Drowning von attackonpsycho (LawxRuffy) ================================================================================ Kapitel 11: Arrival ------------------- Es heißt, dass die Zeit alle Wunden heilen würde. Doch gleichzeitig muss einem auch klar sein, dass diese Wunden ohne Medizin beginnen zu eitern. Denn ohne diese Medizin wird die Wunde, egal wie klein sie auch ist, niemals vollständig verheilen. Bei meiner Wunde war es nun einmal genauso. Mein Bruder starb und ließ mich alleine zurück, hinterließ damit eine klaffende Wunde in meinem Herzen. Jeder Gedanke schmerzte zu diesem Zeitpunkt, jede Bewegung schnürte mir die Luft ab und jeder Atemzug trieb mir Tränen in die Augen. Ich hatte darauf gewartet, dass die Zeit voranschritt und meine Qualen enden ließ, allerdings hatte ich nie darüber nachgedacht, dass ich nur Medizin brauchte, um mich vollends zu heilen. Diese Medizin lag dazu noch so nahe, so griffbereit und doch so fern. Doch als ich sie erkannte und sie nahm, fing sie langsam an zu wirken. Wirklich, ich glaube, dass dieser Ort so etwas wie meine Medizin darstellst. Dieser Ort mit diesen Menschen. Gemeinsam mit ihnen würde die Wunde, die meine Vergangenheit entstehen ließ, nicht eitern, sondern heilen, bis nur noch eine Narbe zu sehen wäre. Auch wenn diese mich an mein früheres Leid erinnern würde, wusste ich, dass sie nicht mehr aufreißen konnte. Vielleicht würde sie manchmal schmerzen, doch genau in diesen Momenten hatte ich Medizin, die mir helfen konnte, dies zu überstehen. Meine Freunde, die Menschen, die ich liebte. Die Zeit verging unglaublich langsam, vergleichbar mit dem Unterricht in meiner Schule. Ich konnte nicht einmal schlafen, weil Kid wie ein Bescheuerter fuhr, sodass ich Angst hatte, im nächsten Moment auf der Straße zu landen. Einen Schluck zu trinken war somit eine große Herausforderung, genauso, wie einen kleinen Bissen zu essen ohne auch nur einen kleinen Krümel in Laws sauberem Sportwagen zu hinterlassen. Vielleicht kam es mir nur so vor, doch immer wenn ich etwas zu mir nehmen wollte, glitten Laws graue Augen plötzlich zum Rückspiegel und beobachteten ganz genau, ob ich sein Auto beschmutzte. Das machte es noch viel schwerer, da Essen die einzige Beschäftigung war, die mich wenigstens ein kleines Bisschen vom Langweilen abhielt. Inzwischen waren zwei Dosen Chips, eine Packung Kekse, sowie zwei Blaubeermuffins und ungefähr drei Tafeln Schokolade in meinem Magen, die vierte folgte bereits. Dass ich bei jedem Stückchen ungläubige Blicke von beiden Seiten erhielt, konnte man sich sicherlich vorstellen. Mittlerweile war es stockdunkel. Nur das Licht der Scheinwerfer beleuchteten die Landstraße und die Temperaturen fielen plötzlich überraschend tief. Dafür, dass es am Tag noch so warm gewesen war, war der Unterschied zu nun beinahe unrealistisch. Ich bereute es somit automatisch eine kurze Hose und ein T-Shirt angezogen zu haben, genauso wie Kid. Wir beide hatten uns in den ersten Minuten den Hintern abgefroren, während Law uns voller Schadenfreude angesehen hatte. Immerhin trug er immer wärmere Sachen, selbst bei unmenschlich heißen Temperaturen. Weiß Gott, warum er so etwas freiwillig tat. Jetzt wärmte uns allerdings die Heizung des Wagens und die Fahrt war wieder viel angenehmer. Als ich kurz auf die Uhr sah, stellte ich fest, dass es bereits 23:00 Uhr waren und seit meinem letzten Blick schon ganze zehn Minuten vergangen waren. Dafür, dass