Love Me or Shut Up von Toru-Jung (Chris und Ryan Two) ================================================================================ Kapitel 4: Selbstvertrauen -------------------------- Chris Nach der Schule war ich mit Lisa unterwegs, die darauf bestand das ich mit ihr shoppen ging. Doch nachdem ich mit ihr einige Geschäfte besucht hatte, sah ich auf der Straße eine vertraute Gestalt. Sofort ließ ich Lisa links liegen und rannte raus. Vor dem Laden sah ich mich hektisch um. Ich war mir ganz sicher, dass das eben Ryan gewesen war. Ich lief in die Richtung in die er gegangen war und sah ihn, als ich in eine andere Straße lief. Als ich ihn einholte sagte ich: “Hi, was machst du denn hier?” Ryan schien mich erst gar nicht zu beachten, aber dann schaute er mich mit einem kurzen Seitenblick an und sah überrascht aus, als er mich erkannte. Aber diese Überraschung wich rasch wieder seinem gewohnt leicht betrübten Gesichtsausdruck und er sagte in einem gleichgültigen Ton: “Hi”. Nachdem ich ihn dies und das noch fragte stellte sich raus das er zu seiner alten Schule ging um ein Zeugnis abzuholen, das sein neuer Klassenlehrer noch brauchte. Er wollte nicht, dass ich mitkam, aber ich konnte ihn doch noch umstimmen. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, er war doch froh darüber, dass ich mitkam. Als wir dann vor der Schule standen schaute Ryan ängstlich und verbissen, als müsste er sich durchkämpfen und sich zwingen den Schulhof zu betreten. Wir gingen ins Gebäude und Ryan hatte es eilig zum Sekretariat zu kommen. Mich schien er komplett ausgeblendet zu haben. Als wir vor der richtigen Tür standen klopfte Ryan an und sagte kurz bevor er rein ging: “Ich mach das allein”. Und so stand ich ausgeschlossen vor der Tür. Ich hatte keine Ahnung was ich jetzt machen sollte. Nach zehn Minuten kam er wieder heraus und wir verließen das Schulgelände wieder. Erst als wir auf der Straße vor der Schule waren entspannte sich Ryan wieder. „Wieso warst du denn so angespannt?“ Fix schnappte ich mir das Zeugnis und schaute es genauer an. “Gib das her!”. Er wollte es mir abnehmen, aber ich drehte mich schnell weg. Ich war wirklich überrascht. Auf seinem Zeugnis standen fast nur Fünfer und Sechser. Einzig allein in Mathematik glänzte er mit einer Vier. Und ich dachte er wäre viel intelligenter als ich es war. Kaum hatte ich den Zettel überflogen da entriss Ryan ihn mir auch schon wieder und schaute mich böse an. Eilig lief er weiter. “Was soll das?” fragte ich. “Was meinst du?” “Dein Zeugnis. Und dein Auftreten in der Schule”. Er schwieg er einen Moment und sagte dann: “Das geht dich nichts an”. “Ich dachte du wärst gut in der Schule”. “Wie kommst du darauf?” “Na, weil…”. Wie kam ich eigentlich darauf das Ryan ein Ass in der Schule war? Ich dachte es einfach von Anfang an . “Aber diese Noten sind ja wohl nicht wahr”. Er blieb abrupt stehen und schaute mich verächtlich an. “Kümmerst du dich jetzt auch noch um meine Noten? Dann bin ich halt nicht so klug wie du denkst. Und wenn schon”. Trotzig lief er weiter. “Aber…”, ich suchte nach einem weiteren Grund. Woran konnte es liegen, dass er solche Noten hatte? Es ging mich zwar wirklich nichts an, aber ich wollte dass er mir mehr über sich erzählte. Und ein bisschen war ich auch neugierig wie er früher war. “Warst du vielleicht…” “Lass das”, sagte er plötzlich. “Was soll ich lassen? Ich wollte doch nur fragen ob…” “Du sollst mich nicht behandeln wie ein Kind”. “Das mach ich doch gar nicht. Ich will nur wissen warum du…” “Klappe zu”, er ballte die