Drowning von attackonpsycho (LawxRuffy) ================================================================================ Kapitel 12: Hurricane --------------------- Der nächste Morgen kam schnell. Viel zu schnell, meiner Meinung nach. Ich hätte viel lieber noch ein paar Stunden geschlafen, doch als ich das erste Mal meine Augen öffnete, war mir sofort klar, dass dies nicht mehr möglich sein würde. Viel zu fest saß die Aufregung in mir, zusammen mit dem dumpfen Gefühl, dass heute irgendetwas Besonderes geschehen würde. Mir war wieder einmal nicht bewusst, woher dieses kam, allerdings ließ es sich nicht vertreiben, so sehr ich es auch versuchte. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das stechende Sonnenlicht innerhalb des kleinen Raumes, ehe ich mich gähnend aufrichtete und auf die Matratze neben mir blickte. Law schlief noch. Er lag auf dem Rücken und ein Lichtstrahl erhellte sein hübsches Gesicht. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen betrachtete ich den Schwarzhaarigen ein wenig genauer und stemmte meine Ellbogen auf meine Knie, um mein Kinn auf einer Handfläche betten zu können. Wenn er schlief, sah er ganz anders aus als sonst. Viel friedlicher. Seine Gesichtszüge wirkten zum ersten Mal, seitdem wir hier waren, ein wenig entspannt, auch wenn dies daran lag, dass er gerade schlief. Durch die Helligkeit des Lichtes wirkten die Konturen seines Gesichtes viel weicher und anziehender. Sie ließ seine gebräunte Haut glänzen, als wäre sie aus Bronze. Als wäre ich von seinem Anblick hypnotisiert, glitt meine andere Hand vom Bett hinunter und näherte sich seinem Körper, welcher auf der Matratze lag. Sie suchte nach seiner Nähe, wollte seine zärtliche Haut berühren, als ob dies Lebensnotwendig wäre. Ich wusste nicht, was für Gedanken sich in diesem Moment in meinem Kopf abspielten. Das Einzige, was ich wahrnahm, war mein Herz, welches unerbittlich gegen meine Rippen pochte, als ob es herausspringen wollte. Ich lehnte mich näher in Richtung Matratze, während mein Blick weiterhin über seinen Körper wanderte und meine Hand sich diesem von Sekunde zu Sekunde näherte. Der Schlafsack, welchen er als Bettdecke benutzte, befand sich an seinen Füßen und sein langärmliges Shirt war etwas nach oben gerutscht, sodass es seine Hüftknochen freigab. Er schien ziemlich durchtrainiert, weshalb ich mich selbst fragte, welchen Sport er wohl trieb. Vielleicht mochte er auch gerne Basketball, so wie ich. Man konnte ebenfalls dünne, schwarze Linien erkennen, die in seine Haut gestochen worden waren. Sie führten unter das Shirt, sodass ich nur den Anfang des Tattoos erkennen konnte. Ich wusste gar nicht, dass seine Hände nicht die einzigen Körperteile waren, die er hatte tätowieren lassen. Eigentlich hätte ich nicht erwartet, dass er noch viele mehr hatte, was auch daran lag, dass ich seinen Oberkörper noch nie ohne ein langes Oberteil gesehen hatte. Doch plötzlich bemerkte ich, wie Uneben diese Tätowierung auf seinem unterem Bauch wirkte. Natürlich könnte man das auf das leichte Sixpack schieben, welches sich unter seinem Oberteil verbarg, doch ich glaubte eine Narbe zu sehen, welche nur halbwegs von dem Tattoo überdeckt wurde. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich diese Stelle, während meine selbstständig gewordene Hand immer näher an seinen Körper heranrückte. Ich war im Begriff, seine Haut zu berühren, als mich plötzlich ein lautes Vibrieren aus meinem Tun riss. Für einen Moment blieb mein Herz stehen und ich zog mich ruckartig zurück. Was war bloß in mich gefahren? Mit einer Mischung aus Verwirrung und Nervosität schritt ich wie von einer Tarantel gestochen zu meinem Gepäck, nachdem ich realisiert hatte, dass es mein Handy war, welches diese Geräusche von sich gab. So schnell wie es ging, zog ich es aus meiner Tasche und rauschte aus dem Gästezimmer, als ob ich tausende Verfolger hinter mir hätte. Ich hoffte zwar, dass Law nicht aufgewacht war, allerdings war ich mir sicher, dass ich mit diesem Lärm sogar Zorro aus seinem tiefen Schlaf gerissen hätte. Laut ein und ausatmend betrat ich das Badezimmer, welches direkt gegenüber lag und schloss die Tür hinter mir zu. Erst dann wagte ich einen Blick auf meinen Handydisplay zu werfen, auf welchem sich ein Bild von Nami abbildete. Ich hatte es geschossen, als wir im Café gewesen waren. Genau an dem Tag, an welchem ich noch mit dem Flugzeug in Georgia angekommen war. Ich lächelte bei diesem Gedanken und strich schnell über den Touchscreen. „Das hat ja gedauert“, wurde ich von ihrer Stimme am anderen Ende der Leitung äußerst herzlich begrüßt. Sie klang nicht ernsthaft sauer, eher belustigt. Im Hintergrund hörte ich ein lautes Schnarchen, sowie einen Fernseher. Ich glaubte den Titelsong von Spongebob Schwammkopf zu hören, weshalb ich grinsend meinen Kopf schüttelte. Schon diese Serie deutete darauf hin, dass entweder Chopper oder Lysop bei ihr war. Wobei ich eher auf den Kleineren von beiden tippte. „Du hast mich geweckt“, log ich. Sie musste ja nicht wissen, dass ich schon vorher wach gewesen war und in dieser Zeit Law begafft hatte. Ich seufzte innerlich. Warum ich das getan hatte, fragte ich mich selbst unverzüglich. In diesem einem Moment hatte mich einfach alles an ihm fasziniert, ob es nun der sanfte, mir unbekannte Gesichtsausdruck war, oder diese Sorglosigkeit, die er ausgestrahlt hatte. Vielleicht war es auch etwas ganz anderes gewesen, ich wusste es nicht. Wenn ich ehrlich war, wollte ich auch nicht länger darüber nachdenken und dieses Ereignis einfach vergessen, wie den Stoff, den wir gerade in Mathe durchnahmen. „Ach?