Bittersweet Valentine von Monyong ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „H-hu?“ Yui zuckte eingeschüchtert zusammen, als Thoth Arm nah an ihrem Gesicht vorbei zischte, bevor seine Hand laut gegen die Wand hinter ihr klatschte. Seine tiefblauen Augen funkelten gefährlich und das Monokel rutschte ein Stück tiefer, als er sich zu ihr beugte. „E-eh, also...“, stammelte das Mädchen mit wachsender Verzweiflung, während sich die Augenbrauen ihres mächtigen Gegenübers kräuselten. Er beobachtete sie, während sie krampfhaft nachdachte. „Lass dir was einfallen!“, fuhr er sie an, als würde es etwas bewirken, wenn er sie unter Druck setzte, „Es ist mir vollkommen gleich was, aber diese Idioten sollen endlich lernen menschliche Gefühle zu verstehen!“ „Hmm...“ Yui zwang sich zu einem Lächeln. Die Worte ihres Lehrers klangen seltsam, wenn sie bedachte, dass er selbst ebenfalls nicht in der Lage war das menschliche Herz zu verstehen, aber diesen Gedanken dürfte niemals jemand laut aussprechen und selbst daran denken musste sie sich verbieten, denn der eisige Blick des Ägypters verhieß nichts Gutes. Thoth durfte von ihrem kleinen Gedanken nichts erfahren, aber manchmal waren Geheimnisse ja nicht schlecht. Genau in diesem Moment kam dem Mädchen der Gedankenblitz. Geheime Gefühle. Das war etwas, das jeder verspürte und wenn sie an ihre Mitschüler dachte, waren einige unter ihnen, die sich vielleicht einfach nicht die eigenen Gefühle eingestehen konnten, oder es aus einem anderen Grund nicht taten. „Ich... ich habe eine Idee!“, stammelte sie aufgeregt und Thoth zog erstaunt seine Augenbrauen hoch. „Huuu? So?“ „H-hai... Valentinstag! Wir sollten Valentinstag feiern!“, sprach sie es offen aus, wobei sich ein undeutbarer Ausdruck auf das Gesicht ihres Lehrers legte. Yui holte tief Luft. „Am Valentinstag machen die Menschen ihrem Liebsten ein Geschenk. Offensichtlich oder auch geheim, weshalb ich denke, dass es eine gute Idee ist. So können sich die anderen über ihre eigenen Gefühle Gedanken machen, müssen es aber nicht offen preisgeben! Außerdem... passt es in die Zeit...“ „Ich weiß, was der Valentinstag ist.“, schnarrte Thoth zuerst unbeeindruckt, sodass sich Yui ein Lächeln verkneifen musste, doch danach nickte er zustimmend, „Diese Idee ist aber nicht schlecht. Man könnte es versuchen!“ „Valentinstag?“, entkam es der Klasse, mit einigen Ausnahmen im Chor, als Thoth Yuis gestrige Idee präsentierte. „Richtig. Morgen ist Valentinstag und eure Hausaufgabe wird sein, etwas dafür vorzubereiten.“ Ein Raunen ging durch das Klassenzimmer und einigen stand die Aufregung schon in ihr Gesicht geschrieben, während andere eher ungerührt aussahen. Damit beendete Thoth aber auch schon seinen Unterricht. Der Gott der Weisheit hoffte nur, dass dieser Haufen von Idioten ihre Chance nutzen würde, denn er selbst hatte mittlerweile auch keine Lust mehr darauf jeden Morgen vor der Klasse zu stehen und sich immer wieder zu wiederholen, weil die anderen Götter scheinbar einfach alle zu blöd waren. Mit einem leisen Brummen verließ er das Klassenzimmer, hörte jedoch kurz darauf, wie ihm jemand hinterher gestürmt kam und als er sich zu dieser Person umdrehte, stand einer der größten Idioten der Götter vor ihm. Dionysos starrte ihn ernst an, während er sich ihm näherte. „Valentinstag? Das bedeutet, demjenigen Schokolade zu schenken, den man mag, richtig?“ Über diese Aussage überrascht zuckten Thoth Augenbrauen, denn wie es schien hatte dieser Nichtsnutz von einem Griechen seine Hausaufgaben schneller erledigt, als gedacht. Allerdings verschränkte er als stumme Antwort nur seine Arme vor der Brust und wartete darauf, dass Dionysos weitersprach. „Dann brauche ich den Schlüssel meines Weinkellers von dir zurück.