Wicked Games von VelvetBlossom ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Blut ist das einzige, was ich derzeit wahrnehme. Der metallische Geschmack in meinem Mund, die Art, wie es bei jedem meiner Atemzüge aus der Wunde in meinem Brustkorb strömt, wie es mir aus dem Mund-winkel läuft. Ich höre, wie ich gurgelnd einatme, die Luft schwerfällig wieder ausstoße. Ich werde an meinem eigenen Blut ersticken. Oder verbluten. Und das vermutlich noch, bevor mein Konkurrent aufgehört hat, mich zu beschimpfen. All das Blut, was die letzten Wochen geflossen ist, die 22 Toten. Teilweise Freunde von mir, teilweise durch meine Hand oder beim Versuch, mich umzubringen gestorben. Oder beim Versuch, mich zu retten. Ich schaffe es kaum, meine Augenlider zu heben. Die Sonne ist zu grell, greller als die Sonne zu Hause, mein Schädel mit der Platzwunde schmerzt fürchterlich. Vermutlich verblute ich am Kopf auch noch zusätzlich. Aber die Wunde an meinem Torso ist erheblich schlimmer. Ich werde meine Eltern nicht mehr wiedersehen. Der Gedanke jagt mir brennende Tränen in die Augen. Naruto, dieser liebenswerte Vollidiot. Ino, die Sandkastenfreundschaft, die bis heute gehalten hat. Hinata, die ich trotz der Tatsache, dass sie nie Probleme hatte, doch ins Herz geschlossen habe. All meine Freunde müssen zusehen, wie ich hier liege und darauf warte, dass der Schmerz verschwindet. Tsunade muss zusehen, wie alles, was sie mir beigebracht hat, umsonst war. Shizune muss dabei zusehen, wie ich keine Kraft mehr habe, länger meinen Sturkopf durchzusetzen. Aber weinen werde ich jetzt bestimmt nicht mehr. Ich habe in meiner Zeit in der Arena genug Tränen vergossen. Wegen dem Jungen aus meinem Distrikt. Wegen dem Jungen, dem ich das Leben retten konnte, bevor er doch getötet worden ist. Wegen der Wut auf das Kapitol. Wegen der Ungerechtigkeit der Welt, in der wir leben. Und dann fließen die Tränen doch und ich schluchze kurz schwerfällig auf. Aber nicht wegen all dem, was mir bisher durch den Kopf geschossen ist. Wegen etwas anderem. Oder jemand anderem. Der Mentor, der mir bis hier hin so oft das Leben gerettet hat in dieser scheußlichen Arena. Der meine Sponsoren bei Laune gehalten hatte. Der immer zuerst abgewartet hatte, bis ich den Weg selber fand. Und mir erst auf den letzten Metern die Geschenke dagelassen hatte. Der mich schon auf dem Weg in die Arena beruhigt hatte. Der mir die nackte Angst vor dem nahenden Tod genommen hat. Weil es leichter ist zu sterben, als die Spiele zu überleben und zurückzukehren, nur um die nach dir in den Tod zu schicken. Also stell dich drauf ein, dass du niemals aus der Arena raus kommen wirst. Zumindest niemals ganz. Ich habe alle enttäuscht. Alle, die gehofft haben, es könne nach zwei Jahren wieder einen Gewinner geben. Ich habe es bis hier geschafft, weil ich eine sture Kuh bin. Weil ich meinen Dickschädel durchsetzen wollte. Warum liege ich also hier, stiere heulend den Himmel an, höre diesem Arschloch fünf Meter weiter zu, wie er mich verflucht, weil ich ihm einige innere Verletzungen zugefügt habe und warte hier, dass ich verblute, wenn ich eh niemals hier raus kommen werde? Damit ich, genau wie mein Mentor, noch zwei Jahre später nachts hochschrecken werde? Meine Angst vor diesem Alptraum in Alkohol ertränken werde? Ich aus Angst davor, dass meine Kinder eines Tages diesen Horror erleben werden, erst gar keine bekomme? Ich alle Menschen, die mir lieb und teuer sind, verlieren werde? Ich unschuldige Kinder zwischen 12 und 18 in diese Hölle schicken muss, aus der nur einer von 24 wieder heraus kommen wird? Wieso kann ich nicht einfach aufhören zu weinen und mich freuen, nicht die Gewinnerin der 97. Hungerspiele zu sein? Der Grund dafür ist einfach und doch wieder nicht. Er leuchtet ein, ist aber zugleich furchtbar unwahrscheinlich. Weil ich verliebt bin. Weil mein Herz beim Gedanken an eine Person Purzelbäume schlägt und ich nicht mehr richtig weiß, wie ich atmen soll. Weil ich bei jedem seiner Blicke zu schmelzen drohe. Weil ich ohne ihn niemals so lange überlebt hätte. Weil ich ohne ihn schon längst aufgegeben hätte. Viel Kraft habe ich wirklich nicht mehr... Aber es dürfte noch reichen, damit ich diesen Mistkerl überlebe, der einfach seine Schnauze nicht mehr halten will. Kapitel 1: Die Ernte -------------------- Am Tag der Ernte für die 97. Hungerspiele wache ich wie gewohnt erst spät auf. Meine Mutter lässt mich jedes Jahr ein bisschen länger schlafen. Vor allem seit ich 12 geworden bin. Diese Angst, die sie jedes Jahr um mich hat, bringt sie dazu, besonders nett zu mir zu sein. Eine Woche vorher hören auch die Späße meines Vaters abrupt auf. Er schaut fins-ter drein, ist schweigsam und ihm vergeht der Appetit. Wir haben nicht wenig zu essen, aber immer noch nicht viel. Hat in unserem Distrikt aber so oder so keiner. Zumindest nicht mehr, seit wir letztes Jahr die Hungerspiele verloren haben. Kein Sieger heißt keine Geschenke heißt für die meisten Hunger. Ich frage mich jedes Jahr aufs Neue, warum das Kapitol die Ernte auf den Spät-sommer legt. Vermutlich aber, weil die meiste Ernte dann abgeschlossen ist und somit alle vor dem Fernseher sitzen können, um ihren Freunden, Geschwistern oder Kindern beim Sterben zuzusehen. Ich blinzle kurz gegen das grelle Licht, das durch meine Vorhänge dringt und lasse den Blick schweifen. Meine Mutter hat mir eines der hübschen Kleider rausgelegt. Grün. Nicht so grün wie meine Augen, sondern eher ein bisschen dunkler. Ich seufze kurz unmotiviert, schwinge die Beine aber aus dem Bett und tapse zu eben dem Kleidungsstück rüber. Sich hübsch dafür machen, wie ein Lämmchen zur Schlachtbank geführt zu werden. Ironisch. Aber, wo die Hungerspiele eh immer gefeiert werden wie ein großes Er-eignis, wenig verwunderlich. Ich wische mir eine lange Strähne aus den Augen und fange an, mich umzuziehen. Gebadet habe ich erst gestern. Und der uralte Wecker auf meinem Nachtschrank sagt, dass es nur noch zwei Stunden sind, bis erneut zwei unglückliche Kinder aus den Lostrommeln gezogen werden. Die sich hinterher bis aufs Blut bekämpfen und töten müssen, um ihre Lieben wie-derzusehen. Keine sonderlich amüsante Vorstellung. Aber die Spiele sind eh nur für die Leute interessant, die im Kapitol sitzen und sich daran ergötzen können, 12-jährigen beim Sterben zuzusehen. Dafür leben die Sieger bis zu ihrem Tod in Saus und Braus. Haben Geld bis zum abwinken und. Ich brauche nicht lang, um in das Kleid zu schlüpfen und denke kurz daran, dass mein Name sechs Mal in der Kugel ist. Andere mit 17 haben 24 Lose... Oder sogar noch mehr. Also ist für diese Kinder die Chance gezogen zu werden vier Mal so groß... Ich wünsche keinem, den ich kenne den Tod in den Hungerspielen. Glücklicherweise ist mein bester Freund Naruto seit zwei Jahren raus aus dem Spiel. Er hatte das Glück gehabt, am Ende mit 14 Losen dabei zu sein, weil er selber immer nur einen Tesserastein brauchte, für den man sich eintragen kann und ein wenig Nahrung bekommt, seinen Namen aber auch einmal mehr hinein werfen muss, und nicht in die Hungerspiele ziehen zu müssen. Einer seiner Sandkastenfreunde hatte wohl nicht so viel Glück. Der kam aber vor zwei Jahren als Sieger zurück. Lebt seitdem aber im Dorf der Sie-ger und ist ziemlich außen vor. Von den meisten Siegern sieht man nur noch wenig in den Distrikten. Eine Ausnahme ist da wohl Nara Shikamaru. Der ist häufig noch im Ort, plaudert hier und da. Er hat vor drei Jahren gewonnen. Lag wohl aber auch an seinem IQ von über 200... Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich erst merke, dass meine Zeit rum ist, als meine Mutter mich runter ruft. Wer nicht kommt, wird geholt. Ausgenommen nur, wer das Bett nicht verlassen konnte. Sich auf dem Hauptplatz einzufinden ist ebenfalls ironisch. Im Winter wird eben hier der Sieger der 97. Hungerspiele empfangen werden. Und man wird erwarten, dass wir ihn oder sie feiern. Obwohl er lebt, während wahrscheinlich zwei aus unseren Reihen tot sein werden. Ich stehe relativ weit vorne, nächstes Jahr vermutlich ganz vorne. Meine Eltern habe ich aus den Augen verloren. Aber Naruto kann ich erkennen. Er steht unweit des Treppenaufgangs zur Bühne und grinst mich an, ehe er die Daumen hebt. Er wünscht mir Glück... Hoffentlich bringt das was. Ich werde an der Schulter gepackt und wende mich von dem blonden Strahlemann ab, um zu einer weiteren blonden Person zu blicken. Nur diesmal weiblich. Ino. Meine wohl älteste und beste Freundin. Und direkt daneben Hinata. „Wie oft stehst du drin?“, hakt Ino nach und ich seufze kurz. „Sechs mal.“, erwidere ich und die beiden anderen nicken. Also auch nicht öfter. „Fröhliche Hungerspiele, alle miteinander!