Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Kapitel 5: Ein zweites Leben ---------------------------- KAPITEL 5 – EIN ZWEITES LEBEN Das Zeichen der Vier. Sherlock Holmes. Starr verharrten ihre Augen auf diesem Namen, der in goldenen Lettern auf dem Buchrücken prangte. Der große Detektiv. Sie streckte die Hand aus, berührte mit den Fingerspitzen den Namen, so zart, dass sie kaum das raue Leinen darunter spürte, schluckte hart. Dann griff sie nach dem Buch, zog es heraus, merkte, wie ein bitteres Lächeln ihre Lippen kräuselte, als sie erkannte, was sie in ihren Händen hielt. Eine billige Buchattrappe. Eine Leerhülle. Ein Platzhalter… eine Fälschung. Fälschung… „Ran, wo bleibst du denn?!“ Sonoko war um die Ecke gebogen, starrte ihre Freundin ungeduldig an, trommelte mit ihren Fingern auf die Lenkstange des Einkaufswagens. Neben ihr stand Kazuha, wartete wie die junge Schwerreichentochter darauf, dass Ran sich endlich vom Fleck rührte. Ein unwilliges Grummeln entwich ihrer Kehle, als sie sah, was ihre Freundin so ablenkte. „Ran!“ Ran, die gerade an einem Bücherregal hängen geblieben war, schluckte. In den Händen hielt sie immer noch diese billige Buchattrappe, wie man sie so oft in Möbelhäusern fand – normalerweise kein Grund für sie, länger innezuhalten, aber an dieser hier war waren ihre Augen hängengeblieben. Es war die Attrappe eines Sherlock Holmes Romans. Kazuha, die ebenfalls mit von der Partie dieses Shoppingtrips war, kam langsam näher. „Ran.“ Sie nahm ihr die Attrappe ab, stellte sie zurück. „Willst du das Regal?“ Sie schaute ihre Freundin ernst an, wusste sie doch genau, was in ihr vorging. Ran schüttelte den Kopf. „Nein.“, murmelte sie leise, ihre Augen immer noch fest auf die Buchattrappe geheftet. Kazuha seufzte, merkte, wie Sonoko nun neben sie trat. Sie wandte sich dann ihrer Freundin zu und schaute sie ernst an, legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Keiner von uns weiß, Ran, was ihn damals geritten hat, als er einfach so sang- und klanglos verschwunden is‘.“ Ran hob den Kopf, sah sie an, scheu; dann senkte sie ihren Blick, wandte den Kopf zur Seite. Sonoko konnte sehen, wie sie schluckte. Ran presste ihre Lippen aufeinander, unwillig. Offenbar konnte man mal wieder in ihr lesen wie in einem Buch – und sie hasste das. Und besonders hasste sie es, wenn die anderen sahen, wer sie so beschäftigte. Immer, wenn sie an ihn dachte, schien sie für alle um sie herum gläsern zu werden, jeder einzelne ihrer Gedanken, jedes Gefühl sichtbar für alle Welt. Es war kein gutes Gefühl. Sonoko hingegen trat vor sie, fing ihren Blick und fixierte ihn, blinzelte nicht einmal, als sie sprach. „Ich möchte glauben, dass er ein elender Bastard ist, das weißt du. Und ich werde ihm auch genau das an den Kopf werfen, wenn er mir jemals wieder unter die Augen tritt, auch das weißt du. Ich hasse ihn dafür, was er dir angetan hat. Welches Gefühl er dir damit angehängt hat, als er einfach ging.“ Immer noch schaute sie Ran fest an, hob ihr Kinn mit den Fingern einer Hand an, blickte ihr forschend ins Gesicht. Wie erwartet waren ihre sonst so strahlend kornblumenblauen Augen dunkel von Traurigkeit und Unglück. In den fünf Jahren, in denen er nun weg war, hatte Ran zwar langsam wieder ihre Lebensfreude zurückgewonnen, nachdem sie in den ersten Wochen wie am Boden zertreten gewesen war; niedergeschmettert, ein Häuflein Elend in einem weißen Krankenhausbett, schwer verletzt, müde, einsam und so unsäglich traurig, so voller Liebeskummer. „Alleingelassen zu werden. Nicht einmal so wichtig zu sein, dass er dir die Gründe erklärt, warum er dich abhakt. Nach all dem, was du wegen ihm hast durchmachen müssen.“ Ran blinzelte, seufzte leise, ehe sie den Blick abwandte. Und Sonoko hasste ihn dafür, dass sie sie je hatte so sehen müssen. Dass sie ihre Ran, ihre allerbeste Freundin, je in diesem Zustand hatte erleben müssen. Und manchmal, auch wenn sie in ihr Leben wieder zurückgefunden hatte – aber manchmal, da sah man diese Trauer, diese Einsamkeit immer noch in Rans Augen. Heute war so ein Tag. Dieses Erlebnis damals hatte sie geprägt. Sonoko wusste nicht, ob es aus Liebe zu diesem Spinner Kudô oder Angst vor der erneuten Zurückweisung eines anderen Mannes war; Ran hatte sich keinen neuen Freund gesucht. Nicht einen der vielen Bewerber erhört, die sich um sie bemüht hatten, nicht eine einzige Einladung zu einem Date angenommen, die man ihr gemacht hatte. Sonoko hatte irgendwann aufgegeben, ihr diesbezüglich Ratschläge erteilen zu wollen. Es hatte keinen Sinn. „Weiß der Geier, warum er gegangen ist. Wahrscheinlich aus irgendeinem „Das-hätte-nicht-passieren-dürfen“ – Gefühl heraus, meines Erachtens kein Grund, erst Recht nicht, ohne sich zu erklären, oder zu warten, bis es dir wieder gut geht – aber er ist weg, Ran. Er ist selbst dumm genug, dass er dich hat stehen lassen. Etwas Besseres als dich kann kein Mann dieser Welt kriegen. Auch ein Shinichi Kudô nicht. Erst Recht ein Shinichi Kudô nicht.