Kindheitsmomente von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 5: Enttäuschung und Überraschung ---------------------------------------- Barty hatte keine Lust mehr zu warten. Ungeduldig ließ er die kleinen Beine von der Bank baumeln und starrte verdrossen auf das Gewimmel an Hexen und Zauberer, die sich mit ihren Emporkömmlingen einen Weg durch die Winkelgasse suchten. „Mama, wann kommt Vater?“, fragte er zum wiederholten Male. „Ich weiß es nicht.“ „Er wollte doch kommen.“ Diesmal stahl sich der Anflug von Enttäuschung in den quengelnden Tonfall. Mrs Crouch seufzte und strich ihrem Sohn liebevoll durchs Haar. „Ich bin mir sicher, er ist gleich da. Bestimmt hat ihn nur irgendeine Kleinigkeit aufgehalten“, sagte sie und überlegte, ob es nicht sie selbst war, die sie damit beruhigen wollte. „Ich will nicht mehr warten“, murmelte Barty finster. Er hatte den Kopf auf die kleinen Hände gestützt. Sein Blick folgte einem lockenköpfigen Jungen, der gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Vater vor dem Quidditchgeschäft stand und aufgeregt das neue Nimbus Model betrachtete. „Können wir nicht schon einmal losgehen?“ Mrs Crouch sah auf die Uhr, die an einer der schiefen Häuserwände angebracht war. Sie warteten bereits seit anderthalb Stunden auf ihren Mann. „Na gut“, sagte sie, „wo möchtest du denn zuerst hin?“ Augenblicklich kehrte Leben in Barty. „Ich möchte, ich möchte …“, rief er aufgeregt und hielt inne, als er angestrengt überlegte, wo er zuerst hinwollte. „Ich möchte zu Sugarplums Süßigkeitenladen. Können wir da hin?“ „Natürlich“, lächelte seine Mutter und nahm ihren kleinen Sohn an die Hand, damit er in der Menge nicht verloren ging. Der süße, würzige Geruch von frischem Kesselkuchen empfing sie, als sie das geräumige Geschäft betraten. Bartys Augen strahlten beim Anblick all der großen Gläser, die sich auf den Regalen türmten und die köstlichsten Naschereien beinhalteten. Aufgeregt begann er die Regalreihe von Bertie Botts Bohnen zu inspizieren. Ein kleiner Abschnitt bewarb die neuesten Geschmacksrichtungen, die laut Werbeplakat „kühle Erfrischungen und großes Abenteuer“ mit sich brachten. Neugierig starrte Barty auf die bläulich schimmernden Bohnen und überlegte, was es wohl mit dem neuen Geschmack auf sich hatte. Dann lief er weiter, vorbei an Gläser voller Zauberdrops, die sich bis hoch an die Decke stapelten, und vorbei an einer Fülle von Lakritzzauberstäben in den verschiedensten Formen und Farben, bis auf einmal die Auslage von Schokofröschen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine kleine Schar aus jungen Zauberern und Hogwartsschülern tummelte sich vor dem großen Aufbau, der in goldenen Lettern anpries, dass zur Quidditch-Sommersaison die Mannschaften der Nationalteams als Karte beilägen. Um diese Aufschrift flatterte ein aufgeregter Schnatz und ihm immer dicht hinterher ein Quidditchspieler. Mit großen Augen verfolgte Barty die hektischen Flugbahnen des Schnatzs und starrte dann zu dem kleinen Gedränge. „Darf ich einen, Mama?“ Seine Mutter schmunzelte beim Anblick ihres Sohns. „Aber dann kriegst du nichts anderes mehr, verstanden?“ „Ja“, sagte Barty und suchte sich flink einen Weg durch das Gewusel, um sich eine der kunstvoll verzierten Schokofrosch Schachteln zu nehmen. „Heh, das ist meine!“, rief ein Junge empört, der im selben Moment nach der Schachtel gegriffen hatte, die Barty nun in der Hand hielt. „Aber ich hab mir die zuerst genommen“, erwiderte Barty patzig und wurde zusehends kleinlauter, als er erkannte, dass sein Gegenüber mindestens zwei Jahre älter sein musste. Er war auch viel größer. „Ich wollte die aber haben“, beharrte der Junge mit dem schwarzen strubbeligen Haar und der Brille auf der Nase. Bartys Mut sank, auch wenn er sich das eigentlich nicht gefallen lassen wollte. Eingeschüchtert schaute er zu dem Jungen, der seinen Blick entschlossen begegnete, und griff schließlich nach einer anderen Schachtel. „Die war eh doof“, erklärte er. Danach wandte er sich ab und hielt nach seiner Mutter Ausschau. Es ärgerte ihn, dass er den Kürzeren hatte ziehen müssen. Aber gegen Ältere hatte er kaum eine Chance und außerdem durfte er keinen Ärger machen. Mrs Crouch stand am Fenster und sah nachdenklich zur Straße hinaus. Von dem kleinen Konflikt, in den ihr Sohn geraten war, hatte sie nichts mitbekommen. „Mama“, sagte Barty und zog ungeduldig am Saum ihres Ärmels. „Ich bin fertig.