Last Desire: Devious Desire von Sky- ================================================================================ Kapitel 2: Im McKerrigan's -------------------------- Nach einem gemeinsamen Abendessen verabschiedete sich Nabi von Samajim und schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg. Sein Ziel war ein irischer Pub, der den Namen „McKerrigan’s“ trug. Es war seine Stammkneipe, wo er die meisten Abende verbrachte, wenn er frei hatte. Der Pub war ein sehr beliebter Treffpunkt für die meisten Asylanten, weil er auch von einem Asylanten selbst geführt wurde. Nakash, der für die Menschen den Namen Neville McKerrigan angenommen hatte, war Nabis bester Freund und hatte sich mit seinem Leben im Asyl sehr gut arrangiert. Zwar hielt er nicht sonderlich viel von den Menschen, weil sie seiner Ansicht nach recht kurzlebig und seltsam waren, aber er war schon damals sehr anpassungsfähig gewesen und hatte auch immer ein offenes Ohr für Nabi. Gleich schon als dieser die Bar betrat, wurde er von seinem besten Freund gut gelaunt begrüßt, der hinter dem Tresen stand und Gläser putzte. „Hey Nabi, du siehst ja vielleicht bescheiden aus. Hat dich der Alte mal wieder zu hart rangenommen, oder durftest du mal wieder die Löcher im Dach flicken?“ Mit einem eher halbherzigen Lächeln setzte sich Nabi an den Tresen und bekam sogleich ein Bier gereicht, welches er dankend entgegen nahm. Wie nicht anders zu erwarten war, gab es hier nur das berühmte Guinness. Mit dem englischen Bier konnte Nabi ohnehin nicht viel anfangen und er war auch dankbar für die Abende, in denen er sich bei Nakash den Frust von der Seele reden konnte. „So langsam habe ich das Gefühl, er hat einen Heidenspaß daran, mich zu quälen“, seufzte er schließlich und nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas. „Nicht nur, dass er wieder eine seiner Langschlaf-Phasen hatte, nein ich wurde auch noch von den Frauen aus der Nachbarschaft bedrängt und er meint natürlich, ich könne mich ruhig mal amüsieren.“ „Warum nicht, wenn sie heiß sind? Es sind eh nur Menschenfrauen. Die kommen und gehen.“ „Aber ich habe nun mal kein Interesse an Frauen.“ „Ja und? Du bist sowohl bei den Frauen, als auch bei den Männern beliebt. Dass du den Alten liebst, ist ja schön und gut, aber solange du dir selbst im Weg stehst und dich nicht dazu bringen kannst, endlich mal die Karten auf den Tisch zu legen, dann wird es immer nur eine Quälerei für dich sein. Und jetzt mal im Ernst. Ein Menschenkörper hat nun mal Bedürfnisse. Immerhin wurde er zur Fortpflanzung geschaffen und jetzt mal im Ernst. Wie schaffst du es denn, die ganze Zeit so dermaßen enthaltsam zu leben?“ Nabi sagte nichts, wich nur Nakashs Blick aus und trank noch einen Schluck Bier. Sein bester Freund sah ihn prüfend an, dann aber schüttelte er den Kopf und seufzte. „Oh Mann, jetzt sag mir bloß nicht, dass du es auch noch unter der Dusche machst.“ Nun senkte Nabi den Blick nur noch weiter und sagte nichts. „Ach Nabi, das ist doch echt ein Armutszeugnis. Hast du denn gar keine Selbstachtung mehr?“ „Nee. Meine Selbstachtung hab ich gleich mit dem letzten Rest meiner Männlichkeit begraben! Meister Samajim hat Recht. Ich bin doch echt ne Frau…“ Damit legte dieser mit einem wehleidigen Seufzer den Kopf auf den Tresen ab. „Ich bin echt das Letzte, ich weiß. Aber ich hab einfach zu viel Schiss. Was ist, wenn er meine Gefühle gar nicht erwidert und sich dann noch über mich lustig macht? Er zieht mich doch sowieso ständig auf. Nun gut, es sind die üblichen Zankereien, die wir haben, weil der Herr sich mal wieder zu fein ist, um zu arbeiten.“ „Aber wenn du es nicht versuchst, wirst du nie herausfinden, wie er für dich fühlt.