Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 25: Alte Allianz ------------------------ KAPITEL 25 – ALTE ALLIANZ Wie abgesprochen war er an die Universität gefahren. Ohne Durchsuchungsbefehl, dieses Mal, aber mit einem konkreten Ziel, immerhin. Er wollte in den Flügel der Modedesigner – und hier fragte er sich durch. Schon bald war er an ein paar Studentinnen geraten, die eine Meredith kannten, und beschrieben ihr ihren „Stil“, führten sie in die Ecke des Großraumateliers, einer unüberblickbaren Halle, gestützt von Pfeilern, die sie zum Arbeiten nutzte. Ein kleines, streng umgrenztes, von einem Paravent vor neugierigen Blicken geschütztes Fleckchen Betonboden und Luft. Es war penibelst aufgeräumt. Und keins der Kleider und Kleidungsstücke, die dort hingen, sahen auch nur entfernt aus wie das, was er suchte. Auch von Wildseide keine Spur. Oder eher wohl Faser. Haha. Shinichi grinste müde, sah sich dennoch um, sich der beobachtenden Blicke der Studentinnen wohl bewusst. Er wusste nur nicht, was sie bezweckten; ein paar von ihnen sahen durchaus so aus, als überlegten sie, ihm ihre Nummer zuzustecken. Die allermeisten jedoch fühlten sich in ihrer Arbeit einfach nur empfindlich gestört und ließen ihn das auch merken. Gerade als er ein Skizzenbuch durchblätterte, in dem er ausgefallene Kreationen einer Vivienne Westwood fand, zumindest stand das darübergekritzelt, schrillte sein Handy und ließ ihn zusammenfahren. Shinichi griff hastig in seine Sakkotasche, um den Anruf entgegen zu nehmen, sich der immer ungehaltener werdenden Blicke der Studenten um ihn herum sehr wohl bewusst. „Mr. Sherlock Holmes! Nice to hear your voice…“ Shinichi merkte, wie sein Mund schlagartig trocken wurde. „Don’t call me Holmes, Mr. Black.” Er trat hastig durch den Raum hinaus auf den Gang, ehe er weitersprach. „Sie kennen doch meinen wahren Namen.“ Shinichi lächelte bitter. „That’s true.“ Ein Seufzen rauschte durch die Leitung. „Shuichi hat mir erzählt, was los ist, Shinichi. Also wagen sie sich endlich raus aus ihrem Loch?“ „Es scheint so.“ Er lehnte sich gegen die Wand, starrte aus dem Fenster. „Aber das kann ich Ihnen unmöglich hier am Telefon erzählen. Akai sagte, Sie wären in London?“ „That is indeed the case, yes.“ Blacks sachliche Stimme wirkte wohltuend beruhigend. „I would therefore strongly recommend to meet in about an hour…“ Er erklärte Shinichi, wo er auf ihn warten wollte, und legte dann auf. Shinichi runzelte die Stirn, als er sein Handy wieder wegsteckte. So. Und ab jetzt dürfte dieser ohnehin schon komplizierte Fall schier unüberschaubar werden… aber was kümmert es mich. Mein ganzes Leben ist komplizierter als ein Schweizer Uhrwerk und läuft nicht halb so zuverlässig – dafür manchmal aber rückwärts, wie’s aussieht. Shinichi schüttelte seicht lächelnd den Kopf, seufzte kurz. Dann drehte er sich um, ging zurück ins Studio, wo er bei seinem Gespräch mit den Studenten unterbrochen worden war. „So she has not shown up yet? Eduard Brady‘s girlfriend?“ „No.“ Eine junge, stylisch in schlankes Schwarz gekleidete Frau mit auffallend strengem Dutt schüttelte den Kopf. „But Meredith tends to skive off, lately. Seems she’s sewing most of her work at home. I guess she wants to prevent anyone having a view at her work and copy one of her ideas, I mean… exam time is close…“ Ein genervter Unterton schwang in der ohnehin leicht unangenehmen Stimme der Frau mit. „Okay. Well. What is Merediths surename?“ „Rowling.“ Die Frau schob ihre extravagante Brille hoch. „But why does that interest you, again? You are that detective chap of Scotland Yard, aren’t you?“ Shinichi lächelte reserviert. „SI Kudô, yes. We investigate in the murder cases of Ayako Kanagawa and Erin Shaughnessy. Our investigations concerning the cloth, the dresses were made of, brought up that the tailor used wild silk, Tussah silk, to be precise – and your school is a big byer of that special kind of fabric. What we, that means, I am doing here is just to find every single designer who is working with Tussah silk, because he or she might tell us something about our victims or that ad in the Reporter. It tells, that two students look for models. This is pure routine, no need to get nervous at all.“ Er lächelte immer noch höchst professionell unverbindlich, wandte sich dann bewusst lässig um und schritt durch den Raum. Wenn stimmte, was die Dame sagte, würde er hier nichts finden. Dann blieb nur die Privatwohnung der beiden. Und dafür einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen, würde nicht einfach werden. Das war unerfreulich – noch unerfreulicher war allerdings die Überraschung, die am Ausgang der Universität auf ihn wartete, und zwar in Form einer auf Hochglanz polierten Blondine und ihrem mehr als gegensätzlichen Fotografen. Shinichi lächelte reserviert. „Miss Shelley. What a pleasure.