Ein neues Band von Hyuuga ================================================================================ Kapitel 5: Ayumis Geschichte ---------------------------- In Rukas Bibliothek suchen noch immer Merle und Sharaku nach dem Buch. Die Bibliothek umfasst drei Stockwerke und ist etwa sechs Meter breit und achtzehn Meter lang. Merle sucht die unteren Regale ab und überfliegt dabei Reihe für Reihe die Bücher. //Ich hätte nicht gedacht, dass wir so viele Bücher ohne Titel auf dem Buchrücken haben.// Erneut bleibt sie bei einem Buch stehen, welches der Beschreibung ähnelt. Mit einem Griff hält sie das Buch in der Hand, liest leise den Titel. „Der grüne Daumen für Anfänger von Heidi Flachsbaum.“ Leicht frustriert stellt Merle das Buch wieder an seinen Platz. Während Merle unten sucht, hat Sharaku in der obersten Etage angefangen zu suchen. „Kochen wie die Profis von Axel Schlemmer.“ „Das ist es auch nicht.“ Damit schiebt Sharaku das Buch wieder ins Regal. Nach nur drei Schritten bleibt er wieder vor einem Buch stehen, allerdings hat dieses einen Titel. „Die Völker und Lebewesen unserer Welt von Siegfried von McLoy.“ Neugierig nimmt Sharaku das Buch in die Hand und schaut in das Inhaltsverzeichnis. Dabei liest er leise das Register durch. „Menschen, Hasari, Kitsune, Lanoren, Inu, Ookami.“ Schnell schlägt er die entsprechende Seite auf. „Neben den vier großen Völkern gehören die Ookami zu den kleineren, unbekannten Völkern. Die Ookami sind sehr gute Jäger, was wahrscheinlich an ihren Genen liegt. Es ist nicht viel über dieses Volk bekannt, außer dass man hin und wieder einen sieht.“ Mit den Augen rollend legt Sharaku das Buch zurück. //Wirklich informativ das Buch.// Ein lauter Pfiff lässt Sharaku über das Geländer blicken. Unten steht Merle mit einem braunen Buch in der Hand. „Der Titel des Buches lautet „Kitsune und Ookami“. Die erste Hälfte des Buches handelt über die Kitsune und die zweite Hälfte über die Ookami. Ich nehme mal an, dass dies das Buch ist, welches du suchst.“ Dabei muss Merle fast schreien und ihre Worte hallen von den Regalen wieder. „Ja, das ist es. Leg es bitte auf den Tisch, ich komme sofort.“ Mit schnellem Gang geht er auf die Treppe zu, um nach unten zu gelangen. Merle hat die Bibliothek verlassen, nachdem sie das Buch auf dem Lesetisch abgelegt hat. Muss sie sich ja noch um andere Sachen kümmern, welche bis zu Rukas Rückkehr erledigt werden müssen. Sich das Buch greifend, macht es sich Sharaku in dem Sessel bequem. Als erstes sucht er den Anfang über die Ookamis. Nachdem er ihn gefunden hat und die ersten Zeilen liest, stellt er etwas überrascht fest, dass der Inhalt aus einer Mischung von Tagebucheintrag und Geschichte verfasst wurde. Ich habe die Kitsunen in Begleitung eines Ookami verlassen. Das ist das erste Mal, dass ich einen treffe. Er hat sich mir als Inyan vorgestellt und scheint recht gesellig zu sein. Wir sind nun auf dem Weg zu seinem Clan und werden wohl drei Tage Fußmarsch vor uns haben... ... Wir erreichten Inyans Dorf bei Dämmerung und er lädt mich ein bei sich und seiner Frau zu nächtigen, solange ich bei ihnen bleiben möchte. Dankend habe ich sein Angebot angenommen. Einige der Häuser der Ookami sind zum Teil in den Fels des Berges eingearbeitet, welcher das Dorf zur Hälfte umgibt. Gerade kommt Makawee zu mir um mich zum Abendessen zu holen. Sie ist wirklich eine schöne Frau und Inyan kann wirklich stolz auf sie sein... ... Ich bin jetzt schon fast einen Monat hier