“, forderte dieser plötzlich, sodass sich Thoth Mundwinkel angespannt verzogen. War das dessen Ernst? „...wenn ich Pralinen machen soll, dann brauche ich meinen Wein dafür.“ Langsam drängte er Dionysos nach hinten. „...ich kann die Pralinen doch nicht ohne Füllung lassen...“ Thoths Blick wurde finsterer. „...was sind selbstgemachte Pralinen denn ohne weinhaltiger Füllung?“ Kaum hatte der Weingott seine letzte Frage ausgesprochen, rammte sich die Hand des Ägypters schon neben dessen Kopf gegen die Wand. „Kein Alkohol während des Unterrichts. Du wirst dir eine andere Füllung ausdenken müssen.“, antwortete er ihm düster, bevor er sich wieder entfernte und seinen Weg zurück in die Bibliothek fortsetzte, während Dionysos sprachlos zurückblieb. Auch ohne Zurückzuschauen konnte er sich die Verzweiflung, die in dessen Gesicht stehen musste, bildlich vorstellen. Für den Griechen würde es in nächster Zeit keinen Tropfen des selbstgekelterten Weines geben und dennoch beugte sich Thoth über die kleine Schachtel, die er in der Schublade seines Schreibtisches verstaut hatte. Er war immerhin kein Unmensch oder Ungott; zumal auch noch Valentinstag war. Deshalb musste er Dionysos einen Ansporn geben. Der Idiot sollte den Schlüssel durch harte Arbeit zurückerlangen, wofür Thoth seinerseits einen kleinen Ansporn geben wollte, indem er sich an eine der vielen Weinflaschen im Keller bediente, um sich damit anschließend und mit einem Paket, welches er im Schulkiosk erworben hatte, in die Schulküche zu begeben. Auch er wollte sich als Lehrer an dem morgigen Tag beteiligen, wobei es zwei Personen gab, die er beschenken wollte. Einerseits Anubis, dem er einfach nur eine Freude bereiten wollte und andererseits Dionysos, den er mit den alkoholisierten Pralinen zu weiteren Höchstleistungen antreiben wollte; immerhin hatten sich dessen Noten mehr als nur verbessert, seitdem er ihm den Schlüssel abgenommen hatte. Ein dünnes und eisiges Lächeln schlich sich auf die Lippen des Ägypters, als er damit begann die dunkle Zartbitterschokolade in kleine Stückchen zu hacken, bevor er sie in einem Wasserbad einschmolz. Danach folgten die speziellen Zutaten; eine scharfe Paste gemischt aus Tabasco, Sambal und Wasabi für Anubis Pralinen und der Rotwein für die, die an Dionysos gehen sollten. Abschließend bettete er die selbstgemachten Stücke in zwei kleinen Schachteln, doch kaum wollte er sich daran machen, sie zu verschließend und zu verpacken, vernahm Thoth eine aufgeregte Stimme vor der Tür. Schnell verschwand er daraufhin hinter einem hohen Backofen, um von seinem Versteck aus zu beobachten, wie zwei andere Idioten die Großküche betraten. Ein Grinsen voller Begeisterung lag in Lokis Gesicht, der von einem ernst aussehenden Thor begleitet wurde. „Also~“, schnurrte der Rotschopf vergnügt, während er sich überschwänglich an dem Inventar der Küche bediente und Thor einen Pappkarton auf eine der Arbeitsflächen abstellte. „Was meinst du würde Baldr am besten schmecken? Weiße Schokolade? Vollmilch? Beides zusammen?“ „Ich denke solange es Fleisch enthält, schmeckt ihm alles.“ „Ooh~“ Loki hatte sich soeben einen Kochlöffel genommen und tippte sich damit nachdenklich gegen sein Kinn. „Aber Thor-chin, ich kann die Pralinen doch nicht mit Hackfleisch füllen!“ „Vermutlich nicht, nein.“ Der Donnergott lächelte andächtig, wobei er die mitgebrachten Zutaten aus dem Karton räumte. „Oh! Ich weiß! Ich werde Baldr einfach Hackbällchen machen und in eine Pralinenschachtel verpacken. Darüber wird er sich bestimmt freuen! Was hälst du davon, Thor-chin?