“ Er straffte die Schulter, verbot sich, mit den Augen zu rollen, und ging ihr entgegen. Sie schaute ihn an, gelassen, lächelte ihn süßlich an. Rot waren ihre Lippen heute, kirschrot, passend zu ihren Fingernägeln und ihrer Handtasche – und ihren Pumps. „Mr Holmes.“ Sie lächelte immer noch. „I hope your thirst for news was stilled by now.“, bemerkte er leise, äußerlich die Ruhe selbst, und schaute sie unverwandt an. “Yes. I did what you advised me to do – I called the press department of your employer and got some news abot Erin Shaughnessy, the tragic new victim – today. Almost two days after that incident.” Sie klang beleidigt. Shinichi blickte sie ungerührt an, als sie fortfuhr ihm zu erzählen, was er längst wusste. “She was a teacher-to-be, and a…” “Bride-to-be as well. I hope you left her fiancée alone.” “I did. Though I very much wished to talk to him. He had a nervous breakdown, as I take it, that was all that could be gathered from that cute assistant doctor.” “In exchange for your phone number, I guess.” Shinichis Stimme klang etwas unterkühlt. Victoria Shelley schaute ihn mit großen Augen an, wedelte mit der Hand, als sie antwortete. „Yeah. Well.“ „You gave him a wrong number.“ Sie lächelte kühl, tat unschuldig, in ihrer Stimme gespielte Verzweiflung. “Of course I did! And don’t you judge me, it is you that makes me do those things, lets me use bad means like that, by not providing me with more information. Of course I gave him a wrong number – well, perhaps it was a real number after all, who can tell if somebody uses it or not? I would have to change my telephone number weekly… though I considered giving him my real number. He really was cute.” Sie grinste ihn an, zeigte eine Reihe makellos weißer Zähne. „But talking about love and loss, Sherlock…“ Shinichis Lächeln gefror sichtbar. “Yeah. Talking about that, Miss Shelley. A nice fairy tale you’ve made up there – I guess in lack of proper information you had to take what you…” “… got. Precisely. But I would not call it a fairy tale – what I have seen…“ “Was none of your business, whatsoever?” Shinichis Augen schauten sie starr an. Er bemühte sich, ruhig zu sein, nicht zu zeigen, wie sehr ihn das aufregte, aufwühlte, wie wütend er war. Er musste sachlich und nüchtern sein. Schließlich musste seine Geschichte glaubhaft klingen, und regte er sich zu sehr auf, war sie das nicht. Im Gegenteil. „I do not know what you saw.“ Gelassen steckte er seine Hände in seine Hosentaschen. „She was a friend of Mr. Hattori’s fiancée. Frightened and agitated, because of that murder case and the threat I’ve made – the warning that they could be in danger, too, possibly, frightens most young women.” Shinichi schaute sie fast ein wenig spöttisch lächelnd an. „Of course, you are quite fearless, Miss Shelley. And now, I will rather leave you to write your report about Erin – and go to do my work.” Er wollte sich umdrehen und gehen, gratulierte sich in Gedanken schon fast selber zu seiner Abgebrühtheit. Jedoch, er hatte kaum einen Schritt getan, als ihre Stimme, deutlich kälter und deutlich triumphierender an sein Ohr drang. “Ran Môri, that’s her name.” Shinichi blieb stehen, wandte sich um, langsam. „Facebook again, I take it?“ „Google picture research.“ Sie lächelte. „She is a young lawyer in her well-known mother’s lawyer office. But the picture of her, along with her name, was found in her old high school records, there is no current photo of her available – but she has not changed much in her appearance, I’d say. And guess who went to school with her… but I rather think, guessing is not necessary for you here.” Shinichi schloss die Augen, langsam, wandte den Kopf ab, blickte über den Platz, schluckte. “You are trying to protect her.” Ihre Stimme klang lüstern und gefährlich in seinen Ohren, wie das Zischen einer Schlange, kurz bevor sie zubiss. Shinichi schluckte, drehte sich um, schaute sie dann mit festem Blick an. “Clever girl. I am trying to protect you as well. I am a police officer, after all. Protecting people is my job.” Seine Stimme klang beißend sarkastisch. “Nah, nah.” Sie hob den Finger, immer noch lächelnd. Shinichi seufzte leise, ärgerte sich darüber, dass er sich so gehen ließ. „Well, so