und es scheint kaum einen zu stören, dass ein Mensch so lange bei ihnen ist. Inyan und Makawee scheinen sich sogar über meine Anwesenheit zu freuen. Ich verbringe gerne Zeit mit Makawee, auch wenn es mir etwas peinlich ist, so lange schon bei ihnen zu wohnen. Darum habe ich beschlossen, ihr im Haushalt etwas zur Hand zu gehen, auch wenn sie meint, dass ich das als Gast nicht bräuchte. Da Inyan sich allerdings oft vor der Hausarbeit drückt, ist sie doch dankbar für meine Hilfe... ... Drei Monate lebe ich schon hier und bin sogar als Ehrenmitglied des Ookami-Clans aufgenommen worden. Das ist wirklich eine Ehre für mich, da dies auch nur selten vorkommt. In der Zwischenzeit waren schon einige Male Kitsunenhändler hier, die mit den Ookami handeln. Inyan hat mir erzählt, dass sie mit den Kitsunen sehr gute Beziehungen pflegen und viel handeln. Ich weiß nicht warum ich es noch nicht niedergeschrieben habe, aber Inyan und Makawee haben eine zwölfjährige Tochter namens Kaily. Sie ist ein recht niedliches Mädchen und hat die gleichen silberweißen Haare wie ihre Eltern. Aber irgendwas an ihr verursacht bei mir ein ungutes Gefühl. Ich weiß, dass das bescheuert ist, da sie ja ein fröhliches und höfliches Kind ist, aber sobald ich ihr in ihre goldenen Augen sehe überkommt mich das Gefühl... ... Gestern hat mir Makawee etwas über die Geschichte der Ookami erzählt. Die Ookami wurden durch Fenja und dessen Gefährtin Tia gegründet. Damals war bis auf das Gesicht, der Hals und die Hände der ganze Körper mit Fell bedeckt. Mit der Zeit und durchschreiten mehrerer Generationen besitzen die Ookamis nur noch Wolfspfoten als Füße. Der Wolfsschwanz und die Wolfsohren sind markante Merkmale der Ookamis und immer gleichfarbig. Die Haarfarbe kann allerdings variieren und muss nicht die gleiche sein. Alle Ookamis sind ausgezeichnete Jäger, was durch ihre Gene veranlagt ist, sie haben auch einen ausgeprägten Jagdinstinkt und besitzen einen hervorragenden Geruchs- und Gehörsinn. Ich würde sagen, dass die Ookami bessere Jäger als die Kitsunen sind, obwohl diese den gleichen hervorragenden Geruchs- und Gehörsinn haben... ... Makawee kam heute früh zu mir ins Zimmer und meinte, dass sie fast vergessen hätte, mich für das morgige Fest noch einzukleiden. Sie muss meine Verwunderung in meinem Gesicht gelesen haben. Makawee erklärt mir, dass die Ookami zwei Mal im Jahr das Fest der 'Tag-und-Nacht-Gleiche' feiern. Dies wird zum einen zu Ehren der Wolfsgötter Tor, welche das Mondlicht verkörpert und Fenris, welcher die Sonnenglut verkörpert und zum anderen auch zu Ehren der Gründer Tia und Fenja gehalten. Zu diesem Fest tragen alle weiblichen Ookami ein weißes Kleid mit eisblauen Mondsicheln darauf und alle männlichen Ookami güldene Gewänder mit einer Sonne auf der Brust. Ich werde heute früher schlafen gehen, da ich morgen zur Dämmerung aufstehen muss... ... Nachdem wir aufgestanden und uns gekleidet haben, sind wir zu einer großen Waldlichtung gegangen, wo sich alle Ookamis versammeln. Ein alter und beeindruckender großer Tempel steht auf der anderen Seite der Lichtung. Ein junger Ookami mit langen blauschwarzen Haaren, schwarzen Ohren und einem schwarzen Schweif steht auf den Stufen, welche zum Tempel führen. Alle Blicke liegen auf ihm und nach einem Moment beginnt er zu sprechen. „Geheiligt werden die großen Wolfsgötter Tor, das Mondlicht und Fenris, die Sonnenglut sowie die Gründer unseres Volkes, Tia und ihr Gefährte Fenja. Mit diesem Fest ehren wir sie und bedanken uns für ihren Schutz.