“, fragte sie, ich konnte mir beinahe vorstellen, wie sie fragend ihre Augenbrauen in die Höhe zog. „Ihr seid also um halb Eins noch nicht wach?“, fragte die Orangehaarige mit einer Spur von Überraschung und Skepsis in der Stimme. Auch ich öffnete meinen Mund leicht, immerhin hätte ich nicht damit gerechnet, dass es bereits so spät war. Außerdem hatte ich viel eher erwartet, dass Kids gruseliger Vater um sieben Uhr vor unserer Zimmertür stehen würde, um uns mit einem Eimer Eiswasser aus dem Bett zu schmeißen. Nachdem ich ihm gestern Nacht begegnet war, gingen mir so einige, grausame Szenarien durch den Kopf, die gut zu seinem Charakter passen würden. Oder das, was ich bereits davon gesehen hatte. „Wir waren lange unterwegs“, versuchte ich mich irgendwie herauszureden und setzte mich auf den Klodeckel. Meine Füße trommelten einen mir unbekannten Rhythmus auf den braunen Fließen am Boden. „Verstehe“, kam es darauf von Nami, ehe ihre Stimme für wenige Sekunden verstummte. Ich hörte, wie Plankton die Geheimformel des Krabbenburgers stahl, ehe meine beste Freundin fortfuhr. „Und... wie ist er so?“, fragte sie. Ihre Stimme hörte sich merkwürdig an. So unsicher und neugierig zugleich. Definitiv eine Mischung, die man nicht oft bei ihr hörte. Sie war sonst immer so selbstsicher, sodass diese Verhaltensweise gar nicht zu ihr passte. Ich atmete kurz ein und versuchte das treffendste Wort zu finden. „Gruselig“, kam es mir schließlich über die Lippen, ehe ich bestätigend nickte, obwohl sie dies nicht sehen konnte. „Verdammt gruselig“, fügte ich noch einmal hinzu, diesmal klang ich mit meiner Wortwahl viel sicherer. Ein Geräusch, welches sich nach einem leichten Kichern anhörte, war vom anderen Ende der Leitung zu vernehmen. „Im Ernst?“, fragte sie amüsiert klingend. Wahrscheinlich hatte sie vieles erwartet, allerdings hatte dies bestimmt nicht dazugehört. Ich lachte bei der Vorstellung von ihrem leicht verstört wirkendem Gesicht kurz auf. „Hast du etwas anderes erwartet?“, fragte ich sie interessiert, während ich die geflieste Wand mir gegenüber betrachtete. Für einen Moment herrschte Stille. „Vielleicht dachte ich, dass du ihn als freundlichen, höflichen Mann bezeichnen würdest, der -“ „Mit Kindern wie Nojiko, Kid und dich? Ich bitte dich“, unterbrach ich sie lachend und erhob mich von dem Toilettendeckel, um in den Spiegel rechts von mir zu sehen. „Ruffy“, knurrte sie sofort und augenblicklich schlich sich ein Bild davon, wie sie mir eine fette Beule verpassen wollte, vor meine Augen. Plötzlich war ich verdammt froh, dass sie nicht hier war und mit erhobener Faust neben mir stand. Ob ich ihre Anwesenheit in diesem Fall überhaupt überleben würde? „Sorry“, entschuldigte ich mich halbherzig, während mein Blick im Spiegel über mein verwuscheltes Haar strich. Ich fuhr mir kurz durch dieses und versuchte es einigermaßen ordentlich zur Seite zu legen, allerdings funktionierte dies überhaupt nicht, weshalb ich es nach wenigen Versuchen wieder sein ließ. Dadurch, dass sie nicht neben mir stand, hatte ich eindeutig mehr Mut. Das wussten wir beide und ich war mir sicher, dass es meine beste Freundin total aufregte. Wenn auch nur insgeheim. Immerhin brauchte ich nun keine Angst vor ihr zu haben... zumindest so lange, bis ich wieder zurückkehrte. Am Besten war es wohl, wenn ich bei unserer nächsten Begegnung einen Helm tragen würde. „Was machst du so lange da drin?“, hörte ich plötzlich eine laute Stimme vom Flur aus rufen, welche sich unmittelbar vor der Badezimmertür befand, gerade als Nami mich erneut irgendetwas gefragt hatte. Ich erschrak und ließ beinahe mein Handy in das Waschbecken fallen. Die Stimme gehörte zu Kid, wie ich sofort erkannte. So etwas unfreundlich und gleichzeitig furchtbar tief Klingendes konnte nur von ihm kommen. „Ich – ehm...“, versuchte ich mir eine plausible Ausrede einfallen zu lassen, doch da wurde ich unterbrochen, bevor ich mir auch nur etwas Gutes überlegen konnte. „Was auch immer du tust, beeil dich damit. Ich will ins Bad“, brummte der Rothaarige schlechtgelaunt, woraufhin er ein kurzes „Okay“ als Antwort erlangte. Seufzend lehnte ich meinen Rücken gegen das Waschbecken und sah kurz auf mein Handy. Es war zwanzig vor eins. „Ich muss auflegen“, sagte ich schnell zu Nami, welche selbstverständlich alles mitbekommen hatte. „Ich erzähl dir heute Abend mehr“, fügte ich noch hinzu, damit sie mich auch bloß nicht mit Nachrichten bombardierte. Eine Angewohnheit von ihr, die eher zu ihren schlechten gehörte. Gleich nach ihrem Geiz und den Fäusten, die sie gerne als Strafe verteilte. „Alles klar“, kam es noch zurück, ehe ich ein Seufzen hörte. Wenige Sekunden herrschte Stille. „Ruf an, wenn es irgendwelche Probleme gibt, okay?“, fügte sie noch hinzu. Etwas verwirrt sah ich mein Handy an, so, als ob sie diesen Blick tatsächlich sehen könnte. „Ja... ja, mache ich“, gab ich etwas überrumpelt von mir, ehe ich kurz darauf auch schon auflegte. Was für Probleme meinte sie? Ich konnte mir diese Frage nicht beantworten, weshalb ich leicht meinen Kopf schüttelte. Dann öffnete ich die Tür und schritt hinaus, wo Kid bereits auf mich wartete, um endlich ins Badezimmer zu gelangen. Sein rotes Haar stand wild von seinem Kopf ab und er trug nur eine Boxershorts, wodurch man seinen muskulösen, blassen Oberkörper erkennen konnte. Zugegeben, er sah wirklich nicht schlecht aus. Auch er musste viel Sport treiben. Seine bernsteinfarbenen Augen waren etwas zusammengekniffen, als er sich in den Türrahmen lehnte und mich kurz musterte. „Nami?