what? Perhaps it is true and she was my classmate. There was nothing else – and it is true, when I tell you, that today she is rather Mr. Hattoris friend than mine. I haven’t had contact to anybody of my mothercountry, let alone hometown, for years.” “And you do really think, that I will believe you this?” “Yes.” Shinichi lächelte bitter. “Because I am a police officer and if the police doesn’t talk the truth, who else does?” Sie lachte spöttisch, schüttelte den Kopf. „Hah! You and I both know that this is not that easy… You know what I want. I want exclusive facts about that case. Otherwise I’ll gather exclusive facts about your life - your past, your friends and foes, your love and life, and do trust me, I take both, fictional and true stories as well.” Shinichi lachte hohl. “That’s impossible. I can’t do that. You know that.“ „Well, then…“ Sie trat näher. „Your behaviour is so obvious. Telling everyone she’s not more than a faraway relationship to your friend, this guy from Osaka. Telling that poor girl she is to deny your friendship, your… love, that’s what you’ve told her to do, haven’t you. You guys are always so egoistic. I could see how that hurt her, though as she told me, her voice was so strong, her words so well chosen. She really must love you.” Shinichi kniff die Lippen zusammen, seine Augenbraue wanderte nach oben. “Please, go, dig into my past as deep as you want. But I beg you – yes, you see me begging – let other people out of the game. They have suffered once because of being my…” Er brach ab. “They have suffered enough, that’s it. I don’t want them to get hurt again.” “But why?” Sie hob ihre Arme, schaute ihn theatralisch fragend an. “Why? Does that article, do more articles make her more a new candidate for a murder victim? Honestly… that guy does not seem to have a go at you personally. He would have picked girls more close to you yet. But he hasn’t.” Shinichi verdrehte die Augen, strich sich über sein Gesicht. „Have you ever had a closer look at Ayako?” Mehr sagte er nicht mehr. Er drehte sich um und ging, in seinem Bauch grollte und rumorte es. Diese Entwicklung entglitt ihm zusehends. Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Er traf pünktlich in dem mit dem FBI-Agenten verabredeten Café ein - James Black wartete dennoch bereits auf ihn. Er saß, ganz der English Gentleman, in den weichen Polstern des Kaffeehausstuhls versunken in einer Ecke des Etablissements und studierte das Time-Magazine. Auf dem Tisch vor ihm gruppierte sich eine Auswahl an Sandwiches mit Gurke und Ei auf einem Teller, in einem Körbchen daneben kuschelten sich ein paar Scones aneinander, begleitet von einem Schälchen Clotted Cream und einem mit Marmelade. Er setzte gerade seine Tasse an die Lippen, Earl Grey, wie Shinichi erkannte, als er die ausgepresste Zitrone auf dem Rand des Untertellers liegen sah. Shinichi bestellte eine Tasse Kaffee, ließ seinen Blick kurz über den Mann ihm gegenüber wandern – Black sah im Wesentlichen aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Graue Haare, seitengescheitelt, eine Nase, die dem Schnabel eines Adlers Konkurrenz machte, wache, hellblaue Augen, ein Schnauzbart wie der eines Walrosses. Der very British Gentleman in Perfektion. „A good day to you, Shinichi.“ Er sah immer noch nicht auf, stellte zuerst seine Tasse ab, faltete seine Zeitung ordentlich zusammen und räusperte sich aufgeräumt, wartete auf eine Reaktion seines Gegenübers. Die ließ nicht auf sich warten. „I’d not call it a good day, Mr. Black.“ Black zog die Augenbrauen hoch, kurz, lächelte dann verhalten, versuchte es zumindest. Er ließ seinen Blick über den jungen Mann schweifen, der ihm gegenüber saß, und kam nicht umhin zu bemerken, wie er sich verändert hatte. Auf gewisse Weise sah er aus wie früher, obwohl fünf Jahre zwischen dem Oberschüler Shinichi Kudô, den er kurz nach dem Fall der Organisation gesehen hatte, und dem Superintendent Shinichi Kudo, der hier und heute ihm gegenüber saß, lagen. Das fein geschnittene, sehr symmetrische Gesicht, die ständig wachen, forschenden Augen, die wirren Haare – das alles hatte sich kaum verändert und machte, das musste Black zugeben, einen faszinierenden, durchaus attraktiven Menschen aus ihm. Er konnte verstehen, warum sich Shiho zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Es vielleicht immer noch tat. Etwas anderes hingegen war definitiv anders, neu, und keinesfalls erfreulich. Black wusste, dass ihn die zehn Tage in ihrer Gewalt nachhaltig verändert hatten; nicht nur, was seine Seele betraf, die sichtlich gelitten hatte, gerade nach dem Ereignis mit Ran – sondern auch was seine Statur betraf. Man sah ihm den Raubbau an seiner Gesundheit an, nicht sehr, aber genug, um dem geübten Auge alles zu erzählen. „You are looking we….