. „Jaja.“ Er runzelte die Stirn, sparte sich den Kommentar auf ihr lapidares „Jaja“, der ihm auf der Zunge lag. „Ich versteh das ja auch alles. Aber kannst du dir vorstellen, dass es mir geht wie dir, nur umgekehrt? Ich hab zwar nicht grad erfahren, dass du noch lebst… aber ich treffe dich nach Jahren wieder, erfahre solche Dinge von dir, seh‘ dich an und kann doch erkennen, dass es dir nicht gut geht. Shinichi, wir sind… seit unserer Kindheit befreundet, und ich mach mir Sorgen, nicht nur als… Frau, die dich liebt, sondern auch als… Freundin, die dich seit dem Sandkasten kennt.“ Er blieb stehen, starrte sie an. „Sag mal, wie viel weißt du…?“ Ran biss sich auf die Lippen, schaute ihn an. „Black hat heute ein… bisschen geredet, und Shiho auch, aber… sie redeten davon, dass es dir hinterher sehr schlecht ging, mehr… kann ich mir nicht zusammenreimen und wie ich dich kenne, wirst du den Teufel tun und mich jetzt aufklären.“ Sie hielt kurz inne, um in den zusammengepressten Lippen Shinichis ihre Ahnung bestätigt zu finden. „Dachte ich mir. Und weißt du was – es ist mir auch egal jetzt. Es spielt keine eine Rolle, Shinichi. Ich merk auch so, dass es dir nicht gut geht. Ich hab verdammt nochmal Augen im Kopf. Deinen…“ Sie zögerte, streckte dann die Hand nach seinem Gesicht aus, berührte seine Wange, merkte, wie er unter ihrer Berührung schauderte, fühlte, wie sich ihre Mundwinkel nach unten zogen, bedauernd, bekümmert… besorgt. „Deinen Augen fehlt das Leuchten… deinen Lippen ihr Lächeln. Und es gab doch eine Zeit, als du nicht zurückgezuckt bist, wenn ich dich angefasst hab, Shinichi, also bitte… ich bin keine Detektivin, aber ich kenne dich.“ Er trat einen Schritt zurück, wandte sich ab, atmete stockend aus. Sie griff nach seiner Hand, bestimmt. „Ich kenne dich. Und ich brauche nicht zu wissen, was passiert ist, um zu verstehen, dass es schlimm war, und dass es dich verändert hat.“ Sie trat um ihn herum, blickte in seine Augen, die durch sie hindurchzuschauen schienen. „Ich weiß von… einer Substanz, einem… Mittel um… Leute zum Reden zu bringen. Mehr haben mir dein Vater und auch Black nicht erzählt. Ich weiß, dass du glaubtest, ich wäre gestorben, und ich ahne, dass hinter diesem Fall auch weit mehr steckt, als du zugibst, du sagst nur deshalb nichts, weil dir der letzte Beweis fehlt, und du warst einfach nie jemand, der mit halbgaren Theorien um sich warf.“ Sie griff nach seiner zweiten Hand, zog ihn zu sich, merkte, wie er widerstrebend nachgab. „Und als Freundin… bitte ich dich, vertrau dich mir an. Es wird nichts passieren, Shinichi.“ Ein verzweifeltes Lächeln glitt ihr über die Lippen. „Du weißt, wie gern ich mit dir zusammenwäre. Alles in mir…“ Sie schloss kurz die Augen, atmete ein; und als sie nun sprach, wisperte sie die Worte so leise, dass nur er sie hörte. „… alles in mir sehnt sich danach, endlich… endlich von dir in die Arme genommen zu werden. Geliebt zu werden, von dir. Einfach nur in deiner Nähe zu sein, neben dir zu liegen, wenn ich einschlafe und wieder aufwache und… Aber ich… verstehe deine Gründe. Und ich respektiere sie.“ Sie wandte ihren Blick ab. Shinichi biss sich auf die Lippen, sah sie jetzt an, in seinem Blick ein unbestimmter Ausdruck von Bedauern und Reue. „Aber als deine Freundin kann ich dich so nicht stehen lassen. Ich kann und will dich nicht allein lassen. Also bitte.“ Sie hob den Kopf erneut, schaute ihm starr ins Gesicht, Sturheit stand ihr quer übers Gesicht geschrieben. Shinichi lächelte traurig. Ihre Bemühungen rührten ihn, und zu gern hätte er nachgegeben – allerdings, etwas hielt ihn davon ab. Und zwar mit aller Macht – und mit Erfolg. „Das ehrt dich, Ran. Aber ich fürchte, über den Punkt, nur als Freund und Freundin reden zu können, sind wir weit hinaus. Und wenn ich dir erzähle, was damals wirklich gelaufen ist, dann… würdest du auch sehen, dass es ein Zurück eigentlich nicht gibt. Es gibt nur ein Ja oder Nein, in unserem Fall.“ Ran merkte, wie ihr Herz bis zum Hals schlug. „Und du bleibst beim Nein?“ Er wandte sich um, sagte nichts mehr. Sie ging ihm trotzig hinterher. Heiji folgte ihnen nach, wünschte sich zum ersten Mal, dass Ran einfach lockerlassen würde – er wusste, Kudô würde nicht nachgeben. Nicht, nachdem, was jetzt passiert war. Nach ein paar Metern drehte er sich um. „Ran. Geh. Bitte.“ Heiji atmete scharf ein. Ran schaute ihn an, schüttelte den Kopf. „Nein. Ich seh doch, dass etwas nicht stimmt, dass du dir Sorgen machst, dass…“ Sie konnte konnten fast sehen, wie die Sicherung langsam durchbrannte, die in den letzten Tagen ohnehin stark strapaziert gewesen war. „Ja, wegen dir!