Die Schatten werden länger von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 8: Erwartest du, dass ich dir beim Sterben zusehe? ---------------------------------------------------------- Einige Monate später Seufzend blickte Legolas aus dem Fenster Richtung Osten. Er hatte sich nicht vorgestellt, dass es so schwer werden würde... Da betrat Aragorn schwungvoll das Zimmer. Er hatte eine Überraschung für seinen Freund und konnte es kaum erwarten, ihm davon zu erzählen. Doch beim Anblick des Elben fror sein Lächeln ein und sein Elan war mit einem Mal verflogen... Als Legolas Aragorn so plötzlich hereinkommen hörte, drehte er sich erschrocken zu ihm um. Er sah die Besorgnis in dessen Augen und hätte sich selbst ohrfeigen können. Er hatte sich doch so fest vorgenommen, wenigstens in Aragorns Nähe vorsichtig zu sein. Wenn er es sonst schon nicht unter Kontrolle hatte, konnte er doch zumindest die anderen damit verschonen. Aragorn versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Doch die Lust auf Überraschungen war ihm eindeutig vergangen. „Kommst du? Das Essen ist fertig“, ließ er Legolas so liebevoll wie möglich wissen. „Ja, ich komme“, meinte der. Gemeinsam gingen sie ins Esszimmer, wo sie sich an den runden Tisch setzten. Wenig später wurden ihnen auch schon das Essen serviert. Es wurde eine relativ schweigsame Mahlzeit. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach, wobei sie sich ab und zu verstohlene Blicke zuwarfen. Es war ein trostloses Beisammensein. Aragorn musste sich zu jedem Bissen zwingen; das Essen schien in seinem Mund fahl zu werden und er begann, darin herumzustochern bis es kalt war. Immer wieder wollte Aragorn etwas sagen, ließ es dann aber doch sein. Er versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung sei, doch mit jeder Minute, die verstrich, wurde er angespannter und nervöser; er hielt das hier nicht länger aus. „Lass uns reden“, bat er Legolas schließlich. Der Elb nickte zustimmend. „Was ist los?“, fragte Aragorn, nachdem er sich den Kopf darüber zerbrochen hatte, wie er anfangen sollte. „Wo bist du in letzter Zeit?“ „Ich bin hier, bei dir“, antwortete Legolas langsam. „Nein, das bist du nicht. Und das wissen wir beide....“, entgegnete Aragorn enttäuscht. „Es...es liegt nicht an dir.“ Legolas wusste, dass er Aragorn die Wahrheit schuldig war. Doch er wusste auch, dass sie ihn verletzen würde. „Woran liegt es dann? Sag mir doch was los ist“, flehte Aragorn. Legolas spielte kurz mit dem Gedanken, irgendeinen Grund zu erfinden, verwarf ihn aber gleich wieder. „Ich....ich kann es dir nicht sagen....“ Am liebsten wäre Aragorn wutentbrannt aus dem Raum gestürmt und hätte die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zugeschlagen. Doch stattdessen versuchte er ruhig zu bleiben. Niemand hatte gesagt, dass es einfach werden würde, mit einem Elben zusammen zu leben.... Aragorn versuchte sich daran zu erinnern, wann dieses Sehnsüchtig-in-die-Ferne-Schauen angefangen hatte.... Das war doch damals gewesen, als all die Elben und auch Frodo und Gandalf Mittelerde verlassen hatten, um zu den Unsterblichen Landen zu segeln.... Wie hatte Elrond damals gesagt? Ach ja, „Das Meer ruft uns nach Hause“...Und plötzlich fiel es Aragorn wie Schuppen von den Augen: „Es ist das Meer, nicht wahr? Es ruft nach dir...“ Legolas nickte. „Ja, so ist es.“ Aragorn fiel ein Stein vom Herzen; wenigstens wusste er jetzt, was los war. Legolas hingegen starrte noch immer mit leerem Blick in die Ferne; es schien für ihn keinen Unterschied zu machen, ob sein Freund Bescheid wusste oder nicht. „Es ist wie eine Stimme, die mir leise ins Ohr flüstert „Komm! Komm zu mir“ Und in meinem Herzen höre ich die Wellen rauschen, während der salzige Meereswind durch meinen Geist fährt“, versuchte der Elb zu erklären. „Es ist das höchste Ziel und der innigste Wunsch jedes Elben, die Unsterblichen Lande zu betreten; wie eine Art Bestimmung.