es sonst nicht einmal wenige Sekunden waren, war dies wirklich etwas Neues. Jedenfalls würde die Fahrt also nicht mehr ganz so lange dauern. Ein Glück. Für Fahrten dieser Länge war ich einfach nicht gemacht, wie auch schon meine beiden Mitbewohner hatten feststellen dürfen. Ich war mir nicht ganz sicher, allerdings hatte ich das Gefühl, dass Kid einige Male kurz davor gewesen war, mich einfach auf die Straße zu setzen und anschließend davonzubrausen. Law war, was diese Sache anging, viel geduldiger. Momentan fuhren wir über eine extrem kurvige Strecke, was den Rothaarigen allerdings nicht davon abhielt, es so aussehen zu lassen, als würde er bei jeder Kurve fast in den Straßengraben rutschen. Nebenbei überholte er noch drei oder vier Autos gleichzeitig, obwohl es hier verboten war und man bereits die Autos auf der gegenüberliegenden Spur auf uns zukommen sah. Laws tätowierte Hand hielt sich eisern am Türgriff fest, wann immer Kid knapp an einem Graben vorbeifuhr und den Wagen des Schwarzhaarigen, inklusive uns, kurz vor dem Untergang rettete. Kid schnaubte amüsiert, während er immer wieder Seitenblicke auf Laws Hand warf. „Du hältst gleich die Tür in der Hand, ich sag's dir“, grinste er, während der Student missbilligend sein Gesicht verzog. Eine Antwort kam allerdings nicht, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, die Straße anzublicken und zu beten, dass wir auch die restliche Fahrt heil überstehen würden. Über acht Stunden waren immerhin schon geschafft. Es schien mir überhaupt unheimlich, dass Kid solange am Steuer sitzen konnte, ohne auch nur einen Hauch von Müdigkeit aufzuweisen. Entweder er hatte irgendwelche Drogen genommen oder aber er wollte es einfach nur ausnutzen, Laws teuren Wagen fahren zu dürfen. Ich hoffte jedenfalls auf Letzteres. Bis auf ein paar Pausen zum Tanken und einer bei meinem geliebtem Fast-Food Imbiss, hatten wir uns auch nicht wirklich die Beine vertreten, weshalb mein Hintern von dem ganzen Sitzen bereits unglaublich schmerzte. Außerdem wuchs die Aufregung von Sekunde zu Sekunde in mir, sodass ich kaum noch still sitzen konnte und ständig meine Position änderte. Meine Augen blickten aus dem Fenster, dann nach vorne, nach links, nach rechts, zu Law, zu Kid, überall hin, nur nicht auf die Uhr, damit die Zeit schneller vorüberging. Selbst das Essen konnte mich nicht mehr beschäftigen seitdem ich unseren gesamten Proviant beinahe alleine weg gefuttert hatte. So ein Mist aber auch. Die Musik aus dem Radio ertönte nur noch ganz leise und schien nicht mehr ganz so aggressiv wie zu Beginn der Fahrt. Mir kam es so vor, als hätte die Ernsthaftigkeit mit jeder Meile zugenommen, mit der wir uns dem früheren Zuhause meiner beiden Mitbewohner näherten. Anfangs war manchmal noch ein Lächeln auf ihre Lippen getreten, oder wir hatten zu dritt irgendein Lied, welches im Radio gelaufen war, gesungen, doch nun war jeder still und hing seinen eigenen Gedanken nach. Kid dachte sicherlich an seinen Vater und an den Lungenkrebs, welcher ihn befallen hatte. Zumindest konnte ich es mir bei seinem Gesichtsausdruck, einer Mischung aus Ernst, Sorge und einem Hauch Verzweiflung, ziemlich gut vorstellen. Bei Law dagegen war es viel schwieriger herauszufinden, an was er gerade dachte. Die Informationen die ich über ihn hatte, waren knapp, sein Gesichtsausdruck zeigte mir beinahe nichts. Er war ein verschlossenes Buch im Gegensatz zu Kid und mir, gleichzeitig