“ „Toll. Das hilft mir auch wahnsinnig weiter“, entgegnete Nabi sarkastisch. Aber Nakash blieb bei seinen Ansichten. „Jetzt mal ganz im Ernst: du schnauzt ihn an, wirst frech und sarkastisch, du behandelst ihn wie ein Kind und verbietest ihm sogar Dinge und schreibst vor, was er zu tun und zu lassen hat. Menschenskinder Nabi, das traut sich kein anderer hier. Als Nemala mal zu frech wurde, da hat er sie so zur Schnecke gemacht, dass sie sich 20 Jahre lang nicht mehr aus ihrem Keller gewagt hat. Samajim lässt es sich von niemandem gefallen, so behandelt zu werden. Du bist die einzige Ausnahme neben Eva und das zeigt doch, dass du ihm wichtig bist. Es ist mir eh ein absolutes Rätsel, wie du es nur bei ihm aushältst. Im Grunde bist du doch wie ein kleines Hündchen, das auf Kommando Tricks macht und seinem Herrchen überall hin folgt. Und wag es bloß nicht, das zu leugnen. Wir beide wissen genau, dass du ein Hündchen bist.“ „Das ist aber nun doch ein bisschen hart, findest du nicht auch? Ich habe ihm die Loyalität bis zu meinem Tode geschworen und ich halte mich auch daran. Wenn Meister Samajim nicht gewesen wäre, dann hätten sie mich damals hingerichtet. Ich verdanke ihm mein Leben!“ Nakash betrachtete ihn aus den Augenwinkeln, während er für die anderen Gäste noch ein weiteres Bier zapfte. Es wurde langsam voll im Pub und auch lauter. „Weißt du eigentlich, dass du ihm so was von hörig geworden bist? Selbst hier in der Bar kannst du nicht damit aufhören, ihn als deinen Meister zu bezeichnen. Nabi, sorry wenn ich dir das jetzt sage, aber du hast echt ein Problem. Du himmelst ihn ja regelrecht an, auch wenn du dich ständig über seine Marotten beschwerst. Die Gefühle von Unvergänglichen sind nicht wie die von Menschen. Wenn sich einer verliebt, dann kann es länger dauern als die Lebenszeit eines Sterns. Menschen sind wankelmütige Wesen. Ihre Gefühle ändern sich so unfassbar schnell, dass man kaum hinterher kommt. Sie leben in einer ganz anderen Zeit als wir und eben weil hier ein so rascher Zeitverlauf stattfindet, fühlt es sich für dich doch einfach nur unerträglich an. Du weißt, du kannst auf mich zählen und dich immer bei mir ausheulen, wenn du willst. Dazu sind Freunde ja da. Aber ich kann mir auch nicht mit ansehen, wie du dich mit diesen Gefühlen quälst. Und dass du dich ausgerechnet in ihn verlieben musstest, ist ja auch echt beschissen. Sei mal ehrlich: was findest du überhaupt an ihn? Du sagst doch selbst, dass er ein ichbezogener, eigensinniger, fauler, verwöhnter, hinterhältiger und kindischer Trotzkopf ist. Sein Aussehen kann es ja wohl kaum sein. Er hat sich immerhin erst vor 400 Jahren verjüngt. Also erklär es mir mal. Was findest du an diesem Kerl, der deiner Beschreibung nach eigentlich ein durchgeknallter und sadistischer Psychopath ist?“ „Naja“, murmelte Nabi und trank sein Glas leer, woraufhin er sich ein zweites Guinness bestellte. „Er hat echt schräge Marotten und ist faul und eigensinnig, das stimmt. Aber er hat auch sehr einfühlsame Seiten, er ist so weise und er weiß immer Rat. Trotz allem strahlt er immer so eine Ruhe aus und er beschützt mich eben auch. Vor allem, als die Proxys sich vor ein paar Monaten auf dem Kirchengelände herumgetrieben haben und mich umbringen wollten. Meister Samajim mag zwar viele schlechte Angewohnheiten haben, aber irgendwie liebe ich auch diese Marotten. Die Art, wie er spricht, seinen zynischen Sarkasmus, was die Menschen betrifft… den Geruch seiner Zigaretten… Nemala sagte mir ja auch, ich müsse verrückt sein, dass ich das alles wirklich aushalte, aber ich finde es gar nicht so schlimm. Ich lebe gerne bei ihm und mach Ordnung.