Daunenfederschnee von Die_Katzenhai ================================================================================ Kapitel 1: Daunenfederschnee ---------------------------- Es war Heiligabend und der Schnee fiel in großen, dicken Flocken, die wie Daunenfedern um sie herumstoben und sich an ihren dunklen Mänteln festsetzten. Die Hügel um sie herum waren sanft und zu ihrer linken tat sich ein Wald aus Nadelbäumen auf. Es war ein Anblick, den Kakuzu genoss und der ihn auf eine seltsame Weise beruhigte. Es gab keinen Grund, sich zu sorgen, feindliche Ninja würde man von Weitem erkennen können, so dicht fiel der Schnee nicht, und er glaubte auch nicht, dass welche unterwegs waren. Nicht in diesen Tagen. Es war, bis auf einige Tiere, die sich ihren Weg durch das Weiß bahnten, still.Tatsächlich hatte Kakuzu sich mehre Male umsehen müssen, ob Shouta überhaupt noch neben ihm lief. Doch das tat er. Sein hellbraunes Haar war von dem Schnee beinahe weiß und er fing seinen Blick auf, grinste zu ihm hoch. Kakuzu erwiderte es, fuhr ihm einmal durch das Haar und befreite es von dem Eis. „Du bist still“, sagte Kakuzu. Shoutas Grinsen wurde zu einem Lächeln. „Ich will mich auf die stille und besinnliche Zeit mit dir einstellen.“ Mit einem Mal kam er ihm näher, griff nach seiner Hand und drückte sie. „Nicht, dass ich wirklich denke, dass sie still wird.“ Kakuzu erwiderte den Druck sanft, strich mit dem Daumen über Shoutas Handrücken, der in einem Handschuh steckte. „Nicht, wenn du dabei bist.“ Er schwieg kurz. „Wie lange ist es noch bis zur Hütte?“ Dunkelgrüne Augen blitzten zu ihm herauf. „Ist dir etwa kalt?“ Shoutas Stimme war sanft, hatte aber einen amüsierten, vielleicht auch spöttischen Tonfall, angenommen. „Nein.“ „Sicher?“, hakte Shouta nach. Zum wiederholten Male bereute es Kakuzu, die Maske nicht anzuhaben. Am Morgen hatte Shouta ihn dazu überredet, sie auszulassen und später wollte er ihm nicht den Triumph gönnen, dass auch Kakuzu fror. Zumindest manchmal. Selten. Jetzt tat er es nur, weil es nicht gewohnt war, ohne Maske herum zu laufen und es war nicht warm. „Ja“, sagte er, nachdem er eine zu große Pause gemacht hatte, „vollkommen sicher.“ „Deine Nase ist rot. Das sieht schon fast niedlich aus.“ Kakuzu hob eine Augenbraue. „Niedlich?“, wiederholte er mit strenger Miene. Es folgte ein leises Lachen seitens Shouta, der einen Schritt nach vorne machte und vor Kakuzu stehen blieb. Die Hände lagen nun auf dessen Brust. „Ich sagte fast niedlich, das ist ein Unterschied.“ Natürlich kam Shouta mit so einer Ausrede. „Aber wenn deine Lippen kalt sind“, Shoutas Hände wanderten hoch, legten sich lose um Kakuzus Nacken, „weiß ich Abhilfe zu verschaffen.“ Er streckte sich, bis sich ihre Lippen berührten. Kakuzu zog Shouta an sich heran, ließ seine Hände auf dessen Rücken ruhen. Er spürte Shoutas Lippen, die von der Kälte rau waren, öffnete seinen Mund ein Stück, um den Kuss zu intensivieren und löste sich erst nach einiger Zeit von seinem Freund. „Besser?“ Shouta lehnte sich gegen Kakuzu heran. Mit einer Handbewegung zerwühlte er Shoutas Haare und küsste ihn noch einmal, dieses Mal allerdings kürzer. Schweigend lief er weiter, griff dabei erneut nach Shoutas Hand und antwortete ihm nicht auf die Frage. Ihm war schließlich nicht kalt, es war nur ungewohnt, keine Maske zu tragen. „Du kannst auch gerne meinen Schal haben“, fing Shouta an und bereute es, ihn angesprochen zu haben, zumindest ein wenig mehr Ruhe wäre schön gewesen, „oder zieh die Maske wieder an, ich weiß, wie du aussiehst.