“ „Ja, darüber würde er sich mit Sicherheit freuen.“, antwortete Thor und drehte sich in Lokis Richtung, der bereits voller Tatendrang eine Pfanne mit Öl auf dem Gasherd befeuerte. Er selbst nahm sich aus diesem Grund intuitiv einige Zwiebeln, sowie ein kleines Messer, um sie zu schälen und für seinen Freund in kleine Stückchen zu schneiden, um diese anschließend an Loki weiter zu reichen. „Danke, dass du mir hilfst. Kannst du als nächstes den Seetang waschen?“ „Seetang?“ Obwohl es in Thors Ohren furchtbar fremd klang, wunderte er sich über diese Zutat nicht. Er schätzte, dass diese für Takeru bestimmt sein würde. Ebenso wie der Essig und der Knoblauch, was er zuvor noch am Schulkiosk gekauft hatte. Es war offensichtlich, dass Loki einen Streich für den kleinen Meeresgott plante und Thor machte sich durch seine Hilfe zu einem Mittäter. „Ne~ Thor-chin, du kannst ruhig den ganzen Knoblauch schneiden und mit dem Seetang einkochen! Wir dürfen nicht sparen!“ Der Donnergott blickte langsam zur Seite, wo er sah, wie Loki das Hackfleisch zu Kugeln formte und diese anschließend scharf in der heißen Pfanne anbriet. Es war jedes Mal wieder wundersam an zu sehen, wie viel Energie sein Freund in die Geschenke für Baldr, sowie in die Streiche für Takeru steckte, aber Thor genoss diese Momente trotzdem jedes Mal. Er war gerne eine Hilfe, weshalb er sich um die giftgrüne Pralinenfüllung für Takeru kümmerte, während der Schalk bereits einige Hohlkugeln vorbereitet hatte. „Hach~ ich kann morgen kaum noch erwarten!“, verkündete Loki schon ganz aufgeregt und füllte die ganz besondere Füllung in eine Sahnetülle, um sie in die unscheinbaren Schokoladenkugeln zu spritzen. Als er schließlich fertig war, hatte er zwei bunte Pralinenschachteln in den Händen und strahlte Thor regelrecht an. „Ich versteck' das eine jetzt schon, damit mich Takeru-chan~ nicht erwischt!“ „Ist gut, ich räume in der Zwischenzeit die Küche auf. Warte nicht auf mich, wir sehen uns nachher im Aufenthaltsraum.“ Thoth hatte dem Gespräch der beiden Norden aus seinem Versteck heraus lauschen können und kochte nun förmlich. Loki war der Vollidiot, der alle anderen übertraf und lediglich Apollon war noch schlimmer als der verspielte Rotschopf. Er würde diesen Streich nicht dulden, er würde ihn zusammenstauchen und ihn Nachsitzen lassen, bis sein Hintern vom langen Sitzen brannte. Doch noch musste er sich zusammenreißen und warten bis auch der andere Trottel die Küche verlassen hatte. Erst danach konnte er unbemerkt die eigenen Pralinen einpacken und gehen, wobei es wirklich an Glück grenzte, dass keiner der beiden seinen Arbeitsplatz, geschweige denn sein Versteck entdeckt hatte. Als das Geklapper verstummt war und wieder Stille in die Küche eingekehrt war, trat Thoth hinter dem Backofen hervor, erstarrte dann allerdings sofort, denn Thor stand genau vor ihm und schaute zwischen den selbstgemachten Pralinen des Ägypters sowie diesem selbst kurz hin und her. Der Donnergott hielt ebenfalls eine Schachtel in den Händen, sodass klar wurde, dass er hinter Lokis Rücken noch weitergearbeitet und nun doch noch das Geheimnis seines Lehrers entdeckt hatte. Beide verspannten sich. Thoth wollte den Norden anschnauzen, aber weil sowohl er selbst, als auch sein Schüler verstanden, in welcher Situation sie sich befanden, schwiegen sie sich an. „Kein Wort. Und ich vergesse für deinen kleinen Freund, was ich gerade gehört habe.