“, riet er mit tiefer Stimme, was mich etwas überraschte. Unglaublich wie gut er und seine Schwester im Raten waren. Vielleicht war ich aber auch nur zu leicht zu durchschauen. Ich nickte nur, ehe ich lächelte. „Sie ist neugierig“, sagte ich ein wenig amüsiert. So war Nami nun mal. Er verdrehte die Augen, ehe er das Badezimmer betrat. Ich glaubte so etwas wie „Sie hätte ja mitkommen können“ zu hören, doch da schloss sich die Tür bereits vor meiner Nase und ließ mich alleine zurück. Gute Laune war definitiv etwas anderes, wenn man bedachte, wie er sonst immer drauf war. Seufzend hörte ich, wie mein Magen klagende Geräusche von mir gab. Somit fasste ich den Entschluss erst einmal in die Küche zu gehen, um nach etwas Essbarem zu suchen. Sonst würde ich noch verhungern - und das wollte ich nun wirklich nicht. Die knarzenden Treppen hinter mir lassend, betrat ich die Küche. Zumindest vermutete ich, dass sich hinter der alten Holztür die Küche befand und wurde auch nicht enttäuscht. Vor mir erstreckte sich ein eher länglicher Raum, gefüllt mit einer langen, alt wirkenden Theke, großem Kühlschrank, sowie einem winzigem Tisch, welcher sich in der Mitte des Raumes befand. An diesem saß Law und nippte an einer Tasse Kaffee. Er hatte sich während meiner Abwesenheit angezogen und blickte mit undefinierbarer Miene zu mir hinauf, als ich die Tür geöffnet hatte. Sogleich schlichen sich die Bilder von vor wenigen Minuten in meinen Kopf und ich spürte augenblicklich, wie sich die Hitze in meine Wangen kämpfte. Ich wand meinen Blick von ihm ab und musterte stattdessen für wenige Sekunden den hölzernen Boden. Dieses Ereignis war mir plötzlich furchtbar peinlich, auch wenn er nichts davon mitbekommen haben dürfte. „Guten Morgen“, kam es etwas unsicher über meine Lippen. Ich fühlte mich, als wäre wieder einmal ich derjenige, welcher ein Gespräch beginnen musste und ich hasste dieses Gefühl. Normalerweise war ich nicht so, doch in Laws Gegenwart krempelte sich mein gesamtes Ich um und ich wusste nicht einmal wieso. Erst als ich diese Worte ausgesprochen hatte, sah ich wieder in sein Gesicht, welches aus irgendeinem mir unbekanntem Grund furchtbar amüsiert schien. „Guten Morgen, Ruffy“, meinte er, ehe er erneut einen Schluck von seinem schwarzem Kaffee nahm. Die Art, wie er meinen Namen aussprach, ließ mich leicht stocken. Es war merkwürdig. Mich beschlich das Gefühl, dass er etwas von meiner Beobachtung heute morgen mitbekommen hatte, allerdings konnte dies nicht sein. Er hatte geschlafen, da war ich mir ganz sicher. Außerdem würde er dieses Thema bestimmt ansprechen, wenn es so wäre. Stattdessen nippte er einfach nur ruhig an seinem Kaffee und betrachtete mich mit seinen grauen Augen, als gäbe es im Moment nichts Interessanteres in diesem Raum. Okay, vielleicht war dem auch so, doch dieser intensive Blick machte mich einfach verrückt. „Was gibt’s zum Frühstück?“, versuchte ich ein normales Gespräch aufzubauen und näherte mich dem Tisch. Meine nackten Füße waren durch das Parkett furchtbar kühl, sodass ich das Bedürfnis hatte, in das Wohnzimmer zu rennen und sie am Kamin aufzuwärmen. Auch, wenn dies nun ziemlich bescheuert aussehen würde. „Bis jetzt noch nichts“, er seufzte leicht auf. „Ich habe die Schränke durchsucht – alles ist abgelaufen oder mit einer hübschen, grünen Schicht überzogen“, meinte er, immer wieder zwischen seinem Kaffee und mir hersehend. Ich verzog mein Gesicht aus leichtem Ekel, ehe ein Schmollen auf meine Lippen trat, welches ich einfach nicht unterdrücken konnte. Ich würde noch vor Hunger sterben, ehrlich. Es war jetzt sicherlich über zwölf Stunden her, seitdem ich zuletzt etwas gegessen hatte! Das passierte mir so selten, wie Weihnachten. Wahrscheinlich sogar noch seltener. „Lass uns lieber einkaufen gehen. Ich bin mir sicher, dass Harry, jetzt wo wir da sind, einen All-Inklusive-Service von uns erwartet“, schmunzelte er, ehe er den letzten Schluck von seinem Kaffee nahm. Irgendwie hatte ich durch diese Worte das dumpfe Gefühl, dass Kids Vater uns ausnutzen wollte, solange wir hier waren. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, doch unhöflich war dies allemal. Auch wenn er krank war. Ich hatte nicht damit gerechnet, auf so jemanden wie Kids Vater zu treffen, wenn man von einem an Krebs erkranktem Mann sprach. Wie gesagt, er war einfach seltsam. Ich nickte, wenn auch etwas zu spät, ehe ich zur Tür nickte. „Dann muss ich mich noch kurz umziehen gehen“, teilte ich ihm überflüssiger Weise mit, dass ich mich noch in Schlafsachen befand. „Mach das“, kam es von ihm zurück, sodass ich mich beeilte und schnell wieder die Treppe zurück nach oben nahm, ehe ich das Zimmer betrat, welches Law und ich uns teilten. Mit einem Blick aus dem leicht verstaubtem Fenster stellte ich fest, dass das Wetter, um es milde auszudrücken, beschissen war. Es regnete wie verrückt und die Bäume schienen nur so mit ihren Ästen um sich zu schlagen. Die dicken, dunkelgrauen Wolken am Himmel kündigten sogar noch mehr Regen an. So grau, wie die Welt dort draußen wirkte, war es nur zu erwarten, dass es auch nicht wirklich warm war, was sich als ein großes Problem herausstellte, als ich meine Tasche öffnete. Ich fand nichts außer kurzen Hosen, T-Shirts und mindestens zehn paar Socken, warum auch immer. Nicht einmal eine lange Jeans befand sich im Gepäck und eine Jacke oder wenigstens lange Shirts hatte ich ebenfalls nicht dabei. Frustriert stöhnte ich auf. Wirklich super, Ruffy. Ich entschloss mich dazu, wohl oder übel ein T-Shirt und eine knielange Shorts anzuziehen, obwohl ich wusste, dass ich dies bereuen würde. Spätestens wenn wir