Last Desire 8 von Sky- (L x BB) ================================================================================ Kapitel 8: Der Parasit ---------------------- Als Delta und Johnny das Dach erreichten, war der Maskierte schon längst weg und sie sahen Andrew auf dem Boden liegen. Seine Augen waren weit aufgerissen, Tränen rannen sein totenbleiches Gesicht herunter und das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ach herrje“, rief der Kimonoträger und eilte zu ihm hin. Er betastete seinen Puls und versuchte eine Reaktion von ihm zu bekommen, jedoch erfolglos. „Zumindest lebt er noch, aber so wie das arme Kerlchen aussieht, muss ihm irgendetwas Schreckliches passiert sein.“ „Und was denn bitteschön? Das waren nicht mal fünf Minuten gewesen, bis wir hier waren. Da kann der Bastard doch nicht viel angestellt haben.“ Delta sagte nichts dazu, sondern legte vorsichtig eine Hand auf Andrews Wange. Keine Reaktion, selbst sein Blick wirkte vollkommen starr und ging ins Leere. Was auch immer mit ihm passiert war, es hatte ihn völlig gebrochen. Das sah nicht gut aus. Delta hob ihn hoch und verließ zusammen mit Johnny das Dach. „Diese Typen waren keine normalen Gegner, das steht fest. Sonst hätten sie niemals so viele Schwierigkeiten machen können.“ Johnny nickte und steckte seine Hände in die Manteltaschen, während er nachdachte. Zum ersten Mal war ihm das Grinsen vergangen und er sah sehr ernst aus. Man sah ihm seine Besorgnis deutlich an und das war sehr untypisch für ihn. Das entging auch Delta nicht und so fragte er, während sie das Dach verließen „Sag schon, Darling: worum machst du dir Sorgen?“ „Was, wenn Nastasja damals wirklich in irgendetwas verwickelt war und deshalb getötet wurde? Das alles gefällt mir nicht. Da ist etwas am Werk und ich kann auch spüren, dass dieser James Brown wieder da ist. Und wenn die Familie da ist, dann steht uns noch ein Haufen Ärger bevor und ich frage mich, was Liam wohl tun wird. Insbesondere weil Eva verschwunden ist. Ich kann sie nicht einmal spüren.“ Delta konnte dem nur zustimmen und auch er begann nachzudenken. „Die Menschen sind mir schon immer ein Rätsel gewesen. Warum müssen sie unbedingt ihresgleichen töten und mit allen Mitteln die Macht besitzen, ihre eigene Welt zu zerstören? Diese Experimente waren zwar in erster Linie dazu da, damit Eva ihre Familie zusammenbringen konnte, aber ich fürchte so langsam, dass es aus dem Ruder gelaufen sein könnte und sie entweder verschwunden ist, weil sie sich nicht den Konsequenzen stellen will, oder sie hat irgendetwas vor, was sie alleine durchziehen will oder aber es ist ihr etwas zugestoßen und wir wissen nur nichts davon. So oder so sind uns momentan noch die Hände gebunden, solange Herzchen keine neuen Anweisungen gibt. Vielleicht hat er einen Plan, was wir tun sollen, aber ehrlich gesagt habe ich da leise Zweifel. Ich meine, bisher waren wir noch nie mit solch einer Situation konfrontiert worden. Wir konnten immer unerkannt unter den Menschen leben und sie haben nichts von unserer Existenz gewusst. Stattdessen haben sie sich darauf konzentriert, sich gegenseitig zu unterdrücken und auszurotten. Aber nun beginnt alles immer gefährlichere Züge anzunehmen. Die Death Notes waren erst der Anfang, das weiß ich genau und ich fürchte, dass uns unsere eigenen Kräfte noch eines Tages zum Verhängnis werden. Herzchen hat ja nicht umsonst gewollt, dass wir unsere Fähigkeiten nicht ohne seine ausdrückliche Erlaubnis einsetzen. Sobald die Menschen noch mächtigere Waffen finden als die Atombomben, dann werden sie über Leichen gehen. Dann werden sie uns jagen und was weiß ich noch was für Monstrositäten in ihren Laboren heranzüchten und auf die Welt loslassen.“ Dem konnte Johnny nur zustimmen. Sie hatten ja Glück gehabt, dass Nastasja Kasakowa die gleichen Sorgen hatte und deswegen alles daran gesetzt hatte, Experimente dieser Art zu verhindern und zu sabotieren. Sie hatte selbst die Gefahr erkannt und ihr Leben riskiert. Auch wenn sie selbst nur ein Mensch war, so hatte Johnny immer einen gewissen Respekt vor ihr empfunden. Einen solch willensstarken und entschlossenen Charakter hatte er nur selten bei Menschen beobachten können. Nastasja hatte ihn besessen. Sie hatte Prinzipien und Ansichten, die einfach seinen Respekt verdienten und es hatte ihn schon ein Stück weit erschüttert, als er von ihrer Ermordung erfahren hatte. Aber andererseits war doch nichts anderes zu erwarten gewesen. Es war jedes Mal das gleiche Spiel. Die Rechtschaffenden, die das Unheil aufhalten oder bekämpfen wollten, wurden allesamt getötet. Während der Kriege und Terrorherrschaften war das so gewesen und auch während der Glaubenskonflikte und primitiven Weltansichten. Deshalb glaubten Johnny, Delta, Marcel und Liam auch nicht an so etwas wie Gerechtigkeit. Die gab es nicht und war genauso wie die „Menschlichkeit“, die „Moral“ oder „Ehre“ nur eine Erfindung und Selbstlüge der Menschen, weil sie