“, würgte es sich der Gott der Weisheit schließlich mehr als nur widerwillig hervor, aber Thor nickte und kaum hatte ihn dieser alleine gelassen, räumte er hastig seinen Arbeitsplatz auf, bevor er davonstürmte. Am nächsten Morgen saß der Ägypter schon vor seinen Schülern im Klassenzimmer, da er seine Pralinenschachtel unter dem Tisch des Weingottes versteckt hatte. In einem Buch lesend wartete er auf den Klang der Schulglocke, während sich das Zimmer immer weiter füllte. Ein wildes Stimmengewirr erfüllte den Raum, denn die ersten Geschenke wurden bereits überreicht und besonders Yui war sehr populär, was die Schülertraube um ihrem Sitzplatz verriet. „Yousei-san~ Das hab ich nur für dich gemacht!“ „Yui-san, ich habe Pralinen für dich...“ „O-oi, Zassou!!“ „Kusanagi Yui-san...“ „...ich habe auch... Yui-san... ich habe... ich...“ Thor sah, wie Loki das Gewirr um das Menschenmädchen eher verächtlich beobachtete. Während dieser seine Schachtel bereits vor dem Frühstück an Baldr überreicht hatte, indem er ihm vor dessen Zimmer aufgelauert und regelrecht überfallen hatte, befand sich Thors Geschenk für seinen rothaarigen Freund noch in seiner Schultasche. Lächelnd kramte er diese nun hervor, bevor er sich zu Loki herüberbeugte. „Loki.“ „Hu~ Thor-chin? Was ist das?“ Thor sah, wie sich die Augenbrauen seines Gegenübers erstaunt anhoben. Es schien, als hätte Loki tatsächlich nicht damit gerechnet, dass er ihm Schokolade schenken würde. „Aber Thor-chin... warum hast...?“ Irritiert nahm er die Schachtel an, wobei er sich ein fast schon beschämter Ausdruck in sein Gesicht schlich. „Das... ist mir wirklich peinlich, Thor-chin, ich habe überhaupt nichts für dich...“, gestand er dabei, doch der Donnergott schüttelte nur langsam den Kopf. Er erwartete auch gar keine Erwiderung. Es genügte ihm zu sehen, wie sich Loki über sein Geschenk freute und das zufriedene Lächeln, als sich dieser eine der mit Nusssplitter gefüllten Schokoladenstückchen in den Mund schob, war sogar noch mehr als genug. Hastig folgte noch eine weitere Praline, bis sich Loki allerdings aufgeregt wieder herumdrehte, weil Takeru vor ihm an seinem Tisch platz genommen hatte. „Ah, Take-Take... schau' mal da unter deinem Tisch!“, schallte außerdem noch Apollons Stimme, „Ah~ Ein heimliches Geschenk?! Wuah! Ich bin ja so neidisch! Von wem ist es? Von wem? Von wem?“ Sofort stand der Grieche bei dem Japaner und hibbelte begeistert herum, während Takeru die bunte Packung mit geröteten Ohren etwas grob aufriss und öffnete. „Woher soll ich das denn wissen? Steht kein Name drauf...“, stellte er dabei brummend fest, was Apollons Aufregung nur noch steigerte. „Also eine heimliche Verehrerin?“, rief er laut aus, woraufhin sich Loki bereits heimlich in sein Fäustchen lachte und auch Thor über die Reaktion seines Freundes verträumt zu schmunzeln begann. „Los, Take-Take... Probier' eine! Los, los!“ „J-ja... ist ja schon gut...“ Lokis silberblaue Augen begannen zu funkeln, als Takeru eine der schokoladigen Kugeln nahm und sie sich langsam zwischen die Lippen schob. „Und? Und?“ „Uhm.“, kam es daraufhin von ihm, „Uhm... die sind... wirklich... gut.“ Loki wäre fast von seinem Stuhl gefallen und Thor beobachtete, wie das Gesicht seines Freundes erstarrte. „Wirklich? Darf ich probieren?“ Apollon lachte laut, ehe er sich eine Praline klaute und gespannt verschlang. „W-was... Take... Take... was ist das? Die sind abscheulich!!“ Für einen Sekundenbruchteil kehrte das verspielte Funkeln in Lokis Gesicht zurück. Selbst wenn sein Plan gescheitert war, er machte das beste daraus, indem er sich schadenfroh kichernd nach vorne lehnte. „Oha~ Takeru-chan~ Da steht wohl eine richtig krass auf dich, wenn sie deine eigensinnigen Geschmäcker kennt!