“ Er war noch dabei seine Haare zu richten, grinste fröhlich. Kakuzu machte diese Arbeit wieder zunichte „Sei still“, sagte er ruhig und nicht unfreundlich. Wenigstens nicht sehr. Schließlich kannte er Shouta und sein unaufhörliches Geplapper und hatte gewusst, auf was er sich einließ. Und irgendwie mochte er es ja auch. Manchmal. Es war eine Seite Shoutas. Eine anstrengende, eine nervige, doch es gehörte zu ihm. „Ich habe dich auch furchtbar lieb.“ Kaum hatte Shouta das gesagt und seine Haare gerichtet, hatte Kakuzu sie wieder durcheinander gewühlt. Shouta gab ein Schnauben, das Kakuzu an eine beleidigte Katze erinnerte, von sich und beließ es dabei, sie zu glätten und nicht weiter darauf einzugehen. Stattdessen wechselte er das Thema. „Es ist nicht mehr weit, noch ein Kilometer, schätze ich.“ Er deutete mit der freien Hand auf einen Hügel, „dahinten ist es, habe, als ich da war auch schon das Reh soweit vorbereitet. Muss eben nur noch gebraten werden.“ Er grinste jungenhaft. „Ich habe auch ein wenig geschmückt.“ Einer der Vorteile die die Beziehung mit Shouta mit sich führte, war dessen Bereitschaft zu jagen. Dass er das schon vor einigen Tagen erledigte hatte und nicht weg musste, machte den Tag … angenehm. „Gut“, sagte Kakuzu also. Er beschleunigte seine Schritte minimal und ignorierte gekonnt das amüsierte Geräusch, dass Shouta von sich gab. Das Innere der Hütte war überraschend angenehm. Die Fenster waren groß und zogen, dank der hölzernen Fensterläden und den roten Vorhängen nicht. Vor dem Kamin lag ein großer, weißer Teppich, die Möbel waren zwar alt, jedoch nicht abgenutzt und Shouta hatte Tannenzweige aufgehangen, die er mit Kerzen und Strohsternen dekoriert hatte. Ja, in Ordnung, Kakuzu musste zugeben, dass es so schöner war, als ohne, aber er würde es nicht aussprechen. Mittlerweile war es dunkel geworden und sie hatten gegessen. Shouta saß am anderen Ende des Sofas, eine Decke über die Beine gelegt und trug einen von Kakuzus Pullovern, in dem er zu versinken schien. Immer, wenn er das tat, wurde Kakuzu bewusst, wie deutlich kleiner und schmaler Shouta gebaut war - und das, obwohl Shouta nicht einmal klein war – und, dass er irgendwie niedlich darin aussah. Auch das gehörte zu den Dingen, die Kakuzu niemals aussprechen würde. Oder es sich auch nur anmerken ließ. Irgendwann, als es selbst Kakuzu fast zu still geworden war, durchbrach Shouta das Schweigen. „Als Kind habe ich mir immer gewünscht, einmal Weihnachten so feiern zu können.“ Es lag ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen und er kam Kakuzu näher, setzte sich auf seinen Schoß und lehnte sich an ihn heran. Kakuzu legte beide Arme um ihn, zog ihn näher zu sich, gab somit zu verstehen, dass er ihm zuhörte. „Gutes Essen, Wärme und Lichter.“ Er küsste Kakuzu auf die Wange. „Glücklich sein, bei einer Person wie dir.“ Kakuzu zog eine Augenbraue hoch. „Einem Mörder?“ Shouta verdrehte die Augen. „Du weißt genau, wie ich das gemeint habe.“ „Tatsächlich?“ „Ja.“ „Wenn du das behauptest.“ Er beugte sich herunter um Shouta zu küssen und fuhr ihm durch die Haare. Jetzt, nachdem er sie gewaschen hatte, waren sie wieder weich. Shouta drückte sein Gesicht gegen Kakuzus Hals. „Hast du dir nie so etwas gewünscht?“ Er richtete sich auf und sah ihm in die Augen. „Ich erinnere mich nicht mehr daran.“ Kakuzu zuckte mit den Schultern. „Vielleicht habe ich es, aber ich habe es nicht als wichtig in Erinnerung.“ Shouta grinste schief. „Ganz der ehrenwerte Shinobi, was?“ „Ja.“ Mit einer umständlichen Bewegung, änderte Shouta die Sitzpostion auf Kakuzus Schoß, nur, um sich wieder an ihn heran zu lehnen. „Und es waren andere Zeiten, nehme ich an.