“ „Das klingt für mich ganz arg danach, als wärst du masochistisch veranlagt.“ „Ja sicher bin ich das…“, gab Nabi sarkastisch zurück. „Als ob ich unbedingt darauf stehen würde, gefesselt und gepeitscht zu werden.“ „So habe ich das nicht gemeint. Masochistisch zu sein, heißt noch lange nicht, dass du unbedingt auf so etwas stehst. Ich meine es eher so, dass du es magst, von ihm geärgert zu werden. Masochismus gibt es in vielen Formen und es ist ja nicht unbedingt schlimm. Jeder hat so seine Eigenheiten. Du bist ja auch nicht ohne. Dein Sarkasmus wird ja auch immer schlimmer, seit du bei dem Alten bist.“ „Was du nicht sagst. Frag dich mal warum.“ „Siehst du? Da haben wir es schon wieder.“ Nabi sagte nichts mehr und leerte auch sein zweites Glas. Er wirkte nun deutlich verstimmter als vorher und als Nakash ihn so sah, musste er schmunzeln. „Du siehst echt niedlich aus, wenn du schmollst. Ach komm, jetzt mach dich mal locker. Du hast jetzt endlich deinen wohl verdienten Feierabend und kannst diesen Durchgeknallten mal für eine Weile vergessen. Feier doch ein bisschen. Das steht dir auch mal gut zu Gesicht und dann kommst du auch mal auf andere Gedanken.“ Ja, vielleicht hat er ja Recht, dachte Nabi und bestellte sich dieses Mal etwas Hochprozentiges. Das ist mein Feierabend und da kann ich wenigstens für den Rest des Tages mal an was anderes denken als an Samajim. Deshalb bin ich doch hergekommen. Als die Musik im Pub aufgedreht wurde, gesellte sich Nabi zur feiernden Gesellschaft dazu, die erst einmal kräftig darauf anstieß, dass die Terrorherrschaft der großen Alten vorbei war und dass endlich eine Zeit kommen würde, wo niemand mehr Angst um sein Leben haben musste, nur weil er gegen diese grausame Willkür war. Und auch um das Schicksal der Asylanten wurde nun neu verhandelt und das bedeutete für viele, dass nun endlich die Hoffnung bestand, wieder nach Hause zurückkehren zu dürfen. Einige vermissten ihre alte Heimat und wären nur zu gerne wieder zurückgekehrt, doch die Angst vor der Rache der großen Alten war viel zu groß gewesen. Sie wären sofort getötet worden, wenn sie es gewagt hätten, nach Hause zurückzukehren. Als das Thema besprochen wurde, kam Nabi noch mal zum Tresen zurück, um mit Nakash darüber zu reden. „Sag mal, was wirst du eigentlich machen, wenn ihr alle begnadigt werdet? Wirst du dann auch wieder nach Hause zurückkehren?“ „Ach weißt du“, seufzte der Seraph und zündete sich eine Zigarette an, denn in seinem Pub war das Rauchen noch durchaus erlaubt. „Ich hab mich schon so an diese Welt gewöhnt, dass ich vielleicht noch ein wenig mit meiner Abreise warten werde. Immerhin hab ich ja noch den Pub und einige werden wahrscheinlich auch noch hier bleiben. Für sie ist das ja so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Tja, wir sind alle frei, aber du musst wohl bei deinem Samajim bleiben. Einen Schwur kann man nicht brechen. Aber… es gibt ja noch die Möglichkeit, dass du Ain Soph bittest, dass sie dich von deinem Schwur losspricht. Dann wärst du frei und kannst gehen, wohin du willst.“ Das stimmte Nabi nun doch nachdenklich. Er hatte die Möglichkeit, Ain Soph um diesen Gefallen zu bitten. Nun, viel war ja noch nicht über sie bekannt, die von manchen auch die „große Mutter“ genannt wurde. Es gab viele Gerüchte und so wie Quellen berichteten (denn selbst die Asylanten hatten ihre Möglichkeiten, um zu erfahren, was in ihrer Heimat vor sich ging), hatte sie zusammen mit Elohim das Regiment übernommen und sogar die Todesstrafe abgeschafft. Das war schon mal ein gutes Zeichen, dass es bald endlich besser werden würde. „Angeblich haben einige Asylanten bereits mit Ain gesprochen.