“, ertönt es dann auch bereits aus den Lautsprechern auf dem Platz und ich hebe den Blick zur Bühne. Vier Personen. Shizune, die Betreuerin der Tribute aus unserem Distrikt. Tsunade Senju, unsere Bürgermeisterin, die gerne mal ein bisschen über den Durst trinkt. Und mir trotzdem beigebracht hat, wie ich Schläge austeile, die Knochen breche und innere Organe zerquetsche. Aber auch, wie ich eben jenes wieder heilen kann. Chakra ist eben eine feine Sache. Und als Mädchen muss man immer vor den Frie-denswächtern auf der Hut sein... Ino hatte das auf die harte Tour gelernt. Außerdem saßen da noch unsere letzten beiden Sieger. Shikamaru, der mehr als gelangweilt herumsaß und abwartete. Und Uchiha Sasuke, Narutos Sandkastenkumpel und der letzte Sieger. Vor Kimima-ro. Er sieht unbeeindruckt aus. Vermutlich hatte er damals bereits gehofft, dass er nicht gezogen werden würde. Wurde er auch nicht. Naruto wurde gezogen. Und er hatte sich freiwillig gemeldet. Dadurch, dass er unverschämt gut aussieht, konnte er die meisten Sponsoren auf seine Seite ziehen, sodass er geradezu mit Geschenken überhäuft wurde. Außerdem bestach er dadurch, dass er einen beängstigend guten Instinkt hatte und ebenso schnell getötet hatte, wie er einen Gegner ausfindig gemacht hatte. Soweit ich mich erinnere, waren das die kürzesten Hungerspiele. Mit nur einer Wo-che. Tsunade tritt vor, nachdem Shizune ihr Platz gemacht hat, und fängt an zu reden. Von der Vergangenheit, den Gründen für die Hungerspiele, die Verantwortung gegenüber dem Kapitol Und so weiter und so fort. So langsam kennt man das ganze Theater auswendig. Die Nervosität in der Gruppe ist deutlich zu spüren. Selbst mein Mund ist trocken. Ich hab nie ein gutes Gefühl bei der Sache, aber dieses Jahr ist es besonders schlimm. „Dann wollen wir doch mal die diesjährigen Tribute bestimmen! Wie immer, Ladies First!“, kommt es dann auch von Shizune, ehe sie zu einer der Glaskugeln geht, demonstrativ darin herumrührt und schließlich einen Zettel her-auszieht. Es wird Ino. Oder Hinata. Alles, nur nicht Hinata! Sie würde vermutlich einfach von der Metallplatte springen in der Hoffnung, dass sie sich einen langsamen und schmerzhaften Tod sparen- „Haruno Sakura!“ Einen Moment lang könnte ich eine Stecknadel fallen hören. Das ist einer von meinen Zetteln. Mein Name steht da drauf. Plötzlich ein Tumult beim Bühnenaufgang. Naruto schimpft lautstark drauf los, dass es nicht fair wäre, dass das alles Unsinn sei. Ich bin noch vollkommen benebelt, als ein bekannter Friedenswächter mich am Arm packt und aus dem Pulk Mädchen zieht. Ich erhasche einen Blick auf meine Eltern, beide fassungslos. Blankes Entsetzen spiegelt sich in ihren Gesichtern. Auch Tsunade schaut vollkommen verblüfft drein. Naruto wird zurückgedrängt, vermutlich in das Rathaus hinein, um ihn da ruhig zu stellen. Ich werde zum Bühnenaufgang geschoben, bekomme einen kurzen Druck in den Rücken und taumele mehr hinauf, als dass ich gehe. Mein Kopf ist vollkommen leer, mir ist schlecht und schwindelig. Schock? Die Gänsehaut auf meinen Armen spräche dafür. Ich trete zu der Dunkelhaarigen, die mir kurz die Hand drückt und strahlt. „Was für eine hübsche Kandidatin wir dieses Jahr haben!“ Kandidatin? Das klang ja, als könne ich dabei was gewinnen! Ich würde aber mit Sicherheit nicht mehr gewinnen als einen Freifahrtschein in einen Häcksler. „Nun zu den Herren.“, ertönt erneut Shizunes Stimme, ehe sie zur zweiten Kugel tritt. So wie ich das sehe, bin ich Uchihas Tribut. Also ist er wohl derjenige, der versuchen darf, mich auf die Arena vorzubereiten. „Inuzuka Kiba! Komm rauf!“, strahlt die Betreuerin – meine Betreuerin – und winkt einen Jungen heran, den ich dunkel im Gedächtnis habe. Auch wenn ich mich nie sonderlich viel mit ihm unterhalten habe. Er ist bestimmt mit Ino oder Hinata befreundet. Wie in Trance drücken wir uns kurz die Hände, ehe wir auch schon in das Rathaus gescheucht werden und da in nebeneinander liegende Räume. Kaum bin ich drin, stürzen meine Eltern hinein und drücken mich an sich. „Das darf nicht wahr sein. Das ist nur ein schlechter Traum und wenn ich aufwache wirst du nicht gezogen und bleibst hier...“, schluchzt erstaunlicherweise mein Vater in mein Ohr und droht mich zu zerquetschen. Mir fehlen die Worte und ich kann nicht anders und steige in die Schluchzer meiner Eltern mit ein. „Du bist ein helles Köpfchen. Du wirst gewinnen, Liebling.“, kommt es von meiner Mutter und ich muss ihr innerlich widersprechen. Ich werde vermutlich noch beim Kampf um das Füllhorn draufgehen. „Du bekommst sicher Sponsoren.“ Die mir aber auch erstmal etwas schicken können müssen. „Die Zeit ist rum!“, kommt eine forsche Stimme und meine Eltern werden flott von mir weggerissen, ehe ich bereits in anderen Armen liege. Ich erkenne den Geruch nach Suppe, Schweiß und Blumenerde sofort und schlinge auch blind die Arme um den Nacken meines besten Freundes. „Kümmre dich um meine Eltern. Und um Ino und Hinata.“, ermahne ich ihn erstickt und er nickt schweigend. Ich merke die Tränen an meinem Hals, während er das Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt. „Hinata liebt dich, also gib ihr eine Chance. Iss immer brav dein Gemüse. Und bade auch ja regelmäßig.“, erinnere ich ihn und spüre erneut sein Nicken. „Du gewinnst das. Teme ist auch zurückgekommen.“, knurrt er kurz und ich seufze. „Er ist größer und schwerer als ich. Wenn ich so massig wäre wie er, würdest du mir nicht den Hals voll heulen.“ „Du bist schlau. Du bist liebenswert. Du kannst austeilen und heilen.“ „Ich kann nicht töten.“ Eine Tatsache. Ich kann keiner Fliege was zu leide tun. „Dann lern es.“ Ich runzele verwirrt die Stirn und will mich von ihm lösen, da wird er bereits von mir weggerissen und hinaus geworfen. Keine zehn Minuten später betrete ich zusammen mit Kiba und den beiden Siegern, sowie Shizune den Zug. Meine Tränen zu verbergen, versuche ich erst gar nicht. Es wäre ja eh sinnlos.  Kapitel 2: Der Mentor --------------------- Shizune klatscht in die Hände, kaum dass die Tür hinter uns zu gleitet und der Zug sich in Bewegung setzt. „Wundervoll! Glaubt mir, ihr werdet das Kapitol lieben! Die Menschen werden euch lieben! Und deine Haare! Mädchen, sind die von Natur aus so?“, hakt sie nach und greift nach einer Strähne, ehe ich ruckartig den Kopf bewege, um sie von meinen Haaren weg zu halten. „Ja, sind sie.“, erwidere ich scharf und sehe, wie ihr kurz die Gesichtszüge entgleiten. „Wenn du gewinnst, wird es sicherlich absolut todschick sein, sich die Haare rosa zu färben!“ „Du meinst, wenn ich alle anderen töte.“, kontere ich scharf und sehe, wie sie den Kiefer anspannt. „Ihr solltet euch durch das Gesicht waschen. Dann können wir auch essen.“, kommt es jetzt auch spitz von ihr, ehe sie sich umdreht und davon stürmt. „Macht euch nichts draus. Sie ist seit Jahren so drauf.“, erwähnt Shikamaru und fährt sich gähnend über den Nacken. „Macht es aber nicht weniger nervig.“, kommentiert Sasuke und hebt die Schultern. „Dich nervt alles.“, kommt es dann auch gelangweilt von dem vorigen Sieger. „Ich geh mich noch eine Runde hinlegen. Sag Shizune, ich kümmre mich um meinen Kram später. Kiba, wenn du keinen Bock hast, kannst du auch vom Essen weg bleiben.“ Sasuke beobachtet, wie Shikamaru das Abteil verlässt. Und wie Kiba es auch verlässt. „Ich stell das direkt klar, Kleine. Wenn du nicht dazu bereit bist, die Zähne zusammen zu beißen und vor allem, jemanden zu töten, kannst du es dir gleich leicht machen und dich mit den Karrieros am Füllhorn schlagen.“ „Ist es nicht eigentlich dein Job, mich am Leben zu erhalten?“ „Nur, wenn ich meine Zeit nicht verschwende.“, kontert er und schiebt die Hände in die Hosentaschen. Ich nicke kurz und schüttele dann leicht den Kopf. „Ich werde mich sicher nicht einfach umlegen lassen.“, erwidere ich dann auch. „Gut. Mein erster Rat: Wenn du merkst, dass du nicht mehr mit dir leben kannst, solltest du versuchen, die anderen zu finden. Dann können die sich um dich kümmern.“ „Warum?“ „Weil das leichter ist, als in den Spiegel zu sehen.“ Okay, das ist mal eine Aussage. Er nimmt mich also ernst. Das heißt dann wohl, dass ich in seinen Augen zumindest eine Chance habe. „Und weiter?“ „Was kannst du?“, stellt er die Gegenfrage, schlendert zu einem Sofa und lässt sich auf diesem nieder. „Ich kann heilen.“ „Mit Chakra?“ Ich nicke und er hebt kurz eine Augenbraue. Offensichtlich ist das schon anerkennend. „Weiter.“ „Ich kann relativ kräftig zuschlagen.“, stelle ich fest und er nickt kurz. „Werden wir sehen... Ich vermute, mit dir fahren wir am besten die ‚Unschuldslamm‘-Schiene. Gefährlich kriegen wir dich nicht hin, dafür schaust du zu sehr drein, als könne dich kein Wässerchen trüben. Damit könntest du sicher eine Weile in Sicherheit bleiben. Aber gewinnst keine Verbündeten. Sexy dürfte sich auch als schwierig erweisen. Dafür bist du nicht kurvig und lasziv genug.“ Die Art, wie er das so trocken kommentiert passt mir nicht, sodass ich die Arme vor der Brust verschränke. Einen Moment lang mustere ich ihn giftig und er mustert mich abschätzend. Denke ich. Kann ich nicht einschätzen... „Frech könnte auch noch gehen. Zumindest bist du kein Weichbrötchen wie die im letzten Jahr. Die kam aus dem Heulen gar nicht mehr raus.“ Meine Tränen sind getrocknet, aber man sieht sie mir noch an. Natürlich, warum auch nicht? Der Schreck hat mich vollkommen verwirrt. „Was hat Naruto gesagt, als er sich von dir verabschiedet hat?“ „Dass ich töten lernen soll.“ „Da gibt es nichts zu lernen. Ist eine reine Einstellungssache. Wenn du dazu bereit bist, alles zu tun, um heim zu kommen, wirst du töten. Wenn du dazu bereit bist, alles zu tun, um zu überleben, wirst du töten. An den Punkt, entweder zu töten, oder getötet zu werden, wirst du in jedem Fall kommen. Und dann ist die Frage, wie dringend du nach Hause willst.“ Ich nicke leicht. Ich kann nicht einschätzen, wie ich reagiere, sollte ich in die Situation kommen. Aber ich hoffe, um Narutos Willen und den meiner Eltern, dass ich mich dazu entscheide, zu überleben... Und es auch schaffe. „Geh dir das Gesicht waschen. Sonst wird Shizune dich direkt weg jagen.“ Zehn Minuten später bin ich in dem Abteil gewesen, das laut einem Diener des Kapitols mir gehört. Ich habe Klamotten in allerlei Größen gefunden und mich in etwas geschwungen, was einigermaßen passt. Ob Shizune das genauso sehen wird, werde ich abwarten müssen. Ich tendiere aber eher zu Nein. Sagt zumindest ihr entgeisterter Gesichtsausdruck, als ich im Speisewagen ankomme und sie mich mustert. „Da steckt ja doch noch ein hübsches Mädchen in diesem Distrikt.