“, stichelte er, woraufhin sich Takerus gesamtes Gesicht tiefrot verfärbte. „W-wovon redest du, Idiot! Sei ruhig!“ Aber Loki streckte dem Meeresgott nur die Zunge heraus und Thor beobachtete die Szene im Stillen mit einem bittersüßen Gefühl in der Brust, während Thoth auf der letzten Seite seines Buches angelangt war. Prüfend starrte er schließlich auf seine Uhr, aber es waren noch fünf Minuten bis der Unterricht begann und der Idiot Dionysos war immer noch nicht hier. Langsam klappte er das Buch zusammen. Gerade in dem Moment, als er sich erheben wollte, öffnete sich allerdings die Klassenzimmertür und der Weingott trat herzlich gähnend ein, aber er konnte ihm keinen Vorwurf machen. Er war immerhin pünktlich. „Dee-Dee! Guten Morgen! “, rief Apollon quer durch das Klassenzimmer und Dionysos winkte seinem Halbbruder lächelnd zu. „Unter deinem Tisch ist auch eine Schachtel!“ „Hu? Auch?“ „Take-Take hat...“, wollte Apollon zu Plappern anfangen, wurde aber von einem angesäuerten Blick von Takeru unterbrochen, sodass Dionysos nur entspannt zu Lachen begann. Dennoch zog er das Geschenk unter seinem Sitzplatz hervor, woraufhin Thoths Blick sofort auf diesem ruhte. Noch bevor die Schachtel geöffnet werden konnte, schlug er sein Buch auf die Tischplatte des Lehrerpults, wobei zeitgleich die Schulglocke ertönte. „Setzt euch und seid still!“, schnauzte er seinen Schülern entgegen, woraufhin sofort Stille eintrat, während er eine Mathematikformel nach der anderen an die Tafel schrieb und erst in der Frühstückspause erhielt Dionysos die Gelegenheit sein Geschenk zu öffnen, was Thoth mit einem gönnerhaften Lächeln verfolgte. Obwohl er diesem Idioten gestern noch gesagt hatte, dass es keinen Wein während des Unterrichts gab, verstieß er nun gegen die eigenen Schulregeln. Allerdings war heute Valentinstag. „Woah! Dee-Dee! Diese Pralinen sehen wirklich perfekt aus!“ Apollon hatte sich hinter seinem Halbbruder aufgebaut, um ihm gespannt über die Schulter zu blicken. „Von wem sind die?“ „Hm, es ist keine Karte dabei.“ Thoth richtete sein Monokel, um sein ungewohntes Lächeln versteckt zu halten, als Dionysos die erste Praline herausnahm und aß. Einen Moment lang geschah nichts, doch dann verzog der Weingott angestrengt das Gesicht. „Oh... das...“ Ein triumphierendes Gefühl übermannte den Ägypter, welches keine Sekunde später sogleich wieder schwand. „...das ist scharf! Wieso ist da so scharf!“, entkam es Dionysos verzweifelt, der aufgesprungen war und überhastig nach Apollons Wasserflasche griff, womit er das heftige Brennen aus seinen Mund spülen wollte. „Oh, Gott!“, jammerte er dabei immer wieder, wobei Thoth nicht glauben konnte, was soeben passiert war. Ohne auch nur ein Ton zu verlieren, drehte sich er weg und verließ das Klassenzimmer, woraufhin, kaum hatte er die Tür hinter sich verschlossen, er angespannt in Richtung Bibliothek verschwand. Doch es war schon zu spät. Dort lag Anubis auf dem Boden, die leere Pralinenschachtel umklammernd und mit einer roten Weinnase. Er hatte die beiden Geschenke also vertauscht. Auch der Gott des Wissens und der Weisheit war wohl nicht unfehlbar... sodass er innerlich tobte. Währenddessen hatte sich Dionysos wieder etwas beruhigt. Auch wenn seine Augen noch ein bisschen feucht waren, ging es ihm deutlich besser, nachdem Yui ihm ein kühles Tuch auf die Stirn gelegt hatte. „Loki, das war wirklich nicht witzig. Was habe ich dir getan, dass du mir das antust?“, wisperte der Weingott erschöpft, doch der Norde konnte darüber nur staunen. „Hu~? Wie meinst du das?“, wollte er irritiert wissen. „Wieso hast du mir diesen Streich gespielt?“ „Streich? Das war kein Streich von mir!