“ Kakuzu nickte. „Taki war nie sonderlich reich, schon gar nicht damals. Als Kind habe ich Weihnachten gar nicht anders gekannt.“ „Wie war es denn bei euch?“ Er mochte das aufrichtige Interesse, das Shouta ihm entgegen brachte. Kakuzu redete nicht gerne über seine Kindheit, aber es störte ihn auch nicht und Shouta war einer der wenigen Menschen, die so sehr an ihm interessiert waren. Vielleicht tat es gut. Ein wenig. Er dachte nach, begann Shouta am Nacken zu kraulen und sah einige Zeit in den Raum hinein, bevor er begann zu sprechen: „Einfach“, das war das Erste, was ihm dazu einfiel, „wir haben etwas Besseres gegessen, jedes Jahr, das, was wir uns sonst nicht leisten konnte, zumindest meine Familie.“ Es war still geworden, keiner der beiden sagte ein Wort und draußen hörte man den Wind an den Fensterläden ziehen. Das Holz knackte im Feuer. „Ich kann mich nur an ein Geschenk erinnern, an allen Festen, aber vermutlich waren es mehr.“ „Was für eines?“ Shouta fuhr Kakuzus Narben im Gesicht nach. Sanft, liebevoll. Er streckte sich um sie zu küssen, fuhr mit den Lippen bis zu Kakuzus. Der Kuss dauerte eine Erinnerung lang, war ruhig und intensiv und sie lösten sich langsam. „Willst du weiter zu hören?“ Shouta gab einen zustimmenden Laut von sich und schmiegte sich an ihn heran, streichelte über Kakuzus Oberarm. „Zinnsoldaten. Miniaturen von Taki-nin.“ Er wusste noch, wie sie aussahen. Er kannte die dunklen Westen, das kleine Symbol auf dem Stirnband, die er selbst viel zu lange getragen hatte. „Ich habe nie mit ihnen gespielt, weil ich Angst hatte, sie kaputt zu machen.“ „Du weißt also doch noch etwas.“ „Mag sein.“ Er küsste ihn auf das Haar. „Den Kindern, die Shinobi werden sollten, wurden nie Märchen erzählt, wer die Geschenke brachte, man sagte, wir sollen uns nicht solche Hoffnungen machen.“ „Es muss echt scheiße sein, Ninja zu sein“, murmelte Shouta und Kakuzu nickte. Und für ihn, der erst als Straßenkind, dann als Dieb aufgewachsen war, mussten die Regeln erst recht unverständlich sein. „Allerdings“, fing Shouta an, „hat meine Mutter mir auch nie so etwas erzählt, sie wusste wohl nicht, wie sie mir sonst erklären konnte, dass alle anderen Kinder immer Geschenke bekommen und ich nicht.“ „Das dachte ich mir.“ Shouta grinste spitzbübisch. „Als ich nach Ōrora kam, glaubten einige der Kinder noch an die Kobolde, die die Geschenke brachten.“ „Kobolde?“, fragte Kakuzu mit erhobener Augenbraue und gerunzelter Stirn nach. Es folgte ein leises Lachen. „Ja, in Ōrora bringen die Kobolde den braven Kinder die Geschenke und sie tragen Glöckchen an ihren Zipfelmützen. Hideaki hat ihnen noch bis er elf war Kekse dagelassen und ihnen Münzen in den Wald gelegt. Das hat mich damals echt reich gemacht.“ Kakuzus Augenbraue blieb an Ort und Stelle. „Du warst schon immer dreist“, sagte er trocken. „Ein ganz böser Junge.“ Shouta biss in Kakuzus Ohr, seine Stimme wurde tiefer. „Sehr böse.“ „Shouta.“ „'tschuldige.“ Mit einem unschuldigen Grinsen, das nicht zu ihm passte, blickte er zu ihm hoch. „Ich sag ja nichts mehr dazu.“ Seine Augen funkelten auf, aber zu diesem Thema hielt er den Mund. „Meine Adoptivmutter hat immer einen Eintopf mit Rehfleisch gekocht und wir haben einige andere eingeladen, es war sehr voll.“ Er zuckte mit den Schultern, wobei ihm die Haare ins Gesicht fielen. „Mit dir alleine finde ich es schöner.“ „Ja.“ Bevor Shouta erneut kitschig wurde, hob er ihn ohne Mühe von seinem Schoß und setzte ihn auf das Sofa zurück. „Holen wir die Geschenke.