An Illusion of Happiness von HunterDean (Sergio Ramos x Fernando Torres) ================================================================================ Kapitel 1: London ----------------- Es dunkelte bereits, als Sergio das Hotel verließ und sich ein Taxi nahm. „Hierhin bitte.“ Er reichte dem Fahrer einen Zettel, auf dem er die Adresse seines Zielortes notiert hatte. Der Mann betrachtete zuerst das kleine Stück Papier, dann Sergio im Rückspiegel. Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht. „Sie sind Sergio Ramos!“, rief er aus. Sergio seufzte. Er hätte eine Sonnenbrille anziehen sollen. Darauf hatte er wegen der Dunkelheit verzichtet, doch womöglich wäre er auch damit nicht unerkannt geblieben… „Ich kenne auch das Haus zu dem Sie wollen! Dorthin ist doch vor kurzem unser 'bester Stürmer' hingezogen!“ Sergio lächelte höflich, auch wenn ihm nach einer schnellen Beendigung dieses Gespräches zu Mute war. Er fürchtete der Mann würde ihn auf seine Freundschaft mit Fernando Torres ansprechen, doch zu seinem Glück blieb ihm diese Situation erspart. Der Taxifahrer begann über den FC Chelsea und die letzte Saison zu reden. Hin und wieder ließ er durchschimmern, dass er trotz Rücksichtnahme auf seinen berühmten Mitfahrer, nicht sehr viel von Fernando Torres‘ Leistung hielt. Zumindest aktuell nicht, betonte er. Früher sei er ja besser gewesen, aber jetzt – „Keine Ahnung was mit ihm los ist! Womöglich hat er mit seinen dreißig Jahren genug vom Fußball.“ Sergio verspürte das Bedürfnis Fernandos Ehre zu verteidigen, doch unterdrückte es mit aller Gewalt, wie er es häufig tat, um zu verhindern, dass unerwünschte Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. Ein großes Maß an Selbstbeherrschung war dafür nötig, die Sergio bis zur Verzweiflung trainiert hatte, denn normalerweise gab es weitaus penetrantere Leute abzuwehren als neugierige Taxifahrer. Trotzdem war er heilfroh, als er endlich aus dem Auto steigen durfte. Der Fahrer setzte ihn direkt auf der Türschwelle ab, sagte er solle dem Herrn Torres einen schönen Gruß ausrichten und verschwand in der dunkler werdenden Frühsommerdämmerung. Dann stand Sergio da. Für einen Moment betrachtete er nur die Mauern des neuen Hauses, das er bisher noch nie gesehen hatte. Fernando hatte zuvor in einer kleinen Großstadtwohnung gelebt, doch nun waren seine Kinder älter, ihre Bedürfnisse hatten sich verändert und so war seiner Frau und ihm die Entscheidung für ein Haus nicht länger schwer gefallen. An den weißen Mauern schlängelten sich Efeukränze hinauf. Die Eingangstreppe war schmal und mit Tonfließen verkleidet. An der Tür hing ein Kranz auf dem „Welcome“ stand. Ein ganz normales Einfamilienhaus. Wenn man es nicht wusste, wäre man niemals auf die Idee gekommen, dass hier ein Superstar wohnte. Fernando hatte es schon immer normal und bescheiden gemocht… Sergio trat langsam näher und holte etwas aus seiner Tasche, das kläglich die Blätter hängen ließ. Eine einzelne rote Rose, die er kurz nach seiner Ankunft gekauft hatte. Ihr Anblick machte ihn traurig. Genau genommen hatte er einen riesigen Strauß Rosen besorgt und sie im Hotel zurücklassen müssen. Dass er unmöglich damit zum Haus von Fernando Torres fahren konnte, war ihm erst klargeworden, als er beinahe schon das Hotel verlassen hatte. Er hoffte, dass Fernando die Geste verstand, auch wenn die Blume nur noch ein Schatten ihrer einstigen Schönheit war. Er strich sein Hemd glatt, betrachtete ein letztes Mal seine Frisur, die sich im Glas der Türfenster spiegelte, und drückte schließlich den Klingelknopf. Sein Herz begann zu rasen. Nervosität packte ihn. Seine Hände wurden feucht. Doch er empfand den Gipfel der Freude. Eine halbe Ewigkeit war es her seit er Fernando leibhaftig begegnet war. Eine lange, anstrengende Saison lag hinter ihnen und da sie nun in verschiedenen Ländern spielten, trafen sie nur noch selten aufeinander, wenn sie nicht gerade zufällig in der Championsleague gegeneinander antraten. Leider war es diese Saison nicht dazu gekommen und auch das Training der Nationalmannschaft hatte sie nicht zusammengebracht, da Fernando verletzungsbedingt in London hatte bleiben müssen. Ebenso unmöglich erschien es an einem freien Wochenende eine Privatreise zu machen; es war für Frauen und Kinder reserviert, die nichts von der Beziehung ihrer Männer wussten. Nur selten gab es Tage, an denen sowohl Sergios Freundin, als auch Fernandos Familie außer Haus war und sie mal wieder Zeit miteinander verbringen konnten. Drinnen erschien ein Schatten hinter der Türe, Fernandos Schatten. Dann endlich öffnete sie sich und Fernando und Sergio standen sich gegenüber. Jedes Mal, wenn sie sich längere Zeit nicht gesehen hatten, kam er Sergio schöner vor. Er stellte sich ihn so oft vor; sein feines, schmales Gesicht übersäht von Sommersprossen, die verträumten, braunen Augen und seinen anmutigen, athletischen Körper… Doch jedes Mal musste er von neuem feststellen, dass seine Vorstellungskraft nicht ausreichte, um Fernandos wunderbares Wesen zu rekonstruieren… Es war ihm als würde Fernando nie altern. Er musste in irgendeiner Phase seiner Entwicklung stehen geblieben sein, nur so konnte er sich erklären, dass Fernandos Gesicht sich seit dem 17. Lebensjahr kaum verändert hatte. Was sich jedoch häufig änderte, war seine Frisur. Er hatte sie wohl seinem neuen Lebensgefühl angeglichen, denn die blonde Mähne aus Sergios Erinnerung, war einer Radikalrasur unterzogen worden und erinnerte nun an den Look der ehemaligen englischen Arbeiterklasse. Sie kontrastierte mit seinem eleganten, schmal geschnittenen Anzug, der zu ihrer gemeinsamen Tradition gehörte, denn sie hatten sich vorgenommen jedes ihrer wenigen Treffen zu etwas Feierlichem zu machen. Ohne zu zögern nahmen sie sich in den Arm und drückten sich so fest sie konnten. Sergio wollte seinen Freund nie mehr loslassen. Sein Herz schien zu explodieren. Er konnte gar nicht mehr klar denken. Fernando wieder bei sich zu haben, ihn zu fühlen und zu berühren war einfach das Größte. Ohne ihn loszulassen taumelte er zur Türe hinein und schlug sie mit dem Rücken zu. Dann war die Öffentlichkeit weggesperrt und es gab nur noch ihn und Fernando. Während er ihm tausend Dinge ins Ohr flüsterte, die er verlangte zu sagen, legten sich seine Hände um Fernandos Gesicht, um ihre Lippen zueinander zu führen. Fernando küsste ihn und lehnte ihn gegen den Türrahmen. Seine Zunge glitt heiß und sanft an seiner eigenen entlang und Sergios Körper bebte vor Erfüllung. Er betrachte Fernando vorsichtig. Seine geschlossenen Augen, wenn er ihn küsste… sie wirkten engelsgleich. „Ich hab dich so vermisst...