“ So gerne sich der Rotschopf auch mit fremden Lorbeeren schmücken wollen würde, seine Abneigung zu Ärger war viel größer, weshalb er sich aus dieser seltsamen Sache lieber heraushalten wollte. „Ne, Thor-chin?“ Der Donnergott nickte unterstützend und ein leises Seufzen entkam Dionysos Lippen. „Wie dem auch sei...“ Mit seinem Kopf auf der Tischplatte schloss er die Augen. Es war viel zu anstrengend, sich darüber unnötige Gedanken zu machen, besonders wenn der eigentlich schwierige Teil des Tages noch vor ihm lag. Sein Herz schlug schneller, es raste, allerdings war es keine Nachwirkung der scharfen Pralinen. Er war einfach nur nervös und je mehr Zeit verstrich desto schlimmer wurde es. Nachdem die Schulglocke den Schulschluss verkündet hatte, leerte sich das Klassenzimmer sofort. Trotz der kleinen Nebenwirkungen war der Valentinstag ein voller Erfolg gewesen, nur Dionysos stand der eigentliche Valentinstag noch bevor. Regungslos blieb er an seinem Platz sitzen und erst als er der letzte Schüler im Klassenzimmer war, stand er auf, um sich an das Lehrerpult zu stellen. Thoth hatte ihm den Rücken zugedreht, denn er wischte noch die Tafel. Es war der perfekte Moment, weshalb der Weingott ein kleines Päckchen hervorholte und zu dem Klassenbuch legte. Zeitgleich drehte sich Thoth um. „Hm?“, entkam es diesem mürrisch, der das Geschenk auf dem Tisch allerdings sofort bemerkte. „Was ist das?“ „Dein Geschenk zum Valentinstag!“, antwortete Dionysos voller Selbstbewusstsein, obwohl er innerlich zitterte, immerhin hatte er dafür auch sehr viele gute Gründe, denn Thoth Mund verzog sich. Er hatte sichtlich schlechte Laune. „Das sehe ich!“, knurrte er, ehe er einige Schritte an das Pult trat, damit er das Paket an sich nehmen konnte. „Mach es bitte auf!“ „Hm?“ Dionysos zuckte zusammen. Seine Lippen zitterten und er hob eine Hand, mit der er sich am Hinterkopf kratzte. „Mach... es bitte auf und probier' eine Praline!“, bat er seinen Lehrer erneut, der dieser Bitte tatsächlich nachkam. Schluckend beobachtete er jede seiner Bewegungen. Thoth seufzte, zupfte die Verpackung auf und blickte anschließend auf einige tiefdunkle Zartbitterpralinen, von denen er sich eine langsam auf der Zunge zergehen ließ. Die Schokolade war herb, es war ein angenehmer Geschmack und dann knackte es auf einmal in seinem Mund. Die Kugel war leer, sie hatte keine Füllung, weshalb er sich kurz wunderte. Doch das war kein Scherz, Dionysos meinte es erst, als er sich nach vorne beugte und sich atemlos auf dem Pult abstützte. „Siehst du? Wie soll man gute Pralinen ohne guten Wein machen?“ Die Stimme des Griechen vibrierte, so angespannt war er, besonders weil Thoth ihn lediglich kühl anschaute. „Ich verstehe.“ Zuerst glaubte Dionysos, er hätte sich verhört, jedoch wurde ihm schnell bewusst, dass es seinem Gegenüber genauso ernst war wie ihm selbst. „Du bekommst den Schlüssel wieder zurück...“ Sofort schlich sich ein hocherfreutes Lächeln auf die Lippen des Griechen, bloß war Thoth noch nicht fertig. Als würde er diesem Idioten den Schlüssel einfach so aushändigen wollen... „Unter einer Bedingung. Diese Hausaufgabe hier ist ein Fehlschlag, du musst sie noch einmal machen und mir morgen abgeben.“, brummte er leise. „J-ja!“ Dionysos Herz überschlug sich. Er konnte sein Glück nicht fassen, als er wie erleichtert aus dem Klassenzimmer lief. Thoth hingegen blieb schweigend zurück. In seinem Mund lag noch der bittersüße Geschmack der Schokolade, den er in nächster Zeit nicht vergessen würde. Es war so bittersüß, dass es schon schmerzte, denn auch er schien an dieser Schule etwas Lernen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)