an der kühlen Luft waren. Eine andere Wahl hatte ich allerdings auch nicht. Ich steckte mir mein Handy in die Hosentasche und ging kurz darauf wieder die Treppe hinunter, damit Law und ich losgehen konnten. Tatsächlich wartete er an der Tür und betrachtete mich mit seinen sturmgrauen Augen, als ich die Treppe hinunter ging. Mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte er mein mehr als unpassendes Outfit. „Dir wird kalt werden“, merkte er an. Wenn er davon ausging, dass mir dies nicht bewusst war, musste er mich für blind halten. Trotzdem nickte ich, wenn auch etwas verlegen. Immerhin war ich nicht davon ausgegangen, dass das Wetter sich so drastisch verändern würde. Natürlich nahte der Herbst, doch eigentlich hatte ich noch mit ein paar warmen Tagen gerechnet, zumal mir meine bescheuerte Wetterapp genau dies angesagt hatte. Wozu hatte man die Dinger eigentlich, wenn sie nicht funktionierten? Law drehte sich zum Kleiderhaken neben der Tür und zog eine schwarze Parka von dieser, die er mir reichte. Er lächelte dabei leicht. Zumindest, wenn man das Zucken seiner Mundwinkel als solches bezeichnen konnte. Doch auch dies reichte schon, um mir ein warmes Gefühl innerhalb meiner Magengegend zu bescheren. Ich wusste nicht, warum er diese besonderen Gefühle in mir auslöste. Ehrlich gesagt hatte ich gar keine Erklärung dafür, weil ich vermutlich darauf wartete, dass sich wenigstens diese Frage irgendwann einmal von selbst lösen würde. Doch gleichzeitig fragte ich mich, ob Law genauso fühlte, wie ich. Vorstellen konnte ich es mir nicht. Jedenfalls hatte er mir noch nie einen Anhaltspunkt gegeben, um davon auszugehen. Bis auf diese eine Nacht. Sie kam mir ganz plötzlich in Erinnerung und schob den Gedanken, dass nur ich mich so merkwürdig in seiner Gegenwart fühlte, mit einem Mal beiseite. Es war, als er mich ins Krankenhaus gefahren und davor geweckt hatte. Ich erinnerte mich noch deutlich an seine im Mondlicht glänzenden Augen und den sanften Blick, den er mir zugeworfen hatte. Über diesen Blick hatte er nicht nachgedacht, er war einfach durch seine Maske geschlittert und hatte sich auf seinem Gesicht festgesetzt. Vielleicht war ich nicht nur ein Mitbewohner für ihn. Vielleicht... spürte er auch, dass es etwas Besonderes zwischen uns gab, etwas, was sich einfach nicht erklären ließ. Ich fühlte mich zugegeben etwas besser, jetzt, wo ich über diese Sache nachgedacht hatte. Dankbar nahm ich seine schwarze Parka an und zog sie mir über, wobei Law und ich uns ein kleines Kichern nicht unterdrücken konnten. Sie war viel zu groß und auch noch zu lang, das Ende der Jacke hing knapp über meine Schienbeine. Doch solange mir so warm blieb und ich nicht nass werden würde, war mir das recht. Es sah bestimmt ziemlich merkwürdig aus, doch das machte mir nicht wirklich etwas aus. Immerhin ging ich auch mit Zorro und Sanji über die Straßen und das sah noch um einiges schlimmer aus. Besonders, wenn die beiden sich schon wieder mitten in einem ihrer berühmten, sinnlosen Streits befanden. Ich zog mir noch meine Sneakers über und schnürte sie zu, ehe ich mit Law, welcher bereits fertig war, hinaus ging. Die kühle Luft schlug mir sofort entgegen und ich war unglaublich froh darüber, Laws Jacke tragen zu dürfen. Regen prasselte auf den Boden, nicht ganz so schlimm wie vor wenigen Minuten noch, doch schlimm genug, um komplett durchnässt zu werden. „Der Supermarkt ist nur ein paar Minuten von hier“, sagte Law plötzlich. Seine Stimme klang durch das Geräusch des Regens gedämpft. Er wollte mir wahrscheinlich erklären, warum wir nicht sein Auto nehmen würden. „Okay“, antwortete ich nur und folgte ihm dem Weg vom Hof hinunter, auf den Bürgersteig der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Stadt wirkte furchtbar grau und trist, so als wäre sie unglücklich, könnte sie Gefühle haben. Auf den Bürgersteigen tummelten sich immer mehr Menschen herum, umso näher wir dem Zentrum der kleinen Stadt kamen. Sie alle waren in dünne Regenjacken eingewickelt und verbargen ihre Gesichter unter Regenschirmen, um dem Regen zu entkommen. Ich hatte noch nie etwas von diesem Ort gehört. Es kam mir so vor, als würden sich die Menschen, die hier lebten, in ihrer eigenen, kleinen Welt befinden. Nur Law und Kid schienen das Bedürfnis gehabt zu haben, aus dieser Welt zu fliehen und irgendwo anders neu anzufangen. Als wir die Wohnviertel hinter uns gelassen hatten, fuhren mehr Autos auf den Straßen, deren Scheibenwischer fleißig arbeiteten, um das kühle Nass von ihrer Windschutzscheibe zu entfernen. Ich bemerkte den Target direkt vor uns in einer kleinen Einkaufsstraße, welche für die Größe dieser Stadt ziemlich gut gefüllt war. Überall liefen Leute umher, die entweder Einkaufstaschen in den Händen hielten oder in kleinen Grüppchen beieinander standen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Kid und Law hier als Jugendliche durch die Straßen gegangen waren, doch irgendwie wollte sich dieses Bild nicht wirklich festsetzen. Gedankenverloren tapste ich durch eine riesige Pfütze, nur um darauf zu bemerken, dass auch meine Converse Sneakers nicht wasserfest waren. Frustriert stöhnte ich auf, während ich mir das Schmunzeln auf dem Gesicht meines Mitbewohners nur vorstellen konnte. War natürlich wieder einmal klar, dass ich mich in solch eine Situation bringen musste. Jetzt war ihm wenigstens bewiesen worden, dass ich tatsächlich blind war. Wir betraten das große Geschäft und Law holte einen Einkaufswagen direkt am Eingang, während ich auf ihn wartete. Als er zurück kam, deutete seine sonnengebräunte Hand auf den Wagen direkt vor mir. „Spring rein“, grinste er, wenn auch nur ganz leicht. Ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen. Ob er dies nun ernst meinte oder nicht war mir egal, weshalb ich einfach hineinkletterte, und meine nassen Füße weit von mir weg streckte. Er schob gleich darauf den Wagen an, während ich wie ein Kleinkind über beide Ohren grinste. So gefiel mir das Einkaufen weitaus besser. „Hat Harry dir eigentlich Geld für den Einkauf gegeben?“, fragte ich Law nachdenklich und legte meinen Kopf in den Nacken, um ihn anzublicken, während wir an einem Brotregal vorbeifuhren und er eine Packung Toast aus diesem zog. Immerhin wäre es ziemlich schlecht, wenn wir einen Großeinkauf für die nächsten Tage machten und an der Kasse würde uns schließlich auffallen, dass wir nichts zum Bezahlen hatten. Okay, für alle Fälle hatte ich die Kreditkarte meines Großvaters, doch wie sollte ich ihm bitteschön erklären, dass ich sie im Target am Rande von Tennessee dringend benötigt hatte? „Nein“, Law schmunzelte, dann packte er eine Packung Äpfel in den Wagen. „Ich bezahle das schon“, versicherte er, als ich ihn darauf einen verblüfften Blick zuwarf. „Was denkst du, woher Nami ihre Liebe zum Geld hat?“, fragte er mich darauf und die Erkenntnis darüber, dass sie ihren Geiz von ihrem Vater geerbt haben musste, ließ mich lachen. Sie hatte wohl doch etwas von ihm, auch wenn sie dies nicht wusste. Wenn ich ihr davon erzählen würde, würde sie mir sicherlich nicht glauben. Während Law mich anschob und meine Füße langsam trockneten, wurde der Einkaufswagen immer voller und auch die vielen skeptischen Blicke der Menschen um uns herum häuften sich an. Brot, Obst, Gemüse, Milch, Fleisch, Jogurt, Cornflakes, Kaffee – alles Mögliche fand seinen Weg hinein, sodass ich mich ziemlich klein machen musste, um nichts zu zerquetschen. Zu guter Letzt auch noch einen Haufen Süßigkeiten, auf welchen ich mich schon ganz besonders freute. Mich überkam allerdings kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, Law alles alleine bezahlen zu lassen. Ein kleines Mädchen, welches auf mich zeigte und ungeduldig am Ärmel ihrer Mutter zog, nahm meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie war vielleicht sieben Jahre alt, auf keinen Fall älter. Ihr braunes Haar stand in alle Richtungen ab, während sie wild herumzappelte. „Mummy?“, fragte sie, ein Schmollen lag auf ihren rosigen Lippen. „Warum darf ich nicht auch im Einkaufswagen sitzen?“, stellte sie die Frage, die ihr auf dem Herzen lag. Die Mutter verdrehte darauf leicht die Augen, während sie im Kühlregal nach irgendetwas suchte. „Weil man so etwas nicht macht“, gab sie nur von sich, während sie nach den verschiedensten Arten von Jogurts griff und sie in ihren Korb stopfte. „Warum machen die beiden Jungen da vorne das dann?“, fragte das kleine Mädchen weiter und plusterte beleidigt ihre Wangen auf. Law und ich warfen uns einen amüsierten Blick zu, ehe wir auch schon die Stimme der Mutter antworten hörten. „Weil sie nicht mehr richtig im Kopf sind“, gab sie zurück. Ob sie wusste, dass wir sie hörten, konnte ich nicht sagen. Sichtlich amüsiert legten Law und ich auch noch den restlichen Weg zur Kasse zurück, nachdem wir auch noch einige Flaschen Wasser und ein wenig Bier in den Wagen gelegt hatten. Kid würde uns sicherlich dankbar sein. Auch wenn ich der Meinung war, dass er seinen Alkoholkonsum langsam mal etwas einschränken sollte. Während dem gesamten Gang durch den Laden wirkte Law viel entspannter als gestern Abend noch. Ich erkannte es daran, dass er lockerer wirkte, nicht mehr ganz so steif. Manchmal schlich sich sogar ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, was meinen Verdacht bestätigte. Ich hatte das Gefühl, dass ich seine Laune wenigstens ein bisschen verbessern konnte, auch wenn ich nicht viel getan hatte. Doch dieses Gefühl machte auch mich glücklicher, genauso wie das Wissen, dass ich etwas dazu beigetragen hatte, dass es ihm besser ging. Ich stieg also aus, als wir uns vor der langen Schlange zur Kasse befanden und wartete neben Law stehend darauf, dass wir endlich drankamen. Doch das würde sicherlich noch eine Ewigkeit dauern, so lang wie diese war. Hier war extrem viel Betrieb in der Innenstadt. Vielleicht war hier morgens aber auch immer so viel los. Ich konnte dies nun mal nicht wirklich wissen, wenn ich hier nicht wohnte. Gelangweilt ließ ich meinen Blick über die Leute vor uns streifen und bat sie in Gedanken darum, sich zu beeilen. Doch dann hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter uns, die aus dem Gewirr von Gesprächen innerhalb des Ladens deutlich hervorstach. Ich kannte sie nicht, zumindest glaubte ich fest daran, sie noch nie in meinem Leben gehört zu haben. Allerdings merkte ich spätestens, als ein erschrocken klingendes „Law“ von dieser kam, dass sie mit meinem Mitbewohner sprach – oder mit ihm sprechen wollte. Law, welcher direkt neben mir stand, schien für einen Moment zu erstarren. Überrascht von dieser Tatsache musterte ich sein versteinertes Gesicht und bemerkte gleichzeitig, wie sich sein Kiefer auf einmal gewaltsam aufeinander presste. Sogar die tätowierten Hände ballten sich zu kleinen Fäusten, welche vor Anspannung schon leicht zitterten. Seine sturmgrauen Augen, welche noch vor wenigen Sekunden amüsiert und gutgelaunt wirkend durch den Laden geglitten waren, verengten sich nun zu Schlitzen, welche seinem Blick etwas Bedrohliches gaben. Ich musste sagen, dass ich von diesem Anblick etwas geschockt war. Es erschreckte mich meinen Mitbewohner so zu sehen – erneut eine Seite