verfluchte ich ihn dafür. Law machte es einem unglaublich schwer, wenn es darum ging, ihn kennenzulernen. Vielleicht war er nicht ganz so wild darauf, dass wir die besten Freunde wurden, doch gerade diese Vermutung weckte eine Art Kampfgeist in mir. Bisher hatte es noch kein Mensch, der meine Aufmerksamkeit erregte, geschafft, mich abzuwimmeln. Und dass Law mich interessierte, konnte ich einfach nicht bestreiten. Ich wusste nicht warum, doch ich würde ihm zeigen, dass er sich auf mich verlassen konnte. Dass ich ein Mensch war, gegenüber welchem er seine kühle Maske fallen lassen konnte. Ein Mensch, dem man vertrauen konnte. Als ich meine Augen das nächste Mal zur Uhr gleiten ließ, riss mich die Zeit, die sie anzeigte, förmlich aus den Gedanken. Etwas erschrocken betrachtete ich mit ehrfürchtigem Blick die vier Nullen, die sich nebeneinander reihten. Es waren nur noch wenige Minuten. Plötzlich, als ob ich es vorher durch meine Gedanken nicht wahrgenommen hatte, strömte die Anspannung, welche im Auto herrschte, auf mich ein. Der Druck in der plötzlich viel zu heißen Nachtluft war beinahe spürbar und schien uns tief in unsere Sitze zu pressen. Auch, wenn es eine Kunst war, zu erkennen, an was Law gerade dachte, bemerkte ich, dass sein Blick trüber wirkte, als vor wenigen Minuten. Gleichzeitig glaubte ich eine Spur von Wut zu erkennen, allerdings wusste ich dies nicht einzuordnen. Immerhin hatte ich keine Ahnung, was dieses Gefühl in ihm hervorrufen konnte. Vielleicht hätte ich mich bei Bonney einschleimen sollen, um etwas über den Schwarzhaarigen herauszufinden. Bei diesem Gedanken verzog ich augenblicklich mein Gesicht und musste schon fast über mich selbst lachen, was angesichts der finsteren Blicke meiner beiden Mitbewohner mehr als nur unpassend wäre. Noch immer konnte ich nicht nachvollziehen, was Law in dem pinkhaarigem Biest sah. Sie passte ganz und gar nicht zu ihm. Gleichzeitig war mir der Hass, den ich ihr gegenüber verspürte, fremd. Ich war eigentlich keiner dieser Menschen, die ohne andere gut zu kennen, über sie urteilte. Außerdem galt ich ebenfalls als ziemlich direkt. Meine Meinung teilte ich meist sofort allen Anwesenden mit, ob ich mir damit Probleme einbrachte, war mir meist egal. Ein kleines Lächeln trat auf mein Gesicht. Zumindest früher war ich so gewesen. Bevor dies alles geschehen war. Die Zeit, die ich alleine verbracht hatte, hatte mich verändert, auch wenn meine Freunde krampfhaft versuchten mir vorzuspielen, dass ich fast derselbe war wie früher. Doch es fühlte sich so an, als würde ich immer mehr ich selbst werden, je länger ich hier war. Und dieses Gefühl war unglaublich gut. Mit einem Ruck hielten wir plötzlich an, was mich augenblicklich aus den Gedanken riss. Zum gefühltem tausendsten Mal glitt mein Blick auf die Uhr, welche bereits 00:17 anzeigte. Alles in mir erstarrte. Wir waren da. Das erste Gefühl, welches meine Bauchregion durchquerte, war die Erleichterung, gefolgt von großer, überwiegender Aufregung. Ich hörte, wie Kid leise aus-und einatmete, ehe er das erste Mal seit längerer Zeit direkt in Laws Augen blickte. Die grauen Augen wirkten auf den ersten Blick ruhig, sah man genauer hin, konnte man allerdings den Sturm erkennen, der in ihnen tobte. Wie stark er war, wusste ich nicht. Allerdings ließ mir bereits die Tatsache, dass er dort war, mulmig zumute werden. „Auf geht's“, die Worte verließen den Mund des Rothaarigen leise, beinahe lautlos. Doch in der bedrückenden Stille, in der von Spannung gefüllten Luft, konnten wir jedes einzelne Wort verstehen, als ob er es in ein Mikrofon gebrüllt hätte. Dann stieg er aus dem Wagen und mein Blick glitt hinüber zu Law, welcher sich dem Sicherheitsgurt entledigte. Danach drehte er sich zu mir herum. Seine grauen Augen betrachteten mich kurz, ehe seine Hand an der Kopflehne vorbei durch mein Haar fuhr. 