“ „Ja?“ Geistesabwesend wandte sich seine Mutter von der Fensterscheibe ab und sah zu ihrem Sohn. „Ist etwas?“, fragte sie, als sie dessen verstimmte Miene bemerkte. „Ein doofer Junge war gemein zu mir.“ „Ehrlich? Wer denn? Soll ich mit ihm reden?“ Barty schüttelte schnell den Kopf. „Nein, das geht schon“, murmelte er, da es ihn plötzlich beschämte, deswegen zu seiner Mutter zu gehen. Seine Mutter hingegen lächelte nur, wobei sie ihm anerkennend über die Wange strich. „Das ist mein kleiner Barty“, lobte sie. Kaum hatten sie Sugarplums Laden verlassen und waren wieder in das geschäftige Gewusel der Winkelgasse gegangen, verlangte Barty nach seinem Schokofrosch. „Barty, jetzt sei doch nicht so ungeduldig“, mahnte Mrs Couch ihren Sohn, während sie sich unauffällig nach ihrem Mann umsah. Eigentlich müsste er längst aus dem Ministerium gekommen sein. Was hielt ihn bloß so lange auf? Kurzerhand beschloss sie mit Barty wieder zu ihrem Warteplatz zurückzukehren. Nicht dass sie sich verpassten. „Aber wir wollten doch noch in die anderen Geschäfte“, quengelte Barty, den der lange Tag allmählich erschöpfte. „Ich hab noch gar nicht nach Quidditchsachen gucken können.“ „Da gehen wir gleich hin, versprochen. Aber jetzt müssen wir erst einmal auf deinen Vater warten“, versuchte Mrs Crouch ihren Sohn zu beschwichtigen. „Was wenn Vater gar nicht kommt?“ „Natürlich wird er kommen! Er hat einfach nur viel zu tun, das ist alles.“ Barty schien nicht überzeugt. Missmutig kreuzte er die Arme vor der Brust und beobachtete die glücklichen Familien, die an ihnen vorbeizogen. „Möchtest du vielleicht doch schon deinen Schokofrosch haben?“ Überrascht sah Barty zu seiner Mutter, dann leuchteten seine Augen auf. „Ja, möchte ich“, rief er begeistert und vergessen war der Vater, der sich nicht blicken ließ. Freudig griff er nach der großen Schachtel, gespannt darauf, welche Sammelkarte er wohl haben würde. Vorsichtig öffnete er den Deckel und griff nach der Karte. Er spürte, wie etwas gegen seine kleinen Finger stieß, dann sprang auf einmal ein Schatten aus der Öffnung. „Vorsichtig, Barty!“ Aber der Warnruf seiner Mutter war überflüssig. Breit grinsend hielt Barty den flüchtenden Frosch fest mit der einen Hand umklammert, während er mit der anderen die Karte hervorzog. Das Grinsen fiel in sich zusammen, als er sah, dass er ein weiteres Mal Gordric Gryffindor gezogen hatte. Er spürte kaum, wie die Schokolade in seiner linken Hand allmählich weich wurde in der angenehmen Sommersonne. Alles, was er fühlte, war ein dicker Klumpen Enttäuschung. „Barty, isst du den Frosch? Sonst packe ihn doch wieder ein, damit er nicht schmilzt.“ Verdrossen befolgte Barty die Aufforderung seiner Mutter und sah teilnahmslos zu, wie sich neben sie zwei dunkelhaarige Jungen auf eine Bank setzten. „Das ist doof“, verkündete der eine gerade lautstark und zog dem kleineren etwas aus der Hand. „Gib das wieder her“, jammerte dieser und wedelte mit seinen kurzen Armen in der Luft herum in dem vergeblichen Versuch, an den Gegenstand zu kommen, den der andere hielt. Doch der größere lachte nur und kletterte mit einem diebischen Grinsen auf die Bank. Barty sah wieder auf seine langweilige, doppelte Karte und dann in das Gedränge. Lustlos ließ er die Beine baumeln, während er darauf wartete, dass sein Vater endlich aus der Masse auftauchen würde. „Hör sofort auf, deinen kleinen Bruder zu ärgern!“, erscholl plötzlich eine schneidende Stimme neben ihm. Neugierig wandte sich Barty wieder dem Geschehen an der anderen Bank zu und beobachtete, wie eine hagere Frau zu den beiden Jungen eilte und den älteren streng am Schlafittchen packte. „Ich hatte gesagt, dass du auf deinen Bruder aufpassen solltest. Stattdessen sehe ich, wie du ihn ärgerst!“ „Schon gut, Mutter, das war nur Spaß“, beeilte sich der kleinere der beiden Jungen zu sagen. Anscheinend besänftigte das die Frau etwas, denn sie ließ zumindest den anderen wieder los. „Nun gut. Ich bin in fünf Minuten bei euch - und wehe ich erfahre, dass ihr irgendeinen Ärger angestellt habt, haben wir uns verstanden?“ Die beiden Jungen nickten artig. Plötzlich bemerkte sie Barty, der unverhohlen auf das Geschehen gestarrt hatte und in ihre Miene trat ein Ausdruck tiefster Missbilligung, als ihr Blick weiter zu Mrs Crouch wanderte. Dann drehte sie sich ohne ein Wort zu sagen um und verschwand wieder in der Menge. „Das ist alles deine Schuld“, sagte der größere Junge, kaum dass seine Mutter weg war. 