“ Danach beginnt er mit einem lang gezogenen Heulen, in welches alle Ookami einstimmen. Dieses Heulen erklingt in verschiedenen Wolfstönen, sie jaulen in anschwellenden und abklingenden Tönen. Das Ganze dauert eine ganze Weile an und zum einen ist dies sehr faszinierend, aber auch etwas Angst einflößend. Nachdem alle Ookami verstummt sind, gehen Eltern mit ihren etwa einen halbes Jahr alten Nachwuchs zum Tempel. Makawee erklärt mir, dass im Tempel das Herz der Jungen gereinigt wird... ... Nach der Reinigungszeremonie beginnt ein großes Festmahl, bei dem es das feinste Fleisch und viele Waldfrüchte gibt. Die Getränke sind Wasser aus der sauberen Quelle oder Beerensäfte. Beim Essen erfahre ich, dass der Ookami, welcher das Fest eingeleitet hat, Kishia heißt und schon mit 22 Jahren so eine ehrenhafte Aufgabe zu Teil hat. Nach dem Essen habe ich mich mit Inyan und einigen anderen unterhalten, während Makawee mit anderen Eltern ihre Kinder beaufsichtigt, welche ausgelassen auf der Lichtung spielen. Gegen Abend hat man in der Mitte der Lichtung einen sitzenden großen Wolf aus feuerfestem Material aufgestellt, welcher in Brand gesteckt wird und in Flammen steht. Ein ansehnlicher Tanz beginnt um diesen Wolf herum, um ihre Götter und Gründer zu ehren. Ich habe das Ganze nur angesehen, als plötzlich Kishia vor mir steht und mich zum Tanz auffordert. Dabei erkenne ich zum ersten Mal, dass Kishia ein grünes und ein blaues Auge besitzt. Makawee, welche wieder zu mir gestoßen ist, gibt mir einen Schubs zu Kishia und befreit mich aus meiner kurzen Starre. Zusammen haben wir getanzt, wobei ich sagen muss, dass seine Gesellschaft sehr angenehm war. Erst später habe ich erfahren, dass es für jede junge Ookami eine Ehre ist mit dem Ookami zu tanzen, welcher das Fest eröffnet hat... ... In letzter Zeit muss ich immer häufiger an mein eigenes Dorf Baul denken. Ich war so lange nicht mehr zu Hause, es dürften jetzt zwei Jahre sein. Dabei habe ich fünf Monate bei den Kitsunen verbracht und sechs Monate bei den Ookamis. Ich werde wohl morgen meine sieben Sachen packen und abreisen. Ich hoffe der Abschied Morgen wird nicht zu schwer werden, ich werde Inyan und Makawee auf jeden Fall vermissen. Seit Kurzem frag ich mich auch, ob ich eine genauso gute Mutter wie Makawee werden könnte. Die Vorstellung eine eigene Familie zu gründen hat etwas an sich. //Laut der Autorin des Buches müssten die Kitsune und die Ookami ein gutes Verhältnis haben. Aber das, was am Tor geschehen ist, beweist was anders. Also muss irgendetwas nach dem Verfassen dieses Buches vorgefallen sein, was dieses Verhältnis zerstört hat. Ob die Autorin davon erfahren hat?// Neugierig sucht Sharaku nach einem Datum oder dem Namen der Autorin. Diesen findet er in Form einer Widmung auf der letzten Seite und bei dem Namen weiten sich überrascht seine Augen. Denn den Namen der Autorin kannte er. „Diese vor zwei Jahren niedergeschrieben Erlebnisse widme ich meinem neu geborenen Sohn Sharaku. Deine 20-jährige, junge Mutter Ayumi Kawa.“ Vorsichtig schließt Sharaku das Buch und drückt es sanft an sich. Hielt er gerade etwas von seiner verstorbenen Mutter in den Händen. Dass Ruka ihn gerade von der Tür beobachtet, bekommt er nicht mit, muss er das Erfahrene erst verarbeiten. //Sie hätte gewollt, dass du es behältst.// Leise wie sie gekommen ist verlässt Ruka die Bibliothek wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)