'Mach dir keine Gedanken', schien er sagen zu wollen, allerdings war dies nicht so einfach, wie er dachte. Jegliche Kälte war verschwunden, als auch ich anschließend den Wagen verließ. Mein Körper war plötzlich heiß und fühlte sich fast schon so an, als wäre er kurz vor dem Verbrennen. Draußen konnte ich die Umgebung genauer betrachten. Wir standen auf einem kleinem, ziemlich schmutzigem Hof, wie ich in dem Licht einer Straßenlaterne erkennen konnte. Unkraut überwucherte den Steinboden an manchen Stellen und gab dem Ort etwas Verlassenes. Auch in der Ferne konnte ich einige Häuser ausmachen, sogar ein paar Hochhäuser, was mich auf eine kleine Stadt schließen ließ. Das laute Geräusch von Laws zuschlagenden Autotür veranlasste mich dazu, meine ebenfalls zu schließen. Automatisch ging ich zum Kofferraum und nahm meine Tasche heraus. Law und Kid taten es mir nach, ehe der Rothaarige wortlos das Auto abschloss. Mit verkrampften Schritten näherten wir uns schließlich dem zweistöckigem Haus, in welchem Kid als Kind gelebt haben musste. Es wirkte ziemlich alt und gleichzeitig schien es, als könnte es eine Renovierung gebrauchen. Dunkles, morsch wirkendes Holz umspielte die Steinwände, deren weiße Farbe mit der Zeit abgeblättert war und nun nur noch in einem dreckigem Grauton vorhanden war. Es gab nur wenige, kaum Licht durchlassende Fenster und eine kleine Steintreppe, an deren Ecken und Kanten einige Stücke fehlten. Durch die schäbig wirkende Haustür sah man das Licht im Flur brennen, was uns zeigte, dass Kids Vater immer noch wach war und auf unsere Ankunft wartete. Ich steckte meine ruhelosen Hände in die Hosentasche und versuchte mich zu beruhigen, während Kid einen Schlüssel aus seinem Rucksack kramte. Mit einer schnellen, geschickten Bewegung öffnete er die Tür, nur um uns kurz darauf still zuzunicken. Seine Augen wirkten ebenfalls aufgeregt, obwohl er derjenige war, der seinen Vater schon mehrere tausend Male gesehen haben musste. Wir traten sogleich ein. Neben der Haustür befand sich eine dunkle, hölzerne Treppe, welche so aussah, als würde sie unter jedem noch so kleinem Gewicht nachgeben. Direkt daneben gab es drei Türen, während auf einer freundlicher Weise ein Aufdruck mit „WC“ angebracht worden war. Ansonsten gab es im Flur nicht gerade viel zu sehen. Der Boden bestand aus einem abgewetztem Teppich, die Wände waren in einem kahlem Gelb angestrichen worden und überall verstreut lagen Schuhe und Jacken herum. Man könnte sagen, dass die Ordnung von Kids Vater der seines Sohnes zu hundert Prozent glich. „Ehm“, kam es leicht überfordert über Kids Lippen, ehe er sich kurz umsah. Seine Augen fuhren suchend durch den Raum. „Dad?“, fragte er, da wir eigentlich laut genug gewesen waren, um unsere Ankunft anzukündigen. Wachsam glitten meine Augen zu der angelegten Tür, hinter welcher man anschließend ein übertriebenes, lautes Seufzen hören konnte. Hörte man ganz genau hin, konnte man auch ganz leise mehrere Stimmen aus einem Fernseher wahrnehmen. „Komm doch rein, Kid, oder willst du deinem armen, krankem Vater den Weg zu der Tür zumuten?