“ Shinichi hatte tief Luft geholt. „Verdammt nochmal Ran, wenn du doch eh weißt, warum ich mich sorge, und du ständig betonst, dass du mir helfen willst, warum tust du dann nicht endlich, worum ich dich seit Tagen auf Knien bitte und lässt mich in Ruhe?!“ Seine Stimme klang hitziger, als er es wollte, und er versuchte sichtlich, sich wieder zu beruhigen – allerdings konnte Heiji sehen, dass der Kampf ein verlorener war. Ran hingegen sah in geschockt an. Kogorô war ein paar Schritte abseits stehen geblieben, beobachtete die Szene scheinbar unbewegt. „Aber…“ „Nein, verdammt. Kein Aber. Du hast eine gute Ahnung, denke ich, wie sehr ich gelitten hab die letzten fünf Jahre, weil ich dachte, ich hätte deinen Tod verschuldet…“ Er seufzte, sah ihren betroffenen Blick, merkte, wie sein Gewissen sich meldete. „Versteh mich nicht falsch, ich geb‘ dir nicht die Schuld.“ Shinichi schnappte nach Luft. „Die allerletzte, die etwas dafür kann, bist du. Ich weiß, dass es allein in mir, an mir liegt. Und weil ich das weiß, Ran…“ Er sah sie starr an, als er sprach. „… will ich, dass du verschwindest, will ich, dass du gehst, ich…“ Ran starrte ihn an, ihre Augen schimmerten glasig. „Aber wieso… das war vor fünf Jahren, ich…“ Sie sah ihn an, sah, wie in ihm etwas zu Bruch ging. Und in dem Moment war ihr klar, was hinter allem steckte. Sie schloss die Augen, merkte, wie sie zu zittern anfing, als ihr Herz aussetzte, einen vollen Schlag. Kälte umfing sie, und mit ihr kam die Angst. „Sie sind zurück, nicht wahr? Nicht nur hypothetisch. Black ist nicht einfach so gekommen, dieses ganze Gerede über den Fall damals, dein Auftauchen im Hotel gestern…“ Shinichi sagte nichts. Heiji sah zu wie ein unbeteiligter Zuschauer, als er in seine Sakkotasche griff, den schwarzen Umschlag herauszog und ihn ihr wortlos reichte. Ran nahm ihn mit zitternden Fingern entgegen, öffnete ihn, zog das Foto heraus. Allein zu sehen, wie die Angst in ihr wuchs, sich ihrer bemächtigte, wie sie vor Schreck starr wurde, fast festzufrieren schien, brachte ihn an den Rand dessen, was er ertragen konnte. Und zum ersten Mal wurde ihm wirklich klar, was es eigentlich tatsächlich bedeutete, sie zu lieben. Es nicht nur zu tun, und intuitiv zu handeln, sondern darum zu wissen, dass es so war. Er würde absolut alles für sie tun. Und damit hatte man ihn vollkommen in der Hand. Ruckartig entzog er ihr Umschlag und Foto, steckte es wieder weg. „Ich wiederhole es ungern, Ran. Ich will, dass du gehst. Ich will dich hier nicht haben, wenn es wieder anfängt...“ Sie schien langsam wieder aus ihrer Starre zu erwachen – langsam hob sich ihr Blick, wurde wieder klar. Entschlossenheit glomm in ihren Augen, ein Gefühl, dass er dort fast noch weniger sehen wollte als die Angst, die bis eben in ihnen gewohnt hatte. „Nein!“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein!“ Heiji sah, wie sie auf ihren Lippen kaute, wie sie Mut sammelte, ihre ganze Courage zusammenkratzte, für das, was sie nun sagen würde. Und dennoch würde es umsonst sein, das wusste er. Er drehte sich um, als er Schritte hörte, sah Jenna, die sich näherte. Shinichi bemerkte davon nichts. „Du musst das diesmal doch nicht wieder allein machen! Ich bin hier, ich bleibe bei dir, ich lass dich nicht noch einmal allein, wir stehen das zusammen…“ Sie hörte auf, als sie ihn lachen hörte, hohl und voller Sarkasmus. „Nein, Ran, garantiert nicht.“ Er schüttelte den Kopf, starrte kurz in den Himmel. „Garantiert nicht. Du wirst nach Hause fliegen, besser noch heute als morgen.“ Sie starrte ihn an, merkte, wie in ihr langsam die Wut hochkochte. „Sag mal, für wen hältst du dich?! Du hast mir nicht zu sagen, was ich tun soll, ich…“ Sie funkelte ihn an, hatte sich in Rage geredet. Er starrte ihn an, verblüfft über so viel Gegenwind, auch wenn er geahnt hatte, dass sie kampflos nicht aufgeben würde. Das war einfach nicht Ran. „Warum willst du dir nicht helfen lassen? Genauso wie du auf mich aufpasst, passe ich…“ „Hah!“ Erneut unterbrach er sie, schaute sie scharf an – streckte dann zu ihrer Überraschung seine Hand aus, berührte mit den Fingerspitzen kurz die Stelle unter ihrer Brust, dort, wo sie seither eine Narbe trug – das Zeichen seines Versagens. „Da hab ich ja hervorragende Arbeit geleistet, nicht wahr?“ Seine Stimme klang bitter, und kurz vernebelte sich sein Blick. Ran schaute ihn an, betroffen. „Das muss nicht wieder so laufen.“ Shinichi schüttelte den Kopf. „Nein, Ran, du verstehst nicht. Es wird haargenau wieder so laufen, weil das Druckmittel, dass das letzte Mal funktionierte, auch dieses Mal wieder hervorragend zieht, und das wissen sie.