“ Shinichi lächelte säuerlich, ließ dem Engländer das wohlmeinende Kompliment im Halse stecken bleiben. „… well? Dann sollten Sie Ihre Brille überprüfen lassen. Sie sind der Erste, der mir in diesen Tagen dieses Kompliment macht.“ Das wohldosierte, höfliche Lächeln wich von James‘ Lippen, machten einem durchaus ernsten Gesichtsausdruck Platz, als er in die blauen Augen seines Gegenübers blickte, die ihn unverwandt und ohne Scheu fixierten. Der pure Wille zur Wahrheitsfindung war in ihnen immer noch zu lesen, genauso wie ein unglaublich starker Charakter. Verschwunden jedoch war der Schalk, die milde Belustigung, die stete Neugier, die ihm an dem Jungen aufgefallen waren, ersetzt durch Angst, Schmerz, Leid und… Erschöpfung. Man sah ihm die viele Arbeit der letzten Tage an. Langsam schob er sich die Brille zurecht, nickte schwer. „Du hast Recht… wir haben keine Zeit für höfliches Geplauder. Die Zeitung hat ja schon eine recht deutliche Meinung zu dem Fall – ich bin umso gespannter auf deinen Bericht.“, bemerkte Black, legte seine Zeitung beiseite, als die Kellnerin losgegangen war, um ihre Getränke zu holen. Shinichi grinste schief. „Der überaus sture und verstockte leitende Superintendent Shinichi Kudô, den Londoner Bürgern besser bekannt als New Sherlock Holmes of Scotland Yard scheint sein Genie verloren zu haben – wie ist es sonst zu erklären, dass der grauenhafte und skrupellose Mörder „The Artist“ unsere schöne Stadt noch immer…“ Ein zynisches Lächeln blitzte über Blacks Lippen, fand ihre Reflektion in seinen Augen. „Yes. Die Presse scheint mit deiner Informationspolitik nicht sehr glücklich zu sein.“ Shinichi zog die Augenbrauen hoch. „Sie scheinen mit mir momentan generell nicht sehr zufrieden zu sein. Ich mit der Arbeit der Presse aber auch nicht.“ Er schluckte beunruhigt. „Was den Fall angeht - Sie wissen das Wesentliche bereits. Der Mörder, der hier sein Unwesen treibt, ist wohl kein anderer als Gin. Er hat in meinen Augen einen kleinen Künstler angeheuert, der das Ganze wie einen komplizierten Fall aussehen lässt und treibt mich mit seinen kleinen Hinweisen in den Wahnsinn – bis er dann gestern die Bombe endlich platzen hat lassen.“ Er zog den Umschlag aus seiner Sakkotasche. „Ich brauche nicht zu erwähnen, dass sie auch hier ist, das Foto wurde vor ein paar Tagen am Big Ben aufgenommen. Der, den sie da… anschaut…“ Black beachtete das Foto gar nicht, studierte Shinichis Miene unablässig. „Shuichi sagte, du dachtest, sie wäre tot.“, unterbrach er ihn leise. Shinichi schluckte hart. „Ja. Das… das ist richtig.“ „Warum, frage ich mich. Du hättest doch einfach…“, fing der FBI-Agent an, nahm ihm langsam das Bild aus den Fingern, sah das Mädchen auf dem Foto nachdenklich an. Shinichi lächelte bitter, schüttelte langsam den Kopf. „Nun, ich denke, Sie wissen, dass ich zu der Zeit einfach gar nichts konnte. Ich lag im Drogenrausch und hinterher im Entzug, wochenlang. Außerdem hatte man mir im Krankenhaus gesagt, sie wäre tot. Ich hatte… einfach keinen Grund, das anzuzweifeln. Abgesehen davon tut das hier nichts zur Sache…“ „Das nicht, nein.“ Black lächelte ihn milde an. „Aber du kannst nicht abstreiten, dass es dich ganz anders packt, zu fürchten, sie noch einmal zu verlieren, wo du sie doch gerade erst wieder bekommen hast…“ Shinichi schüttelte den Kopf, ehe der Mann zu Ende sprechen konnte. „Ich habe sie nicht. Und ich habe ihr das auch gesagt. Sie soll nach Hause fliegen. Sie ist überall sicherer… als hier, bei mir.“ Black nickte langsam, wenn auch widerwillig. „Wenn du Recht hast, und sie hier sind, stimme ich dir zu.“ Er blickte auf, nahm seinen Kaffee entgegen, trank einen Schluck. „Genauso wie Shiho. Sie muss auch hier weg. Es ist davon auszugehen, dass Gin nicht die Finger von ihr lassen wird, auch wenn momentan sein Hauptziel zum ersten Mal überhaupt… nicht sie ist, sondern du.“ Ein leichtes Lächeln schlich sich über seine Lippen. „Damit hast du’s endlich geschafft, dich wichtig zu machen, herzlichen Glückwunsch…“ „Haha.“ Shinichi lachte trocken, nahm ebenfalls einen Schluck von seiner Tasse, stellte sie im Anschluss wieder ab. „Danke für das Kompliment. Akai und ich haben uns seinerzeit ja genug Mühe gegeben, um ihnen die Suppe so richtig zu versalzen. Also. Was machen wir?