“, flüsterte Sergio immer wieder. Da schmeckte er etwas Salziges an seiner Lippe und erkannte Tränen auf Fernandos Wange. An seinem Rücken vergruben sich seine Hände tief in Sergios Hemd. „Es ist so schön, dich wiederzuhaben…“, flüsterte Fernando. „Nando, wein doch nicht…“, entgegnete er und küsste Fernandos zarte Haut, wo die Tränenspuren schimmerten. Fernando schüttelte den Kopf. „Ich weine vor Freude...“, wisperte er. Eine halbe Stunde verging, bis sie es schafften sich voneinander zu lösen. Sergio rückte seine Krawatte zurecht und gab Fernando nun die Rose. Anstatt ihren Zustand zu bemängeln, trat ein warmherziges Lächeln in sein gerötetes Gesicht. „Eine Edelrose… Sie ist wunderschön.“, sagte er und vergrub seine Nase einen Moment lang in ihren Blüten. Fernando hatte eine besondere Beziehung zu Blumen; dass er sie auf Anhieb klassifizieren konnte, war keine Besonderheit… „Kaum so schön wie du…“, sagte Sergio und betrachtete ihn verliebt. Fernando streckte die Hand nach ihm aus. „Komm mit.“, sagte er lächelnd. „Ich möchte dir auch etwas geben…“ Erwartungsvoll ließ sich Sergio von Fernando ins Esszimmer führen. Im Halbdunkel flackerten Kerzen. Leise, spanische Musik erfüllte den Raum und es duftete nach Essen. Der Tisch war gedeckt. Fernando hatte sich viel Mühe gegeben für ihn, das sah man sofort. An der Art, wie die Servierten gefaltet und die Tischdekoration angerichtet war… Neben Sergios Teller stand eine Flasche von Sergios Lieblingsbier aus Andalusien, das man nicht einfach in jedem beliebigen Supermarkt kaufen konnte. Fernando musste es ihm zu liebe importiert haben. Außerdem lag da ein Geschenk. Sergio wusste gar nicht was er sagen sollte. „Setz dich schon mal, ich hole das Essen.“, erklärte Fernando und kam mit der Vorspeise zurück. Während er wartete, bis sein Freund zurückkam, kam sich Sergio vor wie der seligste Mensch auf Erden. Kein Ereignis in seinem Leben konnte mit diesem Glück konkurrieren. Nicht einmal das Gefühl die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Fernando bedeutete ihm mehr als Fußball. Mehr als sein alltägliches Leben. Er war alles für ihn. Hätte das Abendessen nicht so gut geschmeckt, wäre es trotzdem das allerbeste für Sergio gewesen, weil Fernando es für ihn zubereitet hatte. Tatsächlich brachte er großen Hunger mit. Seit seiner Ankunft hatte er kaum etwas gegessen, was Fernando geahnt haben musste. Im Gegensatz zu den meisten Menschen in seinem Leben, die nur auf ihre eigenen Bedürfnisse achteten, wusste Fernando genau was Sergio brauchte. Er interessierte sich nicht für die Fassade, die andere an ihm bewunderten, sondern für den Menschen dahinter. Er konnte ihn richtig einschätzen, denn er war ihm manchmal sogar ziemlich ähnlich. Nach dem Essen stießen sie mit Wein an und erzählten sich die vielen Geschichten, die sie sich täglich über What’s App schrieben noch einmal von Angesicht zu Angesicht. So erschien der ein oder andere Witz noch lustiger, die ein oder andere Geschichte aus ihrem Leben noch unterhaltsamer. Während sie redeten legten sich ihre Hände auf dem Tisch ineinander. „Darf ich jetzt das Geschenk aufmachen?“, fragten Sergios braune Augen und glitzerten erwartungsvoll. Seine Stimme hatte einen heiseren, süßlichen Ton angenommen. Der Wein beruhigte ihn und forderte seine romantische Seite heraus, die im realen Leben selten zum Ausdruck kommen konnte. Fernando nickte und beobachtete, wie Sergio daraufhin, ungeduldig wie ein Kind, das anthrazit-farbene Papier auseinanderriss. Zum Vorschein kam ein eleganter schwarz-grauer Wollschal. Sergio konnte sich kaum halten vor Begeisterung. Es war immer eine gute Idee ihm etwas Modisches zu schenken. Er wickelte ihn gleich um den Hals. „Schön, dass er dir gefällt…“, sagte Fernando erleichtert. Es stellte sich heraus, dass Fernando während einer langen Verletzungspause stricken gelernt und ihn selbst gemacht hatte. Sergio war beeindruckt. Diese Tatsache machte das Geschenk noch viel wertvoller. „Wie soll ich dir danken, Fernando…“ Hingebungsvoll küsste er Fernandos Hände. „Würdest du mit mir tanzen?“ Sergio liebte es mit Fernando zu tanzen. Er war ein hervorragender Tänzer. Obwohl sich Fernando Mühe gab Sergios Leidenschaft zu teilen, konnte er sich nicht halb so gut bewegen, doch um seinem Freund einen Gefallen zu tun, willigte er ein. Zumal er ahnte, dass sich bei diesem Tanz nicht alles um die richtige Schrittabfolge drehen würde… Fernando lehnte sich an Sergios Körper und schloss die Augen. Leise atmete er den Duft seines Parfums ein und genoss die Wärme seiner Schulter. Sergio hielt seine Hand und führte ihn. Fernando begab sich vollkommen in seine Hände, so wie er es bei niemand anderem tat. Bei Sergio fühlte er sich wohl und vertraut. Lange tanzten sie, hielten sich eng umschlungen und genossen den Einklang ihrer Herzen zum Takt der Musik. Hin und wieder entstanden unendliche, zärtliche Küsse und weckten eine tiefe Leidenschaft. „Lass uns zu Bett gehen…“, flüsterte Fernando. Mit diesen Worten biss er sanft in Sergios Ohrläppchen. Er bekam eine Gänsehaut, die ihm durch Mark und Bein fuhr und sah Fernando mit verschwommenem Blick an. Wenn er ehrlich war konnte er es kaum erwarten. Gemeinsam räumten sie den Tisch ab, schalteten alle Lichter im Wohnzimmer aus und machten sich auf den Weg in Fernandos Schlafzimmer. „Schön habt ihr’s hier.“, meinte Sergio und streifte seine Weste ab. „Wir schlafen in eurem Ehebett?“, scherzte er. Er musterte das große, weiß bezogene Bett, das den Raum mit einem frisch gewaschenen Geruch erfüllte, als habe nie zuvor jemand darin gelegen. Fernando zog gerade seine Socken aus und lachte kopfschüttelnd. „Nein, das hier ist das Gästeschlafzimmer.