“ Augenblicklich wirkte Shouta um einige Jahre jünger – Kakuzu war sich nicht sicher, ob ihm das gefallen soll, wenn er aussah, wie ein Teenager – und sprang auf. „Ich hoffe, dir gefällt es.“ Noch vor ihm war Shouta im Schlafzimmer verschwunden und kramte etwas aus seinem Rucksack, was er jedoch unter dem Pullover versteckte, hervor. Erst, als sich Shouta vor dem Kamin hinsetzte, konnte Kakuzu es sehen. Er hatte es in einem Furoshiki mit einem grünrotem Muster – Kakuzu ahnte, dass es auf seine Augen anspielen sollte – verpackt und grinste ihn an. Er zupfte an dem ungeschickt zusammengebundenen Stoff, der allen Anschein nach eine Schleife darstellen sollte. Schweigend setzte sich Kakuzu neben ihn und legte sein Geschenk ab. Es war nur in der Kiste, in der er es gekauft hatte, verpackt. Mit etwas anderem hatte Shouta aber auch sicher nicht gerechnet, als würde Kakuzu extra etwas einpacken! Und er bemerkte den neugierigen Blick. „Mach du zu erst auf“, wies er Shouta an und drückte es ihm in die Hände. Shouta sah nicht auf während er das Paket öffnete. „Oh“, sagte er mit geweiteten Augen und blickte Kakuzu an. „Du... das muss teuer gewesen sein. Muss ich mir Sorgen um dich machen?“ Er legte das Paket ab und den Deckel bei Seite. Es war eine Sammlung von Jagdutensilien, einige Messer, eine Feldflasche und eine Tasche, dazu einen kleinen Schleifstein. „Nicht so sehr, wie du glaubst.“ Shouta blinzelte. „Und es ist auch von Vorteil für dich, was?“ Er grinste. „Und ich dachte, ich wäre der böse Junge von uns beiden.“ Daraufhin antwortete Kakuzu nicht, beobachtete Shouta dabei, wie er das größte Messer hervorholte und es interessiert betrachtete, dabei immer breiter grinste. Die Schneide war dünn und glänzte im Licht des Kaminfeuers. Kakuzu hatte wenig Ahnung vom Jagen, aber er erkannte eine gute Waffe, wenn eine Klinge scharf war und Shouta schien mehr als zufrieden zu sein. Nun fuhr er sogar mit dem Daumen über die Klinge. „Sie ist scharf“, warnte Kakuzu routinemäßig, „schneide dich ni-“ „Autsch.“ Shouta steckte sich den Finger in den Mund, ein kleines Rinnsal Blut hing an den Lippen. „Idiot.“ Shouta gab einen unwilligen, trotzigen Laut von sich und überreichte Kakuzu sein Geschenk mit der unverletzten Hand. Kakuzu öffnete das Tuch sorgsam, die Arbeit, die sich Shouta gemacht hatte, es war sicher einige gewesen, wollte er nicht einfach so zunichte machen und wurde überrascht. Es war ein altes Buch, dem ledernen Einband, der verblichen und spröde war, und den dünnen Papier nach zu urteilen älter als Kakuzu selbst. Einen Titel konnte man nicht auf dem Buch finden. „Es sind Aufzeichnungen über alte Wissenschaften“, sagte Shouta, „Theorien über Jutsus, die nicht mehr verwendet werden und so weiter. Ich habe gehört, wie du dich mal in einem Antiquariat nach so einem Buch erkundigt hast, hat Ewigkeiten gedauert, bis ich es gefunden habe.“ Kakuzus Mundwinkel hoben sich. „Danke.“ Er streckte einen Arm aus und Shouta folgte der Aufforderung und fiel ihm um den Hals. „Ich habe auch zu danken“, sagte er lächelnd. Sie küssten sich – Kakuzu schmeckte die Reste des Bluts – und blieben in dieser Postion sitzen, hielten sich einfach nur im Arm. Langsam strich Kakuzu über Shoutas Haar, vergrub eine Hand darin und legte seinen Kopf auf seiner Schulter ab, nahm seinen Geruch wahr. „Frohe Weihnachten“, sagte Kakuzu. Shouta lächelte. „Frohe Weihnachten.“ Draußen fiel der Schnee wie weiße Daunenfedern und Eisblumen zeichneten sich an den Fenstern ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)