von ihm kennenzulernen, von welcher ich vorher noch nichts gewusst hatte. Schon lange dachte ich, dass ihn kaum etwas so aus der Ruhe bringen konnte, doch nun wurde ich vom Gegenteil überzeugt. Es zeigte mir, dass auch Law ein Mensch war und machte deutlich, dass er einer der Wenigen war, die es vorzogen ihr Gesicht hinter einer festsitzenden Maske zu verstecken. Diese Maske konnten nur wenige Menschen herunternehmen und ich wusste, dass diese Frau zu denjenigen gehörte, die dazu in der Lage waren. Beinahe gleichzeitig drehten wir uns um, um der Person ins Gesicht zu blicken, die meinen Mitbewohner angesprochen hatte. Die Neugier in mir siegte wieder. Ich musste einfach sehen, wer diese Reaktion bei dem Schwarzhaarigem auslösen konnte und dazu in der Lage war, andere Emotionen in ihm auszulösen, als ich sie gewohnt war. Eine Frau, die ich aufgrund ihrer Falten auf ungefähr Vierzig Jahre schätzte und hellblondes, schon fast weißes Haar, sowie strahlend blaue Augen besaß, musterte meinen Mitbewohner mit wenigen Tränen, die ihr fast über die Wangen rollten. Ihre Hände befanden sich direkt vor ihrem Mund, als ob sie ein Schluchzen unterdrücken musste. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, als ob sie nicht glauben konnte, dass er tatsächlich vor ihr stand. Als wäre der Schwarzhaarige eine Illusion, welche jeder Zeit verschwinden konnte, wenn sie auch nur die Hand nach ihr ausstreckte. „Law“, flüsterte sie immer wieder seinen Namen, während nun tatsächlich ein leises Schluchzen über ihre Lippen kam. Die Mundwinkel meines schwarzhaarigen Freundes zogen sich leicht nach unten, während seine Faust noch stärker zitterte. Er hatte sie so fest zusammengeballt, dass ich schon die Angst bekam, dass er sich die Fingerknöchel brechen würde. Unbedacht griff ich nach seiner Hand und drückte sie sanft. Ich wollte ihn beruhigen, ihm irgendwie zeigen, dass ich für ihn da war, auch wenn ich nicht wusste, was gerade hier passierte. Sein Blick streifte darauf ganz kurz zu mir, er schien etwas überrascht. In seinen Augen tobte derselbe Sturm wie gestern Nacht. Allerdings hatte ich ihn noch nie so intensiv gesehen, wie in diesem Moment. Vielleicht war das, was in seinen Augen lag kein einfacher Sturm mehr. Nein, ich war mir sicher, dass er in diesem Moment zu einem richtigem Hurrikan herangewachsen war. Meine Hand drückte seine noch ein wenig fester und ich bemühte mich darum, ihm einen beruhigenden Blick zuzuwerfen. Ich konnte nicht viel für ihn tun, immerhin verstand ich nicht einmal diese Situation und außerdem überfielen mich in diesem Moment tausende Fragen. Doch ich konnte versuchen für ihn da zu sein und ihn zu beruhigen. Tatsächlich schien er sich etwas zusammenreißen zu können. Seine Hand entspannte sich in den Sekunden, in denen ich sie umfasste um einiges und seine Augen bedachten die Frau vor sich mit einem kühlen Blick, ehe er zum ersten Mal zum Reden ansetzte. Wahrscheinlich hatte die Blonde nicht damit gerechnet, dass er doch noch freiwillig irgendwelche Worte an sie richten würde, doch jetzt, wo er im Begriff war es zu tun, schien sie erleichtert. „Camilla.“ Seine Stimme klang so unfassbar kühl, dass sie fast schon mich zum Erfrieren brachte, obwohl er mit der blonden Frau, Camilla, wie er sie genannt hatte, sprach und nicht mit mir. Er hatte sich wieder im Griff, zeigte nicht einmal ein wenig, dass sie irgendetwas in ihm ausgelöst hatte. Doch gleichzeitig führte mir dieser Name eine ganz bestimmte Erinnerung vor Augen. Ich dachte an Law und Kid und daran, wie sie im Auto über diese Frau geredet hatten, als wir hier her gefahren waren. Der Rothaarige hatte gesagt, dass sie seine Mutter war. Ich glaubte mich ebenfalls daran zu erinnern, dass sie viel Geld hatte und versuchte, Law mit ihrem Reichtum einen Gefallen zu tun. Zumindest waren dies Kids Worte gewesen, wenn ich mich richtig entsann. Reich sah sie jedenfalls wirklich aus. Das Kleid, welches sie trug, lag ziemlich eng an und war aus einem blauem, seidigen Stoff, die meisten Frauen, die ich kannte würden so nicht einmal auf einer Party aufkreuzen. Auch die Halskette, welche im Licht der Lampe auffällig leuchtete, musste aus echtem Gold sein und ein Vermögen gekostet haben. Eine Hochsteckfrisur, extremes Make-Up und selbstverständlich Highheels rundeten das Gesamtbild ab. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies Laws Mutter sein sollte. Sie sah ihm nicht wirklich ähnlich. Nein, eigentlich würde man nicht einmal vermuten, dass die Beiden miteinander verwandt waren oder sich kannten. Auch ihre Erscheinung wies so viele, wesentliche Unterschiede auf, dass ich es gar nicht glauben würde, wenn Law nicht ihren Namen gesagt hätte. „Was... du...“, die Blonde schien gar nicht zu wissen, was genau sie sagen wollte, sie war von dem Anblick ihres Sohnes schlichtweg überwältigt, zumindest kam es mir so vor, bei einem solchen Ausmaß von Gefühlen, welche sich in ihrer Miene wiederspiegelten. Ein paar Tränen rannen aus ihren kristallklaren Augen, die sie sich so schnell wie sie gekommen waren von der Wange wischte, doch natürlich nicht ohne dabei ihre Schminke zu verschmieren. Es schien als würden zwischen Law und Camilla, wie sie hieß, tausende, ungesagte Worte stehen, die schon längst überfällig waren. Irgendwie fühlte ich mich fehl am Platz. So, als ob dies nicht für meine Augen bestimmt wäre und ich hier nicht erwünscht war. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe, als ich plötzlich spürte, wie Law seine Hand aus der Faust löste und mich mit einem sanften Händedruck darum bat, mich nicht umzudrehen und ihn alleine zu lassen. Stattdessen umschlossen seine Finger meine, was mich zuerst glauben ließ, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Doch das war nicht der Fall. Vielleicht bildete ich mir einige Sachen ein, doch diese Berührung war real. Ich spürte es daran, wie seine angenehme Wärme meine kalte Haut erschaudern ließ und ein angenehmes Prickeln verblieb. Es war wirklich real. Ich wusste nicht, was diese Tatsache mit mir anstellte, doch glitt in diesen Sekunden ein unglaublich angenehmes Glücksgefühl durch meinen Körper, welches sich nicht vertreiben ließ. Wirklich vertreiben wollte ich es auch gar nicht. Auch war ich ein wenig überrascht darüber, dass meine Anwesenheit tatsächlich noch erwünscht war, jetzt, wo es mir so vorkam als ob ich hier am falschen Ort wäre. Law zog mit der anderen Hand den Wagen aus der Schlange vor der Kasse, um die anderen Käufer vorzulassen. Sie war inzwischen viel kleiner, als zu Beginn. Währenddessen trat seine vermeintliche Mutter ein wenig näher an ihn heran und musterte ihn, so als ob sie ihn Jahrelang nicht mehr gesehen hätte. Dabei konnte ihr letztes Wiedersehen gar nicht so lange her gewesen sein. Zumindest dachte ich das. Ob es wirklich so war, war wieder eine andere Sache. „Warum hast du dich nie gemeldet, Law? Warum?“, wollte sie wissen und zog sich ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, um die wenigen Tränen von ihrem Gesicht zu trocknen. Sie schien sich etwas beruhigt zu haben, immerhin sah sie nun nicht mehr so aus, als ob sie einen Geist gesehen hätte. Law antwortete nicht darauf. Er sah sie nur an, betrachtete sie mit einem eiskalten Ausdruck auf seinem Gesicht, welcher mich fragen ließ, was zwischen ihnen vorgefallen war. Es gab so viele Dinge, die passiert sein könnten, doch was der Wahrheit entsprach, wussten nur sie beide und sonst niemand. Ich könnte spekulieren, die kuriosesten Ideen überlegen, doch ich würde niemals wissen, was tatsächlich der Wahrheit entsprach. „Law...“, sie flüsterte seinen Namen beinahe. Ihre Stimme klang voller Trauer und ich wusste, dass sie wollte, dass er mit ihr redete. Vielleicht wollte sie auch, dass er nicht so kalt war und all ihre Fragen einfach so beantwortete. Doch wenn er sich ihr gegenüber auf diese Art und Weise verhielt, musste es einen guten Grund dafür geben, da war ich mir sicher. Law würde niemals grundlos so unruhig werden. Das hatte ich schon oft festgestellt. Ziemlich oft, um genau zu sein. Ständig hatte er mich damit aufgeregt, oder aber ich hatte ihn darum beneidet, dass er immer so ruhig blieb, sich durch nichts ernsthaft aufregen ließ. „Wo... was machst du überhaupt hier? Wolltest du mich besuchen?“, fragte sie weiter, ihre fragenden, blauen Augen fuhren verwirrt über sein Gesicht, als würde sie jede noch so kleine Regung analysieren wollen, bevor sie wieder so schnell verschwand, wie sie gekommen war. Als sie die zweite Frage stellte, hörte man nur zu sehr, wie die Hoffnung in ihren Worten mitschwang. Ich wusste nicht, wie sie dies nach seiner Reaktion wirklich noch erwarten oder erhoffen konnte. Wäre er ihr nicht durch schlechten Zufall hier begegnet, war ich mir ziemlich sicher, dass sie niemals aufeinander getroffen wären. Diese Begegnung schien etwas Großes an unserer kurzen Reise hierher zu ändern, das wurde mir mit einem Mal klar. Sie war nicht geplant worden, so wie alles andere. Der Termin im Krankenhaus mit Kids Vater, unsere Unterstützung bezüglich seiner Krankheit – dies waren Dinge gewesen, die wir hier erledigen wollten und erwartet hatten. Doch diese Begegnung gehörte nicht dazu, zumindest sprachen alle Indizien dafür. Ich wusste allerdings nicht, was ich von dieser Frau halten sollte. Eine wirkliche Meinung konnte ich mir erst bilden, wenn ich sie genauer kannte oder mehr über sie wusste. Es war schwer sie einfach als gut oder böse, freundlich oder gemein abzustempeln. Law seufzte darauf kaum hörbar. Seine grauen Augen blickten die Blonde noch immer desinteressiert an, allerdings schien er sich dazu entschlossen zu haben, etwas zu sagen. Vielleicht hatte er auch gar keine andere Wahl. Durch Nami wusste ich, dass Frauen oftmals nicht locker ließen, wenn sie etwas wollten. „Wir“, er deutete ebenfalls auf mich, da ich freundlicherweise ignoriert wurde, „sind bei Kid“, meinte er kurz ohne jegliches Gefühl auf seinem Gesicht. Diese Kälte gefiel mir nicht. Mir gegenüber hatte er sich nie so eisig verhalten, obwohl wir uns noch nicht so gut kannten, ganz im Gegenteil zu ihm und Camilla. Ich wusste vielleicht, was er gerne aß, anzog oder wer seine Freunde waren, doch die wesentlichen Dinge waren mir verschwiegen worden, ob ich dies wollte oder nicht. Bis jetzt. Es fühlte sich so an, als ob es ein Puzzle geben würde, dessen Teile kreuz und quer verteilt waren. Doch langsam schaffte ich es, sie zu ordnen und irgendwann würde ich sie zu einem Bild zusammensetzen können, da war ich mir sicher. Die Frau sah mich kurz ein wenig verwirrt an, als hätte sie mich gerade zum ersten Mal bemerkt, ehe sie wieder zu ihrem Sohn blickte. „Warum... ich meine... auf einmal...