“ Auf ihren Zügen spiegelte sich Unwillen. „Ehrlich, du solltest diesen Spinner vergessen und begraben. Das ist jetzt fünf Jahre her, es ist nicht deine Schuld, dass er so ein verdammter Idiot ist.“ Rans Kopf fuhr herum. „Er ist kein…!“ „Doch, ist er.“, unterbrach sie Sonoko unwirsch. „Und jeder, den du fragst, wird dir das bestätigen. Und jetzt schlag ihn dir aus dem Kopf, und such dir neue Möbel für deine erste eigene Wohnung aus, Süße, wenn du dir schon keine neuen Mann aussuchen willst.“ Sie grinste unverschämt. „Sonoko!“ Entrüstung spiegelte sich auf Rans Zügen, ehe sie sich schließlich doch von dem Regal abwandte. Wahrscheinlich hast du ja Recht… „Aber irgendwie kann ich mich nicht entscheiden.“ Ran seufzte, sah sich zweifelnd um. „So wirklich sagt mir hier nichts zu.“ „Das liegt wahrscheinlich daran, dass du Urlaub brauchst. Du bist überarbeitet, meine Liebe…“ Ran trat ans Fenster des Möbelladens, schaute gedankenverloren hinaus. „Meint ihr?“ „Herzchen, du hast die letzten Wochen nur geackert! Gelernt, Prüfungen geschrieben, gelernt. Gelernt, Prüfungen geschrieben. Gelernt. Prüfungen geschrieben. Du bist ausgepowert. Mach Urlaub, die Wohnung hast du sicher, und das Einrichten eilt ja nicht! Dein Dad wirft dich doch nicht gleich raus, oder?“ „Nein.“ Ran lachte leise. „Ich glaub, dem fällt richtig schwer, dass ich jetzt ausziehe…“ „Das glaub ich aufs Wort.“, lachte Kazuha. „War bei meinen Eltern ähnlich, als Heiji und ich zusammengezogen sin‘.“ „Apropos Heiji – was treibt der Herr Kommissar denn momentan?“, hakte Ran ein, als ein zischendes Geräusch sie ihre Freundin verwundert anschauen ließ. Kazuha holte tief Luft, lachte dann laut auf. Ein triumphierendes Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus. „Das ist überhaupt DIE Idee!!!“ Sonoko und Ran sahen sie verständnislos an. „Heiji muss beruflich nach London, fliegt heute - was denkt ihr, Mädels, wollen wir da auch hin?“ Kazuha grinste immer noch von einem Ohr bis zum anderen. „Dann kann Ran mal mit Holmes abrechnen und wir machen eine schöne Shoppingtour.“ „Und nebenher kannst du aufpassen, dass Heiji sich nicht anderweitig umsieht, was?“, neckte Sonoko sie. Kazuha verzog das Gesicht, stieß Sonoko ihren Ellenbogen in die Seite, während Ran nachdenklich auf das Schild starrte. Erinnerte sich an jenen Tag, als sie erwacht war. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Ob sie überhaupt geschlafen hatte. Aber heute war es warm in ihrem Gesicht, und das fühlte sich gut an. Der Stoff unter ihren Fingern fühlte sich weich an, und er roch frisch gewaschen; ein Duft, der sich mit einem leichten Parfum mischte. Rosen. Und Sandelholz. Ein bekannter Duft. Wohlgefühl breitete sich in ihr aus. Sie hörte leise Stimmen an ihrem Ohr, wusste, draußen war es hell, weil ihre Lider rot schimmerten. „Sie wacht auf!“ Leises Weinen drang an ihr Ohr, gebot dem aufkommenden Gefühl von Wohlbefinden und Entspannung abrupt Einhalt. „Ran? Süße? Kannst du mich hören?“ „Mausebein? Bist du da?“ >Klar, Paps. Wo soll ich sonst sein?< Verwirrt öffnete sie die Augen. Dann sah sie in die besorgten, und gleichzeitig freudestrahlenden Gesichter ihrer Eltern. >Himmel, seid ihr blass. Und ihr freut euch so sehr… man könnte meinen, ich sei gerade auf die Welt gekommen.