“, kommentiert sie etwas säuerlich und ich hebe eine Augenbraue, ehe ich mich auf einen Platz gegenüber meines Mentors setze. Was auch immer das zu bedeuten hatte, es interessiert mich nicht. Hübsche Mädchen gab es in meinen Augen genug in meinem Distrikt. Ino und Hinata waren objektiv betrachtet wirklich hübsch. Ino mit ihren endlos langen Beinen, den langen Haaren und den blauen Augen kann einen zu fast allem überreden. Zumindest, so lang man ein Mann ist. Und Hinata ist eines der Mädchen, die in jedem Mann den Beschützerinstinkt weckt. Sie ist schüchtern, lange dunkle Haare, durch die ihre hellen Augen noch mehr leuchten als eh schon. Blass. Ich bin da eher die Ausnahme. Als wirklich hübsch würde ich mich nämlich nicht bezeichnen. Exotisch ja, immerhin gibt es im ganzen Distrikt niemanden mit rosanen Haaren, außer meinem Vater und mich. Hübsch finde ich wirklich nur meine Augen und meine Rückansicht. Und verglichen mit meinem Mentor bin ich eh ein graues Mäuschen. Groß, dunkel, gefährlich. Das sprach eben an. Sowohl daheim, als auch im Kapitol. Wie ich so über meine Freundinnen und zu Hause nachdenke, formt sich ein Kloß in meinem Hals. „Mach dir keine Hoffnungen heim zu kommen. Das macht es ein bisschen leichter.“, erwähnt Sasuke und ich schaue ein wenig verdattert auf. Stimmt ja, er und seine Auffassungsgabe. Die hat ihn aus der Arena gerettet. „Ach, Sasucakes, mach ihr doch nicht noch mehr Angst als eh schon!“, widerspricht Shizune und wedelt nachlässig mit der Hand. „Ist schon gut.“, erwähne ich kurz und betrachte das Essen auf dem Tisch. Alles voller Leckereien, die daheim zu teuer sind, um sie auch nur einmal im Jahr zu essen. Meine Eltern sparen bereits seit meiner Geburt darauf, dass an meinem 18. Geburtstag gut gegessen werden kann. Ich nehme mir vor, nicht mehr daran zu denken, was ich nicht mehr erleben werde. Ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, was vor mir liegt. Wenn Sasuke denkt, es könne keine Zeitverschwendung sein, mich zu coachen, muss ich eine Chance haben. Vielleicht eine winzige, aber eine Chance ist eine Chance, eine die ich nutzen kann. Kiba unterbricht meinen Gedankengang, als er in den Speisewagen stürzt und sich sofort hinsetzt, um über das Essen herzufallen. Shizune hebt skeptisch eine Augenbraue. Vielleicht ist sie auch pikiert, weil er sich darauf stürzt, als hätte er seit Wochen nichts mehr zwischen den Zähnen gehabt. Was vermutlich sogar stimmt. Seine Familie ist wirklich groß, wenn ich mich richtig erinnere, da muss jedes Bisschen aufgeteilt werden. Und folglich muss er wohl auch viele Tesserasteine gehabt haben. Armer Kerl... Aber Mitleid wird uns nicht weiter bringen, sobald wir in der Arena wären... „Könntest du ihm den Schädel einschlagen, wenn es dazu kommt, dass ihr zwei übrig bleibt?“, ertönt erneut die Stimme meines Mentors und ich schiele verwundert zu ihm. Er kaut zufrieden auf einer Tomate rum und mustert mich forschend. „Es ist wenig realistisch, dass es so kommt, oder?“, hake ich dann auch nach und er hebt die Schultern. „Passiert häufiger als man denkt. Aber das ist nicht der Punkt. Würdest du ihm den Schädel einschlagen, um nach Hause zu kommen?“ Kurz herrscht betretenes Schweigen am Tisch, ehe Sasuke wieder etwas sagt. „In der Zeit, die du gebraucht hast, um zu überlegen, ob du es tun solltest, hat er dir bereits einen Schlag gegen den Kehlkopf verpasst und dir anschließend das Genick gebrochen.“, schnaubt er und ich brumme unzufrieden auf. „So wie du also in deinen Spielen bei der 13-jährigen aus Distrikt 4?“, kontere ich und ich sehe, wie sich sein Kiefer kaum merklich anspannt. „Gut pariert.“ „Danke.“, erwidere ich trocken und schnappe mir vorsichtig etwas von den Teigklößen auf dem Tisch. Wenn das jetzt noch die mit den Pflaumen drin sind, zerschmelze ich bestimmt. Das ist eines der wenigen Gerichte, die meine Mutter ab und an daheim zubereitet. Und mein Leibgericht. Nur leider sind Pflaumen nicht unbedingt billig. Ich probiere einen der Klöße vorsichtig und werde beinahe verrückt. Das ist mein Leibgericht! Nicht genau wie meine Mutter sie macht, aber nah dran. Ich weiß nicht, woher die Ähnlichkeiten in diesem Gericht kommen, aber es ist mir auch vollkommen egal. Das hier ist ein Stückchen Heimat. Ich verschlinge sieben Stück, bevor mein Magen rebelliert. Ich bin vollgefressen und ich muss stoppen, nicht dass ich das Essen gleich wieder hochwürge. Das wäre zu schade um die Lebensmittel. Kiba neben mir scheint auch bereits zu kämpfen, schlingt aber weiter. Das wird er später sicher in die Toilette brechen. Aber das würde schon nicht mein Problem. Wir würden uns die nächsten Tage so satt essen wie möglich. Schon allein, weil Distrikte 1, 2 und 4 immer besonders gut genährte Tribute in das Gemetzel schickten. Da könnten wir jedes Pfund gebrauchen, das wir uns jetzt anfuttern können. Shizune isst ein ganzes Stück gesitteter als wir beide und ich trinke einen Schluck Tee. Wie alle fertig sind schickt Shizune uns in unsere Abteile. Wir bräuchten alle Ruhe und sollten vor der Ankunft im Kapitol noch ein wenig Ausruhen. Ich bezweifle, dass ich heute Nacht Schlaf finden werde, komme ihrer Aufforderung aber nach und verschwinde wieder in mein Schlafzimmer. Ich finde mit Hilfe eines Dieners des Kapitols eine Möglichkeit, den Bildschirm anzuschalten und verfrachte mich im Schneidersitz auf die weiche Matratze. Der Diener bringt mir in der Zeit, in der ich mich mit dem Gerät vertraut mache noch eine heiße Schokolade, die ich nicht bestellt habe und Pflaumenklöße, die ich so verschlungen habe. Hatte er vielleicht gesehen, wie ich mich drauf gestürzt habe. Ich denke mir nichts dabei und probiere das Getränk vorsichtig. Süßigkeiten bekomme ich daheim fast gar nicht. Also fühlt sich der Geschmack auf meiner Zunge einfach himmlisch an. Ich bleibe bei der Zusammenfassung der Ernten hängen. Sie werden die gesamte Nacht auf dem Hauptsender wiederholt. Kann ich mich also schon mal darauf vorbereiten, was oder wer mich erwartet... Distrikt 1 schickt zwei ausgesprochen gefährlich wirkende Tribute in die Arena. Er groß und allgemein massiv, sie ebenfalls groß und definitiv wohlgenährter. Die beiden würden ausdauernder sein. Sowohl was das Jagen von uns Anderen angeht, als auch was das Kämpfen angeht. Der Steinmetz-Distrikt schickt ein Mädchen in den Ring, dass ich kurzzeitig nicht als solches erkannt habe. Die Haare kurz geschoren ist sie sicher einen Kopf größer als ich und wiegt locker das Doppelte. Der Junge, der sich freiwillig meldet, ist das genaue Gegenteil. Eine runde Brille, graue Haare, die hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden sind. Sein Gesicht erinnert mich an eine Ratte. Ich habe das ungute Gefühl, ihn mir merken zu müssen. Kabuto Yakushi ist sein Name und ich wiederhole ihn kurz einige Male. Alles an diesem Namen wirkt falsch. Ich kann mein Gefühl nicht erklären, mache mir die Mühe aber auch nicht, es zu versuchen. Aus 3 kommt ein Junge, dem jegliche Farbe aus dem breiten Gesicht gewichen ist. Auch ein Kandidat für die Karrieros. Zumindest wenn er so kräftig ist, wie er wirkt. Das nächste ist ein Mädchen, das ein wenig Ähnlichkeit mit einem Fisch hat, zumindest hat sie ähnliche Augen. Und ein Junge, der sehr sicher auftritt und sogar grinst, wie er in das Gerichtsgebäude und später in den Zug steigt. Da ist sich scheinbar einer sehr bewusst, wie gut er ist... Oder für wie gut er sich hält. Ich werde nach und nach müder, bin bereits fast eingeschlafen, da höre ich durch die dünne Wand, wie Kiba sich in seinem Badezimmer übergibt. Er hatte ja aber auch gut gestopft... Da ist es wohl klar, dass ihm alles jetzt wieder hoch kommt. Ich klettere von meinem Bett und betrete mein Badezimmer, um mir Wasser ins Gesicht zu spritzen. Mir ist ein wenig flau, aber das liegt nicht am Essen. Viel eher liegt es daran, dass so langsam die Erkenntnis einsackt. Ich werde gegen all die Kinder aus den Ernten antreten müssen. Werde mindestens einen davon umbringen müssen, um nach Hause zu kommen. Kann ich das verantworten? Kann ich dann noch in den Spiegel schauen? Ich merke, wie mir erneut die Tränen kommen und ich lasse mich auf dem Rand der Badewanne nieder, um nicht durch die heftigen Schluchzer den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich versuche, mich mit tiefen Atemzügen zu beruhigen, aber ich bebe nur noch mehr und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich bekomme kaum Luft und folglich wird mir schummrig. Was, wenn ich jetzt auf der Stelle umfalle? Tot bin? Ist sowas schonmal vorgefallen? Oder bin ich dann eine Premiere? „Ich hab schon drauf gewartet, dass du zusammenbrichst.“, höre ich dann auch einen tiefen Bariton und hebe den Blick. „So lang keine Kamera läuft, brauchst du nicht die Starke spielen. Dieser Zug ist deine letzte Chance dich gehen zu lassen.“, stellt mein Mentor fest. Er lehnt am Türrahmen und mustert mich kurz. Ich kann sehen, wo die Prothese in seinen Arm übergeht. Bei seinen Spielen hat er den linken Arm unterhalb des Ellbogens verloren. Kurz bevor sein letzter Gegner das Zeitliche gesegnet hatte. Und jetzt steht eben der Sieger der 95. Hungerspiele nur mit einer langen, lockeren, grauen Hose im Türrahmen und beobachtet vermutlich schon eine gewisse Zeit, wie ich mir die Augen ausheule. „Du bist nicht zur Siegerin geschaffen.