„Das stimmt gar nicht!“ Aufgebracht wandte sich der Jüngere ab und sah prompt zu Barty. Schweigend starrten sie sich an. Der Dunkelhaarige und der Strohblonde. Schließlich wurde der Junge auf die Karte aufmerksam, die Barty in seinen mit Schokolade verschmierten Händen hielt und sein Gesicht hellte sich auf. „Welche Karte hast du da?“, fragte er schüchtern. Etwas erstaunt sah Barty ihn an. „Gryffindor“, sagte er. „Guck mal, ich habe heute die hier bekommen.“ Bartys Augen wurden groß, als er auf das bewegte Abbild des derzeitigen Kenmare Kestrel Kapitäns starrte. „Wenn du willst, können wir tauschen“, fuhr der Junge fort. „Die Kenmare Kestrels find ich nämlich blöd.“ Barty lag eine empörte Erwiderung auf der Zunge, doch brachte er schließlich nur ein schüchternes Nicken zustande. Der Junge wandte sich wieder ab und lief zu seinem Bruder. „Ich gebe dir Gryffindor, wenn ich dann die Magpie Karte bekomme“, bot er an, womit sich der andere einverstanden gab und ihm eine Karte reichte. Grinsend kehrte der jüngere damit zu Barty zurück. „Hier“, sagte er und hielt ihm den Kapitän der Kenmare Kestrels hin. Schnell reichte Barty seinem Gegenüber Gryffindor und nahm glücklich seinen neuen Schatz entgegen. „Danke“, sagte er. Der Junge zuckte die Achseln, wobei sich ein schiefes Lächeln in das blasse Gesicht stahl. Dann kehrte er wieder zu seinem Bruder zurück, mit dem er sogleich eifrig weiter tauschte. „Das war aber nett“, bemerkte Mrs Crouch, die das Geschehen aus dem Augenwinkel verfolgt hatte. Barty nickte glücklich und begutachtete strahlend seine neue Errungenschaft. Dabei beschloss er für sich, dass der Tag doch noch ganz in Ordnung geworden war. In diesem Moment fiel jedoch ein Schatten auf ihn. Erstaunt starrte Barty hoch und kniff, geblendet von der steilen Sommersonne, die Augen zusammen. Dennoch erkannte er sofort, wer vor ihnen stand. „Barty!“, rief seine Mutter, stand auf und umarmte ihren Ehemann mit einer Mischung aus Freude und Erleichterung. „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen!“ „Es tut mir leid“, murmelte Mr Crouch erschöpft. „Ich hatte viel zu tun“, und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Vater, guck mal“, rief Barty dazwischen. Mit einem glücklichen Grinsen hielt er ihm seine neueste Errungenschaft - die Sammelkarte vom Kapitän der Kenmare Kestrels - entgegen. Sein Vater wandte sich von der Mutter ab. In seinem Blick spiegelte sich Desinteresse, als er auf die Karte sah. „Hast du etwa schon einen Schokofrosch gehabt?“, sagte er nur und zog abschätzig die Augenbrauen hoch. „Dabei wollte ich euch zu einem Eis einladen.“ „Au ja!“, rief Barty begeistert, der jedoch unter dem strengen Blick seines Vaters sofort wieder verstummte. „Na, ich glaube, ein Schokofrosch reicht für heute, oder?“ „Aber ich hab den noch gar nicht gegessen“, wandte Barty kleinlaut ein, wobei er seinem Vater die Schachtel hinhielt. „Guck, der ist noch dadrin.“ Sein Vater sah zu seiner Mutter, die ihm auffordernd zunickte. Seufzend nahm er die Verpackung entgegen und lugte hinein. „Nun, wenn das so ist…“ Das Strahlen kehrte in Bartys Gesicht zurück. Hoffnungsvoll beobachtete er seine Mutter, die seinem Vater die Schachtel abnahm, sie verstaute und nach seinem Arm griff. „Also zu Florean Fortescues Eissalon?“, fragte sie sanft. Mr Crouch nickte knapp. Dann sah er zu seinem Sohn. „Glück gehabt“, bemerkte er, wobei sich der Anflug eines Lächelns in seine ernsten Gesichtszüge stahl. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)