< Sie fühlte eine kühle Hand an ihrer Stirn, die Hand ihrer Mutter, die ihr übers Haar streichelte. Jetzt wusste sie auch, woher der Duft nach Rosen und Sandelholz kam – es war das Parfum ihrer Mutter. Mühsam kämpfte sie sich etwas hoch. „Was…“ Sie hielt irritiert inne, räusperte sich. Dankbar nahm sie das Glas Wasser entgegen, das ihr fast aus den zitternden Fingern fiel, ein Fakt, der sie noch mehr irritierte. Was war passiert? Sie nahm einen Schluck, blickte um sich. >Krankenhaus. Ich bin im Krankenhaus. Warum bin ich…< Dann riss sie die Augen auf. Erstaunlich ruckartig schob sie die Bettdecke weg, zog ihr Nachthemd hoch. Und fand einen Verband auf ihrer Seite. Vorsichtig betastete sie die Stelle. Sie kniff die Augen zusammen, als die Erinnerung an das Schwert, den Schmerz zurückkam. Kraftlos sank sie zurück, als die Bilder und Töne zurück in ihren Kopf strömten. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn gesucht hatte, fühlte, wie er sie in den Arm genommen hatte, sie festgehalten hatte, als die Welt um sie in Schmerz und Schwärze versank. Sie hörte ihn reden, flehend, bittend, verstand die Worte kaum, aber sehr wohl verstand sie die Sprache, die sein Tonfall sprach – und die seiner Augen. Sie sah sein Gesicht, sah in seinen Augen so viel Angst. >Shinichi. Ich hab dich nie so angsterfüllt gesehen…< Dann hatte sie gelächelt. >Aber es ist ja alles gut gegangen. Es geht mir gut, auch wenn… das Ganze wohl ziemlich schlimm aussah… < Sie hatte sich wieder ihren Eltern zugewandt, die sie abwartend angeschaut hatten. Hinter ihnen stand Sonoko, neben ihr Heiji; sie hatte die beiden zuerst gar nicht bemerkt. Ihre Augen jedoch suchten nach einem anderen Gesicht. Und fanden es nicht. >Shinichi?< Verwirrt schaute sie Heiji an, der langsam ans Bett trat. Offenbar ahnte er ihre Frage, denn er setzte sich auf ihr Bett, griff ihre Hand. Neben ihn trat Sonoko, während ihre Eltern etwas beiseite gingen. „Er ist nicht hier, Ran. Shinichi… ist nicht hier.“ Ran merkte, wie ihr kalt wurde; ihr Herz begann gegen ihren Brustkorb zu klopfen, aufgeregt und schnell. „Aber… wieso? Wo…?“ Sie riss die Augen auf. Sie kannte eigentlich nur einen Grund, warum er nicht hier sein sollte, nach allem, was er ihr gesagt hatte. Nach allem, was sie durchgemacht hatten. Nun, wo doch… „Ihm ist doch nichts passiert? Heiji?“ Panik klang in ihrer Stimme, ließ sie eine Oktave höher schwingen und ein leises Zittern mitschwingen. Er fing an, ihre Hand zu streicheln, lächelte beruhigend. „Nein, keine Angst, ihm is‘ nix passiert. Soweit wir wissen, heißt das. Er ist… nur nich‘ hier, das ist alles. Er ist… gegangen, an dem Tag, als du verletzt wurdest. Er is‘ verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, hat niemandem gesagt…“ Sie hörte die nur mit Mühe verhohlene Wut in seiner Stimme. „… wohin er gegangen is‘, hat sich von keinem verabschiedet. Seine Eltern sind auch fort, und nich‘ zu erreichen. Offenbar… wollt‘ er alle Brücken abbrechen. Keiner weiß wohin oder warum. Wobei…“ Heiji schluckte, sah sie ernst an. „Für’s warum kann ich nen Tipp abgeben. Ich schätz‘, dass du fast gestorben bist wegen dem Mist, den er gebaut hat, war zu viel für ihn. Eine Grenze, die nie hätte überschritten werden dürfn. Wahrscheinlich denkt er, du bist besser dran ohne ihn.“ Er sah sie an, merkte, wie ihre Augen zu glänzen anfingen, biss sich auf die Lippen. Sie tat ihm jetzt schon Leid, sah er doch, wie ihre Welt gerade in Stücke brach, wie sie nach einer Erklärung suchte, wie Enttäuschung und Traurigkeit ihre Seele trübten. Und er fragte sich selber, wieso Kudô das jetzt zuließ, nach allem, was er für sie durchgemacht hatte. Er konnte es sich selbst nicht erklären. „Aber…“, begann sie, riss ihn aus seinen Gedanken. Ihre Stimme klang weinerlich, jammernd, kündigte die Flut an Tränen an, die bald losbrechen würde. „Aber es ist doch… alles gut gegangen! Mir geht’s doch gut!“ Verständnislosigkeit stand in ihren Augen. „Warum kommt er nicht wenigstens und sagt auf Wiedersehen, wenn er schon denkt, dass er damit nicht klarkommen kann, wir das nicht bewältigen können, zusammen? Warum lässt er mich allein? Ich werde verletzt und er haut ab, das… das…“ >…passt doch gar nicht zu dir, Shinichi…< Sie schnappte nach Luft, hustete kurz, verschluckte sich fast an ihrem Wasser, als sie versuchte, einen Schluck zu trinken. „Ihr müsst doch irgendetwas wissen? Er kann doch nicht einfach gegangen sein? Und kein Wort… hinterlassen haben? Ich dachte…“ Tränen rannen nun über ihr Gesicht, hinterließen rosa Flecken auf ihrer blassen Haut. Sonoko trat vor, nahm Ran in die Arme, streichelte ihr über den Rücken. „Schhhh, Süße. Schhhh. Glaub mir, das isses nicht wert. Er ist ein Feigling, das hat nichts mit dir zu tun. Denk nicht mehr nach. Wir sind da…“ Ran