Where the rain falls von Platan ================================================================================ Epilog: Wo der Regen fällt -------------------------- Patrick Napier war tot. Murphy war anschließend die nächsten Tage über so geistesabwesend, dass Frank mehrmals das Gespräch mit ihm suchte, weil er besorgt wegen seinem schlechten Zustand war. Außerdem wusste der Mann als einer von wenigen auch, welche Verbindung Murphy zu dem Toten hatte, sah ihn jedoch keine Sekunde lang als Schuldigen für diesen Mord an. Momentan galt der Fall noch als ungeklärt. Am Ende hatte Murphy es tatsächlich nicht selbst tun können. Was zuvor in diesem Traum geschehen war, sofern es als einer galt, wusste er nicht mehr genau. Diese Bilder waren seltsam verschwommen und nicht mehr richtig greifbar für ihn. Als er dann von Napiers Tod erfuhr, dachte er sogar zuerst, immer noch nur zu träumen. Er war nicht sicher, ob Sewell wirklich seinen Job als Rächer für ihn übernommen hatte oder nicht. Da Napier aber tot war, musste es so sein. In seinem Kopf herrschte Verwirrung und er konnte Realität manchmal nicht mehr von Traum unterscheiden. Seit jenem Tag, an dem Napier starb, stand seine Zelle zum Beispiel jeden Morgen unter Wasser und Frank versicherte ihm stets, dass er sich das nur einbildete. Irgendwann hörte Murphy auf, sich wegen dem Wasser zu beschweren und fing an es hinzunehmen, bevor man noch auf die Idee kam, ihn woanders hinzubringen. Weil er ernsthaft über einen Mord nachgedacht und es beinahe selbst getan hätte, war er hier durchaus gut aufgehoben, jedenfalls für die nächste Zeit. Bis er irgendwann seinen Verstand geordnet hatte und wusste, was er nun tun sollte. Leider träumte er nicht mehr von Carol und Charlie, als wären sie aus seinen Erinnerungen geflohen. Das machte den Aufenthalt im Gefängnis nicht unbedingt leichter, erst recht wenn man überhaupt kein Ziel mehr besaß. Vielleicht sollte Murphy einfach nichts mehr tun, offenbar kam niemals etwas Gutes dabei heraus. Unsinn, das stimmte nicht. Charlie war das Beste, was er je zustande gebracht hatte. „Charlie ...“, murmelte er vor sich hin und hielt beim Schreiben inne. Er saß gerade alleine in seiner Zelle und versuchte sein Notizbuch mit Gedanken zu füllen, um die Zeit schneller verfliegen zu lassen. Auch das half nicht mehr viel, schon weil ihm nicht mehr einfiel, was er aufschreiben sollte. Deshalb hielt er alles Mögliche fest, selbst Nebensächlichkeiten. Vielleicht war dazwischen auch mal etwas Wichtiges dabei, ohne dass er es merkte. „Murphy?“, sprach ihn jemand außerhalb der Zelle ruhig an. Schwerfällig hob er den Kopf. Es war Frank, der auf der anderen Seite der Gitter stand und ihn aufmerksam musterte. Sein freundliches Lächeln konnte Murphy nicht trösten, so gern er es mit einem eigenen erwidert hätte. Wahrscheinlich wäre er ohne ihn schon längst in ein noch viel tieferes Loch gefallen, als in das, in dem er nun hockte. Mit einem Nicken deutete Frank zu dem Buch. „Störe ich dich gerade?“ „Hm?“ Nur flüchtig warf Murphy einen Blick auf die aktuelle Seite. „Nein, schon gut. Was gibt es denn, Frank?“ „Ich würde dich gern kurz entführen“, antwortete er und winkte den Gang entlang. „Ein wenig Bewegung tut dir sicher gut.“ Ihm war nicht so recht nach spazieren gehen zumute, aber Frank meinte es nur gut mit ihm und er konnte ihm kaum etwas abschlagen. „Ist das denn erlaubt?“ „Lass das mal meine Sorge sein“, meinte Frank und zwinkerte ihm zu. „Für wichtige Gespräche geht das schon in Ordnung.“ Da Murphy die genauen Regeln nicht alle kannte, musste er hoffen, dass Frank sich nicht in irgendwelche Schwierigkeiten brachte, nur weil er nett zu ihm war. Vermutlich ging es aber bei einem Gefangenen wie ihm in der Tat in Ordnung, immerhin war er kein Mörder oder etwas in der Richtung ... noch nicht. „Na schön“, stimmte Murphy zu und legte das Buch samt Stift zur Seite, um aufzustehen. Während Frank die Zelle öffnete und ihn bereits in ein lockeres Gespräch verwickelte, bei dem Murphy überwiegend nur mit einigen knappen Lauten reagierte, blätterten sich die Seiten des Buches hinter ihm selbstständig um. Mehrere Seiten, trotz Windstille. Erst als Murphy einen Blick über die Schulter warf, regte sich nichts mehr. Vermutlich auch nur Einbildung, so wie das Wasser auf dem Boden. Zögerlich trat er nochmal näher heran und sah nach, welche Seite sich aufgeschlagen hatte. Dort stand nur ein Satz, aber er konnte sich nicht daran erinnern, ihn selbst geschrieben zu haben. Was sollte das schon wieder bedeuten? „Stimmt etwas nicht?“, wollte Frank wissen. „Siehst du wieder etwas?“ „Nein“, log Murphy und entschuldigte sich dafür, dass er ihn warten ließ. Dankend verließ er die Zelle und folgte Frank den Gang entlang. Dennoch ging ihm dieser Satz nicht mehr aus dem Kopf, der auf mysteriöse Weise in seinem Buch aufgetaucht war: Suche dort, wo der Regen fällt. Wo sollte das sein? Was sollte er überhaupt noch suchen? „Ich glaube, ich werde verrückt, Frank“, warf er seufzend ein und unterbrach ihn ungewollt damit – es fiel ihm sowieso schwer, ihm zuzuhören. Aufbauend klopfte Frank ihm auf die Schulter. „Du wärst nicht der erste, den diese Mauern verrückt machen. Außerdem ist eine Menge passiert, das dich beschäftigt. Das wird schon wieder.“ Etwas anderes blieb ihm nicht übrig, als darauf zu vertrauen oder er verlor doch noch endgültig den Verstand. Oft genug sagte Frank ihm aber auch, er sollte sich seinen Problemen stellen und nicht davor weglaufen, also fragte er ihn, ob er Orte kannte, wo es viel regnete. Darauf schmunzelte der andere amüsiert und meinte, dass es bessere Orte zur Erholung nach einem Gefängnisaufenthalt gäbe, zählte ihm aber trotzdem einige Städte auf. Murphy lauschte ihm und versuchte, nicht mit den Gedanken abzuschweifen. Durch das Wasser in seiner Zelle hinterließ er nasse Fußabdrücke. Außer ihm bemerkte das niemand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)