“ Er schaute sie an, lächelte dünn. „Du weißt, wie sehr ich dich liebe, du selbst hast in dieser Stadt vor fünf Jahren dieses Geständnis aus mir rausgepresst, mich provoziert, bis es nicht mehr anders ging. Ich wollts dir in diesem Zustand eigentlich nicht sagen, nicht, wo ich doch wusste, dass ich in ein paar Stunden wieder Conan sein würde, wo ich doch wusste, dass ich nicht dein Freund sein würde können, noch nicht – und dennoch meinte ich jedes Wort ernst. Und diese… Worte haben bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Verdammt Ran, du weißt, wie viel du mir bedeutest, du hast es mitgekriegt, kurz, bevor du in meinen Armen aufgehört hast zu atmen. Du siehst es jetzt. Und damit ist dir klar, muss dir klar sein, was damit Hand in Hand geht.“ Ran schaute ihn an, schluckte, wollte den Gedanken nicht zu Ende denken; Blacks Worte aus dem Kaffee hämmerten in ihrem Schädel, trieben ihr diese Vorstellung immer weiter ihn den Kopf. Und damit wussten sie, wie sie ihn kriegen. Er redete leise, vorsichtig fast, sprach jedes Wort mit Bedacht aus und konnte ihre Wirkung auf sie damit nicht im Geringsten verändern. „Ich weiß, ich würde alles tun, alles aufgeben, alles riskieren, nur für dich, trotz allem. Das werde ich immer. Aber ich kann nicht dulden, dass ich der Grund bin, warum du überhaupt in Gefahr gerätst.“ Shinichi schluckte, brach ab, starrte zu Boden. „Alles was ich dir je brachte, waren Gefahr und Leid und Schmerz… Du liebst mich, du verzeihst mir alles, und wie danke ich es dir…?“ Er atmete schwer. Ran presste ihre Lippen zusammen, stumm rannen ihr die ersten Tränen übers Gesicht. Er fuhr sich über die Augen, schüttelte den Kopf. Als er sie nun ansah, war jegliche Emotion aus seiner Stimme gewichen. „Sie haben es damals getan und tun es heute wieder. Sie spielen dich gegen mich aus, mich gegen dich. Und was uns dann bleibt ist Angst und Trauer und Qual, wenn einem etwas passiert. Seien wir doch einmal realistisch, Ran. Diese… Liebe… hat weder dir noch mir einen einzigen Glücksmoment beschert. Nicht einen.“ Heiji beobachtete ihn stumm, konnte zusehen, wie seinem besten Freund langsam buchstäblich die Luft ausging. „Wie traurig ist das, Ran…“ Er atmete schwer, und er stand wohl nur mit Mühe noch aufrecht. Sie starrte ihn an, unverwandt, traute sich nicht, den Blick von ihm abzuwenden. Sie sah, wie ungeheuer blass er war, konnte das Zittern, das er mit Mühe zu verbergen suchte, indem er seine Hände in seine Hosentaschen rammte, zu Fäusten ballte, dennoch sehen. „Früher war das anders. Bevor ich dir all das sagte, bevor… ich so empfand für dich, warst du meine beste Freundin und das… war gut so. Wir hätten… da nicht mehr draus machen sollen. Ich kann damit nicht umgehen, ich bin… ihm wohl doch ähnlicher, als ich es selber jemals wollte. Diese Arbeit und die Liebe vertragen sich nicht… ich kann es mir nicht leisten, wegen meiner Gefühle Fehler zu machen, es hängen Menschenleben daran, Ran, und zwar nicht nur deins oder meins, und das sind eigentlich… schon zwei zu viel.“ Er schaute in den Himmel, blinzelte. Als er sie wieder ansah, stand in seinen Augen nichts mehr als Reue zu lesen. „Es tut mir Leid, dass mir das erst so spät klar wurde. Das… ist nicht fair dir gegenüber.“ Er war so bleich geworden, dass das Blut sogar aus seinen Lippen gewichen war. Ran blickte ihn an, mit so viel Angst vor seinen nächsten Worten, dass sie zitterte wie eine Pappel im Wind. „Deshalb, Ran, sollten wir’s beenden. Es hat keinen Sinn. Wenn du mir einen Gefallen tun willst, als Freundin, dann bitte, lass mich in Ruhe. Wenn du schon nicht um deinetwillen gehen willst, dann tu’s um meinetwillen.“ Ran schaute ihn an, in ihren Augen glomm langsam die Erkenntnis. Shinichi würde seinen Job riskieren, sein Leben geben. Nur für sie, hätte es einen Sinn, würde es ihr helfen. Und die Erfahrung, dass das alles nicht genug war, um ihr Leben zu retten, um sie glücklich zu machen, war es, die ihn so denken, so reden ließ. Allerdings, und das konnte sie nicht leugnen, lag ein Kern Wahrheit in seinen Worten. Sie war nicht nur der Grund, warum er kämpfte, auch wenn ihr das alle sagten. Sie war tatsächlich das Gift, mit dem man ihm beikam. Sie wandte den Kopf ab, merkte, wie sich Taubheit in ihr breitmachte, Kälte sie erfasste, als sie erkannte, was sie eigentlich war. Es waren nie nur Phrasen gewesen. Shinichi… „Ich…“, fing sie an, unterbrach sich selber, schluckte hart. „Shinichi, ich wollte das nicht. Das… wollte ich nie, das weißt…“ „Hör doch auf, Ran.