schluchzte, merkte, wie in ihr etwas in Stücke zersprang, einfach so kaputt ging. Sie klammerte sich an ihre beste Freundin und heulte, als sie den Glauben an ihn verlor, und damit an die Liebe. Sie verstand, dass er Angst hatte, um sie. Dass er das nicht gewollt hatte. Aber dass er sie allein ließ, wenn sie ihn brauchte, das verstand sie nicht. Denn das hatte er noch nie. Bei aller Angst um ihr Leben, er hatte sie nie allein gelassen. Erst Recht nicht ohne Erklärung. Und dieses Gefühl von Alleingelassenwerden war schlimmer als das, das sie am Tag der Trennung ihrer Eltern verspürt hatte. >Warum bist du nicht da? Shinichi, warum bist du nicht da, warum…! Ich dachte… Ich dachte… … du liebst mich…< „Kriegen wir denn so kurzfristig noch einen Flug? Und ein Hotel?“, murmelte Ran langsam. Der Blick, den sie Sonoko zuwarf, war zögernd. Sie wusste selbst nicht, ob es sie nach London zog oder nicht; einerseits konnte sie Urlaub gut gebrauchen; andererseits weckte diese Stadt in ihr Erinnerungen. Erinnerungen ganz bestimmter Art. Erinnerungen, die sie eigentlich hatte vergessen wollen; und die sie genauso magnetisch an diesen Ort anzogen, wie sie sie von dort wegstießen. Unwillkürlich verknotete sie ihre Finger um den Griff des leeren Einkaufswagens. Kazuha schaute sie prüfend an; sie ahnte, wo ihre Freundin mit ihren Gedanken gewesen war. Du liebst ihn immer noch. Und verstehst heute genauso wenig wie damals, warum er dich verlassen hat. Und um ehrlich zu sein… ich versteh’s auch nich. Es kann doch nich‘… wir haben doch gesehen, wie sehr er dich liebt. Er wäre nie von deiner Seite gewichen, auch wenn er sich ewig schuldig gefühlt hätte, dafür, dass du verletzt wurdest, seinetwegen. Ich dacht‘, er wär eher der Typ, der den Rest seines Lebens versucht, es wieder gut zu machen… Und auch wenn er Angst davor hatte, dass noch welche von ihnen rumlaufen und dir nochmal wehtun könn’tn… Zumindest bis du wieder gesund gewesen wärst, wäre er geblieben… das dacht‘ ich zumindest. Wir konnt‘n uns doch nich‘ alle so in ihm getäuscht haben? Sonoko tippte und wischte bereits eifrig auf ihrem Smartphone. „Sehen wir gleich, sehen wir gleich…“ Ran schluckte. Ihre Augen huschten noch einmal über den Buchrücken des Sherlock Holmes-Romans. London… „Alles klar! Morgen Abend fliegen wir!“ Damit riss Sonoko sie aus ihren Gedanken. „Wie cool ist das! Ein Mädelsurlaub!“ „Was, morgen? Haste sie noch alle? Könnteste uns auch mal…“ Kazuha starrte sie entgeistert an. „Jetzt reg dich doch nicht so auf! Erstens wars deine Idee, und es is doch klar, dass wir bald fliegen müssen, gerade wenn du Heiji-…“, konterte Sonoko, schaute die Osakanerin genervt an. „Außerdem was hast du? Du hast Urlaub, und den verbringst du bei Ran. Deine Sachen sind eh schon gepackt!“ Kazuha schnappte nach Luft – und schließlich gab sie auf. Auch wenn sie immer noch überrumpelt schien, waren die Argumente Sonokos nicht von der Hand zu weisen. Ran sah sie an, ihr Blick wanderte von einer zur anderen. Sie fühlte sich irgendwie überfahren, ähnlich wie Kazuha eben – allerdings schien es tatsächlich irrelevant, was sie dachte, und so war auch jede Diskussion überflüssig. Der Urlaub war gebucht. Und an und für sich – konnte sie wohl wirklich ein paar Tage Luftveränderung gebrauchen. Schließlich warf sie Ihre Gedanken über Bord, seufzte ergeben. „Gut, machen wir das.“, murmelte sie langsam. „Fliegen wir nach London.“ Die Blondine jubelte, steckte ihr Smartphone wieder ein. „Perfekt! Und du, Kazuha, sagst Heiji nicht, dass wir auch kommen. Wir wolln den Herrn mal fein überraschen. Aber jetzt…“ Sie griff Ran und Kazuha unter den Armen und hakte sich ein. „… gehen wir erstmal Klamotten shoppen für London!“ „Wie?“, murmelte Ran, zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ich dachte, du wolltest in London einkaufen gehen?“ „Na, da auch! Aber da kaufen wir Klamotten für Tokio. Jetzt brauchen wir erstmal was für London. Klar?“ Sonoko strahlte sie an. Ran sah sie konsterniert an. „Hab ich eine Wahl?