“, stellt er nach einigen Momenten des Schweigens kühl fest. Dummerweise entkommt mir darauf nur ein weiterer heftiger Schluchzer. „Wieso sagst du so etwas?!“, fauche ich ungehalten und versuche wieder, Luft zu holen. „Weil es leichter ist zu sterben, als die Spiele zu überleben und zurückzukehren, nur um die nach dir in den Tod zu schicken. Also stell dich drauf ein, dass du niemals aus der Arena raus kommen wirst. Zumindest niemals ganz. Du wirst daran früher oder später zerbrechen. Du würdest jeder Zwölfjährigen, die du unter deine Fittiche nehmen musst, bittere Tränen nachweinen.“, erklärt er und ich mustere ihn perplex. Erst dann verstehe ich, was sein Problem mit mir ist. „Du willst, dass ich für Naruto zurückkomme. Aber du befürchtest, dass ich nicht damit zurechtkomme.“, fasse ich zusammen und einen Moment lang fällt die kühle Maske und ich erkenne eine Mischung aus Überraschung und Verärgerung. Dann ist die Mauer wieder da und er hebt die Schultern. „Du solltest wissen, was dich erwartet, wenn du wieder nach Hause kommst.“ „Außer Geld? Und Lebensmitteln?“ „Alpträume. Angst um deine Liebsten. Ein Leben voll Entbehrungen. Unter der Fuchtel das Kapitols. Als Sieger löst du dich nicht von den Fäden, an denen du durch die Arena gelotst wirst. Du tanzt bis zu deinem eigenen Tod weiter an ihnen. Oder bis du nichts mehr zu verlieren hast, womit sie dich locken können.“ „Und wenn ich lieber mit all dem leben will, als da drin als Marionette zur Belustigung des Kapitols zu sterben?“ „Dann bist du ziemlich nervig... Und mutiger, als ich dir zugetraut hätte.“ Kapitel 3: Das Kapitol ---------------------- Die Türen gehen auf und ich blinzle gegen das grelle Licht der Sonne, reflektiert von unzähligen Hausdächern und noch mehr Kameralinsen, die auf Kiba und mich, unsere Mentoren und unsere Betreuerin gerichtet sind. Mein Nervenzusammenbruch hatte an dem Abend nicht schnell geendet, aber irgendwann war ich eingeschlafen, auch wenn meine Augen gebrannt hatten als hätte man mir Sand hinein geworfen. Ich spüre eine warme Hand an meinem Rücken und weiß, dass es nicht Kiba ist, der mich durch die Menge lotsen will, sondern mein Mentor. Es vergeht zu viel Zeit, in der ich von dem Vorbereitungsteam auseinandergeklaubt werde, sie mir die Haare anständig schneiden, wenn auch nicht kürzen, und sie mich schrubben wie nichts Gutes. Als Tochter von Händlern und als Nicht-Saum-Kind habe ich wohl das Glück, dass ich mir Beine, Achseln und Augenbrauen selber in Form halte. Auf das Waxing des Intimbereichs war ich allerdings nicht vorbereitet und jaule vor Schmerz entsetzt auf. Der Rest des Tages vergeht schneller als mir lieb ist. Jeder Tag ist wichtig, ich kann die, die mir vermutlich bleiben an zwei Händen abzählen. Als wir im Trainingscenter ankommen schauen wir uns die Parade an. Ich falle auf und das ist nicht nur meiner Haarfarbe zu verdanken. Meine Haare sind hochgesteckt, ich trage ein fließendes weißes Kleid und die goldenen Dekorationen in meinen Haaren lassen mich hinreißend aussehen. Kiba hingegen wirkt beinahe lächerlich. Er ist offensichtlich unglücklich mit der Situation auf dem Wagen und ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Die Gruppe löst sich auf und bald bin ich die letzte, die vor dem Fernseher sitzt und schaue erst auf, als erneut mein Mentor in den Raum tritt, um mich ins Bett zu schicken. "Wie soll ich hier schlafen?" "Du bist gut angekommen. Möglicherweise kann ich ein paar Sponsorinnen für dich abgreifen. Dich vermarkten und dir ein bisschen Starthilfe sichern." "Sind dafür nicht die Interviews? Um gut anzukommen? Mich von meiner besten Seite zu zeigen?" Er hebt kurz die Schultern. "Man kann niemals früh genug damit anfangen, für einen hoffnungslosen Fall zu sammeln." "Du sagtest, ich hätte eine Chance." "Wenn du dich zusammenreißt. Aber ohne Sponsoren kannst du das vergessen.", brummt er und nickt zum Flur, in dem mein Schlafzimmer liegt. "Leg dich hin. Du hast wenig Zeit um zu Kräften zu kommen. Morgen fängt dein Training an und du kannst dir nicht erlauben, schwach zu wirken." Der kommende Morgen ist beinahe noch schlimmer als die Nacht davor. Ich bin nicht hungrig und verweigere mein Frühstück, während Shizune fröhlich vor sich her plaudert. Ich fühle mich nicht bereit, mich mit den anderen Tributen in einen Raum zu begeben. Ich will nur noch weg, aber ich scheine nicht die Einzige zu sein. Kiba schlingt zwar sein Frühstück herunter wie nichts Gutes, aber er wirkt ähnlich unbegeistert. Es führt aber kein Weg vorbei und so treten wir in den Aufzug und kommen in die Trainingsräume. Sich auf Überleben zu konzentrieren ist unser Rat und wir geben uns daran, Beeren zu identifizieren, zu lernen, welche Pflanzen und Tiere wie giftig sind und wie wir Wasser reinigen. Diesen Abend habe ich ein erneutes Gespräch mit meinem Mentor. Er ist davon überzeugt, dass ich wenn überhaupt diejenige sein werde, die heim kommt. Meine Frage, warum, ignoriert er und geht. Als die Panik in dieser Nacht kommt, schleiche ich mich zu ihm und er beruhigt mich, soweit es wohl irgendwie möglich wäre. Er erzählt mir aber auch, dass das Leben als Sieger nicht halb so einfach ist, wie es wirkt. Ich verschwende erst später Gedanken daran, wieso er sich mir gegenüber so öffnet, obwohl er laut Naruto kaum zum Reden zu bekommen sei. Er erzählt mir, dass gutaussehende Sieger mehr als nur einmal an den Meistbietenden 'verschenkt' werden. Und dass eine Weigerung unmittelbar zum Tod eines lieben Menschen führt. Ich kann nicht anders als an seine Eltern zu denken, die beide in den letzten zwei Jahren verstorben waren. Eine nette Frau, groß, hübsch und ein ebenfalls großer, wenn auch streng dreinblickender Mann, der nie auch nur ein Lächeln andeutete. Insbesondere nicht mehr, seit sein älterer Sohn in den Hungerspielen starb. Es endet damit, dass ich bei ihm schlafe, auch wenn er nur sehr zögerlich zugestimmt hatte. Scheinbar wollte er nicht riskieren, dass ich vor Angst den Verstand verlor, bevor ich überhaupt erst in der Röhre stand, um in die Arena zu kommen. Zu dem Zeitpunkt kommt mir noch nicht der Gedanke, dass ich eventuell in die Situation komme, mehr als nur eine gewisse blinde Zuneigung zu ihm zu verspüren, nur weil Naruto sein Freund ist. Auch wenn er das wohl niemals zugeben würde. Am nächsten Tag sollen wir uns an verschiedenen Kampfstilen probieren. Bogenschießen ist mir zu aufwendig zu lernen. Speerwerfen liegt mir schon mehr und ich treffe auch ziemlich gut. Am meisten gefällt mir allerdings das Ringen. Ich lasse mich einige Male auf die Matte donnern, zeige allerdings nicht, dass ich durchaus die Oberhand haben könnte, wenn ich zugreifen würde. Das übt mein Mentor dann Abends mit mir. Er will nicht, dass irgendwer sieht, wozu ich fähig bin, selbst wenn es Heilen und Ringen ist. So übe ich also mit einem Mann, der beinahe zwei Köpfe größer ist als ich, entsprechend mehr wiegt als ich und trotz eines fehlenden Armes einen erheblichen Kampf bietet. Eine Bürste und ein Rückenschrubber hat er als symbolische Waffen benutzt und ich habe kaum Probleme, sie ihm zu entwinden. Der Gedanke, dass die meisten meiner Mittribute nicht annähernd so groß waren wie er oder so kräftig, ließ mich hoffen. Und auch er schien optimistischer, als ich ihn zum wiederholten Male auf den Teppich gerungen habe und keuchend mit dem Gesicht am Boden halte. "Wo stichst du zu?" Die Frage trifft mich wenig unvorbereitet. Ich verlagere mein Gewicht und spüre, wie er sich anspannt, wie um mich abzuwerfen, aber dann habe ich ihn wieder allein mit meinen Beinen im Griff und hebe seinen Kopf vorsichtig an. "Ich schneide die Kehle durch, viel Kraft, sonst komme ich nicht durch. Oder ich steche von unten durch den Kiefer." Ich höre, wie angestrengt ich atme, das heutige Training war anstrengend und das abendliche Ringen ebenso. Er nickt kurz auf meine Ausführungen. "Wovon abhängig?" "Länge des Messers." Ich justiere meine Position und das ist die einzige Sekunde Achtlosigkeit, die er braucht, um unsere Position zu drehen. Plötzlich liege ich auf meinem Bauch, habe das Gesicht noch rechtzeitig gedreht, um nicht genau auf der Nase zu liegen, eines seiner Beine nutzt gerade genug Kraft, meine auf dem Boden zu halten ohne mir unnötig weh zu tun, seine Hand hält meine auf dem Rücken. Zu behaupten, es wäre merkwürdig ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Einige Sekunden sind wir still, dann erhebt er sich von mir und tritt einen Schritt beiseite. "Du wärst jetzt tot." "Ich hätte dir bereits den Garaus gemacht, bevor du die Chance gehabt hast." "Du hättest gezögert. Tu es nicht. Die anderen werden es nicht, also fang damit gar nicht an." Ich nicke und schlafe erneut in seinem Bett. Das Einzeltraining bringe ich hinter mich, ohne irgendwas herausragendes zu zeigen. Ich werfe Speere und das scheint zumindest die Bewertung von 6 von 12 zu rechtfertigen. Ich bin im Mittelfeld dieses Jahr, wenn auch nah am unteren Rand. Kiba hat eine 9 bekommen, was ihn so lang freut, bis er versteht, dass er dadurch ein Ziel der anderen wird. Die Interviews sind mehr als unspektakulär. Distrikt 1, Distrikt 2 und Distrikt 4 sind wie jedes Jahr übermäßig arrogant. Ich bin nervös, scheine aber durch meine Unsicherheit sympathisch zu wirken. Es dauert nicht lang und ich gehe auf einige der Scherze des Weißhaarigen ein, auch wenn er häufiger als mir lieb ist in meinen Ausschnitt stiert. Jiraiya heißt er, wenn ich das richtig im Kopf habe. Er ist noch nicht lang dabei, die Spiele zu moderieren und diese Namen brennen sich