“ Sergio grinste. Natürlich hatte er nicht ernsthaft geglaubt, dass Fernando mit ihm in seinem Ehebett schlafen wollte. Als Fernando im Bad verschwand, nutzte Sergio die Zeit, um sein Haar auszubürsten und seiner Freundin eine „Gute Nacht“ Sms zu schreiben. Pilar war beruflich im Ausland unterwegs, doch egal wo sie sich befand, sie bestand darauf an Tagen der Trennung wenigstens eine Nachricht von ihm zu bekommen. Sergio gab sich Mühe Pilars Wünsche zu erfüllen, auch wenn er viel von sich aufopferte, damit er mit ihr zusammen sein konnte. Sie war eine Frau mit Klasse. Ein super Fang. Als er zum ersten Mal mit ihr zu einem Event gegangen war, hatte sich die Öffentlichkeit voller Begeisterung auf sie gestürzt. Zuerst war sie nicht mehr für ihn gewesen, als seine Scheinbeziehung, ein Teil seiner Arbeit. Doch irgendwann hatte er begonnen sie lieb zu gewinnen. Irgendwann war das Schauspiel nicht mehr ganz so schwer gewesen. Nun war sie seine beste Freundin, die mit ihm durch dick und dünn ging, wie kaum jemand anders, auch wenn sie niemals alles über ihn wissen durfte. Zweifelsohne empfand er ein Gefühl der Liebe für sie, doch für ihn war es vergleichbar mit der Zuneigung zu einer Schwester. Der Sex war purer Sex, nichts mehr und nichts weniger. Nichts verglichen mit dem, was er fühlte, wenn er mit Fernando schlief. Manchmal dachte er an ihn, wenn er versuchte ihr Liebe zu geben. Er dachte an all das, was in ihm vorging wenn er mit Fernando zusammen war und spielte es für sie ab. Ihm kam es vor wie ein schlechter Film, doch sie glaubte daran und er fühlte sich oft wie ein Heuchler. Er wusste, dass es Fernando genauso ging, doch weder Sergio noch er waren in der Lage der Situation zu entkommen… Gerade in diesem Moment, als sich Sergio aufs Bett legte, um auf Fernando zu warten, schossen ihm so viele Dinge durch den Kopf. Viele Träume, die er hoffte eines Tages mit seinem Liebsten leben zu können… Es war der Moment, als sich Fernando, nur noch in Boxershorts, neben ihm aufs Bett niederließ und die Nachttischlampe anschaltete. Sergio setzte sich auf, legte die Hände von hinten um seine schlanke Hüfte und verwickelte ihn in einen tiefen Kuss, der die Luft knisternd heiß werden ließ. „Ich bin gleich wieder bei dir…“, flüsterte Sergios Stimme rau und Fernando ließ ihn nur widerwillig ins Bad verschwinden. Seine Lippen brannten noch auf seiner Haut, als Fernando vorsichtig den Ehering vom Finger streifte und ihn auf den Nachttisch legte, wie eine Befreiung von den Lasten des Alltags und den Verpflichtungen dieses Bundes. Heute Nacht wollte er, gemeinsam mit Sergio, das sein was er schon immer gewesen war: ein schwuler Mann. Manchmal, wenn sie längere Zeit getrennt waren, begann er zu glauben, dass alles ganz gut sei, wie es war. Hin und wieder lebte er so sehr in seiner Rolle als heterosexueller Familienvater, dass er ganz vergaß, was er eigentlich begehrte. An anderen Tagen weinte er still. Einmal, als der Druck zu groß geworden war, passierte es ihm vor den Augen seiner Frau. Völlig unbegründet hatten die Tränen ihren Weg auf seine Wangen gefunden, während sie sich über ein banales Thema unterhalten hatten. Bis zum heutigen Tag hatte er ihr diesen Ausbruch nicht erklären können, es auf den Stress des Fußballalltags geschoben… Niemand wäre auf den eigentlichen Grund seines Leidens gekommen. Fernando war sehr verschlossen. Es gab kaum jemandem, dem er sich wirklich öffnete. Selbst mit Sergio hatte es Zeit gebraucht. Als dieser zurückkehrte und sah, dass Fernando seinen Ehering abgestreift hatte, löste er die Kette von seinem Hals, die Pilar ihm geschenkt hatte. Auch er wollte frei sein von jeglichem Ballast, der ihn davor hindern konnte sich Fernando völlig hinzugeben. Fernandos Blick wanderte entlang seines anmutigen Körpers. Er war ein Kunstwerk, all die vielen wohlplatzierten Tätowierungen (von denen einige Fernando gewidmet waren) auf seiner karamellfarbenen Haut… Seine Augen füllten sich mit Verlangen und er legte sich neben Sergio, der lächelnd einen Arm um Fernandos Körper schlang. Sie begannen sich zu berühren. Fernando war sensibel und schnell erregt. Sein Körper glühte und sein Atem zitterte, obwohl kaum etwas geschehen war. Sergio wusste wieso. Fernando bekam selten, wonach ihm verlangte. Er hatte mehr Schwierigkeiten sich in sexueller Hinsicht auf seine Frau einzulassen als Sergio. Es fiel ihm nicht leicht ihr Geschlecht auszublenden und sich auf die Vorgänge zu konzentrieren, die bei Männern und Frauen gleichermaßen funktionierten. Seit das zweite Kind auf der Welt war, hatte Fernando zwar weniger Sex mit ihr, bekam jedoch trotzdem nicht das, was er eigentlich brauchte. Er fand es nur bei Sergio. Seit ihm Fernando irgendwann einmal davon erzählt hatte, genoss er das Gefühl der einzige zu sein, der ihn vollkommen befriedigen konnte. Er fühlte sich so selbstsicher, wenn er Fernando berührte. Er wollte jeden Zentimeter seiner glühenden Haut mit Küssen übersähen, während Fernandos Brust unter ihm erbebte. Dann war er der Mann, der er sein wollte. Der Mann, der es wert war von einem Menschen wie Fernando Torres mit Haut und Haaren geliebt zu werden. Sergios volle Lippen legten sich behutsam um Fernandos Erektion, wanderten nur ein paar Mal auf und ab und schon ergoss er sich schnell und heftig in seinen Mund. Es würde nicht das letzte Mal sein, wie Sergio mittlerweile aus Erfahrung wusste und so dachte er nicht daran aufzuhören. Fernando legte den Kopf in den Nacken und keuchte, überstand einen kleinen Moment der Qual, da seiner Erektion nicht erlaubt wurde abzuschwellen, und fühlte schon bald das nächste, umso intensivere Verlangen in sich aufsteigen. Er schloss die Augen und stöhnte leise. Seine Stimme schwang sinnlich in Sergios Ohren. Gleichzeitig berührte Fernandos Hand seinen Arm und signalisierte ihm, dass er es Sergio gleich tun wollte. Also drehte er seine Hüfte in Fernandos Richtung. Als er Fernandos weiche, heiße Zunge spürte entkam ihm selbst ein kehliges Stöhnen. Das sanfte Kribbeln und Kitzeln, das von ihr ausging, durchfuhr seinen ganzen Körper. Er bewegte sich in langsamen Stößen auf Fernando zu und steigerte sein Verlangen ins Unermessliche. Dann fühlte er Fernandos Zunge zwischen seinen Pobacken und hielt es nicht mehr aus. Er warf ihm einen lustvollen Blick zu, den Fernando gut kannte. Fernandos Hände zitterten als er nach einer Tube Gleitgel griff, die auf dem Nachttisch auf sie wartete. Er streifte hastig ein Kondom über und verteilte etwas Gel darauf. Dann wurde er von Sergio ins Bettlaken gedrückt, der sich über ihm platzierte und seine Hüfte langsam auf ihn niedersinken ließ. Fernando beobachtete wie er die Augen schloss und sich dem Gefühl hingab; seine schwarzen langen Wimpern, die vollen rosafarbenen Lippen, die feucht vor Erregung schimmerten und sich allmählich öffneten, um seinen Namen zu flüstern. Während Sergios Hände sich auf Fernandos angespannte Bauchmuskeln legten, begann er ihn zu reiten. Zuerst eindringlich langsam, um jeden Moment zu genießen, dann schneller und fordernder bis der Schweiß von ihren nackten Körpern perlte. Sergio kannte den Punkt, den Fernando treffen musste, um ihn zur Ekstase zu bringen und er wusste, wie er sich bewegen musste, um es ihm zu erleichtern. Als sie soweit waren setzte sich Fernando zu ihm auf und verlangte nach einem Kuss, auf den sie sich kaum konzentrieren konnten; beide eingenommen vom Gedanken an ihren bevorstehenden Orgasmus. Letztendlich packte ihn Fernando und hielt ihn fest in seinen Armen. Sergios biss erregt in Fernandos Nacken während seine Finger dessen kurzrasierten Hinterkopf entlangfuhren. Er spürte wie der Höhepunkt