“, meinte sie schließlich so leise, dass keine sie hörte und ließ sich aus dem Möbelhaus ziehen. Mit ihren Gedanken war sie ohnehin nicht mehr bei der Sache. Also London. Die Stadt, in der du mir sagtest, was du für mich fühlst. Irgendwie hab ich das Gefühl, diese Stadt ist noch nicht fertig mit mir. Ich bins wohl auch nicht mit ihr… Der Gedanke ließ sie auch nach der ausgedehnten Shoppingtour nicht los. Sie hatte die U-Bahn genommen, um nach Hause zu gelangen, ließ sich von den frühabendlichen Berufspendlern die Treppen nach oben treiben. Als sie oben angekommen war, seufzte sie leise. Der laue Sommerwind wehte ihr um die Nase, trug den Duft heißer Tage mit sich, spielte mit ihren kakaobraunen Haaren, die sie lang und offen trug, wie immer; die tiefstehende Sonne streichelte ihr Gesicht mit warmen Fingern. Sie stieg die letzten Stufen der Haltestelle Beika hoch, blieb stehen, genoss die Wärme auf ihrer Haut noch einen Moment länger, schloss die Augen, kurz. Dann schlenderte sie weiter, die Straße entlang… und merkte erst spät, dass sie unbewusst den gleichen Weg gewählt hatte, wie sie ihn damals immer zur Schule gelaufen war, anstatt den Umweg über die Hauptstraße zu gehen. Den Umweg, den sie immer genommen hatte, seit diesem Tag. Seit dem Tag, an dem er verschwunden war… weil sie es kaum ertrug, an seinem Haus vorbeizugehen, und sich dort immer wieder die gleiche Frage zu stellen. Warum? Auch wenn sie Shiho traf, so kam die meistens zu ihr, oder sie verabredeten sich in der Stadt. Und nun stand sie da, vor dieser großen, schönen Villa, die seit Jahren kein Mensch mehr betreten hatte. Sie sah immer noch gut aus; wahrscheinlich bezahlten die Kudôs eine Reinigungsfirma, die sich dann und wann um die Räume und den Garten kümmerte. Leer stand sie dennoch. Sie merkte, wie dieses wohlige Gefühl von Wärme verflog, als ihr Blick zu einem Fenster im ersten Stock hinaufwanderte. Shinichis Zimmer. Und sie verstand es immer noch nicht, warum er sie damals allein gelassen hatte. „Das war doch nicht typisch für dich.“ Ihre Stimme war kaum lauter als ein Wispern. Sie schluckte, stellte ihre Taschen ab, fasste nach dem Türschild, unwillkürlich, auf dem der Name der Eigentümer verewigt war; ließ ihre Fingerkuppen über den Klingelknopf streifen, ohne ihn zu drücken. „Zu gehen, ohne etwas zu sagen, ist nicht typisch für dich… dich nie zu melden ist nicht deine Art. Mir zu sagen…“ Sie schluckte, merkte, wie sich in ihrem Hals ein Kloß bildete, als sie an jenen Tag zurückdachte… an diesen schönen, kurzen Moment vor dem schrecklichsten Erlebnis ihres jungen Lebens. „… dass er dich liebt und dann alleine lässt, ist nicht typisch für ihn.“ Eine melancholische Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Ran drehte sich erschrocken um, bemerkte Shiho, die sie mit blaugrünen Augen nachdenklich ansah, und hinter ihr Professor Agasa, der sie bedrückt anschaute. „Das ist es doch, was du sagen wolltest, nicht wahr?“ Die rotblonde Forscherin schaute sie fest an. Ran nickte unwillig. „Ja.“ Shiho seufzte, schulterte ihre Einkaufstasche, aus der Karottengrün ragte. „Ist es auch nicht. So sehr, wie er dich…“ Sie brach ab, biss sich auf die Lippen, als sie Rans schnelles Kopfschütteln bemerkte, lächelte bitter. „Denkst du immer noch an ihn?“ Ran zögerte kurz. „Ja. M-manchmal.“ Sie versuchte, Shihos Blick standzuhalten, schaffte es nicht. Die junge Frau lächelte spitzbübisch. „Manchmal, soso.“ Agasa gab ihr einen leichten Rempler. „Shiho. Sei nicht so gemein. Und tu nicht so, als würdest du nicht an ihn denken.“ Sie warf ihm einen schrägen, fast warnenden Blick zu, dem der alte Mann geschickt auswich, indem er sich an Ran wandte. „Wir alle tun das, Ran. Nicht auf die gleiche Weise wie du, wohl.“ Er lächelte sie großväterlich an. „Aber es war nicht typisch für ihn. Und ich mache mir Sorgen, wie es ihm geht. Er sah nicht gut aus, an dem Tag. Und ich denke, wo immer er auch ist, richtig gut gehen kann es ihm nicht… nicht nach diesem Desaster. Nicht mit dem Gedanken, dass er Schuld an deinen Verletzungen war, und dem Wissen, dass sie immer noch da sind. Und sie werden ihn suchen, irgendwann. Sie wollten dich in seinen Arme sterben lassen, Ran. Das hat einen Grund – und eine Konsequenz.