“ „Aber das lässt mit der Zeit doch nach, oder?“, fragte Aragorn, der langsam zu begreifen begann, wie kompliziert eine derartige Beziehung eigentlich war. „Ich weiß es nicht“, antwortete Legolas. „Ich kenne dieses Gefühl schon mein ganzes Leben lang. Es ist wie ein Fluss, dessen Strömung dich immer weiter Richtung Wasserfall mit sich zieht und du schwimmst dagegen an. In letzter Zeit ist es immer stärker geworden. Ich höre das Brüllen des sich nähernden Abgrunds, doch so sehr ich auch schwimme, das Ufer erreiche ich einfach nicht...“ „Und wenn ich dir den Arm hinstrecke? Reicht unsere Liebe etwa nicht?“ Aragorn wusste zwar selbst nicht warum, doch Legolas' Aussage verletzte ihn. Hatte er sich in den letzten Monaten etwa etwas vorgemacht?“ „Unsere Liebe tut hier nichts zur Sache“, entgegnete Legolas. „Man kann seiner Bestimmung nicht entkommen...“ Aragorn unterbrach ihn: „Dann gibt es also nichts, das dich hier hält!?“ Bittere Enttäuschung sprach aus dieser Frage. Und Legolas' folgendes Schweigen machte die Sache nicht wirklich besser. Wütend tigerte Aragorn im Raum auf und ab. „Hast du mich jemals wirklich geliebt? Oder war das alles nur ein Spiel für dich?“ „Das ist nicht fair, Aragorn. Du weißt, dass ich dich liebe“, versuchte Legolas seinen Freund zu beruhigen. Doch der steigerte sich nur noch weiter hinein: „Weiß ich das? Deshalb verlässt du mich jetzt auch. Genau wie Arwen. Warte...steckt ihr etwa unter einer Decke?“ Legolas glaubte im ersten Moment falsch gehört zu haben. Er spürte, wie ihm diese Bemerkung einen Stich versetzte, doch versuchte er ruhig und freundlich zu bleiben. „Hör auf“, bat er Aragorn. „Du sprichst im Zorn. Sag nicht etwas, das du später bereust... Du glaubst doch nicht wirklich, was du gerade eben gesagt hast, oder?“ „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll“, entgegnete Aragorn verbittert. Die Kälte, die er ausstrahlte, schien den ganzen Raum einzufrieren. Legolas unterdrückte ein Zittern. Er griff nach Aragorns Hand, doch der entzog sie ihm. „Lass mich!“ „Lass uns doch vernünftig miteinander reden“, bat Legolas. „Warum sollte ich das tun? Es ist alles gesagt.“ Aragorn blieb stur. „Weil ich dich liebe“, antwortete Legolas, der noch immer zu schlichten versuchte. „Das glaube ich dir nicht!“ Jetzt schrie Aragorn schon beinahe. „Warum solltest du dann gehen wollen?“ „Genau deshalb!“ Langsam hatte Legolas es satt. „Weil ich dich liebe!“ Jetzt verstand Aragorn gar nichts mehr. Augenblicklich hatte er sich wieder beruhigt und er suchte nach einem versteckten Sinn in Legolas' Aussage. „Was...was meinst du damit?“, fragte er verwirrt nach. „Erwartest du etwa, dass ich dir beim Sterben zusehe?“ Aragorn hatte den Elben noch nie so laut erlebt. Und plötzlich begriff er, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, doch es war zu spät; Legolas war schon zur Tür hinaus. Erschöpft ließ sich Aragorn auf einen Stuhl sinken und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Natürlich! Warum hatte er nicht daran gedacht? Vermutlich, weil er sich auf der anderen Seite befand; er würde nicht mit dem Tod des anderen klarkommen müssen... Da legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter. Aragorn blickte auf und sah in Eldarions Gesicht. Eldarion war sein Adoptivsohn. Seine Eltern waren unter Sauron umgekommen und so war das Kind eine Zeit lang bei den Elben in Bruchtal aufgewachsen. Doch als Elrond Mittelerde verlassen hatte, hatte er das Kind auf Gandalfs Rat hin in Aragorns Obhut gegeben. Schließlich gehörten sowohl Aragorn als auch Eldarion zum langsam aussterbenden Geschlecht der Dunedain... „Sei nicht traurig Vater“, tröstete ihn der Neunjährige. Er schmiegte sich an Aragorn, wobei seine wilden, braunen Locken den Älteren im Gesicht kitzelten. „Alles wird gut...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)