Fäuste, “ich will nicht darüber reden. Kapiert?” Ich sagte kein Wort mehr zu diesem Thema. Ich hatte es vielleicht wirklich etwas übertrieben. Aber ich behandelte ihn doch nicht wie ein Kind. Oder? Es war ganz deutlich das Ryan sich auf seiner alten Schule nicht sonderlich wohl fühlte. Warum konnte ich mir immer noch nicht vorstellen. Plötzlich dachte ich an seine neue Schule. War er da vielleicht auch so? So still, zurückhaltend und grimmig. “Sag mal, darf ich mir Heute ansehen wo du wohnst?” Blitzschnell kam ein “Nein“, von ihm. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich erst zu ihm kam wenn er sich eingelebt hatte. Hatte er vielleicht schon neue Freunde gefunden? Das würde mich freuen. Aber wer würde sich länger als ein paar Minuten mit ihm unterhalten wenn Ryan kaum ein Wort sagt und trotzig dreinschaute so wie jetzt. Wie wirkte er überhaupt auf andere? Ich wollte mir anschauen wie die Leute reagierten wenn sie uns beide sahen. Aber niemand beachtete uns groß. Dann kamen uns auf einmal zwei junge Mädchen entgegen. Die eine lächelte süß als sie uns sah. Die andere schaute uns nur ganz flüchtig an. Ein paar Meter weiter kam uns eine Gruppe von Jugendlichen, zwei Jungs und vier Mädchen, entgegen. Diesmal schauten drei Mädchen zu uns herüber. Sie lächelten und kicherten fröhlich. Und Plötzlich setzte Ryan seine Kapuze seiner Jacke auf. Da hatte ich den Beweis dass meine Vermutungen stimmten. Er hatte kein Selbstvertrauen und wollte sich vor andern verstecken. Aber so konnte es nicht weitergehen. Daran musste sich was ändern. Sofort zog ich ihm die Kapuze wieder runter. “Was soll das?”, murrte er. “Du sollst dich nicht verstecken”. Ryan Sein Zeugnis hatte er seinem Lehrer vor dem Unterricht gegeben. Nun saß Ryan in seiner Klasse und schaute zu seinen neuen Klassenkameraden die sich unterhielten und lachten. Er wollte dazu gehören, aber konnte sich nicht vorstellen wie er das machen sollte. Auch wenn er jemanden ansprach war es damit noch nichts getan. Er kam sich dabei immer noch gezwungen vor und konnte nicht lange offen und gesprächig sein. Irgendwann kam ein Punkt an dem er nicht weiter wusste und er sich unwohl fühlte. Die anderen merkten bald, dass er sehr ruhig war und sprachen ihn seltener an. Mit Ausnahme von Daniel. Immer wenn er und Ryan sich begegneten wechselten sie zumindest ein paar Worte miteinander. Manchmal fragte Daniel auch ob Ryan mit ihm und seinen Freunden etwas unternehmen wollte. Nach den ersten vier Unterrichtsstunden gab es in der Mensa Mittagessen. Es war immer sehr voll und laut. Deshalb bevorzugte es Ryan lieber nicht hinzugehen. Und außerdem hatte er überhaupt keinen Appetit auf irgendwas. Also ging er jeden Tag um die Zeit hinaus auf den Schulhof und schnappte frische Luft. Nach der Schule ging er wie jeden Tag ins Wohnheim. Vor dem Wohnheim standen ein paar Bänke. Die Sonne schien und es war angenehm warm. Ryan war es inzwischen etwas zu warm in seinem schwarzen T-Shirt und er setzte sich auf eine Bank die im Schatten lag. Er schaute den andern nach die herumliefen, Spaß hatten und sich freuten. “Hey, hast du Lust ein paar Bälle zu schlagen?” Daniel stand vor ihm. Er trug weiße Sportkleidung. In der einen Hand trug er eine Tasche mit Tennisschlägern. “Kommst du mit?”, fragte er noch mal, als Ryan nicht antwortete. Ryan überlegte kurz, aber sagte: “Ja”. Chris hatte recht gehabt, er sollte sich nicht verstecken und sie zumindest ein wenig bemühen selbstbewusster zu werden. Die beiden unterschiedlichen Jungs liefen bis zum Tennisplatz, wo schon ein paar andere Paare gegeneinander spielten. Daniel betrat einen der drei Tennisplätze, legte seine Tasche auf eine Bank neben dem Platz und holte seinen Schläger heraus und schwang ihn einmal. “Hi, Daniel. Bist du fertig?