“ Ran warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. Das milde, gütige Lächeln war von seinen Zügen verschwunden. „Ihn einfach nur zu töten war ihnen nicht Strafe genug. Deshalb ließen sie ihn sein Versagen erleben, als sie dich angriffen. Und damit diese Tat ihre Wirkung ordentlich entfalten konnte, haben sie ihn nicht gleich nach dir umgebracht. Das wäre wohl fast einer Erlösung gleichkommen – zumindest für ihn, in dieser Situation. Also, was passiert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn laufen lassen, welcher Rest auch immer noch übrig ist von ihnen. sie werden ihn finden. Und ihn jagen, wenn es soweit ist. Wer weiß, ob…“ Der alte Professor schluckte hart. Shiho fing an zu frösteln, schlang sich ihre Arme um den Oberkörper, krallte ihre Finger in den weichen Tweed ihres Dufflecoats. Ran musterte sie eindringlich; ihr war die Angst in ihren Augen nicht entgangen, als das Gespräch auf die Organisation gekommen war. Shiho hingegen schluckte, ihre Augen fest auf das Haus gerichtet. Dann schüttelte sie den Kopf, lächelte zynisch. „Ich fürchte, es wird dem Dummkopf egal sein, wenn er es nicht gleich herausfordert, dass sie ihn vor seiner Haustür abknallen.“ Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Wenngleich mich wundert, dass sie sich die Zeit nehmen und dieses Risiko eingehen wollen, um ihn zu vernichten. Normalerweise sind sie nicht so geduldig – andererseits hat er die Organisation zerstört, all ihre Namen und Gesichter öffentlich gemacht, sie werden weltweit gesucht. Da nimmt man sich wohl gerne die Zeit, um etwas ordentlich zu machen…“ Sie lächelte bitter, schlang ihre schlanken Arme um ihren Oberkörper, grub ihre Finger in die großen Maschen der Strickweste, die sie trug. „Aber ich wüsste doch gerne… wo er ist. Was er macht.“ Dann drehte sie sich zum Professor um, nahm ihm eine der Einkaufstüten aus der Hand. „Nun denn, Ran, es ist kühl; möchtest du mit reinkommen und mit uns essen?“ Ran schaute sie an, überlegte kurz, ehe sie dankend ablehnte. „Nein… ich hab Paps versprochen, heute für ihn zu kochen. Aber Danke für das Angebot! Ich wünsche euch beiden einen schönen Abend…“ Sie griff ebenfalls nach ihrer Einkaufstüte, wandte sich zum Gehen, als ihr ein Gedanke kam.“ „Shiho?“ Die rotblonde Forscherin hob eine Augenbraue. „Hm?“ „Hör zu, ich weiß, das kommt plötzlich… aber wir fliegen nach London. Ah… morgen. Hast du Zeit? Wir hätten noch einen Platz im Zimmer, Sonoko und Kazuha fliegen auch mit. Nur den Flug für dich müssen wir noch buchen.“ Shiho starrte sie an, erstaunt ob des abrupten Themawechsels. „Was?“ „Hast du Lust? Sonoko hat uns heute damit überfallen. Sie meinte, ich bräuchte Urlaub. Und wenn ich dich so ansehe… könntest du den auch brauchen.“, fing Ran wieder an. Shiho schaute sie an – Ran konnte die Unentschlossenheit in ihren Augen deutlich erkennen. „Überlegs dir einfach und ruf‘ mich bald an. Wir fliegen ja schon morgen abend.“ Sie lächelte freundlich. Shiho schaute sie an, merkte, wie ihr bei diesem Lächeln bitter aufstieß; nickte dann nur, und verfolgte Ran, die ihnen zuwinkte und sich dann umdrehte, um nach Hause zu gehen, stumm mit ihren Augen. Agasa neben ihr sah sie ernst an, schüttelte den Kopf. „Wann willst du ihr denn sagen, in welchem Zustand er vor seiner Abreise aus Tokio wirklich war…?“ Shiho schluckte hart, zuckte ertappt zusammen, vermied es jedoch, dem alten Mann in die Augen zu sehen. „Gar nicht. Ich weiß selbst nicht, wo er ist, das wissen Sie, seine Eltern sagen nichts, gehen nicht mal ans Telefon, wenn sie Ihre oder meine Nummer sehen. Ich würde ihr nie solche Angst machen wollen, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, wie viel dran ist…“ Ihre Stimme versagte. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging ins Haus. Agasa folgte ihr stumm. Wenige Minuten später stand Ran vor ihrer eigenen Haustür; zumindest war sie das für lange Jahre gewesen. Ihre Augen schweiften über die Fensterreihe der ehemaligen Detektei; als Shinichi gegangen war, war sehr schnell klar geworden, wer die Fälle ihres Vaters wirklich gelöst hatte. Die Detektei hatte keine vier Wochen überlebt; etwas, das ihren Vater auf die Palme gebracht hatte, und seinen Hass auf ihren ehemaligen besten Freund noch mehr geschürt hatte. Sie hatte es ihm nicht mal übel nehmen können; die Sache mit dem „Schlafenden Kogorô“ war wirklich mehr als dreist. Er hatte sich nicht einmal dafür entschuldigt. Sie seufzte leise, als sie die Taschen kurz abstellte, um nach ihrem Schlüssel zu fischen. „Ach, Shinichi…“ Ihr Vater arbeitete mittlerweile wieder bei der Polizei, der Mythos des schlafenden Meisterdetektivs war eingeschlafen, heimlich, still und leise. Sie schüttelte den Kopf, lächelte bitter. „Allein dafür würde er dir den Kopf abreißen, wärst du in seiner Reichweite.