übermächtig auf ihn zurollte und ihn für einen Moment in eine andere Welt katapultierte, wo ein gleißend helles Licht anstelle von Zeit und Raum trat. Dann wich die Spannung aus seinem Körper und er brach keuchend in sich zusammen. Er fühlte Fernando in seinen Armen, erschöpft und verschwitzt. Noch immer in ihm, doch langsam abschwellend. Gefangen in ihrer engen Umarmung, beruhigten sie sich allmählich. Die Hitze wich aus ihren Körpern und während Sergio noch immer über Fernandos Schultern streichelte, begannen sie allmählich zu frieren. Sie krochen unter die Decke und wickelten sich eng ineinander. Den Kopf ins Kissen gebettet lagen sie noch eine Weile still da und betrachteten das friedliche Gesicht des anderen, aus dem für einen Augenblick der Alltagsstress verschwunden war. Sergio streichelte Fernandos Wange. Seine braunen Augen blinzelten und kitzelten, während er sich wie eine Katze gegen seine Hand schmiegte. So versank er bald in einen tiefen Schlaf, in den auch sein Freund mitfortgerissen wurde… Kapitel 2: Jasko ---------------- Als Sergio am nächsten Morgen erwachte, zeigte die Uhr gerade erst acht Uhr, doch das Bett neben ihm war zerknautscht und leer. Er hielt sich den leicht schmerzenden Kopf und setzte sich auf. Die Kopfschmerzen mussten ihrem gestrigen Weinkonsum zu verdanken sein… Er vertrug keinen Wein, nicht mal in geringen Mengen. Was Fernando betraf war er, im Gegensatz zu Sergio, eher ein Frühaufsteher, doch normalerweise blieb er wenigstens bis Zehn mit Sergio im Bett liegen. Er wäre gerne neben ihm aufgewacht, deshalb ärgerte er sich ein Bisschen. Doch Fernando hatte sicher seine Gründe. Um diese herauszufinden, hievte er sich nun schwerfällig aus dem Bett, machte einen kurzen Abstecher zur Toilette und wanderte im Bademantel nach unten zur Küche, wo Schritte und das Geklapper von Geschirr zu hören waren. Fernando machte Frühstück und bemerkte zuerst gar nicht, dass Sergio sich näherte, also beschloss er die Situation für sich auszunutzen und sich an ihn heran zu schleichen. Völlig unerwartet legte er dann die Arme um Fernandos Bauch, während dieser an der Kaffeemaschine stand. Er spürte Fernandos Körper zusammenfahren, dann ein tiefes Seufzen, als er bemerkte, dass es nur Sergio war. „Beinahe hätte ich die Tasse fallen lassen…“ Er lachte leise und drehte den Kopf über die Schulter, um Sergio anzusehen. „Warum bist du denn schon auf?“ „Die gleiche Frage wollte ich dir auch gerade stellen. Willst du dir nicht mal eine kleine Pause gönnen?“, fragte Sergio. „Ich finde es toll, dass du Frühstück machst, aber… ich will nicht, dass du auch noch ‚arbeitest‘, wenn ich da bin, Nando. Es sollen Tage der Entspannung für uns beide sein...“ Fernando drehte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. „Es macht mir nichts aus, Sergio… Ich tue das gerne für dich. Mach dir keine Sorgen deswegen. Wenn du dich darüber freust, dann ist es keine Arbeit für mich.“ Sergio legte die Arme um seine Schultern und musste lächeln. „Ich hätte mich auch gefreut noch ein Bisschen mit dir im Bett zu liegen…“, meinte er und machte einen Schmollmund. „Ehrlich gesagt, habe ich etwas Wichtiges zu erledigen und musste deshalb schon früher raus…“, gab Fernando schließlich zu. „Ich dachte du schläfst vielleicht bis ich zurück bin… Ich wollte dich nicht wecken.“ Sergio betrachtete ihn verwundert. „Was hast du denn um diese Uhrzeit zu erledigen? Trägst du nebenbei Zeitungen aus?“ Fernando lachte und reichte Sergio nun seine Kaffeetasse. Sie ließen sich an den Frühstückstisch nieder. „So ähnlich…“, erklärte Fernando. „Du weißt ja, Nora hat eine Allergie gegen Hunde und… da wir wahrscheinlich nie einen Hund halten können, betreue ich seit einigen Monaten einen Pflegehund aus dem Tierheim. Ich gehe jeden Morgen für ein paar Stunden mit ihm spazieren… je nach dem, wie viel Zeit ich habe.“ Die Sache mit der Hundeallergie hörte Sergio zum ersten Mal. Fernando glaubte wohl es schon einmal erwähnt zu haben, doch das hatte er ganz sicher nicht. Stattdessen echoten hunderte Momente in Sergios Erinnerungen, in denen Fernando davon schwärmte wie toll es sein musste einen eigenen Hund zu haben. Erst jetzt wurde Sergio klar, dass Fernando irgendwann aufgehört hatte davon zu reden. Eine Vorahnung beschlich ihn… „Was ist das denn für ein Hund?“, forschte er nach. „Ein Bullterrier-Mischling… ein Jahr alt ist er jetzt etwa. Sein Name ist Jasko.“ Fernandos abfallender Stimmung nach zu urteilen, stimmte Sergios Vermutung. „Der Hund gehörte dir… doch als die Allergie bemerkt wurde, musstest du ihn weggeben…“, schlussfolgerte Sergio, seine Gedanken laut aussprechend, wie es seine Art war. Fernando schwieg einen Moment und senkte den Kopf. „Nora bekam immer häufiger Ausschläge an Armen und Beinen… wir haben uns große Sorgen gemacht. Als der Allergietest vorlag mussten wir eine Entscheidung treffen…“ Sergio legte tröstend eine Hand auf Fernandos Schulter. „Schon gut, ich… kann ihn jeden Tag sehen, wenn ich möchte.“ Fernando versuchte tapfer zu sein, doch Sergio durchschaute ihn. Der Hund musste sein Ein und Alles gewesen sein. Natürlich war es nicht dasselbe einen Hund bei sich Zuhause wohnen zu haben, als ihn ein Mal am Tag für ein paar Stunden auszuführen, während er den restlichen Tag zwischen zig anderen Kötern in einen Käfig eingepfercht war… Ganz so drastisch war die Situation zwar nicht; Fernando hatte sich dafür eingesetzt, dass sein Hund ein großes Zimmer für sich allein bekommen hatte; einen gemütlichen Korb, seinen eigenen Fressnapf und sogar Spielzeug. Ein Betreuer, den Fernando mittlerweile ganz gut kannte, sollte sich um Jasko kümmern, wenn er selbst es nicht schaffte. Und doch war Fernando anzumerken, dass er mit der Situation nicht besonders glücklich war. „Ich werde dich begleiten.