mir nicht so ein wie die der bisherigen Tribute aus 12. Es ist bald darauf vorbei und Sasuke bestätigt mir, dass ich keinen herausragenden Eindruck hinterlassen habe. Sympathien habe ich gesammelt und ich sei wohl sozialer als er dachte, aber ich müsse über meine Nervosität kommen. Ich schlafe in dieser Nacht ein weiteres Mal bei ihm und werde erst wach, als er mich weckt. Ich müsse fertig gemacht werden und er will im Raum sein, in dem die Mentoren ein Auge auf ihre Schützlinge haben. Wir gehen auf das Dach und er zögert einen Moment. "Halt dich vom Füllhorn fern. Im Blutbad kannst du dich nicht auf deine Stärken verlassen, ohne es direkt Preis zu geben und deinen Trumph zu verlieren." Ich bin ernsthaft überrascht, als er mich in den Arm nimmt. Er weiß, dass ich der Grund sein könnte, dass Naruto nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Das schmerzt am meisten, auch wenn ich mich weigere einzusehen, dass ich möglicherweise und nur sehr unwahrscheinlich in ihn verliebt sein könnte. Auf die Welle könnte er aufspringen, sollte ich mich in der Arena nicht zu dumm anstellen. Es würde den Spielmachern Bauchschmerzen bereiten und ihn wohl stören, aber es könnte das Reiskorn sein, das mein Leben rettet. Ich werde abwarten müssen. Das tue ich auch, bis meine Stylistin - ich erinnere mich nicht mal mehr an ihren Namen - auf die Plattform stellt, die mich gleich hoch fährt. Wir bekommen alle eine lange, lockere Hose, ein Tanktop und Stiefel, die sich nicht halb so schwer anfühlen, wie sie wohl müssten. Aber das sind Kapitol-Sachen. Sie haben alle ihre Berechtigung. Die Plattform fährt hoch und ich spüre, wie meine Knie weich werden. Ich weiß, dass Kiba den gleichen Rat bekommen hat. Ich weiß, dass wir uns zusammentun sollten. Aber würde er sich dran halten, oder würde er mich direkt umbringen? Kann ich ihm vertrauen oder fällt er mir dann in den Rücken? Kapitel 4: Die Feuertaufe ------------------------- Die Sonne blendet mich die ersten Sekunden, ehe ich es schaffe, mich umzusehen. Das Füllhorn in der Mitte, die Sachen rund herum verteilt. Ich entdecke Kiba und er hat einen Rucksack fixiert, der zu nah am Zentrum liegt. Erst danach nehme ich die Umgebung richtig wahr. Eine Art Platz. Steiniger Untergrund, ich werde vermutlich gut darauf laufen können. Kiba schielt zu mir und ich versuche ihm mit einem Blick zu verstehen zu geben, dass er sich den Rucksack aus dem Kopf schlagen soll. Und dann sind unsere 60 Sekunden auf den Plattformen vorbei und Kiba macht einen gewaltigen Satz von der Plattform und ich tue es ihm gleich. Ich renne als wäre der Teufel hinter mir her, denn der Junge aus 4 - Sora schießt es mir durch den Kopf - hat sich ein langes Messer aus der Nähe gezogen und ist auf dem Weg zu meinem einzigen Anker. Kiba ist leider alles, womit ich arbeiten kann, also werfe ich mich gegen Sora, kaum dass er sein Messer nach dem Vollidioten werfen konnte und ihn am Bein erwischt. Kiba hat den Rucksack und sich das Messer geschnappt und ich bin vor dem Karriero auf den Beinen. Alles in mir will nach Links laufen, wo ich Wasser sehen kann und Boote weil keiner von uns schwimmen kann, aber ich werde an der Schulter gepackt. Ich bin mir nicht sicher, wer es ist, aber er reißt an meinem Arm und kugelt mir die Schulter aus. Bevor ich schreien oder von dem Schmerz eventuell ohnmächtig werden kann, hat Kiba demjenigen ins Gesicht getreten und zerrt mich am gesunden Arm davon. Wir sind näher an dem Wassergebiet als ich gedacht hatte, aber mir kommt, dass Distrikt 4, dass Sora da einen direkten Vorteil hätte und dränge Kiba nach rechts ab. Wie von einer unsichtbaren Wand getrennt sind dort gigantische Krater und es fühlt sich an, wie eine Ewigkeit, bis wir die felsige Plattform um das Füllhorn hinter uns lassen. Naruto wird toben und wüten. Ich bin direkt am ersten Tag verletzt, Kiba ist nicht annähernd so schnell wie ich und hält mich zurück, aber ich kann ihn nicht zurücklassen. Er hat mir das Leben gerettet, auch wenn ich vorher eine schlimmere Verletzung als seine am Bein verhindert habe, er hätte mich auch den Karrieros überlassen können. Mit jedem Schritt weiter in dieses Gebiet wird die Hitze unerträglicher. Der Boden unter unseren Füßen ist rissig und vereinzelt sehen wir Krater, in denen flüssiges Gestein blubbert. Wir fallen zwei Mal beinahe hinein, einmal halte ich im letzten Moment und verliere um ein Haar mein Gleichgewicht, als er mich zurück zieht. Ich bin ihm dankbar, kann den Aufschrei allerdings nicht verhindern. Er hat den linken Arm gegriffen, den der ausgekugelt wurde. Wir haben einen Weg gefunden, der so niedrig ist, dass wie vom Füllhorn aus nicht gesehen werden können, nicht mal als Figuren. Wir müssen zwar geduckt rennen, aber wir kommen gut voran und ich spüre, dass die Hitze ein wenig nachlässt. Zu dem Zeitpunkt klebt mein Shirt bereits an mir und meine Hose ist nicht mehr locker sondern vom Schweiß an meine Beine gezogen. In den Stiefeln steht gefühlt der Schweiß, aber ich wage es nicht, abzubremsen. Jedes Mal wenn Kiba mich um einen Moment bittet, um sein Bein auszuruhen, bin ich ungeduldig und will so bald wie möglich wieder in Bewegung sein. Er lässt mir meinen Willen und wir rennen wieder, sobald er sich sicher ist, nicht zusammen zu klappen. Wir halten gerade wieder, als die Kanonen los gehen. Ich bin einen Moment still, schaue in die Richtung, in der das Füllhorn ist, dann in die, aus der wir gekommen sind. Wir sind relativ nah am Rand des Gebietes. Glaube ich zumindest. Ich weiß, dass die Arenen beinahe ausnahmslos rund sind und die Plattform mit dem Füllhorn war es in jedem Fall. Ich will den kürzesten Weg möglich gehen. Mein Instinkt schreit immer nach dem Wassergebiet und ich bin wütend, dass ich mich von der Angst vor Distrikt 4 habe in die Flucht schlagen lassen. Angst verletzt tiefer als ein Messer es je könnte. Erst jetzt verstehe ich diese Aussage meines Mentors. Vermutlich hatte er Recht damit. Wir müssen mit dem Uhrzeigersinn wandern, denn ich bin mir sicher, dass die Karrieros uns verfolgen werden. Wir sind beide verletzt, wir haben einem von ihnen zumindest etwas getan und wenn es nur war, seinen Stolz zu verletzen. 9 Kanonenschüsse. 9 Tote am Füllhorn. Wir werden abwarten müssen, wer alles darunter ist. Ich halte Kiba dazu an, weiter zu laufen und als die Nacht hereinbricht scheint der rissige Boden unter uns lebendig zu werden. Er glüht und ich habe in der Schule gut genug aufgepasst um zu wissen, dass vermutlich der gesamte Boden nur eine dünne Schicht Kruste über geschmolzenem Gestein ist. Kiba ist vollkommen erschöpft und auch ich bin lange nicht so müde gewesen. Aber wir können nicht beide zugleich schlafen. Wenigstens werden wir nicht Frieren, sodass ich eine geschützte Felsnische finde und mich mit ihm dort hin setze. Wir sind erst spät sichtbar und können genug überblicken. Er ist völlig atemlos und blickt auf meinen Arm. "Soll ich ihn dir wieder richten?" "Hast du das schonmal gemacht?", hake ich nach und er schüttelt kurz den Kopf. "Dann nein. Ich will nicht riskieren, dass du hinterher mehr kaputt machst als wieder richtest." Er verzieht das Gesicht, nickt aber, ehe er den Rucksack absetzt und auf macht. "Ich kann nicht fassen, dass du mir geholfen hast.", gibt er zu und zog eine Decke aus dem dunkelblauen Stoffgepäck. "Ich kann nicht fassen, dass du wegen einem beschissenen Rucksack riskiert hast, dass dich ein Karriero erwischt.", gestehe ich und nehme eine leere 2 Liter Flasche entgegen. Kein Wasser ist nicht gut. Wir haben zuletzt heute Morgen getrunken. Ich habe zwar 2 Liter getrunken, aber wir sind so viel gerannt und haben mehr als genug geschwitzt. Eine weitere Flasche folgt, ehe er Trockenfleisch aus dem Rucksack zieht und mir direkt einen Streifen gibt. Wir kauen eine Weile schweigend an der mageren Beute, ehe er sich nochmal kurz rührt und die Augen zu macht. "Kann ich ein paar Stunden Schlafen?" Ich nicke und brumme kurz zustimmend. Er kann schlafen, dann kann ich mir in Ruhe Gedanken machen, wie unsere Lage derzeit ist. Mit dem Arm kann ich nicht Ringen. Ich kann vielleicht einen Speer werfen, aber wir haben nur eine Art Machete, die Sora verloren hat und damit bin ich nicht gut. Den Arm selber einrenken ist vermutlich meine einzige Chance. Er drückt sonst auch nur meine Arterie ab und eine schlechte Durchblutung des Arms ist nicht die beste Option. Auf was ich nicht vorbereitet bin sind die großen Hände, die mir den Arm einrenken und ich merke, wie vor Schmerz Sterne vor meinen Augen tanzen. Einen Schrei kann ich allerdings verhindern und ich atme nur heftig, während ich mich von Schreck und Schmerz erhole. "Spinnst du?!", fauche ich und werfe ihm einen wütenden Blick zu. Er hebt leicht die Schultern. "Ohne bist du relativ am Arsch. Und ich hab es bestimmt schon tausend Mal gesehen nach dem Ringen im Sport." Ich atme noch schwer und betrachte meinen Arm. Er ist bereits blau und geschwollen und ich wäre sicher verrückt vor Schmerz geworden. "Jetzt schlaf, bevor ich dich noch allein lasse.", brumme ich frustriert und höre bald darauf Schnarchen neben mir. Das ist der erste Moment in dem ich klar und deutlich an daheim denke, nicht nur in meinem Hinterkopf. An meine Eltern, denen sicher bereits das Herz in die Hose gerutscht ist. Ino und Hinata, die sich bestimmt sicher waren, ich würde das erste Opfer der Spiele. Naruto, Tsunade, meinen Mentor… Gegen Mitternacht ertönt die Hymne und Kiba wird wach. Distrikt 3 ist draußen. Ebenso 7. Die Mädchen aus 5, 6, 10 und 11. Der Junge aus 9. Das