“ „Echt?“ rief Nabi und sah Nakash sprachlos an. „Und wie ist sie so?“ „Nun, sie scheint sehr freundlich und gnädig zu sein, so wie mir gesagt wurde. Aber eigentlich zerreißen sich die meisten die Mäuler über dich.“ „Wieso ich?“ „Na weil du Elohim gesehen und mit ihm geredet hast. Und du stehst doch immer noch mit ihm in Verbindung.“ „Ja schön, aber ich hab doch schon letztens alles gesagt, was ich weiß. Und seit mein alter Meister wieder zurückgekehrt ist und gemeinsam mit Ain Soph die Herrschaft übernommen hat, habe ich eigentlich nicht viel gehört. Wenn mich aber nicht meine Wahrnehmung trügt, dann werden er und Ain Soph bald nach Amerika reisen, um ihren Sohn zu besuchen. Tja… mit etwas Glück kommen sie auch nach England, um Meister Samajim zu besuchen.“ „Du rennst deinem Herrn ja ziemlich hinterher, nicht wahr?“ rief Mayim spöttisch und lachte, wobei einige mit einstimmten. Doch davon ließ sich Nabi auch nicht sonderlich einschüchtern. „Haha, sehr witzig“, gab er sarkastisch zurück. „Ohne Meister Samajim wären wir alle tot und unsere Köpfe wären längst Dekoration in Rakshasas Regalen, nachdem uns Miswa allesamt einen Kopf kürzer gemacht hätte.“ „Das wissen wir doch auch“, seufzte Nogah, der mal wieder schlechte Laune hatte. „Aber trotzdem würden wir wenigstens noch genügend Stolz haben, um ihm nicht gleich in den Arsch zu kriechen. Mal im Ernst. Findest du nicht auch, dass das nicht ein bisschen erbärmlich ist?“ Nabi warf Nogah einen giftigen Blick zu und schnaubte verächtlich. Er hatte den Kerl noch nie so wirklich leiden können. Nogah war ein typischer Nörgler, der immer ein absoluter Schwarzseher war und der nie wirklich zufrieden war. Und solche Typen konnte Nabi nicht wirklich ausstehen. Da wurde man ja noch selbst zum Pessimisten, wenn man sich mit solchen Individuen abgab. „Erbärmlich bist doch nur du, weil du es nicht fertig bringst, dir mal ein vernünftiges Leben aufzubauen. Anstatt mal etwas an deiner Misere zu ändern, bist du immer nur am herummeckern und damit gehst du wahrscheinlich nicht nur mir auf die Nerven. Also sei so gut und halt den Rand, wenn du nichts Besseres zu melden hast.“ „Glaubst du etwa, ich bin der Einzige, der so denkt? Die großen Alten sind unsere Feinde und sie haben so viele unserer Kameraden hingerichtet. Egal ob sie mitgekämpft haben oder nicht. Samajim mag uns geholfen haben, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass seinesgleichen unsere Brüdern und Schwestern bis heute noch verfolgen und töten. Meine Schwester und meine Brüder wurden vor meinen Augen hingerichtet und ihre Köpfe wurden auf Speeren aufgespießt und zur Schau gestellt.“ „Wir haben alle Verluste gemacht“, erklärte Nakash schließlich und stellte die nächsten Biergläser auf dem Tisch ab. „Nabi wurde aufgrund seiner Gabe als Einziger kein Asyl gewährt. Seine einzige Chance zu überleben bestand nun mal darin, als Diener an Samajims Seite zu bleiben und es kann ihm wohl kaum jemand zum Vorwurf machen, dass er am leben bleiben wollte. Also pass besser auf, was du sagst.“ Damit war Nogah still und es war nicht zu übersehen, dass Nakash nicht der einzige mit dieser Meinung war. Schließlich versuchte Mayim die Stimmung irgendwie zu retten und schließlich wurde die Musik lauter gedreht, um die Partystimmung zu retten. Tatsächlich wurde getanzt, gesungen und es floss viel Alkohol. Nabi übernahm sich ein wenig und trank mehr, als er eigentlich vertrug. Als sich die Party in den Morgenstunden langsam dem Ende zuneigte und das „McKerrigan’s“ schloss, saß Nabi am Tresen und war inzwischen eingeschlafen. Als Nakash ihn so sah, konnte er nicht anders als zu schmunzeln. „Ach Mensch, Nabi. Du weißt wirklich nie, wann es genug ist. Na komm schon, ich bring dich eben nach Hause. Alleine schaffst du es ja sowieso nicht.