“ Er lächelte sie müde an. „Das weiß ich doch…“ Seine Worte verloren sich. Er klang erschöpft; und zum ersten Mal seit sie hier war, sah sie ihm an, was ihm dieser Fall, diese Situation, er sich selbst – wirklich abverlangte. „Aber…“ Er hörte das Flehen in ihrer Bitte, hörte ihre Stimme, die so eindringlich an sein Ohr klang, dass es ihn beinah körperlich schmerzte. „Das muss doch nicht immer so bleiben, Shinichi… Kann es nicht sein, dass es sich einmal ändert? Es…“ Ihr Gesicht, bleich und tränenüberströmt, brannte sich in sein Gedächtnis ein. Dann schüttelte er den Kopf, langsam, traurig. „Ich weiß es nicht, Ran. Und ich will von dir nicht verlangen, dass du ewig auf mich wartest, dazu habe ich kein Recht. Es tut mir Leid.“ Damit drehte er sich um, ging davon, ohne ein weiteres Wort und ohne sich noch einmal umzuwenden. Heiji nickte Jenna zu, bedeutete ihr, ihm zu folgen, ehe er sich Ran zuwandte, die ihm immer noch unverwandt nachblickte. Erst als sie ihn aus ihren Augen verloren hatte, reagierte sie auf Heijis Hand, die er ihr auf den Arm gelegt hatte. „Ran…“ Sie schüttelte den Kopf, merkte, wie sich ihrer eine große Hilflosigkeit bemächtigte, ein schier unerträgliches Gefühl, dass sie nahezu zu erdrücken schien. Kogorô schluckte hart, trat langsam näher. Er sah sie an und fühlte, wie sehr sie unter seiner Zurückweisung litt. Heiji indessen versuchte, ihren Blick zu fangen, und schaffte es auch, indem er seine Hände auf ihre Schulter legte. „Ran…“ Er schluckte hart. „Du weißt, warum er das tut. Warum er so reagiert. Warum er das gesagt hat, Ran, du weißt…“ Sie schüttelte stumm den Kopf. „Er sieht darin keinen Sinn mehr, Heiji.“ Ein bitteres Lächeln zierte ihre Lippen. „Und ich weiß nicht, ob er nicht Recht hat. Ich kann ihn sogar verstehen, ganz Unrecht hat er nicht, was… was hat es uns gebracht. Ich habs sogar gesehen, er…“ Mit zitternden Fingern strich sie sich über die Augen, wirkte mit einem Mal unfassbar erschöpft. Ihr Teint schien gräulich, ihre klaren blauen Augen matt und glanzlos. „Damals vor fünf Jahren… als sie mich hatten, als er... als er das sah, hat er aufgehört zu kämpfen, Heiji. Nicht um mein Leben. Um seins.“ Sie zerbiss sich die Unterlippe, ballte die Hände zu Fäusten. „Der Gedanke, was er zu tun bereit ist, ist… fast mehr als ich ertragen kann. Aber ich will ihn nicht aufgeben, Heiji, ich kann ihn nicht aufgeben, ich… brauche ihn. Die letzten fünf Jahre haben nur gezeigt, wie sehr. Du weißt das…“ Ran schluckte, wagte kaum, ihn anzusehen, das Blut war ihr ins Gesicht geschossen ob dieses Geständnisses. „Wie jämmerlich bin ich…“ Sie lachte hohl. „Ran…“ Heiji versuchte zu schlucken, vergebens. Sein Mund war ausgetrocknet wie Dörrobst – und vielleicht war es besser so, er hätte ohnehin nicht gewusst, was er ihr entgegnen konnte. „Und ich kann es nicht ertragen, ihn so zu sehen, Heiji, ich will doch nur, dass er endlich lacht, dass…“ Sie schnappte nach Luft, starrte in den Himmel über London, als sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. „… ich will dass er atmet, dass er lebt, ich will, dass er frei ist, endlich, ich… ich will, dass er glücklich ist…“ Shinichi… Heiji schluckte, griff sie dann vorsichtig am Arm, zog sie mit sich, während Kogorô stumm neben ihnen herlief. Alles, was ihm übrig blieb, war, sie wieder ins Hotel zu bringen, wo Sonoko und Shiho wohl bereits auf sie beide warteten. Und vielleicht gelang ihm dann, mit seinem besten Freund noch ein Wort zu reden. Jenna holte ihn ein, als er auf eine Bank gesunken war, die in einer Grünfläche stand. Sie trat langsam näher, ließ das Bild auf sich wirken – ein Bild, das so gar nicht passen wollte zu ihrem Partner. Gebrochen sah er aus, verloren irgendwie. Verwaist. Stumm setzte sie sich neben ihn, erfasste langsam, was es für ein gigantisches Gefühl war, jemanden so sehr zu lieben, dass man ihn von sich stieß. Er hatte sein Gesicht in seine Hände sinken lassen. Sie wusste, er weinte nicht – dennoch schien er auf seine Art zu trauern. Und ganz offenbar wollte er dafür ungestört und einsam sein. Langsam hob er den Blick, sah sie jedoch nicht an. „Why are you here, Jenna. I am not on duty, and I’d prefer to keep my private business to myself.“ Jenna seufzte, ignorierte seine unausgesprochene Bitte, einfach abzuhauen und ihn allein zu lassen. „You’ve hurt her badly. I didn’t believe you could be that cruel, to be honest.“ Sie beobachtete, wie er aus seiner Lethargie hochfuhr. Seine Augen blitzten wütend, als er sie nun ansah, allerdings hatte er die Wut in seiner Stimme relativ gut im Griff. „What would you know, Jenna? You’ve never been guilty of risking a life other than your own… risking the life of the one you love. You…” Er schluckte hart, wandte sich abrupt ab. “She has chosen you deliberately. I guess she knew what she would get by picking you, since you were childhood friends.