“ Black schaute ihn nachdenklich an, massierte seinen Schnauzbart, brachte damit die borstigen Haare in Unordnung, nur um sie im Anschluss wieder glatt zu streichen – immer wieder. Und immer wieder. „Was macht Scotland Yard…?“, fragte er schließlich. Shinichi schaute ihn leicht überrascht an, trank einen Schluck Kaffee, seufzte dann. „Mr Black, Sie wissen, ich arbeite für die. Ich kann Ihnen nicht…“ „Hast du ihnen von deiner Vermutung erzählt, dass die Organisation dahinter steckt?“, fiel er ihm ins Wort – und ahnte die Antwort bereits, bevor er sie aus seinem Mund hörte. Shinichi seufzte, biss sich auf die Lippen, schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein. Auch wenn ich angedeutet habe, ich glaube eher an einen größeren Fisch im Hintergrund als daran, dass dieser kleine Maler auch der Mörder ist. Aber diese Theorie stößt auf wenig Gegenliebe, momentan…“ „Die wollen einen Kopf rollen sehen.“ „Allerdings. Und ich habe das Gefühl, wenn‘s nötig ist, auch meinen.“ Shinichi nickte langsam. „Abgesehen davon glaube ich, würde man es mir nicht glauben. Die Organisation ist ihnen zwar bekannt, aus meiner Akte, allerdings ist der Fall in ihren Augen abgeschlossen. Etwas anderes wohl eher noch nicht, worauf ich auch schon hingewiesen wurde, bezüglich meines etwas… angegriffen wirkenden Äußeren.“ Black lächelte matt, in seinen Augen ein stummer Ernst, der Shinichi schlucken ließ. „Sie glauben, du hättest einen Rückfall?“ „Noch nicht.“, murmelte der junge Superintendent, ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Noch nicht.“ Unwillig starrte er in seinen Kaffee, sah ein müdes Gesicht, das ihm entgegenblickte, ein Gesicht, das ihm so vertraut und gleichzeitig so fremd war. „Aber Sie wissen, was drinsteht, in meiner Akte… und ich kann fünf Jahre lang vorzügliche Arbeit leisten, erlaub dir einen Fehler, Sherlock, und du bist weg vom Fenster. Es wird Zeit, dass der Fall gelöst wird. Und ich hoffe sehr, Jenna kommt heute mit besseren Neuigkeiten von ihrer Beschattungstour… ich werde wohl selber mal hinfahren, in der Universität war keiner der Leute, die ich suche.“ Unwirsch schüttelte er den Kopf, zog kurz seine Unterlippe zwischen die Zähne, nachdenklich. „Dann dazu diese Blumensymbolik, die ich noch nicht recht zuordnen kann. Die einzelnen Blumen stammen wohl aus Hamlet, aber wie soll ich die mit den Morden in Verbindung bringen?“ „Hast du schon über Hamlet oder Shakespeare in London recherchiert? Vielleicht findest du da einen Treffer.“ Black schaute ihn ruhig an. „Die Blumen sind die Geschenke Ophelias an Laertes, Claudius und Gertrude, sowie Horatio. Sie verteilte sie, bevor sie ertrank – oder sich ertränkte, wie man will. Allerdings werden deine Mädchen nicht ertränkt. Sie arbeiten auch nicht fürs Theater oder einer Laienspieltruppe, sie wurden über diese Annonce rekrutiert, wie wir ja wissen.“ Shinichi nickte langsam. „Soweit habe ich auch schon gedacht. Die Tatorte haben auch nichts mit Shakespeare zu tun.“ „Vielleicht noch nicht.“ Black schaute ihn nachdenklich an. Shinichi seufzte kurz. „Ich werde mich später noch einmal dransetzen, auch wenn es mich wundert… es scheint nicht typisch für sie. Ich kann mir Gin kaum mit einer Ausgabe von Shakespeares „Hamlet“ am Kamin sitzend vorstellen bei einer Tasse Tee und…“ Er lächelte müde, als James Black laut lachte. „No, definitely not.“ Shinichi massierte sich kurz die Nasenwurzel. „Gut, das werde ich herausfinden, irgendetwas muss dahinterstecken; es ist zu auffällig um zufällig zu sein. Abgesehen davon… mich würde momentan noch etwas ganz anderes interessieren.“ Er rieb sich die Nase, nachdenklich. „Wer von denen läuft eigentlich noch rum?“ James Black schaute ihn an, ehe er an seinem Tee nippte. „Von der Organisation, meinst du?“ „Ja.“ Shinichi nickte. „Ich weiß, wen ich in der Gasse gesehen habe. Gin, Vodka, Bourbon, Vermouth und Chianti.“ Black lächelte bitter. “Über Bourbons Rolle bist du ja mittlerweile informiert. Was er jetzt macht, weiß ich allerdings nicht – es ist jedoch anzunehmen, er lebt noch. Es wurde ziemlich eng für ihn am Ende, nachdem auch die Organisation herausgefunden hatte, und nicht nur wir, dass er ein Doppelagent war. Es gab da entschieden zu viele davon.” Shinichi grinste schief. “Stimmt.” Er hob die Hand, streckte den Zeigefinger aus. “Also, Bourbon. Was ist mit den anderen?” James stellte seine Tasse ab. „Aus dem Hauptquartier entkam sonst keiner. Der Verbleib von Gin und Chianti gilt als ungeklärt. Vodka ging uns vor anderthalb Jahren ins Netz, starb bei einem Schusswechsel bei einem Banküberfall.