“, kam es mit einem sarkastischem Unterton von einer mir unbekannten Person. Die Stimme klang äußert rau und auch schon etwas älter. Ich ordnete sie sofort Kids Vater zu, konnte mir allerdings noch nicht wirklich vorstellen, wie er wohl aussah. „Okay“, kam es gedehnt von meinem rothaarigem Mitbewohner, ehe er seinen Rucksack neben der baufälligen Treppe abstellte und uns mit einer Handbewegung deutete, ihm zu folgen. So stellten wir unsere Taschen ebenfalls ab und gingen direkt hinter ihm in das Zimmer herein, aus welchem zuvor noch die Stimme von Kids Vater erklungen war. Neugierig strichen meine Augen durch den Raum, den wir nun betraten und suchten nach Dingen, die ich betrachten konnte. Doch zu meiner Überraschung gab es nicht sonderlich viel zu sehen. An einer dunkelrot gestrichenen Wand stand ein kleines Regal voller Bücher, auf welchem ein Fernseher platziert worden war. Gleich daneben befand sich ein Kamin, in welchem ein kleines Feuer brannte. Ansonsten gab es nur noch einen mit Müll überfüllten Couchtisch, sowie ein Sofa und zwei Sessel, welche voller Decken, Kissen und irgendwelchen Zeitschriften waren. Es gab keine Fotos, Erinnerungen oder irgendetwas, was darauf schließen ließ, dass Kids Vater eine Familie hatte. Dies passte nicht mit meiner Vorstellung überein. Mein Inneres hatte immer vor Augen gehabt, wie ein armer, schwacher Mann einsam auf der Couch saß und mit einem tieftraurigem Ausdruck in den Augen alte Familienfotos betrachtete. Ich hatte mir vorgestellt, wie er sich nach den alten Zeiten gesehnt hatte und einen Tee trank, dabei sehnsüchtig auf den Tag wartete, an dem eines seiner Kinder ihn wieder besuchen kommen würde. Doch das was ich sah, war das Gegenteil meiner Vorstellung. Der Mann, von dem ich ausgegangen war, dass er schwach und alt wirkte, saß auf dem Sofa seitlich von uns und betrachtete uns mit einem Blick, der jegliche Gliedmaßen meinerseits zum Gefrieren brachte. Dabei strahlte er solch eine ungeheuerliche Stärke aus, dass man nicht einmal vermuten würde, dass er an Krebs litt. Seine bernsteinfarbenen Augen, welche Kid definitiv von ihm geerbt hatte, zeugten von einer langen Lebensgeschichte mit vielen guten und schlechten Erfahrungen. Wobei ich vermutete, dass die Letzteren deutlich überwogen. Es war ein Gefühl, welches ich nicht begründen konnte. Die Haut des Älteren war ziemlich blass und somit fast das Einzige, was zeigte, dass er in Wirklichkeit schwer krank war. Sein Haar, welches durch sein Alter von dunkelbraun in grau überwechselte, war durch seine Krankheit ein wenig ausgefallen und die Falten, die seine Augen und den Mund umspielten, gaben seinem Gesicht etwas Ernstes. Nur zögerlich ging Kid auf seinen Vater zu. Ich sah, wie er bei jedem Schritt mit sich selbst haderte, als ob er genaustens darüber nachdachte, wie genau er sich verhalten sollte. Dies passte nicht zu Kid. Schon seit dem Beginn dieser Fahrt fragte ich mich ständig, ob dies wirklich der durchgeknallte, mürrische und gleichzeitig auch leicht perverse Kid war, den Nami mir zu Beginn vorgestellt hatte. Ich begann es langsam zu bezweifeln und fragte mich, ob Law dies ebenfalls wahrnahm. „Ich“, Kid fuhr sich durch sein rotes Haar, als ob er nicht wusste, was er sagen sollte, ehe er mit einem Nicken in unsere Richtung deutete, „also, Law kennst du ja noch... und der Kleine daneben ist unser Kumpel und