“ Als sie schließlich in der Wohnung ankam, wartete eine Überraschung auf sie; ihre Mutter war da. Ran zog eine Augenbraue hoch, als sie die Schuhe ihrer Mama sowie wie ihre Jacke in der Garderobe fand; und so schloss sie erst einmal leise die Tür. Allerdings nicht leise genug; kaum war die Tür mit leisem Klacken ins Schloss gefallen, trat ihre Mutter auch schon aus dem Wohnzimmer in den Flur. „Ran!“ Sie ging ihr entgegen, umarmte ihre Tochter. „Auf dich hab ich gewartet, künftige Juniorpartnerin.“ Eri lächelte breit. „Dein Vater hat mir erzählt, Sonoko, du und Kazuha wärt einkaufen gewesen für die Wohnung. Habt ihr was gefunden?“ Ran lächelte sie an, schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht so richtig. Dafür… haben wir etwas anderes geplant.“ Sie folgte ihrer Mutter in die Küche, wo ihr Vater gerade Kaffee kochte. „Hallo, Mausebein.“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Was habt ihr geplant?“, fragte skeptisch. Er kannte Sonokos Pläne, und selten fanden sie seinen Gefallen. „Wir machen Urlaub in Europa. Morgen fliegen wir nach London.“ Ran schaute von ihrer Mutter zu ihrem Vater. „Sehr gute Idee.“ Eri nickte zustimmend, nahm wieder auf einem der Stühle Platz, schlug ihre langen Beine elegant übereinander. „Du kannst ein wenig Erholung gebrauchen. Aber wie kommt ihr ausgerechnet auf London?“ „Ja.“, murmelte Kogorô mürrisch. „Wäre ne andere Stadt nicht besser zum Erholen als die erklärte Lieblingsstadt dieses Westentaschensherlockholmes?“ Ran, die sich gerade eine Tasse aus dem Schrank nehmen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne, ließ ihre Hände sinken. „London ist eine Stadt wie jede andere.“ Ihre Stimme klang ernster, als sie es beabsichtigt hatte. „Sicher, Ran, aber…“ „Außerdem ist schon alles gebucht. Bestimmt wird es prima. Im Übrigen arbeitet Heiji da drüben an einem Fall, deshalb fliegen wir auch hin. Kazuha…“ „…will ihren Romeo anscheinend beschatten…“, grinste Kogorô säuerlich. „…will Heiji da drüben besuchen. Eine Überraschung.“, fuhr Ran unbeirrt fort, tat so, als hätte sie ihren Vater nicht gehört. Eri warf Kogorô einen strengen Blick zu. „London ist eine schöne Stadt, Ran, lass dir von deinem Vater nicht die Laune verderben.“ Sie warf ihrer Tochter einen fragenden Blick zu. „Also fühlst du dich fit…?“ „Um im September anzufangen bei dir im Büro?“ Ran lächelte zum ersten Mal; Aufregung färbte ihre Wangen rot. „Natürlich! Ich kann es, offen gestanden, kaum erwarten! Endlich mitten drin zu sein, statt nur dabei… eigene Mandanten vertreten,…“ Sie wollte gerade voller Begeisterung weiterreden, als ihr Handy klingelte. Sie griff danach, und warf nach einem Blick auf ihr Handy ihren Eltern einen entschuldigenden Blick zu. „Entschuldigt. Es ist Shiho, ich geh mal kurz ran.“ Damit verschwand sie aus dem Zimmer. Hinter ihr fiel die Tür zu. Eri seufzte, zog dann eine Augenbraue missvergnügt hoch. „Musstest du damit anfangen? Du weißt, wie sehr sie ihn vermisst. Wie sehr sie ihn immer noch liebt, insgeheim.“ Ihre Stimme war leise, kaum lauter als ein Wispern, damit Ran sie nicht hörte. Sie schwiegen kurz, hörten sie entfernt ins Handy sprechen. Kogorô schluckte. „Ich weiß. Und ich würde mir wünschen, es wäre nicht so. Ich frage mich, was der Kerl an sich hatte, dass sie ihm derart verfallen ist.“ „Das kann ich dir sagen.“, murmelte Eri sacht; ein feines Lächeln hatte sich auf ihre Lippen geschlichen. „Das brauchst du mir nicht sagen.“, meinte Kogorô düster. Um seine Mundwinkel spielte ein sarkastisches Grinsen, in seinen Augen funkelte Ablehnung wie und je, wenn es um ihn ging. „Shinichi Kudô war ein Typ, dem der Hauch der Gefahr anhaftete, die Aura des Geheimnisvollen umwehte, schlauer war, als es die Polizei erlaubte und jedem um ihn herum, ihn selbst eingeschlossen, guttat… der einigermaßen gut aussah, und sich gut verkaufen konnte… darauf steht ihr Frauen doch.“ Eri schaute ihn an, fast mitleidig, schüttelte milde lächelnd den Kopf. „Nein, Kogorô.