“ Damit zerrte er seinen besten Freund vom Hocker herunter und lud sich den Betrunkenen auf den Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass sich der Ärmste so dermaßen abgeschossen hatte und wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal. In den letzten Jahren war es immer häufiger, dass er sich so dermaßen die Kante gab, weil er auf die Weise seinen Liebesfrust ertränken konnte. Zumindest für kurze Zeit. „Ach Nabi, du musst doch irgendwann mal lernen, wie viel du eigentlich verträgst.“ Während der Barbesitzer den Betrunkenen zu seinem Wagen trug, um ihn nach Hause zu fahren, begann Nabi zu schluchzen. Leider eine kleine Nebenerscheinung, wenn er betrunken war: er begann zu heulen und wurde ziemlich emotional. „Du hast Recht“, jammerte dieser und schluchzte heftig. „Ich muss in meinem letzten Leben wohl ein Hund gewesen sein.“ „Du weißt, dass das eigentlich nicht sein kann, weil du schon lange vor dem Entstehen der Hunderasse gelebt hast. Und du bist kein Mensch, sondern ein Sefira. Und jetzt beruhige dich besser mal. Ich bringe dich wieder nach Hause und dann kannst du dich erst mal schlafen legen.“ „Danke, Nakash. Du bist ein richtig toller Freund. Du bist immer so lieb zu mir. Warum konnte ich mich nicht in dich verlieben? Dann wäre es zumindest einfacher.“ Nakash gab darauf keine eindeutige Antwort. Es war nicht so, dass er gänzlich gegen das männliche Geschlecht abgeneigt wäre. Streng genommen waren alle Unvergänglichen geschlechtslos und deshalb hatten sie auch keinerlei Vorbehalte, was die Sexualität anging. Nakash hatte sich hauptsächlich deshalb für Frauen entschieden, weil sie seiner Meinung nach leichter zu haben waren. Und außerdem gab es eben mehr willige Frauen als schwule Männer in London. Aber Nabi war für ihn ein guter Freund und er wollte, dass es dabei blieb. Außerdem fürchtete er, dass Samajim ihm das übel nehmen würde, wenn er sich an Nabi heranmachte. Und außerdem sprach gerade nur der Alkohol aus seinem besten Freund und wenn er jetzt dieser indirekten Aufforderung nachkam, würde es für sie noch beide unangenehm werden. „Da spricht hauptsächlich der Alkohol aus dir, mein Freund. Na komm, ich fahr dich eben zurück, dann kannst du deinen Alkoholpegel zurücksetzen und bist morgen wieder fit wie ein Turnschuh.“ „Warum ärgert mich dieser alte Mann eigentlich immer? Bin ich vielleicht zu lieb zu ihm?“ „Nun, ich würde eher sagen, dass es bei euch beiden auf Gegenseitigkeit beruht, dass ihr euch gegenseitig das Leben schwer macht.“ Nakash setzte sich schließlich hinters Steuer und fuhr los. Es war schon vier Uhr morgens und so wie er Nabi kannte, würde sein nächster Tag wieder in zwei Stunden anfangen. Für Menschen auf Dauer unmöglich durchzuhalten, aber für Unvergängliche kein Problem. Streng genommen bräuchten sie eigentlich gar keinen Schlaf und sie taten es nur, weil es die Menschen taten und man sich eben anpasste. Und so bekam man die Zeit auch irgendwie gut rum. Manche machten es geschickt und schliefen manchmal bis zu Wochen oder Monaten und versuchten sich auf diese Weise die Zeit zu vertreiben. Andere wiederum hatten sich gut an das Leben der Menschen angepasst und fühlten sich hier auch auf eine gewisse Art und Weise wohl. Nakash gehörte zu der zweiten Sorte und auch wenn die Menschen in seinen Augen vielleicht kurzlebig und geistig ziemlich beschränkt in ihrem Denken und Vorstellungsvermögen waren, so fand er sie dennoch recht interessant. Und er musste auch zugeben, dass die Menschen schon gewisse