“, beschloss Sergio nach dem Frühstück. Fernando war sichtlich überrascht. Er hatte nicht erwartet, dass er ihn auf seinem Spaziergang durch die nasskalten, verregneten Straßen Londons begleiten würde. Doch Sergio fand tatsächlich Gefallen daran. Das englische Klima war kühl, doch erfrischend gegenüber der stickigen Hitze Madrids, die er all zu sehr gewohnt war. Er genoss die leichten Regentropfen auf seinem Gesicht, während sie sich auf den Weg zum Tierheim machten, das nur eine halbe Stunde zu Fuß von Fernandos Haus entfernt lag. Um diese Zeit traf man wenige Menschen auf der Straße. Die meisten befanden sich bereits auf der Arbeit. Es war ruhig. Man hörte ein paar Vogelstimmen aus dem Hyde Park. Das Rauschen der Autos auf den feuchten Straßen und die Schritte ihrer Schuhe auf dem rauen Asphalt. Im Tierheim begrüßte man den prominenten Gast mit Freundlichkeit und Vertrautheit. Zu Sergios Verwunderung schien es keine geheuchelte Freundschaft zu sein, die diese Menschen seinem Liebsten entgegenbrachten. Man mochte ihn hier nicht wegen seinem Promi-Status, sondern wegen seiner Fürsorglichkeit gegenüber den Tieren. Fernando brauchte Sergio nicht vorzustellen. Die meisten kannten ihn, auch wenn sie sich nicht mit Fußball beschäftigten. Möglicherweise hatte Fernando ihn ab und an schon mal erwähnt. Als Fernando und Sergio Jaskos Zimmer betraten, lag er zusammengerollt in einer Ecke und blickte gedankenversunken vor sich hin. Sein Fell schimmerte rabenschwarz, ebenso wie seine großen kastanienförmigen Augen. Der Kiefer des Hundes war eindeutig der eines Staffordshires, während seine Ohren so spitz abstanden, als wäre er ein Fuchs. Fernandos Anwesenheit schreckte ihn aus der gelangweilten Pose. Er sprang auf, begann wild mit dem Schwanz zu wedeln und durch den Raum zu tanzen; auf Fernando zu, um ihn abzulecken, was sein Herrchen zum Lachen brachte, zurück zu seinem Korb und wieder zu Fernando. Sergio beobachtete die Szene mit einem Lächeln auf den Lippen. Zwei Seelen hatten sich gefunden, dachte er. Der Hund war wie auf Fernando zugeschnitten. Ein Wesen, das auf den ersten Blick so imposant und stark erschien, doch gleichzeitig so verspielt und unschuldig… Sergio gegenüber zeigte er eine gewisse Vorsicht. Es dauerte ein Bisschen, bis er zu ihm kam und ihn beschnupperte. Er kniete sich zu ihm hinunter und wartete auf Akzeptanz. Doch spätestens als der gemeinsame Spaziergang begann, hatte Jasko ihn ins Herz geschlossen. Sie schlenderten durch den Hyde Park und genossen den Geruch von feuchtem Laub und Regentropfen. Fernando führte Jasko an der langen Leine, da kaum Menschen unterwegs waren. Hin und wieder liefen ein paar Jogger vorbei, die den Hund jedoch nicht besonders interessierten. Also hatten die beiden Männer etwas Zeit sich zu unterhalten. „Kannst du dir vorstellen, dass sich das Wetter hier kaum ändert?“, meinte Fernando. „Selbst im Sommer regnet es.“ „Ich mag den Regen.“, sagte Sergio und atmete tief ein und aus. „Ich finde es schön hier mit dir und Jasko.“ Fernando lächelte verlegen und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Ich wünschte es könnte immer so sein.“ Sie sahen sich für einen Moment tief in die Augen, doch dann begann Jasko heftig an der Leine zu ziehen und holte sie in die Realität zurück. Er hatte einen anderen Hund gesehen und begann zu bellen und zu knurren. Fernando holte ihn zu sich und versuchte ihn zu bändigen, doch Jasko kam erst zur Ruhe, als der andere nah genug war, um ihn zu beschnüffeln. Die Besitzerin blieb kurz stehen, um die Hunde kommunizieren zu lassen. „Entschuldigen Sie, Sir. Welcher Rasse gehört denn Ihr Hund an?“, wollte sie wissen. „Oh – er ist kein Rassehund. Ein Staffordshire Mischling.“, erklärte Fernando. „Ein sehr schöner Rüde! Mein Mann und ich wollten auch immer einen Staffordshire.“, meinte sie. „Das ist bestimmt keine schlechte Entscheidung. Am Anfang waren wir uns nicht sicher wegen der Kinder, aber es hat sich herausgestellt, dass die meisten schlechten Dinge, die man über Bullterrier hört, Vorurteile sind.“ Sergio nickte zustimmend und verstand im ersten Moment nicht wieso die Frau die beiden Männer plötzlich so unverhofft anlächelte. Irgendetwas hatte sich gerade verändert. „Wie viele Kinder haben Sie denn?“, fragte die Frau interessiert. „Zwei.“, antwortete Sergio, da Fernando gerade damit beschäftigt war Jasko zum Sitzen zu bewegen, wogegen er sich permanent wehrte. „Wie schön für Sie!“, sagte sie lächelnd und beglückwünschte ihn. Da wurde Sergio klar, was sie denken musste. Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen und er spielte mit. „Von mir aus könnte man es dabei belassen, aber Sie ahnen ja nicht, was für ein guter Vater er ist, nicht wahr, Fernando? Wenn es nach ihm ginge hätten wir fünf.“ „Vielleicht sollten wir besser weitergehen, der kleine ist total durch den Wind…“, sagte Fernando, der vom letzten Teil des Gespräches wenig mitbekommen hatte, denn Jasko zerrte ihn nervös an der Leine hin und her. „Okay, dann wünsche ich ihnen noch viel Glück mit ihren Kindern, dem Hund und… einen schönen Tag!“, meinte die Frau freundlich, beorderte ihren Hund bei Fuß und ging weiter. Sergio bekam sich kaum ein, als sie verschwunden war. „Hast du das gehört? Unglaublich!“ Fernando konnte sein Stimmungshoch nicht ganz nachvollziehen. „Was gehört?“, fragte er verwundert. Jasko trottete nun wieder brav neben ihnen her. „Die Frau hat uns für ein Pärchen gehalten! Deine Wortwahl war aber auch ziemlich mehrdeutig…“ Fernando runzelte die Stirn. „Hat sie das? Aber besonders lustig ist das nicht… Wir sollten vorsichtig sein.“ „Sie dachte wohl sogar wir wären verheiratet… mit Kindern und allem!“, prustete Sergio, doch Fernando konnte immer noch nicht darüber lachen. Ganz im Gegenteil. Irgendwie schien seine Stimmung gerade in den Keller zu fallen. Er wurde schweigsam und Sergio bekam ein schlechtes Gewissen. „Hey… Nando. Hab ich… was Falsches gesagt?“, fragte er vorsichtig. Sie erreichten eine Bank. Der große belaubte Baumwipfel über ihr hatte sie vor größerer Nässe bewahrt. Fernando ließ sich wortlos darauf nieder und Sergio setzte sich neben ihn. „Das hört sich jetzt vielleicht seltsam an… aber als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt einmal zu heiraten und eine Familie zu gründen.“, begann er. „Doch nun, da ich Vater und verheiratet bin, erkenne ich mehr und mehr, dass es nicht das ist, für was ich es hielt.“ Während er sprach, versuchte sich ein fahler Lichtstrahl durch die dichten grauen Wolken am Himmel zu drängen, doch ohne Erfolg. Ein bleiches Abbild davon fiel hinunter auf Fernandos Haut, die, obwohl er sie immer gebräunt haben wollte, von Natur aus weiß war wie Schnee und zu Sommersprossen neigte, die er genauso wenig wollte. In diesem Augenblick wirkte er dünn und zerbrechlich wie Papier. Wie der siebzehnjährige, den Sergio damals auf dem Sportplatz zum ersten Mal gesehen und sich sofort in ihn verliebt hatte. Früher war ihm nicht bewusst gewesen warum, doch heute, gerade in dieser Sekunde, bemerkte er wieder, wie sehr sich Fernando von all den anderen unterschied. „… wie hätte ich damals ahnen sollen, dass eine Hochzeit in so vielen Fällen nicht aus Liebe geschlossen wird und dass ich selbst irgendwann zu denjenigen gehören würde, die einen Zweckbund eingehen.“, fuhr er fort. „Es ist als wäre ein Traum verloren gegangen. Doch nicht nur einer… wollte ich nicht eigentlich Florist werden und für den Rest meines Lebens Blumen studieren?