“ Ihre Stimme klang erstaunlich sachlich. „What I know about you is that you keep chasing after criminals since your fifteenth birthday. And please, don’t consider us women stupid. She had been waiting since that day that you would get yourself into real trouble. She knew the day would come, eventually. And nevertheless, she does not even think about leaving your side. Because she loves you so much! So much! I’d never ever let go somebody like that, that’s a treasure hardly anybody discovers in his or her whole lifetime… his real soulmate. She accepts you just the way you are. She does not want a single thing changed about you. Everything she wants for you is all you want for her… she wants to see you happy, wants to see you… smile.“ Shinichi hatte den Kopf abgewandt, starrte auf den Rasen, blicklos. Seine Atemfrequenz war in die Höhe geschnellt, Hand in Hand mit seinem Puls. „I know that.“ „Why don’t you accept her offer, then…?“ Shinichi schluckte. „Because it’s true, when I say, that I am useless, helpless, defenseless, if you threaten me that she’ll get hurt because of my actions. But that is by no means the worst thing about it. The reason why I am forbidding myself to have another try, another go with her is the fact, that, no matter how hard I try to safe her, I… I just can’t. I wanted to save her life, but was so weak, so vulnerable, when it was do or die. She came to rescue me, and had almost paid with her life for that. She musn‘t settle that bill again. Never again.“ Er schluckte hart. „My happiness is not worth that. And yes. It’s more important to me to see her alive rather than happy. That’s why. And now…“ Jenna seufzte leise. „It’s two persons that make a couple.“ „… but nevertheless, one is enough to not let it happen.“ Shinichi schüttelte den Kopf. „Really Jenna, your compassion honours you, but let it be… Leave me alone, go home. You’re out of duty, unless you have already set that search after Brady, that is.” Sie seufzte, wandte sich ab. „I have… I have a sister.“ Shinichi verbarg seinen Unwillen, hielt sich mit Mühe davon ab, die Augen zu verdrehen oder einfach aufzustehen und zu gehen. „She is eight years older than me, has cared about me whenever my mum was at work. She is the apple of my eye. My heart and soul. I… love her really badly.“ Sie räusperte sich, schluckte hart. „She tought me how to make a fire when I was eight years old. We were at our grandparent’s old farm, and we loved to roam around the place, play in the hay, collecting berries, making little fires to roast sausages with our granddad.” Shinichi drehte den Kopf, sah sie an. Sie blickte ihn kurz aus dem Augenwinkel an, knetete ihre Hände. „I was so proud when I achieved this. And one day, I went into the old barn, where my grandparents stored their hay and straw. I played for myself, wanted to create a little picknick – and I thought it would be nice to have a cup of tea. I wanted to surprise my sister with a tea-party.” Shinichi hielt unwillkürlich die Luft an. „I laid out a blanket, collected cups and spoons, I got myself a kettle and a plate of biscuits. And then I lighted the fire – and left it, to get some water to heat. I did not imagine, that the flames would escape the circle of stones I had made, just as my sister and my granddad had shown me. When I came back, the blanket burned. Some of the straw had caught fire, too. I poured my water over it in order to put the flames out, but it was not enough. I panicked, began to go for more water, tried to stamp it out, I was afraid of getting into trouble. I realized to late that the smoke I had inhaled robbed me of my consciousness.” Sie schluckte. “I woke up as I felt heat in my face – and I heard her cry my name. I cried, I was confused, could not see properly, was coughing all the time, but I tried to reply her. And she came, of course.” Shinichi seufzte leise. „Glad to hear that. But what has that to do with me…?“ „The fire grew fast.” Sie brach ab. Er blinzelte, schluckte hart. „She picked me up, wanted to run out of that hut with me. I heard her coughing because of the fume, I felt the heat on my face – the timber was falling down on us, and then she stumbled, we fell…“ Shinichi stand auf. „I think this is…“ „She told me to run, as the roof was coming down, she yelled at me, and I got frightened, even more. My view was blurred because of my tears, as I crawled out, hearing the roaring of the fire. When I got outside, I stood up, turned around – but she was not there, anymore. The roof had given in, flames bursting out of every corner.