“ Er hob den Blick, schenkte Shinichi einen ernsten Blick. „Wessen Verbleib auch unbekannt ist, ist Anokata. Wir wir konnten ihm keine der Leichen endgültig zuordnen, er war zu wenig bekannt. Auch du konnest uns ja kein konkretes Bild von ihm geben, deshalb... wissen wir nicht, ob er unter den Opfern war oder nicht.“ Shinichi starrte ihn an. „Ich hab ihn im Feuer gesehen. Um ihn herum ist der Kasten explodiert, unmöglich kann er…“ „You were drugged… and therefore your perception could have been clouded under the influence of your last trip, Shinichi.“ Blacks Worte waren mit leiser Stimme gesprochen und mit Bedacht gewählt worden – und dennoch war die Reaktion auf sie vorhersehbar und umso lauter. Der junge Superintendent stellte den Kaffee so hart auf den Tisch, dass ihm die Brühe über den Becherrand schwappte, über seine Hand rann. Er realisierte es gar nicht. „Ich weiß, was ich gesehen habe.“, flüsterte er leise, nicht ohne ein wenig Groll in der Stimme, kam sich dabei fast vor wie ein trotziges Kind, und merkte, wie in ihm der Ärger wuchs, darüber, dass anscheinend sogar seine Verbündeten ihm vielleicht nicht gerade misstrauten – seine Aussagen zumindest aber nur mit einem gerüttelt Maß an Skepsis Glauben schenkten. „Das wissen wir. Dennoch… du sagtest selbst, irgendwann war es dir unmöglich, Realität und Traum…“ „Aber nicht in diesem Moment! Ich bin doch überhaupt nur zurückgelaufen, um ihm diese…“ „Ist ja gut.“ Black schaute ihn beruhigend an, legte ihm kurz eine Hand auf seinen Unterarm, ehe er ihm eine Serviette reichte, um sich seine Finger abzuwischen und die Kaffeepfütze trocken zu legen. „Beruhige dich.“ James Black wiegte den Kopf grübelnd, seufzte leise. „Leider gab es keinerlei Dokumente über ihn, keine Akte im Hauptquartier, keine Dateien über ihn in den Beweisen, die uns der Trojaner schickte. Es kann auch sein, dass er sich als bekanntes Mitglied ausgab, um sich unter dessen Deckmantel selbst geheim zu halten. Auch das ist möglich.“ Shinichi nickte wiederwillig. Die Möglichkeit bestand, das musste er zugeben – auch wenn sie ihm nicht schmeckte. Anokata… „Übrig bleibt dann noch eine, die spurlos verschwand.“ Über Blacks Lippen glitt ein schmales Lächeln, kurz wie ein Wimpernschlag. „Vermouth. Oder, wie Shuichi sie nannte, Rotten Apple. Ein passender Name, wie ich finde, für die äußerlich makellose, aber innerlich ganz und gar verdorbene Sharon Vineyard. Chris Vineyard. Wie auch immer sie genannt werden wollte. Und gleichzeitig…“, er warf einen Blick zu James Black, der ihm zunickte, „war es ein Name einer Operation gegen die Organisation. Du warst dabei, erinnerst du dich? Damals hattest du sie ganz schön in die Enge getrieben… und sie war auch da.“ Sein Blick verlor sich in der Vergangenheit, ein Lächeln spann sich über seine Lippen, kurz. „Muss ich dir wirklich sagen, wovon ich rede, Shinichi?“ Shinichi schüttelte den Kopf. Damals am Hafen. Als du Ai das Leben gerettet hast, Ran… Sie hat dich nicht erschießen können. Schließlich… warst du der Engel, der ihr zugelächelt hat. Angel, so nannte sie dich. Und mich… Silver bullet. Ist sie etwa auch hier? Shinichis Blick versumpfte in den schwarzen Untiefen seiner Kaffeetasse, als er den Gedanken weiterverfolgte. Wäre auch sie hier, würde das der Sache allerdings eine ganz andere Wendung geben. Er schluckte, merkte erst, als ihn eine Hand am Arm packte, dass James Black wohl schon eine ganze Weile versuchte, ihn anzusprechen. „Ah. Entschuldigen Sie. Nein, müssen Sie nicht, ich erinnere mich ganz gut daran.“ Er schluckte, strich sich langsam übers Gesicht. Black nickte langsam, ehe er sich aufgeräumt räusperte. „Du weißt, wenn du herausgefunden hast, wo sie ihr Quartier haben, musst du…“ „Jaja.“ Shinichi verzog das Gesicht. „Noch weiß ich aber nichts. Versprechen Sie mir nur, dass Ran und die anderen sicher sind, bis ich sie endlich überzeugt habe, dass sie wieder nach Japan fliegen sollten….“ Black nickte langsam, in seinen Augen Sorge und Ernst. „Akai kommt morgen in London an. Er wird sich darum kümmern. Mit Jodie habe ich auch bereits telefoniert, sie wird etwas später eintreffen. Wenn es dich beruhigt, werde ich ihnen heute Gesellschaft leisten.“ Shinichi nickte stumm; dann stand er auf, legte eine Anzahl Münzen auf den Tisch und verließ das Etablissement. Black blieb zurück, sah ihm hinterher. You are not meant to live this life. Draußen angekommen sondierte Shinichi die Lage. Dann zückte er sein Telefon, wählte Heijis Nummer. „Sind sie bei dir?