“ Er biss sich auf die Unterlippe. „Manchmal frage ich mich ob dieser eine Traum Fußballer zu werden es wert gewesen ist dafür so viele andere aufzugeben…“ Sergio konnte nicht leugnen, dass er so ähnlich dachte. Jeden Tag, wenn er aufstand, fragte er sich, ob sich all das lohnte. Jeden Tag musste er sich von neuem beweisen, dass er für etwas Bedeutsames kämpfte. Es ging ihm nicht um das Gehalt eines Fußballers. Er war ein Mann, der für seine Ideale eintrat und für seine Ehre. Doch wenn all das nicht wäre, dann hätte er… Fernando. Am Ende eines Fußball-Tages fühlte er sich oft leer. Ausgelaugt. Dann wurde ihm wieder einmal klar, dass seine Welt des Fußballs eine Welt war, die ihm nur durch Erfolg gewogen war, nie machte sie ihn zufrieden oder gar langzeitig glücklich. Es war ein ständiges Auf und Ab. Würde er eines Tages die Kraft haben sich darüber hinwegzusetzen und dem Fußballgeschäft Auf Wiedersehen sagen können? Im Augenblick war er noch nicht so weit. Er war gefangen in einer Zwickmühle zwischen dem, was er liebte und dem, an das er bisher geglaubt hatte und ohne das sein Leben keinen Sinn machte… „Wenn ich an meine Hochzeit zurückdenke, war sie eigentlich perfekt…“, sagte Fernando nach einer kurzen Redepause. „Die Kirche sah aus wie ein Schloss und war geschmückt mit weißen Orchideen. Meine Mutter weinte vor Freude und mein Vater war zum ersten Mal richtig stolz auf mich… er hatte den Gedanken daran schon aufgegeben, dass ich jemals eine Frau finden würde, doch dann bewies ich ihm das Gegenteil. Außerdem durfte ich diesen toll geschnittenen weißen Anzug tragen…“ Fernando seufzte. „Und trotzdem war es einer der schwärzesten Tage in meinem Leben… denn egal wie prinzessinnenhaft Ollala in ihrem weißen Kleid aussah, sie war nicht diejenige, die ich zur Frau nehmen wollte." Sergio wusste was er damit sagen wollte. „Du wolltest überhaupt niemanden ‚zur Frau‘ nehmen…“, sagte er leise. Fernando senkte den Kopf. „Ich habe pausenlos an dich gedacht…“ Schweren Herzens nahm Sergio Fernandos Hand, heimlich, sodass es keiner der vorbeigehenden Passanten bemerkte, streichelte über die dünne Haut seiner Fingerknochen und flüsterte: „Würdest du mich denn zum Mann nehmen wollen, Fernando?“ Seine Stimme klang tief und andächtig. Fernando starrte ihn verwirrt an. Einen momentlang spiegelte sich Hoffnung in seinen Pupillen, die sogleich verflog, als seine Vernunft ihn einholte. „Das ist unmöglich…“ „Und wenn es nur in unserer Vorstellung geschieht?“, schlug Sergio vor. „Was… meinst du damit?“, fragte Fernando irritiert. „Stell dir vor wir würden wirklich eine Hochzeit inszenieren… nur für uns beide. An irgendeinem schönen Ort mit festlicher Kleidung, Musik und ein paar Freunden, die eingeweiht sind. Wir könnten auch einen Vertrag aufsetzen lassen, der bezeugt, dass wir geheiratet haben… nicht in Wirklichkeit, aber… so würde zumindest ein Teil des Unmöglichen für uns wahr. Wir hätten etwas Besonderes, an das wir uns erinnern könnten…“, sagte Sergio. „Bis wir vielleicht… viele Jahre später, wenn unsere Karriere vorbei ist… all das wahr machen können.“ Fernando schüttelte den Kopf und musste lachen. „Du bist verrückt…“, meinte er, doch als er aufblickte schimmerte Rührung in seinen Augen. „Ich bin eben ein Träumer, genau wie du.“, lächelte Sergio. Fernando wurde rot, dann fiel er Sergio in die Arme und küsste im Verborgenen seinen Nacken. „Das ist das süßeste, was du dir je hast einfallen lassen, Sergio Ramos…“, sagte er sanft. Sergio hielt ihn in den Armen und grinste zufrieden. Jasko hatte sich inzwischen zu ihnen gesetzt; sein Kopf lag auf Sergios Bein und er blickte verständnisvoll vom einen zum anderen. Kapitel 3: Paris ---------------- Der Abschied kam schnell, zu schnell. Nachdem Fernando Sergio zum Flughafen gebracht hatte, folgten lange Wochen und Monate der Trennung, in denen viel geschah. Eine neue Saison begann, doch der FC Chelsea startete nicht gut. Fernando war nicht gerade in Topform, auch wenn er sich Mühe gab seine Leistung zu bringen und möglichst viele Tore zu schießen; José Mourinho baute auf andere Stürmer. Wann immer er zur zweiten Wahl wurde und seine Zeit auf der Bank absitzen musste, machte er sich Vorwürfe, doch er konnte es nicht ändern. Seine Gedanken waren seit längerer Zeit nicht mehr hauptsächlich beim Fußball. Auch wenn er es nicht wahr haben wollte, wusste er insgeheim, dass sein Doppelleben schuld daran war. Seit Sergio ihm die fiktive Hochzeit vorgeschlagen hatte, musste er pausenlos daran denken. In jeder freien Minute träumte er davon, wartete auf ein Zeichen. Doch sein Freund hatte seit ihrem Treffen gar nicht mehr davon gesprochen und Fernando wagte es nicht ihn darauf anzusprechen. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt... Je länger er wartete, desto sicherer wurde sich Fernando. Er begann sich blöd vorzukommen, naiv wie ein Kind. Womöglich hatte Sergio all das nur gesagt, um ihn in jenem Moment zu trösten. Andererseits war Sergio keiner, der etwas einfach so dahin plapperte, wenn er es nicht meinte. Er hielt sein Wort. Vielleicht interpretierte Fernando zu viel in die Situation hinein. Wenn er recht überlegte, hatte er in letzter Zeit allgemein nicht so häufig mit Sergio geredet. Wie hätten sie dabei also auf die „Hochzeit“ zu sprechen kommen können? Wahrscheinlich hatte Sergio einfach sehr viel um die Ohren, wie Fernando auch. Als das Jahr allmählich zu neige ging und der Herbst kühler wurde, reisten Fernando und Olalla für ein paar Tage nach Paris. Fernando war von einem französischen Modemagazin, für das er einst gemodelt hatte, zu einer Gala-Veranstaltung eingeladen worden und Olalla wollte daraus einen kleinen romantischen Ausflug machen. Sie sorgte sich um Fernando. Als sie sich vor vielen Jahren kennen gelernt hatten, war Fernando wie ein strahlender Diamant gewesen. Ein Junge, der den Raum betreten und die Menschen in den Bann gezogen hatte. Heute wirkte die Flamme, die einmal so hell geschienen hatte, fast erloschen. Er war ein Schatten seiner Selbst geworden. Hart und unnachgiebig, wie das Profigeschäft es ihm beigebracht hatte. Die Zeit in Paris wollte sie nutzen, um ihrem offensichtlich überarbeiteten Mann etwas Gutes zutun, mal wieder etwas mehr mit ihm zu unternehmen, da sie sich in den letzten Monaten eher aus dem Weg gegangen waren. Doch Fernando schien sich nicht halb so sehr zu freuen wie sie. Die Gala fand am zweiten Tag ihres Aufenthaltes in Paris statt. Fernando schlüpfte in seinen teuersten Anzug, Olalla trug das Kleid, das sie am Vortag bei einem Pariser Designer gekauft hatte und hakte sich bei Fernando ein. Sie waren eines von vielen prominenten Pärchen, das sich bei der Veranstaltung eingefunden hatte. Auf dem roten