Dinge hatten, die er in seiner Heimat vermissen würde. Die Musik, diese witzigen Geräte, die sie Computer oder Handys nannten und all die anderen Erfindungen, die in seinen Augen eher nettes Spielzeug waren. Genauso wie die Autos. Es erstaunte ihn immer wieder, wie kreativ die Menschen waren, um sich die Arbeit zu erleichtern, weil sie nicht die nötigen Fähigkeiten besaßen und sich selbst ein komfortables Leben schaffen wollten. Er pflegte dann ganz gerne zu sagen „Beschränkt und einfach mögen diese Menschen vielleicht sein, aber ihr Ideenreichtum ist nicht zu verleugnen.“ Es war erstaunlich, welchen Schöpfungsgeist sie an den Tag legten und immer wieder neue Mittel fanden, um sich das Leben einfacher zu machen und ihr Leben zu verlängern. Auch wenn es viele Gesetze, Anschauungen und Erfindungen gab, die er vielleicht nicht so wirklich als hilfreich ansah, so gab es auch wiederum Dinge, die er gar nicht mal so schlecht fand. Und wenn er offen und ehrlich war, hatte er sich an diese netten kleinen Menschenspielzeuge gewöhnt und würde diese in seiner Heimat wohl doch recht vermissen. Aus diesem Grund wollte er der Bequemlichkeit halber erst mal in der Menschenwelt bleiben. Außerdem brauchten die anderen Asylanten, die auch hier bleiben würden, den Pub als Treffpunkt. Und er konnte ja wohl Nabi schlecht alleine lassen. Der Ärmste brauchte doch jemanden, bei dem er sich ausheulen konnte. Als er schließlich das Pfarrhaus erreichte, stellte er den Wagen ab und brachte Nabi, der inzwischen eingeschlafen war, zur Haustür. Da der Ersatzschlüssel unter der Fußmatte lag, brauchte er nicht klingeln und darauf zu warten, dass Samajim aufmachen würde. Gleich schon als er den Flur betrat, kam Samajim gerade aus seinem Zimmer und warf Nakash einen etwas kühlen Blick zu. „Ich nehme ihn schon“, sagte der blondhaarige Pfarrer und somit überließ Nakash ihm den schlafenden Betrunkenen. „Er hat nur ein wenig zu viel getrunken, wie schon die letzten Male. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, Euch einen Rat zu geben, aber Nabi hat Probleme und er braucht jemanden, der ein offenes Ohr hat.“ „Und natürlich bist du derjenige, der ihm zuhört und der ihn tröstet, nicht wahr, Nakash?“ „Ich bin sein bester Freund und das ist meine Aufgabe.“ Nakash wusste, dass Samajim nicht allzu gut auf ihn zu sprechen war und er ahnte auch schon, was es mit dieser Antipathie auf sich hatte. Er hatte ein gutes Gespür dafür, wenn andere eifersüchtig waren und es war ihm schon seit langem klar, dass da auch Samajim gewisse Gefühle für Nabi hegte. Aber noch war ihm nicht ganz klar, ob er sich darüber im Klaren war oder nicht. Fest stand für ihn jedenfalls, dass diese ganzen Spielchen mit Nabi dazu da waren, weil Samajim ihn bei sich haben wollte und zum anderen machte er das sicher zum Spaß, weil er Langeweile hatte. Fakt war ja, dass es nicht viel zu tun gab und in so einer Welt, in der alles so schnell starb, während man selbst weiterlebte. Da war Langeweile eben das größte Problem. Und so blieb es eben auch nicht aus, dass man eben auf die verrücktesten Ideen kam, um die Langeweile zu vertreiben. Tja und Nabi war eben Samajims Mittel, um etwas gegen die Langeweile zu tun. „Du hast Recht. Du bist nicht in der Position, um mir Ratschläge zu erteilen. Du kannst gehen, Nakash.“ Damit verabschiedete sich der Seraph mit einer kurzen Verbeugung und verließ das Haus. Als er die Tür schloss und den Schlüssel wieder zurücklegte, konnte er nicht anders, als zu schmunzeln. „Tja, das scheint ja noch richtig unterhaltsam zu werden“, murmelte er und ging wieder zu seinem Wagen zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)