waren die jüngsten dieses Jahr. Alle Karrieros sind noch drin. Wir beide. Sieben weitere, irgendwo draußen versteckt oder auf dem besten Weg zu sterben. Kiba tippt mich an und ich mache mich so klein wie möglich. Er will Wache halten, dann schlafe ich etwas. Als er mich weckt, ist die Sonne noch nicht ganz aufgegangen. Wir rappeln uns zusammen und laufen weiter. Es ist mehr ein zügiger Trab, aber wir machen Strecke. Er zweifelt den Kurs nicht an, den ich vorgebe und ich bin froh darum. Ich fühle mich wie gerädert, aber ich bezweifle, dass ich das jemals nicht werde. Egal, ob ich überlebe, oder ob ich sterbe. Gegen Nachmittag hat es zwei weitere Male geknallt. Zwei weitere Tote. Wir erreichen einen Übergang aus dem gleichen Stein der Plattform und kommen dann in ein Gebiet, in dem nichts als Sand ist. Ich bin entsetzt. Ich hatte auf Wasser in irgendeiner Form gehofft, aber das schien nicht der Fall zu sein. Unsere Mentoren würden uns nicht helfen, das wird mir gerade schmerzlich bewusst. Sie hätten uns sicherlich sonst längst Wasser geschickt. Ich fühle mich zum ersten Mal allein gelassen. Im Stich gelassen. Wir stapfen durch den Sand und sind froh, dass ein stetiger Wind geht. Wir haben geschwitzt wie die Tiere beim Laufen und kühlen so zumindest ein Stück weit ab. Die Hitze ist nicht mehr so unerträglich und wir stapfen weiter, ehe ich mir sicher bin, mich zu täuschen. Ich sehe Bäume, nicht unsere von daheim, aber sie stehen sicherlich nicht ohne Wasser da. So schnell der Sand es uns ermöglicht rennen wir hin und ich habe Recht, wir haben Wasser gefunden. Wir trinken, bis wir voll sind, waschen uns die Gesichter, nachdem wir die Flaschen gefüllt haben und ich schaue mich um. Nichts, was uns Schutz bieten könnte. Wir können nicht bleiben. Als ich mein Sorge Kiba gegenüber äußere, brummt er wütend. "Wir sind gerade erst hier!" "Wir können nicht bleiben, Kiba! Wir müssen hier weg, sonst sind wir genau auf dem Präsentierteller!" Ich bin nicht weniger wütend als er. Wieso sieht er bitte nicht ein, dass es Selbstmord ist, hier zu bleiben? "Willst du durch die Dunkelheit stapfen?! Dich verlaufen und eventuell noch den Karrieros in die Arme?!" Einen Moment überlege ich, ihm den Rucksack abzunehmen und allein weiter zu ziehen. Wenn er hier bleiben will, wo wir einfache Beute sind, soll er doch. Irgendwie sagt mir mein Gefühl allerdings, dass das nicht das richtige wäre. Kiba ist ein Freund, wenn schon nicht meiner, dann Hinatas. Ich kann ihn nicht zurücklassen, auch wenn mein Mentor genau das von mir erwartet. Ich seufze und setzte mich wieder auf den Boden. "Es könnte kalt werden." "Was, bist du jetzt etwa froh über die Decke?", hakt er nach und ich schüttele den Kopf. "Wir wären beide besser dran, wenn wir so gelaufen wären. Aber die Flaschen sind wohl praktisch.", gebe ich zu. Die Nacht verläuft erstaunlich ruhig und wir reisen nach weiterem Trockenfleisch und einigen Früchten von den Bäumen weiter. Die nächsten Tage sind ähnlich spektakulär. Der Junge aus 11 ist tot, die beiden aus 8 ebenfalls. Zu meiner Überraschung auch das Mädchen aus 1. Wir erreichen eine weitere Oase und es läuft ähnlich wie bei der Ersten. Ich werde das Gefühl, verfolgt zu werden dennoch nicht los und als er dann irgendwann stehen bleibt und sich hinsetzt, kocht die Wut in mir wieder hoch. "Was soll denn der Mist?!" "Ich muss mein Bein ausruhen!" "Heul nicht rum, die sind uns mit Sicherheit bereits auf den Fersen!" "Halt's Maul!" "Was bitte?! Beweg deinen Arsch!", fauche ich und trete ihm gegen den gesunden Oberschenkel. "Ich komm gleich nach! Lass mich nen Moment ausruhen und schau schonmal, wie es weiter aussieht!" Ich habe sein Bein noch nicht gesehen seit wir los sind, also nicke ich. Dass es sich entzünden würde war meine Befürchtung gewesen, aber ich war mir nicht allzu sicher. Ich stapfe von dannen, wenn auch mit einem beklommenen Gefühl. Er hat den Rucksack, weil ich vermutlich eher auf Wasser stoße als er, aber das ändert nichts. Ich bin außer Sichtweite, aber der Sand trägt Geräusche erstaunlich gut, sodass ich nur wenige Zeit, nachdem ich ihn nicht mehr sehen konnte Schreie hören kann. Es ist Kiba, ich weiß, dass er es ist, aber bevor ich auch nur 50 Meter zurück sprinten kann, hören die Schreie auf und ich höre die Kanone. Mein Begleiter ist tot. Ich realisiere erst, dass ich laufen muss, als ich bereits einen erfreuten Aufschrei höre. Vier Leute. Zwei Jungs, zwei Mädchen. Die Karrieros. Dieser Kabuto war nicht mit ihnen Warm geworden. Einen Moment bin ich paralysiert, dann drehe ich um und renne, was das Zeug hält. Ich wirble mehr Staub auf, als ich vorwärts komme, aber ich entdecke den Übergang, der diesmal ein Stück über meinem Kopf endete und ziehe mich den Vorsprung hoch, so gut ich kann. Die anderen sind größer als ich, sie alle sind größer als ich und ich spüre eine Hand an meinem Knöchel, als ich mein rechtes Knie bereits auf dem Vorsprung habe. Beinahe stürze ich, aber mein linker Fuß, den er nicht gepackt hat schnellt nach hinten und befriedigt höre ich ein lautes Knacken und einen Schmerzensschrei. Ich habe einem von ihnen die Nase gebrochen, wenn nicht noch mehr Schaden angerichtet. Verfolgt von wilden Flüchen springe ich die Mauer hinunter und renne in den dahinterliegenden Wald. Ich bin augenblicklich vollkommen durchnässt und bemerke kaum, wie ich anfange zu schluchzen. Ich habe die Orientierung verloren, renne nur noch von Tränen und Regen geblendet durch den Wald. Ich stoße an Bäume, reiße mir die Hose an den Schienbeinen auf, als ich mich in einem hohlen Baumstamm verkrieche und mich zusammenrolle. Der Regen trifft mich nicht mehr so hart und ich merke, wie mir schwarz vor Augen wird. Kapitel 5: Die Traufe --------------------- Ich wache auf und habe keine Ahnung, wie viele Tribute noch leben. Ich weiß einen Moment lang nicht mal, wieso Kiba nicht neben mir sitzt, wo ich liege und was da über meinem Kopf rumtrommelt. Dann kommt die Erinnerung zurück und ich muss schlucken. Meine Gelenke fühlen sich merkwürdig an, als ich sie nutze und meine linke Schulter schmerzt noch immer, auch wenn die Schwellung weg ist und die Färbung ebenfalls verschwindet. Ich schiebe mich schwerfällig aus dem hohlen Baum und merke, wie ungewohnt die Bewegung ist. Mein Mund ist trocken und ich brauche Wasser, zumindest das merke ich, sodass ich mich einem Blatt nähere, auf dem sich das Wasser sammelt und es in meinen Mund laufen lasse. Ich erkenne einige Brombeeren und Pfefferminze. Nachdem ich mich an den Brombeeren satt gegessen habe, kaue ich Pfefferminze. Ich fülle die Taschen meiner Hosen mit den Brombeeren und nehme noch einige Minzblätter mit. Kiba ist tot. Weg. Ich kann mich nicht mehr auf ihn verlassen. Keiner mehr, der mir den Rücken deckt. Was in drei Teufels Namen hat er sich gedacht, zurück zu bleiben? Er hatte die letzte Wache, bevor die Sonne aufging. Wusste er, dass sie hinter uns waren? Dass sie schneller waren? Dass er mich nur ausbremste? Er hatte eigentlich gewollt, dass ich den Rucksack nehme. Ich spüre, wie mir die Tränen hochkommen. Wollte er mich wirklich retten? Verhindern, dass ich ebenfalls draufgehe? Mühsam verdränge ich die Tränen. Mein Mentor wird mir bereits den Kopf abreißen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich durch den Wald streife. Ich fühle mich sicherer hier als in den offenen Gebieten. Wenn ich am Abend in die Bäume klettere und mich so klein wie möglich mache, werde ich trotzdem nass und fühle mich einsamer als jemals zuvor. Entgegen meiner Erwartung, dass ich mir Naruto wünschen würde, mich in den Arm zu nehmen, mir zu sagen, dass ich nicht aufgeben soll, wünscht mein Herz sich meinen Mentor. Er wüsste, was zu tun wäre. Er würde mich antreiben, ohne mich zu verletzen. Er würde mich nachts festhalten, wenn die Tränen kommen. Ich habe keine Ahnung, wie es momentan aussieht. Ich weiß, dass wir zuletzt noch 11 waren. 10. Kiba war tot. Ich bin unter den letzten 10, das ist ein Lichtblick. Mir ist übler als bisher und schlafe nicht viel, ehe ich aufwache und wieder vom Baum klettere. Als ich ein schmerzhaftes Stöhnen höre, bin ich einen Moment panisch. Wer zur Hölle ist hier draußen? Ein Karriero? Beinahe unmöglich. Dennoch, während ich mich vorsichtig dem Tribut nähere erkenne ich den Jungen aus 4. Sora. Er hat Kiba verletzt und dafür gesorgt, dass er tot ist. Ich hätte jeden Grund, ihn zu töten, selbst wenn es nicht eh darauf hinaus liefe. Und ich höre beinahe Sasuke, wie er mich dazu beschwört, genau das zu tun. Dem Jungen ein schnelles Ende zu bereiten. Es vergehen Sekunden, in denen ich unschlüssig bin. Er sieht mich, aber er ist zu schwer verletzt, etwas zu tun. Ein Pfeil steckt einige Meter von mir weg und ich könnte ihn damit ohne Probleme erledigen. Aber will ich das? Kann ich das? Er ist hilflos. "Wo sind deine Freunde?", frage ich ein wenig zögerlich und er hebt die Schultern. "Weg. Als ich mir das Bein gebrochen hab, haben sie beschlossen, mich zurück zu lassen." Einen Bruch kann ich heilen. Es ist schmerzhaft, für ihn, und anstrengend für mich, aber ich wäre dazu in der Lage. "Ihr habt Kiba getötet." "Darius. Ja, hat er. Darum geht es hier." "Hilf mir." Ich sehe die Überraschung und sehe sie ebenfalls in allen Gesichtern vor den Fernsehern. "Du bist bekloppt." "Ich will wissen, was die anderen Karrieros können. Und die anderen, von denen du weißt." "Es gibt keine anderen mehr, du dumme Kuh. Darius und Hannah. Der Idiot aus 2. Wir beide." Ich bin verwirrt und mir wird übel. Wir sind nur noch zu fünft? 