Teppich lauerten Paparazzi. Hin und wieder blitzen Kameras. Fernando kannte das Blitzlichtgewitter und ging unbeirrt auf den Eingang des Gebäudes zu. Der rote Teppich führte in einen golden verkleideten Opernsaal und war gefüllt mit elegant gekleideten Gästen. Frauen in Ballkleidern und Männer in Smokings. Sofort kam ein Bediensteter auf sie zu und bat ihnen Champagner an. Sie nahmen die Gläser dankend an und wurden in Gespräche verwickelt. Der Gastgeber und Chefredakteur des Magazins hieß sie herzlich willkommen und wünschte ihnen viel Vergnügen auf seiner Party. Sie sahen sich um; Designer, Models, Fotografen, Sportler, Politiker… viele wichtige Menschen waren gekommen, doch Fernando interessierte sich in erster Linie fürs Buffet. Wie es der Zufall so wollte traf er dort auf seinen Mannschaftskollegen Eden Hazard, der ihm überrascht auf die Schulter klopfte. Obwohl sie viel Zeit miteinander verbrachten, standen sie sich nicht besonders nahe. Wenn sie redeten, ging es meistens nur ums Training. Warum hätten sie sich also von der Gala erzählen sollen? Hazard war hier weil seine Frau gerade für ein neues Shooting gebucht worden war. Sie stieß gerade zu ihnen und schlug vor sich mit Fernando und Olalla an einen Tisch zu setzen. Also gesellten sie sich zu ihnen und aßen gemeinsam. Die Runde vergrößerte sich noch, als sich der Chefredakteur mit seiner Gattin neben ihnen niederließ. Fernando war froh, dass die Unterhaltung sich nun von seiner Person weg bewegte und er in Ruhe essen konnte. Wenn er ehrlich war, fühlte er sich im Augenblick nicht sehr wohl in seiner Haut. Er hatte Olalla nichts davon gesagt, doch er war nicht besonders in Stimmung für große Events und derart viele Menschen. Eigentlich wollte er lieber allein sein. Doch sein Pflichtbewusstsein hatte ihn gezwungen die Veranstaltung wahrzunehmen. Nach dem Essen trennten sich Fernando und Olalla vorrübergehend von den Hazards. Olalla war noch auf der Suche nach einer Freundin, doch sie kamen nur langsam voran. Es war voll und sie wurden immer wieder angesprochen. Dann endlich wurden sie fündig. Olallas Freundin Michelle stand bei einem jungen Paar an einem Tisch in der Nähe der Eingangshalle. Michelle, in einem langen schwarzen Kleid, sprach mit einer dunkelhaarigen Frau im roten Seidenmantel, deren Begleiter Fernando den Rücken zudrehte. „Da bist du ja, Süße! Wir haben dich schon überall gesucht, schön dich zu sehen!“, rief Olalla. Die Aufmerksamkeit der drei wurde sofort in ihre Richtung gelenkt. „Olalla, gut siehst du aus! Es tut mir leid, George hat schon wieder so viele Leute eingeladen, da verliert man den Überblick.“, sagte Michelle und hauchte ihrer Freundin einen typisch französischen Luft-Kuss auf die Wange. Als die dunkelhaarige Frau ihm den Kopf zu drehte und „Fernando!“, rief, wurde Fernando mit einem Mal aus seinem monotonen Desinteresse gerissen. Es war Pilar. Und der Mann, der sich nun zu ihm umdrehte war – „Sergio…“, flüsterte er tonlos zu sich selbst. „Was für eine Überraschung euch hier zu treffen, die Welt ist schon ein kleiner Ort, nicht wahr?“, meinte Pilar und begrüßte Fernando auf dieselbe Weise wie Olalla Michelle. Fernando war starr und stand unter Schock. Er konnte es kaum verbergen. Ebenso wenig wie Sergio, der die Augen aufriss, als begegnete er Fernando zum ersten Mal. Sie waren völlig aus der Fassung geraten, vergaßen die freudig überraschte Begrüßung, die man nun von ihnen erwartete, da sie doch beste Freunde waren. Olalla und Michelle schien das nicht weiter aufzufallen, da sie eifrig miteinander redeten. Doch Pilar betrachtete sie misstrauisch. Da begriffen Fernando und Sergio, dass sie etwas unternehmen mussten, um ihre Fassade aufrecht zu halten. Also schüttelten sie sich kurz die Hand. Blitze zuckten durch Fernandos Körper. Sergios Hände waren heiß und feucht vor Aufregung. Seine Wangen glühend rot. Die braunen runden Augen reflektierten Panik entdeckt zu werden, doch gleichzeitig unverkennbare Wiedersehensfreude. Als sie die Hand des anderen losließen, waren beide Männer bemüht desinteressiert in andere Richtungen zu blicken, doch die Frauen gaben ihnen keine Chance aneinander vorbei zu reden. Immer wieder involvierten sie ihre Männer ins Gespräch. Es war unangenehm und aufregend zugleich. Fernando war gar nicht richtig bei der Sache, als er sich selbst sagen hörte, dass Olalla und er in Paris ein paar romantische Tage verbringen wollten und Sergio antwortete er habe das Gleiche mit Pilar vor. Sein Herz schlug so laut, dass er nur das Rauschen des Blutes in seinen Ohren vernahm, während er versuchte Sergios unausweichliche Schönheit auszublenden. All die Models um ihn herum schienen nur leere Hüllen, verglichen mit ihm. Im warmen Halbdunkel der Eingangshalle schimmerte seine Haut samtig, sein Bart golden. Wie immer war er perfekt gestylt. Er trug einen Anzug mit schmaler Krawatte und kleine diamantene Ohrstecker. Fernando konnte kaum glauben, dass er mit einem Mann wie ihm geschlafen hatte… Nichts schien in dieser Sekunde weiter entfernt, obwohl die Spannung zwischen ihnen nicht zu leugnen war. Ein Ende kam nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Anstatt sich nach ein paar Sätzen von ihrer Freundin zu verabschieden, lud Olalla Michelle, Pilar und natürlich auch Sergio ein, sie zurück in die Halle zu begleiten und ihnen ein Bisschen Gesellschaft zu leisten. „Oh äh – warum eigentlich nicht.“, antwortete Fernando, als er von seiner Frau darauf angesprochen wurde, was er von der Idee hielt. In Wirklichkeit wäre er der Situation gerne aus dem Weg gegangen. Die Lage war schon brenzlig genug, sie konnten von Glück sagen, dass niemand von ihrer Überrumpelung Notiz genommen hatte, doch nur eine weitere Unvorsichtigkeit könnte einen Verdacht auf sie lenken. Gemeinsamen Treffen mit ihren Frauen gingen sie normalerweise aus dem Weg, denn sie waren für beide Männer anstrengend und mit viel Lügen und Anspannung verbunden. Fernando und Sergio waren ehrliche Charaktere und hassten diesen Zwang der Geheimhaltung. Doch es gehörte eben zu ihrem Schicksal… Die fünf ließen sich gemeinsam um einen der Tische nieder. Sergio und Pilar waren später gekommen und hatten noch nicht gegessen, also verabschiedeten sie sich erstmal zum Buffet. Als Sergio sich von ihm weg bewegte, atmete Fernando einmal tief durch und versuchte diese Beklemmung loszuwerden, die ihm immer noch die Brust zuschnürte. Er setzte sich, nahm ein paar Schluck Champagner und öffnete die oberen Knöpfe seines Hemdes. Von weitem beobachtete er Sergio, der einen Arm um Pilars Taille gelegt hatte, während sie sich am Essen bedienten. Mit ihren hohen Absätzen war sie genauso groß