“, fragte er dann ohne Einleitung, als der Osakaner sich am anderen Ende der Leitung meldete. „Hallo Kudô. Ja, sind se.“ Er atmete tief durch, ehe er sich mit bitterem Tonfall zu beschweren begann. „Sag mal, haste nix anderes, was ich tun kann? Ich bin ein qualifizierter Polizist, verdammt! Du musst doch was Besseres zu tun ham für mich als auf einen Haufen Hühner… -Aua! Kazuha, was…“ „Nun, ich hab insofern gute Nachrichten, dass du bald nicht mehr allein bist. Shuichi Akai kommt heut Nacht. Du kannst dann mit ihm zusammen auf den Haufen Hühner aufpassen.“ „Ach. Das ging schnell.“ Heiji überging die Spitze – er war überrascht, mehr als das. „Ja.“ Er seufzte. „Aber für heute muss ich dich und Kogorô wohl noch als Babysitter abordnen. Ich fahr jetzt zu Jenna, die vor Bradys Wohnung wartet und ihn beschattet. In der Universität sind sie nicht gewesen, also müssten sie daheim sein… anscheinend wird ihm doch langsam der Boden unter den Füßen zu heiß.“ Shinichi ließ seine Augen über die Skyline Londons schweifen. „James Black leistet euch Gesellschaft, wenn du das willst. Ich geb dir seine Nummer, dann bist du wenigstens nicht der Hahn im Korb.“ Er grinste verhalten, diktierte seinem Freund die Zahlenfolge. „Danke.“ Heiji schluckte. Shinichi ahnte, dass da noch etwas war – allerdings schien sein Freund unentschlossen, ob er damit herausrücken wollte oder nicht. Shinichi seufzte lautlos, ehe er ihm die Entscheidung abnahm. „Gut, dann bis heut Abend.“ Damit legte er ohne ein weiteres Wort auf und ging zu seinem Auto. Heiji starrte nur sein Telefon an, schüttelte den Kopf – drehte sich um und starrte in die wütenden Gesichter von Sonoko und seiner Angebeteten, grinste schief und hob entschuldigend die Hände. „Nun, Mädels – was machen wir mit unserer Zeit heute?“ Jenna saß in ihrem Mini, hatte ihn gerade noch durch die vollgestopften Londoner Straßen gelenkt und bog nun in eine Seitengasse ein. Sie hatte keine Ahnung, wie viel es brachte, wieder zu Brady zu fahren- zu der Uhrzeit würde sie dort womöglich nicht mal wen antreffen. Sie zuckte mit den Schultern. „But well,… the boss says „Jump!“ and Jenna asks “What height, Sir…?”…“ Sie seufzte erleichtert, als sie die Innenstadt hinter sich ließ, etwas an die Randbezirke kam. Der Verkehr war hier bereits deutlich ruhiger. „But I’d die to know whom he is expecting to dig out. He does not believe that Brady is the mastermind behind this crime, and I don’t either, to be honest. That boy never has the balls to achieve this, to pull his plan through.“ Sie redete mit ihrem Rückspiegel, in dem sie kurz den Verkehr hinter ihr checkte. Dann war sie angekommen, suchte sich eine Parklücke – und bemerkte Gallagher, der gerade in sein Streifenfahrzeug stieg. Sie gab nochmal Gas, steuerte neben ihn. „Hey, Sam!“ Sie hatte die Scheibe heruntergekurbelt, auffällig gewinkt – und wurde nun auch mit Aufmerksamkeit betont. „Jenna. Hi.“ Er schien nicht sehr erfreut, sie zu sehen – und schien zu merken, welchen Eindruck er machte, denn sogleich zauberte er ein Lächeln auf seine Lippen. „Got that route to check today, alone… I’m bored to death, honestly. But well, I am just a little constable…“ Jenna grinste mitfühlend. „I am to shadow someone here, alone… not the job of my dreams, believe me.“ Sie zuckte mit den Schultern. „But what needs to be done needs to be done, that’s how it is to be put. Would you be a nice little constable and leave that parking space for me, Sam?“ Gallagher nickte nur, hob die Hand zum Abschied und steuerte sein Fahrzeug auf die Straße. Jenna schaute ihm hinterher – zog dann die Stirn kraus. Warum war er denn eigentlich ausgestiegen? Unwillig schüttelte sie den Kopf. Vielleicht hatte er ja mal für kleine Constables gemusst. Der Mann war schließlich auch nur ein Mensch. Eine halbe Ewigkeit, so zumindest kam es ihr vor, harrte sie dann allein in ihrem Mini der Dinge, die da kommen könnten, bis sie Gesellschaft bekam. Shinichi sah ihr Auto schon von weitem – setzte seins genau dahinter, ging zu ihrer Beifahrertür und klopfte. Jenna ließ ihn einsteigen, sah ihn erstaunt an. „What’s up?“ „Tell me Jenna – has someone entered or left that house today?“ Jenna schüttelte den Kopf. „Not in those…“, sie schaute auf die Uhr, „three and a half hours I am waiting here. Don’t tell me that there was nobody at the university?“ „Well, if you feel better, I don‘t.