“ Jenna sah ihn an, stur. „They drew her out of the house, she had got stuck under one of the wooden beams. She did not breathe, intoxicated by the smoke, but the firefighter manged to revive her, and soon came the called ambulance. She lay in coma for months. She is crippled, since then, concerning her lower extremities because of the complicated fracture of her spine. From her hips downwards, she cannot move her legs. I visit her every weekend. I cannot imagine a life without my sister, she is everything to me. She saved my life and paid with her health for that. But nevertheless she gives me a reason to face everything that crosses my path, always. I want to use that gift she gave me. I want to make her proud. I want to see her laugh.” Langsam stand sie auf, starrte ihn an. Er war stehen geblieben, hatte die Arme vor dem Brustkorb verschränkt. „I couldn’t talk to her for months, not even look into her eye, I was so ashamed, I felt so guilty… and that at the age of eight! My bad conscience ate me up. It was my fault that she had almost died and that she was crippled now, not able to walk ever again. I barely could live with these thoughts.“ Ein kurzes Zittern durchlief ihren Körper, ein leiser Schauer, einmal vom Scheitel bis zur Sohle. Shinichi schluckte, ahnte, was es sie kostete, ihm das zu sagen, wagte nicht mehr, irgendetwas zu erwidern. „She never accused me of anything. Just once. One day. And that made me rethink my behaviour.“ Jenna schluckte hart. „Why did I risk my life to save you, when I have lost you all the same, Jenna… “ Shinichi schloss die Augen, atmete gepresst ein und aus. Warum hab ich mein Leben riskiert und dich gerettet, wenn ich dich dennoch verloren habe… Sie nickte langsam, stellte sich neben ihn und sah ihn nicht an. „Think about it.“ Damit drehte sie sich um und ging. Heiji unterdessen war mit Ran am Hotel angekommen, stand nun vor dem Hotelzimmer, in dem sie und Sonoko nächtigten. Leise Stimmen drangen von innen heraus. Offenbar waren seine Freundin und Sonoko in eine intensive Diskussion verstrickt, die jedoch sofort verstummte, als er klopfte. Er wartete nicht auf das obligatorische „Herein!“, sondern drückte die Tür entschieden auf, schob die immer noch sehr bleiche und verheult aussehende Ran ins Zimmer. Er merkte, an der Art, wie sie ins Zimmer wankte, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, griff sie am Arm und führte sie zum Bett. Und erst jetzt sah er die dritte im Bunde, deren Stimme er draußen nicht wahrgenommen hatte – weil sie schlicht und ergreifend nichts gesagt hatte. Shiho. Sie sagte nichts, schwieg, ohne jedoch ihre Augen von Ran zu nehmen, die apathisch auf das Bett gesunken war. Tränen rollten ihr stumm über die Wangen. Heiji schaute sie nur an, unfähig, irgendetwas zu sagen. Er wusste nicht, was. Sonoko jedoch lief sofort hochrot an. „Was hat dieser Idiot Kudô schon wieder angestellt?“ Heiji verdrehte die Augen. Auf ein Gespräch, das so anfing, hatte er keine Lust. Er spürte Kazuhas Blick auf sich, schaute jedoch nicht zu ihr. Eine Antwort blieb ihm schlussendlich auch erspart. „Er hat Schluss gemacht, mal wieder, nicht wahr? Allerdings wohl sichtbar deutlicher als sonst.“ Shihos Stimme klang leise und sachlich. Kein Hauch von Bedauern, keine Freude – eine einfach Feststellung, mehr nicht. Ran nickte wie betäubt. Sonoko hingegen schaute sie bass erstaunt an. „Warum das denn? Ich denke, er liebt dich…?“ Sie krabbelte näher, positionierte sich neben Ran. „Warum hat er…“ Und zum ersten Mal sah sie auf, seit sie das Zimmer betreten hatte, starrte an die Decke, lächelte bitter und versuchte, die Tränen endlich zurück zu halten. „Weil ich ihn verwundbar mache, sagt er. Und er mich.“ „Was? Spinnt er jetzt total, dieser Hornochse, -…“ Weiter sollte Sonoko jedoch nicht kommen. „Nein, Sonoko.“ Ran schaute auf ihre Finger, schüttelte den Kopf langsam. „Nein.“ Sie holte Luft. „Weißt du, bis gerade eben dachte ich das auch. Dass er Unrecht hat. Dass er spinnt. Dass er... durchdreht, langsam. Allerdings, im Auto habe ich nachgedacht, auf der Fahrt hierher.“ „Ich wollte es nicht wahrhaben, weil die Wahrheit so grausam ist, so… unendlich grausam.“ Ein verzweifeltes Lächeln malte sich auf ihre Lippen, als sie den Kopf wandte, ihren Vater anschaute, dann Heiji. „Aber es stimmt, was er sagt, nicht wahr? Er würde alles für mich tun. Alles mit sich machen lassen. Seine Prinzipien über Bord werfen…“ Sie schnappte nach Luft. „Sogar sterben würde er für mich…“ Ran japste. „Durch mich ist er erpressbar. Ich halt ihn von seiner Arbeit ab, ich verneble sein Denken, ich…“ Heiji starrte sie entsetzt an. Kudô, was hast du getan?! Er schüttelte den Kopf, stattdessen ging er vor Ran in die Hocke, bis er mit ihr auf Augenhöhe war. „Ran. Du weißt, was für’n Druck grad auf ihn lastet. Du weißt, dass… dass er dich braucht. Weil er dich liebt. Ja, verdammt, wir werden alle angreifbar durch euch…“ Kurz, ganz kurz huschte sein Blick zu Kazuha. „… aber unser Leben wäre doch ein armseliges ohne euch. Und du weißt, wie seins aussah, ohne dich. Ich bitte dich, red dir den Mist nicht ein, den er sich momentan einreden will, weil ihn das alles grad so durch die Mangel dreht. Er will nur, dass du in Sicherheit bist, und, da hat er ausnahmsweise Recht, das bist du nicht bei ihm, momentan. Bitte… tu ihm doch den Gefallen und geh. Ich bin mir sicher, wenn das hier rum is, dann wird er sofort…“ Ran hingegen schüttelte den Kopf. „Nein. Du hättest ihn sehen sollen, in dieser Gasse, damals, Heiji. Er hat sofort aufgehört, sich zu wehren, als sie mich hatten.