“ Ein Mädchen mit langem dunkelbraunen Haar, das sie zu einem Zopf gebunden hatte, und auch Tennisklamotten trug kam aus die beiden zu. Sie hielt einen Tennisschläger. “Aber klar”, gab Daniel zur Antwort. “Legen wir los”. Er wollte gerade auf seinen Platz gehen, als er stehen blieb und Ryan anschaute. “Wollen wir beide vielleicht erst eine Runde spielen. Ich habe noch einen zweiten Schläger dabei”. Ryan wusste das es soweit kommt und er spielen musste wenn er mit Daniel mitging. Aber jetzt fühlte er sich überrumpelt. Er wollte Daniels Einladung nicht ausschlagen, musste aber zugeben, dass er sich zu viel zugemutet hatte. “Ich hab noch nie Tennis gespielt”. “Das macht doch nichts. Ich zeige es dir. Ist wirklich ganz einfach und macht Spaß”. Er schaute zu dem Mädchen das aussah, als wüsste sie kein Stück was hier los war. Daniel sagte: “Oh, sorry. Hab ganz vergessen euch vorzustellen. Ryan das ist Tammy, meine Tennispartnerin. Tammy das ist Ryan. Er ist neu im Wohnheim”. Sie lächelte freundlich und sagte: “Hallo. Wie geht’s?” Ryan gab nur ein kurzes “Hi” von sich. Daniel war voll und ganz zufrieden mit sich. “Also dann wollen wir mal. Du hast doch nichts dagegen wenn ich zuerst mit ihm spiele, oder?” “Nein, natürlich nicht. Mach dich schon mal warm. Aber übertreib es nicht und mach langsam, okay”. “Für wen hältst du mich? Ich werd ihm schon nicht den Ball um die Ohren donnern”, lachte Daniel. Ehe er sich auf seine Position stellte klopfte er Ryan kräftig auf den Rücken und sagte: “Du hältst doch sicher was aus”. Tammy holte den zweiten Schläger und einen Ball. Den Schläger gab sie Ryan und den Ball bekam Daniel. “Zeig es ihm”, sagte sie zu Ryan und setzte sich auf eine Bank, legte ihren Schläger neben sich und schaute den beiden erwartungsvoll zu. Ryan hatte ein mulmiges Gefühl. Aber jetzt war es zu spät noch abzulehnen. Also sagte Ryan sich immer wieder: Mach es einfach, ausprobieren schadet nicht. Er ging zu Daniel. Der hielt seine Hand nach vorne und sagte: “So musst du den Schläger halten. Und mach dir keine Gedanken wenn du nicht alle triffst. Schwing ihn immer ganz durch und schlag so fest du kannst”. Kaum stand Ryan in Position machte sich Daniel auf der andern Seite des Netzes für den Aufschlag bereit. Ryan versuchte sich zu konzentrieren. Daniel warf den Ball in die Luft und zwar so schnell das Ryan kaum reagieren konnte. Der Ball schlug einmal auf seiner Seite auf, flog ruckzuck an ihm vorbei und knallte an den Zaun. “Nicht so schlimm. Versuchen wir es gleich nochmal”, rief Daniel. Ehe Ryan den Ball holen konnte stand schon Tammy neben ihm und gab ihm den Ball mit dem Rat: “Bleib in Bewegung. Dann kannst du besser reagieren. Siehst du so”. Sie stellte sich etwas breitbeinig hin und verlagerte das Gewischt abwechselnd von einem Bein auf das andere und wiegte sich dabei hin und her. “Halte den Schläger hoch, und schlag so fest du kannst. Daniel spielt gar nicht so gut wie er immer tut”, lachte sie. “Was soll das denn heißen?”, rief Daniel. “Gar nichts”. Sie setzte sich wieder. Ryan machte es Daniel nach, warf den Ball hoch, holte mit dem Schläger aus und schlug auf. Der Ball traf den Schläger nur knapp und prallte an den Rand. Der Ball landete zwar auf der anderen Seite des Netzes, aber rollte viel mehr, als das er flog. “Für den Anfang