19 andere Kinder sind tot? "Was sind ihre Stärken?" "Darius ist wohl keine Frage.", erwidert er pampig und ich zögere. Darius ist groß, kräftig, arrogant und flink mit einem Messer. Mit einem Langen sogar sehr sehr gut. "Hannah.", fordere ich und er stöhnt entnervt. "Sie schwimmt. Und ist gut mit nem Strick." Ich nicke kurz und trete zu ihm. "Der aus 2?" "Keine Ahnung. Er ist völlig bekloppt. Während wir uns geschlagen haben ist er zum Füllhorn spaziert und hat sich bedient. Dann ist er ab euch hinterher. Keine Ahnung, wo er sich rumtrieb." Ein kurzes Nicken meinerseits und ich knie mich neben ihn. "Das wird weh tun." Bevor er protestieren kann habe ich sein Bein wieder gerichtet und fange auch an, es zu heilen. Er ist perplex und schielt verblüfft in mein Gesicht. Er scheint den Schmerz zu ignorieren oder die Überraschung ist zu groß. Dem Kapitol geht es sicher ähnlich. "Wie.…Was… Warum?" "Weil ich deine Hilfe brauche. Du wirst mir helfen, mir die anderen Drei zu holen. Und dann knobeln wir aus, wer von uns nach Hause fährt." Er zögert, schätzt seine Chancen ab. Ich bin zu müde, mich mit ihm zu schlagen. Ich will nicht mehr allein sein. Und bin erleichtert, als er nickt. "Wohin?" "Nicht zurück in das Wüstengebiet. Weiter.", murmele ich und er nickt verstehend, ehe wir beide uns erheben. Das Messer an seiner Seite habe ich nicht gesehen, bis er stand. Und einen kurzen Augenblick sind wir beide uns nicht sicher, ob dem anderen zu trauen ist. "Ich hab Darius die Nase gebrochen?" "Er hat geschimpft wie sonst was.", grinst er und ich muss erschöpft lächeln. Sora hat nur noch seinen Vater daheim. Seine Mutter kennt er nicht. Ich erzähle ihm von daheim, wenn er still wird. Dass meine Eltern Händler sind. Wir verdienen nicht viel mit dem Krimskrams, den meine Eltern verkaufen, aber es reicht zum Leben und ich habe nie wirklich gehungert. Das Heilen habe ich mir zwar von Tsunade zeigen lassen, aber ich behaupte, ich habe es aus einem Buch gelernt, dass ich irgendwo gefunden hätte. Ich wisse nicht mehr wo genau. Es könnte Tsunade sonst den Kopf kosten. Es bleibt bei solchen Erzählungen, bis wir das nächste Gebiet erreichen. Felsen, überall. Wir haben ein paar Tiere erlegt und die Felle als Beutel zusammengeflickt. Es hält nicht gut für sonstige Verhältnisse, aber die Brombeeren bleiben drin und wir hatten einige Tage Fleisch zum Essen. Das gibt es meistens nicht mal daheim. Ich habe ein schlechtes Gefühl, als wir vor uns hin stapfen, nur mit Brombeeren, die nicht ewig halten werden und ohne Wasser. Es war die letzten Tage allgegenwärtig und ich fühle mich nackt ohne es. Die Ruinen, die wir entdecken, lassen mich zögern. "Willst du da wirklich rein?", hake ich nach und er greift nach meinem Oberarm. "Sakura, vielleicht finden wir irgendwas nützliches.", meint er und ich bin weiter unsicher. "Wir teilen uns auf, ich-" "Nein! Wir trennen uns nicht." Wir sind zu nah am Wassergebiet, um uns aufzuteilen und eventuell getrennt aufgegriffen zu werden. Ich weiß nicht wie, aber er überredet mich doch. Sicherlich von wegen, es würde ja nur einige Minuten dauern und da könne niemand uns erwischen. Ich höre sein Fluchen, als ich im zweiten Haus im Obergeschoss bin. Ein Schrank und ein schmales Bett sind drin, aber der Schrank ist leer. Schnauben, Fluchen, Gerangel, dann fliegt unten die Türe auf und ich höre hektische Schritte die Treppe hinauf. Ich verschwinde im Schrank und presse meine Hand auf den Mund. Die Kanone geht und ich presse die Augen zu. Sora ist tot und ich bin wieder allein. Ich versuche nicht zu hyperventiliere, als die Tür in das Zimmer auffliegt und ich Soras Stimme höre, die leise nach mir fragt. Ich reiße die Tür auf und da steht er, verstaubt, dreckig und Blut an seiner Schulter, aber er lebt. Ich bin keine Sekunde froh, ihn zu sehen. Sein Kopf ruckt in einem unnatürlichen Winkel herum und ich schreie auf, als die Kanone geht und er zusammenbricht. Sora ist tot und ich bin vollkommen paralysiert. Der Kerl mit der Brille und den grauen Haaren. Aus 2. Meine Kehle ist trocken und ich sehe, wie er amüsiert grinst. Ich drehe mich abrupt um und mache einen gewagten Sprung aus dem schmalen Fenster. Die obere Etage ist nicht allzu hoch und ich kann unten abrollen. Dabei rolle ich dummerweise nur gegen die andere Wand und reiße mir den linken Oberarm auf. Mitten in der Straße liegt Darius, die Kehle durchgeschnitten, von Hannah keine Spur. Ich warte nicht auf sie oder auf den Jungen namens Kabuto, der mir meinen Weggefährten weggenommen hat. Ich renne in wilder Panik davon, weiter Richtung Wasser, weg von den Leichen und dem Mistkerl. Mir ist übel und ich bin froh, offensichtlich eine bessere Sprinterin zu sein als mein Verfolger. Ich laufe irgendwann langsamer, aber ich höre ihn nicht mehr. Ich fühle mich taub und müde. Ich habe keine Motivation mehr, besondere Vorsicht walten zu lassen. Ich igle mich in Nischen ein und laufe langsam weiter. Dieses Mal habe ich nicht die Kraft, zu weinen. Sora war mir ans Herz gewachsen und ich bin zu geschockt, um irgendwas zu verstehen. Als ich eines der kleinen grauen Boote in der Ferne glitzern sehe, kommen mir die Tränen. Ich habe es geschafft. Ich habe es bis ans Wasser geschafft. Nicht, dass ich einen Plan habe. Ich weiß nicht, was ich tun werde. Dennoch beschleunige ich mein Tempo und erreiche das Boot. Ich schiele hinein und sehe einen Rucksack, gigantisch, schwarz und als ich ihn öffne voller nützlicher Gegenstände. Zwei Rucksäcke. Der andere liegt am anderen Ende. Endlich erlaubt sich mein Körper, die Tränen zu vergießen. Sora ist tot. Ich habe zwei Freunde in dieser Arena gehabt und sie sind beide tot. Die Tränen, die jetzt kommen sind nicht um ihretwillen sondern um meinetwillen. Ich bin vollkommen erschöpft. Ich bin alleine, ich habe keine Chance mehr und einen Plan habe ich auch nicht. Ich werde sterben, ob jetzt oder später ist doch egal. Ich höre ein Piepsen und wage kaum, den Blick zu heben, als der Fallschirm vor mir landet. Ich hebe den Blick und erkenne ein Fischernetz und ein Stück Papier, eng zusammengefaltet. Ich nehme das Papier und falte es zittrig und weinend auseinander. Was könnte mich jetzt noch antreiben? Was würde mich jetzt noch vorwärts treiben? Ich brauche einige Sekunden um klar sehen zu können. Klare, saubere Linien, ohne viele Umschweife, dann viele andere Schriften. Wir zählen noch auf dich. Naruto Ino Hinata Shino Tsunade Shizune Mama und Papa Shikamaru Sasuke Erst beim vierten Lesen wird mir der Sinn dahinter klar. Das war der Grund, den ich noch brauchte. Der Grund, nicht aufzugeben. Das muss er so unterzeichnen haben lassen, als ich mich von allen verabschiedet habe. Ich schlucke schwer und stecke mir das Blatt in den Gürtel. Die anderen vertrauen auf mich. Ich muss mich zusammenreißen, sonst lasse ich sie hängen. Und das tue ich sicherlich nicht. Die Genugtuung gönne ich Kabuto nicht. Mein Groll ist noch nicht groß genug, dass ich ihm hinterher jagen will, aber möglicherweise braucht das noch Zeit. Ich schiebe das Boot ins Wasser und paddle mit einigem an Mühe los. Es dauert anderthalb Tage, bis ich an einer Insel ankomme. Ich ziehe das Boot ein Stück an Land und werfe die Rucksäcke auf den Boden neben mich. Das Wasser in der Nähe zu haben beruhigt mich. Distrikt 2 kann ebenso wenig schwimmen wir 12. Und ich sah kein anderes Boot da mehr. Dass ich aber nicht nur Kabuto habe, um mich zu Sorgen, merke ich erst, als ich eines morgens aufwache und sich große Hände um meinen Hals schlingen und zudrücken. Ich schnappe nach Luft und meine Augenlider fliegen auf. Hannah kniet über mir und grinst hämisch. Bevor mein Gehirn reagiert, reagiert mein Körper und meine Beine fliegen hoch. Sie kniet oberhalb meines Kopfs und würgt mich heftig genug, dass ich schwarz Punkte vor meinen Augen tanzen sehe. Meine Oberschenkel liegen an ihrem Hals und in dem Moment, indem sie ihren Griff überrascht lockert, rucke ich herum und höre das gleiche Krachen, dass auch Soras Leben beendet hat. Sie knallt auf mich und ich keuche vor Schmerz auf. Ich schaffe es, sie von mir runter zu schieben und erbreche mich beschämender Weise neben sie. Die erste, die ich töte. Die erste, deren Leben ich beendet habe. Es hieß sie oder ich, aber ich kann nicht ignorieren, dass sie ein Mensch war, der auch nur heim wollte. Die anderen Tribute flimmern mir vor Augen und ich denke an all die beendeten Leben. Kiba, Sora, Darius, Hannah, all die, deren Namen mir nicht kommen wollen. Ich spüre, wie mein Körper sich verkrampft und mit einem Mal sammelt sich in mir eine solche Menge Determination, dass ich beginne zu zittern. Kabuto wird sicher nicht heim kommen. Kapitel 6: Die Hölle -------------------- Ich wache auf und mir ist wieder übel. Allerdings nicht durch das Salzwasser, dass mir in die Nase geschwappt ist, wie beim letzten Mal. Bevor ich mich auf den Weg zum Füllhorn gemacht habe. Bevor ich mit Kabuto gekämpft habe. Vor dem Chakra-Messer, dass mich zu sehr überrascht hat, um noch auszuweichen. Die tiefe Wunde an meinem Oberkörper… Schmerzhaft, aber ich konnte noch stehen, mich noch wehren. Tausend Bilder fliegen mir durch den Kopf. Kabuto schlägt mir den Schädel an die Felsplattform, weil er zu erschöpft ist um die Chakraklinge aufrecht zu erhalten. Ich breche ihm mehrere Knochen. Den Arm während wir Ringen und den anderen kugle ich ihm aus. Er schiebt sich von mir weg und fängt an mich zu verfluchen und ich werde immer müder und müder und müder… Haben sie mich für tot befunden? Hat mein Herz aufgehört zu schlagen? Bin ich tot? Ich