wie er und obwohl er kein schmächtiger Mann war, wirkte er in diesem Augenblick merkwürdig fragil. Keinem, der ihn nicht so gut kannte wie Fernando, wäre aufgefallen was Fernando nun auffiel. Etwas unbewusst Feminines, das zu Sergios Körpersprache gehörte, das stärker noch zum Vorschein kam, wenn sie allein waren. Ein heterosexueller Mann hätte bestimmt anders gewirkt, wenn er eine Frau im Arm hielt… dachte Fernando, obwohl er wusste, dass nicht jeder schwule Mann automatisch feminin war. Er kannte sehr heterosexuell eingestellte Schwule, dazu zählte er auch sich selbst. Er war nie Teil der „Gay Community“ gewesen, von der man häufig hörte. Die Fußballwelt hatte ihn von Kindesbeinen an in eine bestimmte Richtung erzogen. Nun, da er darüber nachdachte, war er sich gar nicht so sicher, ob er Teil der Community geworden wäre, wenn er die Chance gehabt hätte, wie normale schwule Männer in Gay Clubs zu gehen. Dann versank Fernando in einem Tagtraum… Er sah sich selbst mit Anfang zwanzig und blonden, längeren Haaren in einem kleinen spanischen Laden stehen. Er trug eine Schürze und Gartenhandschuhe, denn er war gerade dabei ein paar Geranien umzutopfen, die eine Kundin bestellt hatte. Er musste auch noch einen Hochzeitsstrauß für seine beste Freundin Olalla fertig machen, denn sie wollte noch am Abend einen reichen Geschäftsmann heiraten. Er freute sich für sie und die Sonne schien hell an diesem warmen Sommertag. Da bog ein Fahrrad um die Ecke und ein hübscher, leicht gebräunter Sergio mit Sonnenbrille und kurzen Shorts stieg ab. „Endlich Mittagspause, mein Schatz.“, lächelte er, zwang Fernando nun zu einer Pause, in dem er ihn von hinten überfiel und in einen Kuss verwickelte. Er duftete nach Haarspray und Friseursalon, wo er kurz zuvor noch gewesen war… Er verdiente nicht sehr viel, doch es reichte um ihre gemeinsame Wohnung und die Kosten für den Hund zu decken, wenn er mal zum Tierarzt musste. Im Moment ging es ihm gut, er lag im Schatten des naheliegenden Baumes und schaute den Passanten zu… „Fernando, ich rede mit dir! Schatz!“ Olallas Ellenbogen traf ihn hart in die Seite und holte ihn unsanft ins Hier und Jetzt zurück. Er sah sie entschuldigend an. „Möchtest du auch noch Champagner?“ „Oh äh, nein danke, ich… hatte schon genug für heute.“ Er war nicht ans Trinken gewöhnt und außerdem keiner, der Alkohol besonders mochte. Doch man schien ihm keine Wahl zu lassen. Hazard war zurückgekommen und goss Fernando bereits nach. Da setzte sich Sergio wieder auf seinen Platz ihm gegenüber. Fernando seufzte und nahm den Champagner an. Vielleicht half er ihm seine Anspannung loszuwerden. Während Sergio mit Essen beschäftig war, bemühte er sich ihn nicht anzusehen und begann ein Gespräch mit Hazard. Es ging um ihren Trainer und seine Marotten. Hazard erzählte genervt, dass er ihn vor kurzem nach dem Training noch eine Stunde alleine um den Platz hatte laufen lassen. „Das hat er in Madrid auch nicht anders gemacht.“, sagte Sergio und schien seine Worte aufgeschnappt zu haben. „Seine Methoden sind etwas altmodisch.“ „Altmodisch ist gut. Manchmal denke ich es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich Soldat geworden wäre anstatt Fußballer, nicht wahr, Torres?“, schnaufte Hazard. „Ich denke jeder Trainer ist anders, man sollte ihn nehmen wie er ist.“, entgegnete Fernando in versöhnlichem Ton. Er mochte es nicht schlecht von anderen zu sprechen. Selbst wenn Hazard Recht hatte - Mourinho war sicher nicht grundlos Trainer geworden und dafür verdiente er Respekt, auch wenn er sie manchmal ungerecht behandelte. „Das sagst ausgerechnet du, obwohl er dich seit du im Team bist nur kritisiert hat.“ „So ist Nando schon immer. Er sucht nie die Schuld bei anderen, sondern zuerst bei sich selbst. Er ist viel zu bescheiden…“, sagte Sergio, bevor Fernando etwas antworten konnte. Seine Worte waren durchdrungen von Wärme und dem Wunsch Fernando ein Kompliment zu machen. Als ihre Blicke sich trafen, bemerkte Fernando, dass die Farbe seiner Wangen sich nicht verändert hatte. Fernando hörte sich selbst den Anfang eines unzusammenhängenden Satzes stammeln und beschloss daraufhin besser gar nichts zu entgegnen und es bei einem verlegenen Lächeln zu belassen. Eine Weile ging es so weiter. Sie redeten größtenteils aneinander vorbei, spielten in Gesprächen der anderen eine Rolle, Sergio besser als Fernando, der die meiste Zeit zuhörte und ab und an einen kurzen Satz beitrug. Doch hin und wieder ergaben sich ein paar schüchterne Versuche der Kommunikation, die sich häuften. Dabei kam es nicht so sehr auf den Inhalt an, als auf das, was zwischen den Zeilen stand. Fernando spürte, dass Hazard etwas witterte, doch der Champagner und ein blutendes Herz brannten in seiner Brust, bereit dies zu ignorieren. Er konnte die Art, wie er Sergio ansah, nicht ändern. Es war ihm als würde seine Zuneigung aus jeder Pore seines Körpers herausbrechen. Sergios Bewegungen verführten ihn mit ihrer grenzenlosen Eleganz, seine Augen blinzelten voller Liebe. Jeder Wimpernschlag war wie Aphrodisiakum. Fernando stellte sein leeres Champagnerglas auf den Tisch und kapitulierte. „Entschuldigung, wo ist die Toilette?“, fragte er in die Runde. „Es gibt zwei, eine im oberen und eine im unteren Geschoss. Sobald du im Eingangsbereich bist sind sie ausgeschildert.“, meinte Michelle. Fernando dankte ihr nickend und ohne einen weiteren Blick in die Runde zu werfen erhob er sich vom Tisch und drehte ihnen eilig den Rücken zu. Er fühlte sich wie ein Teenager, als er sich aus dem überfüllten Raum schlich, Schamesröte im Gesicht bis zu den Ohren. So etwas war ihm schon lange nicht mehr passiert. Er war erregt, sichtbar erregt. Angst begleitete ihn, als er sich an vielen Leuten vorbeischlängelte, um schnell die nächstbeste Toilette aufzusuchen. Im unteren Stockwerk waren alle Kabinen besetzt, also musste er nach oben zur ersten Etage. Dort herrschte weitgehend Stille, da die meisten sich unten bei Essen und trinken befanden. Im Gang waren ein paar Kunstwerke ausgestellt, die er unbeachtet hinter sich ließ. Niemand erwischte ihn, als er die luxuriöse Toilette betrat. Die Wände waren mit schwarzem Marmor verkleidet und durch elektrische Fackeln erleuchtet. Der Spiegel über dem polierten, grauen Waschbecken funkelte ihm entgegen wie ein Diamant und er sah sein Gesicht, voll Reue und Scham gegenüber dem, was er nun tun würde, um den weiteren Abend unter Kontrolle zu behalten. Er wandte den Blick ab und schloss sich in die hinterste Kabine im Raum ein. Er horchte. Alles war still. Niemand außer ihm war hier. Das erleichterte es ihm ein Bisschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)