“ Eine Träne rann über ihr Gesicht. Jetzt war es allerdings Sonoko, die ihr ins Wort fiel. „Und deswegen gibst du jetzt auf?“ Sie zog eine Augenbraue hoch, hob die Hand und schloss die Augen, ihr Kinn nach oben gerichtet, als Ran Widerspruch einlegen wollte. „Nein. Versteh ich das Recht?“ Sie sah sie wieder an, deutlich schwang eine gewisse Ungeduld mit einer gehörigen Portion Erregung in ihrer Stimme mit. „Seit Jahren jammerst du ihm hinterher. Seit du ein Teenager bist, liebst du ihn. Es gibt keine Sekunde in den letzten Tagen, in der du nicht an ihn gedacht hast. Und nur, weil er jetzt grad am Rad dreht, und das ausspricht, was das… was eine Beziehung ausmacht, nämlich "Alles-füreinander-geben-wollen", streichst du jetzt die Segel und wirfst hin? Ist das dein Ernst?!“ Sie hatte sich in Rage geredet. Ran schaute sie etwas erschrocken an, ihre Augen immer noch tränennass. „Sonoko… wir reden nicht von einem... „normalen“ Alles-füreinander-geben-wollen.“ Sie schluckte. „Du hast doch mitgekriegt…“ „Ja, aber das bringt nicht die Beziehung an sich mit sich. Das bringt sein Job mit sich. Sein verdammter Beruf. Und wenn er wieder einigermaßen auf Spur ist, dein werter Herr Holmes, dann geht ihm das auch ein, dass das eine Sache ist, die er selber auf die Reihe kriegt und kriegen muss. Heiji schaffts schließlich auch, auch wenn er… nun, sei mir nicht böse, aber so nen dicken Fisch wie Kudô hattest du noch nie an der Angel.“ Der Angesprochene verdrehte die Augen und nickte dann gnädig, während er Kazuha an sich zog, die neben ihn getreten war und ihre Arme um seine Taille legte. Kurz schloss er die Augen, vergrub seine Nase in ihrem Haar und atmete tief ihren Duft ein, ehe er Sonokos Wortschwall weiter folgte. Die war vor Ran auf die Knie gegangen, hatte ihren Kopf in beide Hände genommen. „Das, was euch verbindet, kannst du nicht kappen. Und er auch nicht. Ran.“ Sie schluckte. „Das… ist Liebe.“ Ein versonnenes, warmes Lächeln schlich auf ihre Lippen. „Eine so große, so wundervolle Liebe, dass sie sogar die letzten fünf Jahre überstanden hat, und das, obwohl er glaubte, dass du tot warst und du glaubtest, dich in ihm geirrt zu haben...! So etwas wirft man nicht weg. Und das wird ihm auch klar werden, wenn er diesen Kerlen endlich und ein für alle Mal gezeigt hat, wo der Hammer hängt.“ Sie strich ihr über die Wange. „Aber du darfst jetzt nicht aufgeben. Du darfst ihn nicht allein lassen. Du weißt, wenn du gehst, gibt es nichts mehr, das ihn hält. Wer weiß, was er riskiert, wenn er nicht mehr leben will, für dich. Du darfst jetzt nicht loslassen…“ Sie seufzte leise, ließ sich dann auf den Boden sinken. „Ran, du weißt, wir haben viel versucht, die letzten Jahre!“ Ein zynisches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Aber ehrlich, keine dieser Knalltüten, die du wohl zu Recht in die Wüste geschickt hast, hätte das für dich getan, was er für dich tut. Sie haben dich angehimmelt, deine Schönheit verehrt, deine Intelligenz, deine Sanftheit. Aber… verstanden haben sie dich nicht, und hätten dich auch nie so verstanden wie er. Hätten dich geliebt, wie er, alles an dir, dein ganzes Wesen, mit allem, was er hat und auf diese Weise. Er hat dich nie bedrängt, hat dich immer unterstützt, war immer für dich da… und ganz ehrlich, es gibt auch keinen auf dieser Welt, für den du empfinden würdest, wie für ihn. Für den du tun würdest, was du für ihn tust. Für den du ins Feuer gehst. Denn seien wir ehrlich… du magst seine Achillesferse sein… aber deine ist er.“ Ihr Lächeln war langsam ein wenig traurig geworden, bis es ganz verschwand. „Jetzt aufzugeben wäre falsch. Wenn das hier vorbei ist und er immer noch keinen Sinn sieht, Ran, dann… aber jetzt… niemals jetzt. Er braucht dich. Er ist verloren ohne dich, das weißt du. Ohne dich hat sein Leben, und das wissen wir, und nur deshalb verhält er sich so – keinen Sinn. Keinen Sinn...“ Ran schaute sie an, schluckte hart. „Und seien wir ehrlich… wenn ich eins aus den letzten fünf Jahren und den letzten Tagen gelernt hab… Deins, Ran… hat doch ohne ihn… auch keinen Sinn.