“ Sie seufzte, strich sich müde über die Augen; ihr Blick war ernst, und auch ihre Stimme, als sie sprach. „Er hat sie geliebt. Und sie das immer spüren lassen, noch bevor er es sagen konnte oder auch nur dachte. Auch wenn wir das nicht sehen wollten, er war immer da für sie, fand immer einen Weg. Deshalb liebte sie ihn. Liebt sie ihn immer noch. Du bist ihr Vater, sie ist deine kleine Prinzessin, du wolltest und willst sie nie gehen lassen; Shinichi hätte tun und lassen können, was er wollte, er hätte es dir nicht Recht machen können. Dass es dann auch noch so gekommen ist…“ Sie stand auf, strich den fliederfarbenen Rock ihres Kostüms glatt, den Blick immer noch auf die Tür geheftet. „Kogorô, ich frage mich, ob wir es ihr nicht sagen sollten. Dass er damals nicht freiwillig ging. Dass… dass du ihm erzählt hast, sie wäre…“ Sie hielt inne, als das freudige Geplapper Rans draußen abbrach und sich Schritte näherten. „Nein.“, murmelte Kogorô, schaute stur auf die Tischplatte. „Ich lass nicht zu, dass ihr wegen ihm noch einmal ein Leid geschieht. Dass er sie nochmal in Schwierigkeiten bringt. Sie ist fast gestorben. Viel hätte nicht gefehlt, das weißt du, wir hatten unglaubliches Glück…“ „Aber…“, zischte Eri scharf. In ihren Augen stand ihr Unwille überdeutlich zu lesen; allerdings ließ ihr Ehemann sie nicht ausreden. „Du siehst, was das aus ihr gemacht hat! Ran ist… ist nicht mehr Ran. Nicht mehr glücklich, nicht mehr selbstsicher, nicht mehr die Ran, die sie einmal war, und wir…“ „Ja, weil sie glaubt, er habe sie verraten, hätte-…!“ „Nein.“ Er stand auf, in seinen Augen glitzerte eine Kälte, die sie bei ihm selten sah. „Und das ist mein letztes Wort, Eri. Du weißt, dass es so besser ist. Sie wird ihn vergessen. Früher oder später. Und wenn es soweit ist, wird sie mir dankbar sein. Und du kennst ihn... er ist... ein selbstbewusster Kerl, und doch ohnehin seiner Arbeit verfallen. Vielleicht hat er sie längst vergessen.“ Damit verließ er die Küche, zündete sich im Gehen eine Zigarette an und verzog sich ins Wohnzimmer, schaltete den Fernsehapparat ein. Die Anwältin schüttelte den Kopf, biss sich auf die Lippen. Sie wusste, Kogorô machte sich Gedanken um Ran, vielleicht sogar um Shinichi. Und er log, wenn er behauptete, er überlegte nicht, ob er Ran reinen Wein einschenken sollte, endlich… denn Fakt war, nach fünf Jahren hatten sich seine Hoffnungen nicht erfüllt, und waren auch noch weit entfernt davon, es je zu sein. Die Hoffnung, dass sie glücklich wurde. Die Hoffnung, dass sie wieder wurde wie früher; dass sie es endlich hinter sich ließ, dieses Gefühl des Verlassenwordenseins, zusammen mit dem Gefühl von Minderwertigkeit, das damit einherging… Die Hoffnung, dass sie Shinichi Kudô vergaß. Tatsache war wohl, sie würde ihn nie vergessen. Und ihre seelischen Wunden würden es ihren körperlichen erst dann gleichtun und heilen, wenn sie es endlich wusste… dass er sie geliebt hatte, dass er nicht freiwillig gegangen war. Wenn es nun aber Ran schon so verändert hatte,… was war dann aus ihm geworden? Eri schluckte, zog sich die Brille von der Nase, strich sich mit einer Hand über die Augen, und fragte sich, warum sie eigentlich immer noch schwieg. Es war nicht richtig. Was für ein Leben führst du, Shinichi Kudô, in dem Glauben, Schuld zu sein am Tod der Liebe deines Lebens… Haben wir das Recht, dir das anzutun? Du weißt es offenbar immer noch nicht… sonst wärst du längst hier. Hättest dich doch sicher bei ihr gemeldet. Also lebst du noch immer mit dem Gedanken, dass sie damals in deinen Armen gestorben ist. Aber auch wir sind nur Eltern… wir lieben unsere Tochter. Wollen, dass sie sicher ist, wollen sie nicht verlieren… Du musst das wohl verstehen. Ich weiß nicht, ob du das kannst. Ganz sicher weiß ich, dass wir das eigentlich nicht von dir verlangen dürfen. _______________________________________________________________________________ Hallo Leute! Bitte entschuldigt das Malheur von letzter Woche. Ich wollte eigentlich nur den Vorwortstext umstellen – und hab damit aus Versehen die Bearbeitungsquota überschritten, weshalb mein Kapitel noch einmal zur Freischaltung wanderte. Ich hoffe, ihr konntet es dennoch genießen – und dieses hier auch! Zur Entschädigung gibt’s in meinem Blog eine kleine Vorschau auf nächste Woche. Es wird spannend – denn langsam holt den guten Sherlock Holmes die Vergangenheit ein! Kommentieren net vergessen, Leute – ehrlich, das motiviert mich einfach ungemein, deshalb wärs lieb, wenn ihr euch die Zeit nähmt, ein paar Worte zu hinterlassen über Dinge, die euch gefallen haben und Dinge, die euch weniger zusagten. Beste Grüße, eure Leira Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)