Mitbewohner Ruffy“, erklärte er, vermutlich um irgendein Thema zu finden. Dass mir bei den Worten „Kumpel“ warm ums Herz wurde, ließ ich mir nicht anmerken. Stattdessen verfluchte ich Kid dafür, mich als Gesprächsthema genommen zu haben, als mich der harte Blick des alten Mannes streifte. Und nun konnte ich es hundertprozentig sagen; dies war ein Blick, welcher um Welten schlimmer war, als Akainus. Ich hätte wahrscheinlich niemals vermutet, dass ich so etwas jemals sagen würde, doch diesmal traf es definitiv zu. Ich versuchte mich an ein freundliches Lächeln, welches allerdings sofort seine Wirkung verlor, als der Grauhaarige mich mit einer von Zweifeln erfüllten Miene musterte. „Kid, was sucht so ein winziger Highschool-Zwerg in eurer Wohngemeinschaft?“, fragte er dann, seine tiefe Stimme schien mich mit jedem Wort aufziehen zu wollen. Beleidigt plusterte ich meine Wangen auf, was seinen kindischen Eindruck von mir nicht unbedingt verbesserte. „Er kam durch Nami auf unsere WG und wir beschlossen ihn hierher mitzunehmen“, mischte sich Law ein und informierte Kids Vater somit über mich. Dieser nickte allerdings nur kurz und wollte gar nichts Genaueres wissen, ehe er mit den Schultern zuckte. „Ich bin Eustass Harry. Für dich allerdings mit Sir anzusprechen, nur damit wir uns verstanden haben, klar, Bürschchen?“, legte Harry fest. In seiner Stimme schwang ein bedrohlicher Ton mit, welcher mich zum Nicken veranlasste. „Gut“, meinte er anschließend, ehe er sich wieder an seinen Sohn wandte. Seine Augen wirkten mit einem Mal ein wenig sanfter, auch wenn man es kaum sehen konnte. „Ich sag's zwar nicht gern, aber ich bin froh, dass du gekommen bist“, kam es nun etwas leiser über Harrys Lippen, was mich Lächeln ließ. Dies war das erste Mal, dass man merkte, dass Kid ihm nicht vollkommen egal war und es ihn im Grunde genommen auch freute, dass er bei ihm vorbei sah. Auch der Rothaarige lächelte ein wenig, wenn auch kaum erkennbar, ehe er seine Augen leicht verengte. „Bild dir bloß nicht zu viel darauf ein, alter Mann“, gab er von sich und lieferte sich anschließend ein Blickduell mit seinem eigenem Vater. „Wir“, Law unterbrach die Beiden mit der üblichen Kälte in seiner Stimme „werden schon einmal das Gästezimmer beziehen“, murmelte er, ehe er nach meinem Handgelenk griff und mich aus dem Zimmer zog. Wahrscheinlich wollte er den Beiden ihren Freiraum lassen, was ich nur zu gut nachvollziehen konnte. Sie hatten sich sicherlich lange nicht mehr gesehen und wollten noch etwas alleine reden, bevor Law und ich dazukamen. Da es außerdem schon spät in der Nacht war, konnten wir die Zeit auch zum Schlafen nutzen. Erschöpft waren wir schließlich alle drei. Erst viel später kam die Bedeutung seiner Worte in meinem Gehirn an. Wir würden uns das Gästezimmer teilen? Ich wusste nicht, ob ich das richtig verstanden hatte, trotzdem fuhr ein kribbelndes Gefühl durch meinen Körper. Etwas unsicher hob ich die Tasche von der Treppe, als wir in den Flur zurückgegangen waren. „Wir also... wir schlafen in einem Zimmer?