“, sie konnte keine Worte finden, weshalb sie einfach nur den Kopf schüttelte. Dann warf sie einen kurzen Blick nach vorne auf die Einkaufsschlange und schließlich einen auf ihre – natürlich – goldene Armbanduhr. Sie biss sich leicht auf die rot geschminkte Unterlippe, ehe sie wieder zu Law aufblickte. Mir schien es, als würde ihr ihr emotionaler Ausbruch schon fast leidtun, doch nicht so sehr, wie sie es zu bedauern schien, keine richtigen Antworten aus dem Schwarzhaarigem herauszubekommen. Zumindest keine Antwort auf die Fragen, welche Sehnsüchtig nach einer verlangten. „Ich habe eine Bitte, Law“, sie atmete laut aus und sprach diese Worte mit einer plötzlich ziemlich festen Stimme aus, wenn man sie mit der vorherigen verglich. Ihre blauen Augen blickten beinahe flehend zu ihm hinauf. Die Augenbraue meines Mitbewohners wanderte leicht in die Höhe. Bitter und leise lachte er auf, verzog dabei kaum merklich seinen Mund. „Warum sollte ich dir irgendeine Bitte erfüllen?“, fragte er, in seiner Stimme schwang eindeutig ein hasserfüllter Ton mit, welcher sogar mich einschüchterte. Und das, obwohl er mich nicht einmal ansprach. Ihre blauen Augen sahen darauf bittend zu ihm, so als ob dies etwas bewirken könnte. „Ich will dich und deine Freunde zu einem Abendessen einladen. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen... ich... will mich mit dir unterhalten“, kam es von Camilla, ihre Hände faltete sie vor ihrem Körper ineinander. „Du lädst freiwillig Kid ein?“, Law klang schon fast amüsiert, allerdings nicht auf positive Weise. Ihn schien es wirklich zu überraschen, dass sie ihm so ein Angebot machte. „Ich will dich nur wiedersehen, egal wie“, erklärte die Blonde und wäre sie nicht seine Mutter, würde sie schon fast wie seine Exfreundin auf mich wirken. Es gab etwas an ihrer Ausstrahlung, das sie anders wirken ließ, als die Mutter, die ich mir immer vorgestellt hatte. „Ach und Vergo möchte dies bestimmt auch“, gab er von sich, seine Stimme bebte kaum merklich. Ich spürte wie sein Handdruck fester wurde, weshalb ich meinen besorgten Blick über ihn und dann zu unseren verflochtenen Händen gleiten ließ. Die verschiedensten Gefühle wirrten durch meinen Körper, sodass ich vollkommen überfordert war. Auch meine Gedanke, die sich beinahe überschlugen, machten mir zu schaffen. „Er ist nicht Zuhause“, war ihre nüchterne Antwort. Ihr Blick klärte sich nun wieder einigermaßen. Trotzdem hatte sie ihren Blick seit dem Beginn des Gespräches kein einziges Mal von ihrem Sohn abgewandt. Mir schien es fast, als wäre die Blonde nun wieder ein ganz anderer Mensch. Vielleicht hatte sie sich auch einfach nur von Laws Anblick erholt und war in dem Moment des Treffens so überrascht gewesen, dass sie nicht sie selbst gewesen war. Das wäre meiner Meinung nach ziemlich logisch. „Und wenn ich trotzdem nicht komme?“, warf er die Frage ein, die Camilla leicht zusammenzucken ließ. Sie musste über diese Sturheit ihres Sohnes leicht seufzen. „Natürlich kann ich auch vorbeikommen und euch bei Familie Eustass besuchen...“, merkte sie an, als ich plötzlich feststellte, wie Law sie außerordentlich böse musterte. „Das wirst du nicht tun“, stellte er sofort klar. Ich wusste nicht, warum es ihm so wichtig war, dass sie nicht zu Kid und dessen Vater kam. Doch ich erinnerte mich daran, dass der Rothaarige sie nicht wirklich leiden konnte und vermutete, dass dies der Grund dafür war. Doch wirklich sicher war ich mir dabei nicht. „Dann erwarte ich euch heute Abend um sieben Uhr“, meinte sie, ehe sie ein leichtes Lächeln aufsetzte, als ob sie einen Kampf gewonnen hätte, der noch gar nicht richtig angefangen hatte. Es wirkte weder echt, noch gänzlich gespielt - es war einfach schwer zu sagen, wie diese Frau tickte. Um ehrlich zu sein, war sie nicht wirklich durchschaubar. Sie verschwand mit diesen letzten Worten und ließ mich verwirrt zurück, während Law ihr noch lange hinterher sah. Vielleicht verfluchte er gerade, dass er sie hier getroffen hatte oder auch nur, dass ich dabei gewesen war. Wie gesagt, es war schwer ein geschlossenes Buch zu lesen und noch schwerer war es, dessen Einband zu beurteilen. Jedenfalls hing jeder seinen eigenen Gedanken nach, während wir wieder in der Schlange standen und nach dem Bezahlen den Weg nach Hause antraten. Es war still zwischen uns und wenn ich ehrlich war, traute ich mich auch nicht etwas zu sagen. Wie in der Nacht, in welcher ich ihn nach seinem Albtraum aufgefunden hatte. Doch in dieser Nacht hatte ich die Initiative ergriffen und ihn in ein Gespräch verwickelt, heute tat ich es nicht. Inzwischen war der Regen weniger geworden und auch die grauen Wolken am Himmel wurden langsam wieder heller. Trotzdem wirkte die Stadt noch genauso kalt und trist wie zuvor, sodass mich dieses Gefühl nicht wegen des schlechten Wetters überfallen haben musste. Tausende Gedanken strichen durch meinen Kopf, welche sich einfach nicht stoppen ließen. Ich ging davon aus, dass sie nur Law und uns eingeladen hatte, weil er sich in unserer Gegenwart viel lockerer verhielt. Als er auf sie getroffen war, war er immerhin beinahe zu einer Eissäule erstarrt. Seine Verhaltensweise; die Art, wie er sie angesehen hatte - er war voller Abneigung gewesen, so wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte. Normalerweise war er immer recht höflich und eigentlich auch freundlich, doch davon hatte man in ihrer Gegenwart nicht einmal ein Fünkchen zu sehen bekommen. Immer wieder fragte ich mich, was zwischen ihnen vorgefallen war. Zusätzlich war die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute Abend zu ihr fahren würden ziemlich hoch, was die Aufregung in mir erhöhte. Doch nun würden wir erst einmal zurück nach Hause gehen und mit Kid reden. Ich war mir sicher, dass Law seine Meinung hören wollte. Genauso sicher war ich mir dabei, dass der Haufen von Fragen schon bald zusammensinken würde. Gleichzeitig würde das fertige Bild des Puzzles vor mir liegen, dessen Teile ich langsam in ihre vorgesehenen Anordnung zusammenfügte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)