bin nicht dazu in der Lage, zu verstehen, dass ich eventuell gewonnen haben könnte. Ich öffne zum Ersten Mal meine Augen, seit ich wach geworden bin und blinzle gegen helles Licht. Eine weiße Decke, ein rein weißer Raum der in den Augen wehtut. Ich setze mich auf und erst in dem Moment bemerke ich eine Krankenschwester, die bereits die gesamte Zeit in der Ecke gestanden haben muss. Sie redet im Kapitol-Akzent auf mich ein, ich müsse liegen bleiben, sonst würde ich nicht rechtzeitig wieder fit. Ich trage ein papiernes Hemdchen und fühle mich unangenehm nackt und ausgeliefert. Ich ignoriere sie und schiele an mir herunter. Die Wunde ist beinahe weg, nur noch eine feine rosa Linie bleibt. Meine linke Hand wandert zu meinem Hinterkopf. Die Platzwunde ist nicht mehr spürbar und ich schaue mich nach einer Tür um. Die Schwester hat von irgendwo her eine Spritze und jagt sie mir in den Arm. Schmerzmittel? Beruhigungsmittel? Ich bin mir nicht sicher und merke nur, dass meine Augenlider wieder schwer werden. Die Schwester drückt mich ohne Gegenwehr auf die Liege zurück und ich bin wieder weg. Als ich das nächste Mal aufwache bin ich in meinem Zimmer im Trainingscenter. Kurz bin ich mir nicht sicher, ob ich bereits in der Arena war, oder ob ich nur geträumt habe, aber mein rechter Oberarm fühlt sich brennend an und ich werfe einen verblüfften Blick darauf. Das Symbol der Sieger. Eine Tätowierung, simpel, unspektakulär und einfarbig, aber ein immerwährendes Mahnmal. Ein Brandzeichen. Ich bin in das Schlachthaus gegangen und habe am längsten ausgehalten. Einige Minuten bin ich völlig weggetreten. Ich habe gewonnen. Ich bin Siegerin der 97. Hungerspiele. Ich bin die letzte Lebende von 24 Kindern, die gestorben sind. Es dauert nicht lang und die Tür öffnet sich vorsichtig und ich sehe Shizune, die mich anstrahlt. "Einen wunderschönen Morgen, Mäuschen! Du hast einen großen Tag vor dir!", trällert sie und ich bin einen Moment lang sicher, dass ihre Stimme nicht so schrill, ihr Akzent nicht so deutlich war, als ich das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte. Bei dem Abendessen, bevor ich in die Arena musste. "Du musst zu allererst etwas anständiges Frühstücken. Die Ärzte haben dich zwar wieder so weit es geht aufgepäppelt, aber du bist trotzdem dünner als ein Strich." Ich fühle mich nicht dünn wie ein Strich. Ich weiß, ich kann sicherlich meine Rippen zählen, wenn ich den Bauch ein Stück weit einziehe, aber mir ist nicht nach Essen. Mein Protest geht allerdings unter und Shizune hilft mir in eine rote Tunika und eine einfache Jeans. Der heutige Tag soll noch ruhig verlaufen. Ich sei noch nicht wieder auf der Höhe und das abschließende Interview sei eh noch ein wenig nach hinten verschoben. Ich erfahre, dass man an mir hatte herumschnippeln wollen, mein Mentor aber drauf bestanden hatte, dass das nicht passiert. Wenn ich in Erinnerung bleiben soll, solle ich so aussehen, wie bevor ich in der Arena war. Shizune bürstet mir die Haare und ich bin kurz verwirrt, warum das nicht mein Vorbereitungstrupp macht, aber sie winkt ab. "Die Ärzte meinen, du solltest nicht zu viel Aufregung um dich haben. Weil du zwischendurch aufgewacht bist und die Schwester dich ruhigstellen musste." Ich nicke leicht und bin kurz darauf aus meinem Zimmer. Meine Beine fühlen sich nicht an, als gehörten sie mir. Und als Shikamaru und Sasuke den Blick heben, als Shizune mir die Stufe runter in das Ess- und Wohnzimmer nicht hilft, schiebt mein Mentor seinen Stuhl zurück und stützt mich die letzten Meter zum Tisch. Sein Arm um meine Hüfte ist eine Erleichterung und ich bin dankbar, als er mich auf einen Stuhl pflanzt. Die beiden Männer am Tisch kennen meinen Zustand. Sie wissen, wie man sich fühlt, wenn man aus der Arena gekommen ist. Shizune stellt mir einen Tee hin und ein Avox verfrachtet Rührei, Brot und allerlei anderes auf meinen Teller. Ich kann mich kaum dazu aufraffen, meinen Tee zu trinken. Ganz zu schweigen davon, den Teller zu leeren. Ich esse, bis ich satt bin und lasse schweren Herzens alles andere stehen. Sasuke und Shikamaru helfen mir auf das Sofa und ich bin froh, heute nicht bereits die Höhepunkte sehen zu müssen. Mir ist immer noch nicht gut und mein Schädel brummt. Der Moment in dem Shizune allerdings nachkommt und den Fernseher anschaltet, erscheint Jiraiyas Gesicht auf dem Bildschirm und ich brauche einige Sekunden um zu verstehen, wessen Romanze keinen plötzlichen Dämpfer bekommen hat. Meine Augen rucken zu meinem Mentor, der mittlerweile an der kleinen Bar lehnt und den Fernseher ohne große Emotionen betrachtet. "Hast du so die Angel und den Zettel finanziert?!", kommt es von mir und meine Stimme ist nicht mehr so kratzig wie direkt nach meinem Aufwachen. Er hebt kurz die Schultern. "Hätte ich deine Eltern und alle anderen zusehen lassen sollen, wie du aufgibst und kurz vor deinem Ziel zusammenklappst? Die Sponsoren haben das Interesse wieder verloren, dass du geweckt hast, als du Distrikt 4 gerettet hast." "Sein Name ist Sora!" Ich weiß nicht, woher dieses Temperament gerade kommt. Bin ich verletzt, weil er sich nicht mal die Mühe gemacht hat, sich seinen Namen zu merken? Er wirkt nicht verärgert, aber ich bin nicht zufrieden. "Was hast du denen erzählt?!" Er kommt nicht dazu, zu antworten, da mischt sich Shizune bereits wieder ein. "Er hat sehr emotional dargestellt, dass er kein Mensch sei, der gerne Emotionen zulässt und du das ja dennoch geschafft hättest. Und-" Das ist der Moment, in dem ich ihr bereits nicht mehr zuhöre. Er hat behauptet, ich hätte mich in sein Herz gequengelt?! Spinnt er?! Ich bin wütend und rede die nächsten Tage nicht mit ihm. Das Interview rückt näher und als ich dann präsentiert werde, trage ich ein knielanges babyblaues Kleid und meine Haare wurden hochgesteckt. Ich bin wirklich hübsch, aber das hilft mir nicht, als ich es mir in dem roten Ohrensessel bequem mache und zusehen darf, wie 23 Menschen sterben. Der Zusammenschnitt zeigt insbesondere mich, auch wenn ich wenig heldenhaftes tue. Kibas Tod trifft mich allerdings unvorbereitet. Ich hatte gehofft, es wäre schneller gegangen, aber scheinbar hatten sie ihn bereits in der Mangel gehabt, als ich kaum außer Sichtweite war. Ich sehe, wie Soras Bein bricht, als er von einem Baum fällt, auf den er geklettert ist. Wie ich ihn heile. Wie er sich von mir trennt und Darius umbringt. Wie ich vor Kabuto und Hannah davonrenne. Mein Zusammenbruch beim Erreichen des Bootes und der Realisation, dass Sora weg ist. Der Fallschirm. Kabuto hatte die gesamte Zeit am Füllhorn gewartet. Und Hannah hat mich gesucht. Wie ich Hannah töte. Der Kampf mit Kabuto sieht anfangs eher so aus, als würde ich definitiv draufgehen. Ich wusste vorher, dass es knapp wäre, aber nicht, dass es so deutlich war, wie unterlegen ich war. Zumindest bis er die Chakraklinge nicht mehr halten kann und nicht drum herum kommt, mit mir zu ringen. Ich habe ihm schnell einiges gebrochen bevor er meinen Kopf so gegen den Boden schlägt, dass ich kurz tot aussehe, auch wenn es nur eine kurze Ohnmacht war. Der Kampf fühlte sich an, als würde er nur wenige Sekunden dauern. Tatsächlich hat er viel länger gedauert. Dafür lagen wir nicht halb so lang da, wie ich anfangs gedacht hatte. Das war schneller vorbei als ich dachte. Ohnmächtig sind wir zu dem Zeitpunkt allerdings beide, sodass zuerst nicht klar ist, wer der Sieger ist. Bis die Fanfaren ertönen und verkündet wird, dass ich Siegerin bin. Er hat nur kleine Fragen. Wieso ich Sora geholfen hätte. Weil ich wusste, dass ich allein keine Chance hätte, sollten wir überfallen werden. Was mich überrascht hat. Die Dauer des Finales. Und damit werde ich entlassen. Ich werde zur Siegerin gekrönt und es kommen noch einige Kameratermine, ehe ich in den Zug nach Hause geschickt werde. Das ist die erste Nacht, die ich wieder zu meinem Mentor ins Bett krieche. Die letzten Nächte waren die Alpträume erträglich, aber heute kann ich sie nicht ertragen. Er lässt es zu und ich schlafe zum ersten Mal wieder durch. Ohne die Bilder von Sora, Darius, Kiba, Hannah und wie sie alle hießen. Der nächste Tag ist ruhig. Shikamaru hat sich noch nicht aus dem Bett bewegt und ich sitze im hintersten Abteil und schaue aus der Fensterfront, als Sasuke eintritt. Ich hebe nur kurz den Blick, ehe ich mich wieder abwende. "Hast du erwartet, dass ich heimkomme?" "Nein. Nicht als das Mädchen aus 4 dich erwischt hat, nicht als der Junge aus 2 dich verletzt hat." "Hast du es gehofft?" Er zögert und ich kann es ihm nicht verdenken. Er setzt sich zu mir und ich schiele erneut kurz zu ihm. Sein Blick ist aus dem Fenster gerichtet. "Ja." "Obwohl du jetzt den liebeskranken Mentor spielen darfst?" Seine Augen wandern zu mir und ich kann nicht umhin zu sehen, dass in dem neutralen Blick ein Konflikt liegt. Bevor ich ihn genauer ergründen kann, wendet er sich ab. "Es hat Vorteile für alle Beteiligten. Ich kann so nicht mehr ohne Schwierigkeiten vermarktet werden. Und ein weiterer Sieger, der nicht die gesamte Zeit im Garten liegt und die Wolken anstarrt, ist vielleicht ganz nett." Das sind mehr Worte aus seinem Mund, als ich erwartet hätte, jemals zu hören, aber ich kann nicht verhindern, dass mein Herz höher schlägt. Habe ich mich wirklich in ihn verliebt? Kann es sein? Im nächsten Moment bin ich mir bereits sicher, dass ich es bin. Ich weiß nicht woher, aber ich bin in ihn verliebt. Umso mehr schmerzen die kommenden Worte. "Ist ja nicht so, als würde das irgendwas bedeuten." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)