nicht schlecht”. Daniel hob den Ball auf der fast vor seinen Füßen lag. “Mach weiter so”. Er schlug auf. Diesmal traf Ryan den Ball. Der Tipp von Tammy half. Er reagierte schneller und konnte den Ball erwischen. Nach ein paar Aufschlägen, die nicht alle glückten, traf Ryan den Ball sehr viel sicherer. Daniel schien erst warm zu werden und erhöhte von Schlag zu Schlag das Tempo. Das hatte zur Folge das Ryan den Ball wieder seltener traf. Er flog so schnell auf ihn zu das er es kaum merkte. Zwar erahnte er wie er flog, aber die Hitze und die Anstrengung machten sich bemerkbar. Nach einem Treffer von Ryan schlug Daniel den Ball motivierter und mit etwas mehr Kraft zurück. Ryan reagierte vor Erschöpfung langsamer. Er hob den Schläger zu spät und der Ball traf ihn mit voller Wucht an der Schulter. Der Schläger fiel im aus der Hand. Tammy kam auf ihn zu gelaufen. „Alles in Ordnung?“, fragte sie und legte besorgt die Hand auf seinen Arm. Ryan hielt sich mit der linken Hand die schmerzente Schulter und sagte: „Ja, geht schon“. Tammy warf einen wütenden Blick zu Daniel, der war inzwischen auf sie zu gekommen und sagte mit einem Hauch von Mitleid in der Stimme: „Tut mir leid. Das war meine Schuld. Hören wir für heute auf“. Er ging zur Bank und packte seinen Schläger ein. Tammy lief neben Ryan her und hielt ihre Hand fürsorglich auf Ryans Rücken. Doch als sie zu Daniel kamen trat er einen Schritt von Tammy weg. Diese schlug Daniel kräftig auf den Rücken und sagte: „Du hast es übertrieben, Daniel“. Es dämmerte und von überall hörte man leise die Grillen zirpten. Der Mond schien hell am wolkenlosen Himmel. Durch das offene Fenster in Ryans Zimmer wehte angenehm kühle Abendluft herein und bewegte sachte die Vorhänge. Nachdem er Daniel und Tammy verlassen hatte, war er zurück auf sein Zimmer gegangen. Dort trank er ein Glas Wasser in einem Zug leer und duschte ausgiebig. Danach hatte er sich mit frischen Klamotten aufs Bett gelegt und war in einen leichten Schlaf versunken. Als er aufwachte sah er immer noch die Traumbilder seiner früheren Klasse. Und plötzlich kamen ihm die Ereignisse von damals wieder in den Sinn. Wie er Tag für Tag in dem stickigen Klassenzimmer an seinem Tisch in der Ecke saß und sich bemühte nicht bemerkt zu werden. Ryan drehte sich im Bett um und legte den Kopf auf den Arm. Den Schmerz in seiner Schulter ignorierte er. Draußen war es bereits dunkel. Aber es konnte noch nicht allzu spät sein. Er schloss die Augen und versuchte wieder einzuschlafen. Doch die Erinnerungen ließen ihn nicht los und hielten ihn wach. Das Bild eines Jungen der verächtlich auf ihn hinab sah blitze in Ryans Gedanken auf. Gefolgt vom Klang eines höhnischen Lachens. Dann sagte eine zarte Stimme zu ihm: “Lass dich nicht unterkriegen!” Er sah das Gesicht einer jungen Frau mit schwarzen Augen und schwarzen Haar vor sich. Rasch setzte er sich auf und schüttelte den Kopf um die Bilder loszuwerden. Doch sobald sie verschwanden kam ein neues, schrecklicheres Bild ihm in den Sinn. Nach einem Moment stand er hastig auf, zog Schuhe an und schaute flüchtig auf das leuchtende Display des Handys, das auf seinem Nachttisch lag. Kurz nach elf. Er lief zum Fenster, öffnete es und schaute hinaus in die scheinbar endlose Dunkelheit. Die kam ihm einladender vor, als die vier kahlen Wände, die ihm das Gefühl gaben erdrückt zu werden. Er streckte den Kopf hinaus und sofort kam in ihm der Drang auf, hinaus zu gehen und vor der Enge und seinen Erinnerungen zu fliehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)