“ Shinichi schluckte, schaute durch die Windschutzscheibe. „Something is definitely fishy here…“ Damit stieg er aus, ging hoch zur Haustür. Jenna beeilte sich, ihm zu folgen, übersah dabei ein Auto, das von hinten kam, als sie die Fahrertür öffnete und provozierte damit ein dröhnendes Hupen, als der Fahrer des anderen Fahrzeugs gerade noch so hatte ausweichen können. Nervös schielte sie zu ihrem Partner – aber Shinichi schien das gar nicht zu hören. Er klingelte. Und klingelte immer noch, als Jenna neben ihm erschien. „Nobody here?“ „Seems quite so.“ Shinichi seufzte, schaute die Klingelschilder an, wählte dann einen anderen Namen und presste den Klingelknopf entschieden mit seinem Zeigefinger hinunter, so fest, dass das Blut aus seiner Fingerspitze wich. „Yes, please?“, tönte eine ältliche Frauenstimme aus der Gegensprechanlage. „Good morning, Miss Parker. Detective Superintendent Kudô and Detective Sergeant Watson from New Scotland Yard speaking. We were looking for your neighbors, Miss Rowling and Mr Brady, but they don’t answer the bell. Would you let us in?” “May I see your sign, please?” Shinichi seufzte. Diese Art misstrauische ältere Dame war ihm geläufig. „Sure.“ Er fischte seine Marke heraus, hielt sie hoch an die Kameralinse. „Fine. I’ll open. But I won’t talk…“ „That’s alright for us.“, unterbrach er sie, lehnte sich gegen die Tür als der Summton erklang und drückte sie auf. Jenna stiefelte ihm hinterher, als er den Weg nach oben ging – sie kannten ihn ja von gestern noch. Als sie vor der Tür ankamen, schien erst alles in Ordnung zu sein – als er dann jedoch näher an die Tür trat, roch er es. Jenna, die den Geruch ebenfalls vernahm, schaute ihn alarmiert an. „Fire?“, flüsterte sie. Er nickte nur, hatte sein Handy schon am Ohr. Nur Minuten später stand der Löschzug vorm Haus, hatte die Tür aufgebrochen und Feuerwehrmänner standen in der kleinen Küche der Wohnung, schäumten sie tüchtig ein, während er und Jenna durch die Wohnung gingen, um herauszufinden, ob jemand hier war. Die Wohnung war leer – war es, laut der Feuerwehr auch gewesen, als es zu brennen angefangen hatte. Jemand hatte ohne Acht auf den Herd, auf dem noch ein Milchtopf auf angeschalteter Platte gestanden hatte, sowie eine Pfanne mit Schinken, die Wohnung verlassen – der Brand hielt sich in Grenzen, hatte hauptsächlich auf den Hängeschrank über der Herdplatte und den danebenstehenden Tisch übergegriffen und dort das Plastik geschmolzen. Der Gestank jedoch war chemisch und unerträglich, biss in seine Lunge. Er hustete trocken, drehte sich um, besah sich den Schaden, als der Feuerwehrmann ihm erklärte, was passiert war. Und dachte an Montgomery, der sich sicherlich begeistert zeigen würde. Ich hätte ihn doch dabehalten sollen, gestern. Verdammt… Geistesabwesend bedankte er sich bei dem Mann, der ernst nickte und zu seinem Männern ging, um die Sicherung des Gebäudes abzuschließen, und machte sich auf seine eigene Erkundungstour durch die Wohnung, wenn sich die Gelegenheit schon bot - und trat einfach ins nächste Zimmer, das der Küche folgte, gegenüber des Flurs. Wie das große Doppelbett und der Kleiderschrank an dessen Fußende verrieten, war dies wohl das Schlafzimmer. Es sah aus, wie ein Schlafzimmer junger, nicht besonders wohlhabender Leute aussah – es war relativ spartanisch eingerichtet, das Bettzeug an manchen Stellen geflickt, aber sauber. Dann sah er das Bild. Meredith. Sie war wunderschön, wirkte so lebendig und gleichzeitig so zerbrechlich, ein Moment, ein Idealzustand, konserviert in Öl auf Leinwand für die Ewigkeit. Im nächsten Moment hörte er Jenna rufen, was ihn in seinem Gedankengang unterbrach. Er notierte sich das Bild hastig in sein Notizbuch, machte mit seinem Smartphone ein Foto, dann folgte er ihrer Stimme, fand sich in einem Zimmer wieder, das er als Atelier identifizierte – an der Wand hingen Bilder und Kleiderentwürfe, auf einer Schneiderpuppe steckten Nadeln und Stoffreste. Er ließ seine Finger darüber gleiten, schluckte. Wildseide. Er wusste, das war der Beweis. Das Bild allein hatte ihm schon gereicht, aber nun sahen sie hier die Stoffe, die Schnittmuster, die Entwürfe der Kleider – und konnten die Augen vor der Wahrheit nicht mehr verschließen. Shinichi stöhnte auf, leise. Also habt ihr sie euch geschnappt, alle beide… das ist gut, und schlecht gleichermaßen. Gut, weil ich weiß, wir sind auf der richtigen Spur. Schlecht… weil wir nun alleine weitersuchen müssen. Was habt ihr nun vor…? _________________________________________________________________ And here we go... Hoffe, euch hat's gefallen! Beste Grüße und bis zum nächsten Mal, eure Leira ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)