“, fragte ich also etwas perplex nach und sprach damit meine Gedanken aus. Währenddessen folgte ich dem Älteren die Treppe hinauf, welche bei jedem Schritt unheilvoll knarzte. Die Umstände in diesem Haus erschreckten mich ein wenig, denn so wie es aussah, würde es spätestens beim nächsten Sturm zusammenkrachen. Law blickte kurz über seine Schulter, ein Schmunzeln lag auf seinen schmalen Lippen. „Es sei denn, du willst in Kids Zimmer schlafen und seine nächtlichen Schnarchorgien miterleben“, meinte er, ehe er oben angekommen eine Tür links von sich öffnete. Er sah mich fragend an, als ob er wirklich auf eine Antwort meinerseits warten würde. „Ich denke, ich nehme das Gästezimmer“, entgegnete ich lachend und strich mir mit einer Hand leicht verlegen über den Hinterkopf. Auch, wenn mir in diesem Moment das Bild von dieser einen Nacht, kurz vor Beginn der Fahrt in den Kopf huschte. Wie er geschrien hatte und wie erschrocken er gewesen war, als ich ihn darauf versucht hatte aufzuwecken. Mir war zwar mulmig zumute, vielleicht hatte ich auch ein wenig Angst, doch ich würde trotz dieser Tatsache lieber bei ihm schlafen, als bei sonst jemandem. Bei ihm hatte ich irgendwie ein besseres Gefühl, auch wenn ich nicht wusste, woher dieses kam. Nicht wirklich überrascht von meinen Worten nickte der Größere und trat in das Zimmer ein. Er hatte diese Antwort mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet. Ich tat es ihm nach und sah mich darauf kurz um. Das Gästezimmer, welches für die nächsten Tage uns gehören würde, war nicht wirklich groß, es passte gerade so ein Einzelbett mit Nachttisch und Schrank hinein. Durch ein kleines Fenster an der rechten Seite drang ein wenig Licht einer Straßenlaterne in den Raum, welcher sonst ganz dunkel war. Ich machte die Nachttischlampe an und sah für wenige Sekunden aus dem Fenster. Inzwischen fiel sanfter Regen vom Himmel. Augenblicklich schossen mir wieder Bilder von der Nacht im Park in den Kopf, als ich Law sagte, dass mich der Regen an ihn erinnern würde. Dieser kniete sich währenddessen seufzend auf den Boden und zog eine Matratze unter dem Bett hervor, während ich ihn dabei beobachtete. Ich wusste nicht, wie ich in jener Nacht auf diesen Vergleich gekommen war, allerdings schien er wirklich zu passen. Law hatte etwas Trauriges an sich und der Regen passte zu dem Sturm, der seit Beginn der Fahrt in seinen Augen tobte. Er ging anschließend zum Schrank, um zwei Schlafsäcke und Kissen herauszunehmen. Wie es schien, kannte Law dieses Haus ziemlich gut, was angesichts der Tatsache, dass er und Kid sich schon lange kannten, nachvollziehbar war. Der Schwarzhaarige breitete die Schlafsachen auf beiden Betten aus, ehe er sich auf die Matratze fallen ließ und genüsslich die Augen schloss. Law war scheinbar genauso müde wie ich, verständlich nach dieser langen Fahrt. Ich war schon gespannt darauf, was wir morgen unternehmen würden und vor allem interessierte es mich bereits, wie Kids Vater drauf war. Während der Tage hier, würde ich ihn sicherlich genauer kennenlernen, ob ich wollte oder nicht. Außerdem würde er übermorgen noch einmal ins Krankenhaus fahren, zumindest hatte Kid dies erzählt. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir unbedingt für ihn da sein. Ich legte mich auf das Bett und zog mir nur noch die Jeans von den Hüften. Sie landete auf meiner Reisetasche, zumindest hoffte ich das. Inzwischen war ich viel zu müde für jede überflüssige Bewegung. Meine Augen fielen wie von selbst zu und ich gähnte, als ich meinen Kopf im Kissen vergrub, welches nach Kid roch. Die Müdigkeit übermannte mich mit einem Mal. „Gute Nacht, Law“, kam es noch nuschelnd über meine Lippen. „Gute Nacht, Ruffy“, antwortete er mir, während ich dabei war, in einen tiefen Schlaf zu gleiten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)