“ Sie hörte Sonokos Worte und eine einzelne Träne tropfte ihr über die Wange. Ihr Blick schien geistesabwesend und unfokussiert, aber sie alle wussten, wen sie jetzt sah. Shinichi. Shinichi war heimgefahren nach Jennas Predigt. Nachdenklich hatte sie ihn gestimmt, ja. Und er wusste, dass es nicht ohne ein Körnchen Wahrheit war, was sie ihm um die Ohren gehauen hatte. Er wusste, dass es sinnlos war, was er versuchte. Er wusste, er würde Ran niemals aus seinem Leben löschen können. Egal wo sie war und wie viel Zeit vergangen war, er würde sie lieben, so lange noch ein Tropfen Blut in seinen Adern rinnen konnte, so lang noch ein Atemzug Luft seine Lungen füllte. Und er würde sie immer verteidigen, sie immer beschützen wollen, und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben täte. Allerdings, und es war einfach die Wahrheit, hatte das Chaos, in das ihn die Wahrheit über ihr Überleben gestürzt hatte, in letzter Zeit einfach nicht klar denken lassen. Und dafür… war wohl jetzt ein wenig Abstand von ihr das Mittel, das seine verwirrten Gedanken kurierte. Klarheit. Klarheit ja. Klar sehen, wie gern würde ich das… Und nun lag er wieder auf der Couch und starrte die Decke an. Dachte an Ran, auch wenn er das gar nicht wollte. Nichts weniger als das. Aber Fakt war… es brachte ihn fast um den Verstand, darüber nachzudenken, wie viel er kaputt gemacht hatte. Wie weh er ihr getan hatte. Was er angerichtet hatte. Im Nachhinein entsetzte ihn sein Verhalten zutiefst. Das hält man ja im Kopf nicht aus. Sie so zu beschuldigen, ihr diese Vorwürfe zu machen, und sie dann einfach eiskalt stehen zu lassen, wo er doch wusste, wie sie sich nun fühlen würde… Er hatte sich umgedreht und war gegangen, ohne noch einmal zurück zu blicken. Und dennoch wusste er, oder glaubte zumindest zu wissen, dass es die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Es war besser so. Alles in allem war es wohl besser so. Sie hatte jemanden verdient, der es nicht schaffte, ihr so weh zu tun. Der es nicht schaffte, sie über Jahre anzulügen und auszunutzen… Und er fragte, was es war, das er an sich hatte und sie dazu brachte, ihm immer und alles zu verzeihen, mehr noch… zu seiner Rettung in seinen Krieg zu ziehen. Das selbe wohl, das du an dir hast, das mich für dich alles liegen und stehen lässt. Dennoch, ich bin nicht wie du. Du könntest mir das nie antun... Du bist ein Engel, Ran. Er hingegen hatte ihr wehgetan, sie angelogen und es hinterher immer noch geschafft, sowohl ihr als auch sich selber noch ins Gesicht zu sehen. Auch wenn er sich hasste, er schaute jeden Morgen in den Spiegel… und er hatte ihr über Jahre hinweg in die Augen geschaut und ihr mitten ins Gesicht gelogen. Seine Motive waren immer die nobelsten gewesen, dennoch… heiligte wirklich jeder Zweck immer die Mittel? Sie hatte jemanden verdient, der auf sie aufpasste, statt sie in Gefahr zu bringen. Sie hatte etwas Besseres verdient. Und nach allem was passiert war, wollte er nicht mehr in ihrer Nähe bleiben. Er hatte es verbockt, es war seine Schuld, dass es gekommen war, wie es hatte kommen müssen. Vielleicht hatte Holmes mit den Frauen doch nicht so unrecht. Allerdings – hierbleiben konnte er jetzt auch nicht. Ihm fiel die Decke auf den Kopf- der für sich genommen wohl ohnehin vorhatte, zu platzen. Shinichi griff sich an die Stirn, stöhnte leise auf. Er wusste nicht, woher sie gekommen waren – kurz nachdem er Ran hatte stehen lassen, hatten sie angefangen und seither waren sie stetig schlimmer geworden. Kopfschmerzen. Wahrscheinlich täte seinem Hirn ein wenig Durchzug auch ganz gut. Und so fuhr er hoch, drehte sich einmal um die eigene Achse, griff sich seine Hausschlüssel und seine Jacke und verließ seine Wohnung, schlüpfte im dunklen Treppenhaus in die Ärmel seines Sakkos und eilte die Treppe hinunter. Mrs Hudson, die ihm aus einem Türspalt heraus hinterherlinste, bemerkte er nicht. ________________________________________________________________________________________ So, hier also das nächste Kapitel - und wenn ich mich so umschaue, bin ich wohl nicht die Einzige, die in Arbeit ertrinkt, es ist bemerkenswert wenig los hier... Allerdings, Leute... wenn ich es schaffe, hier immer noch einigermaßen wöchentlich Nachschub zu liefern, trotz meiner Arbeit, fänd ichs mehr als nett, wenn ihr euch auch die Zeit im Gegenzug nähmt, und mir den Tag mit ein paar netten Worten versüßt, oder mir meine Fehler aufzeigt (denn ja, ich mach bestimmt welche!!!). Also. Kommentare wären e c h t nett. Beste Grüße, Eure Leira Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)