nicht wahrhaben wollten, wie verdorben sie eigentlich waren. Das Einzige, woran sie noch glaubten, war an die Macht des Geldes, der Lüge und Intrigen und die der Versuchung. Aber dennoch wollte Johnny verhindern, dass Jeremiel und den anderen etwas passierte. Sie waren unverschuldet hineingeraten. Nun gut, es gab in Krisensituation immer Unbeteiligte, die zu Schaden kamen und Johnny hatte es nie interessiert, diesen Menschen zu helfen. Aber Jeremiel war ein guter Freund und seine Familie war ihm wichtig. Deshalb wollte Johnny ihn und die anderen beschützen, auch wenn das nicht wirklich seiner eigentlichen Art entsprach. Als sie auf die Straße gelangten, gingen sie direkt zu der Limousine hin und stiegen ein. Oliver, der sich von der Tracht Prügel inzwischen wieder erholt hatte, sah noch ein wenig mitgenommen aus, doch als er Andrew sah, da kehrte das Leben schlagartig in ihn zurück und er stand sofort auf, was sich aber als keine gute Idee erwies, da ihm alles noch ziemlich wehtat. „Andy!“ Als er seinen Verlobten sah und in welchen Zustand sich dieser befand, da verlor er seine unbekümmerte und sorglose Ausstrahlung. Stattdessen weiteten sich seine Augen vor Fassungslosigkeit, als er das von Todesangst und Entsetzen gezeichnete Gesicht und die starren und in die Ferne gerichteten Augen sah. Andrews Gesicht war totenbleich und Tränen glänzten in seinen Augen. Er sah wie tot aus. Oliver stand für gewöhnlich über alles drüber und kam mit allen Situationen zurecht. Aber Andrew so zu sehen, war selbst für ihn zu viel und er konnte nicht fassen, was mit ihm passiert war. Auch Beyond war geschockt und hätte Andrew für tot gehalten, wenn sein Shinigami-Augenlicht ihm nicht etwas anderes gesagt hätte. „Was ist mit ihm passiert?“ „Das wissen wir noch nicht. Er war schon so, als wir ihn gefunden haben.“ Rumiko, die sich sichtlich unwohl fühlte, verschränkte die Arme und sie betrachtete den Rothaarigen besorgt. „Er sieht aus, als wäre er durch die Hölle gegangen“, bemerkte sie und hakte sich bei L ein, um wenigstens bei ihm Halt zu suchen. „Wie schrecklich. Wird… wird es ihm bald wieder besser gehen?“ „Ich werde sehen, was ich tun kann“, versprach Liam und wies den Chauffeur an, zu seinem Anwesen zu fahren, damit er dort alles Weitere regeln konnte. Gleich, nachdem sie dort waren, bekamen Rumiko und die anderen erst einmal etwas zur Beruhigung und Liam untersuchte sogleich Oliver und Andrew. Der gebürtige Ire hatte einiges einstecken müssen, aber außer ein paar Prellungen und blauen Flecken hatte er sonst nichts Ernstes. Doch um Andrew machte sich der Unvergängliche deutlich mehr Sorgen. Irgendetwas stimmte da überhaupt nicht mit ihm und es war allzu offensichtlich, dass dieser Proxy, der ihn entführt hatte, irgendetwas mit ihm gemacht hatte. Rein äußerlich war er unverletzt. Wenn der Proxy ihn töten wollte, dann hätte er es definitiv getan. Oliver, der bei der Untersuchung dabei sein wollte, betrachtete seinen Verlobten besorgt, der weder ansprechbar war, geschweige denn überhaupt auf irgendetwas reagierte. „Was hat dieser Kerl ihm nur angetan?“ „Physisch gesehen gar nichts. Er scheint vollkommen unverletzt zu sein. Anscheinend ist es sein Geist, der schweren Schaden davongetragen hat. Aber das werde ich gleich sehen.“ Liam legte seine Stirn auf Andrews ab und konzentrierte sich. Wenn irgendetwas nicht normal sein sollte, würde er es sofort erkennen. Er forschte weiter nach und dann spürte er etwas. Es fühlte sich an, als würde da etwas Lebendiges in seinem Inneren nisten und sich dort drin bewegen wie Ungeziefer. Und es zerfraß alles um sich herum. Noch nie zuvor hatte Liam so etwas bei einem Menschen gespürt und es war ihm auch ein Rätsel, was das sein könnte. Es fühlte sich ähnlich wie ein parasitäres Bewusstsein an, das sich in einem neuen Wirtskörper einnistete. Doch es war bei weitem aggressiver und bösartiger. Und es zerfraß langsam aber sicher Andrews Seele. Was auch immer das für ein Wesen war, wahrscheinlich hatten diese Proxys das auch. Und wenn sie tatsächlich über die Fähigkeiten der Unvergänglichen verfügten, dann musste dieser Proxy Andrew „infiziert“ haben, als eine mentale Verbindung aufgebaut worden war. Aber wieso hatte er Andrew nicht einfach getötet, wenn das doch viel einfacher gewesen wäre? Und die Frage war auch, ob dieses Ding, was ihn befallen hatte, auch so leicht zu bekämpfen war. Insbesondere stellte sich für Liam die Frage, was passieren würde, wenn man es gewähren ließ. Was würde dann mit Andrew geschehen? Nun, wahrscheinlich würde seine komplette Persönlichkeit zerstört werden. Andrew würde aufhören zu existieren und dann würde nur noch dieses Wesen in seinem Körper leben, mit dem er sich infiziert hatte. „Und?“ fragte Oliver besorgt. „Was ist mit ihm?“ „Dieser Proxy, der ihn entführt hat, hat ihn offenbar mit einem parasitären Bewusstsein infiziert, welches langsam aber sicher Andrews Selbst zerfrisst und dann höchstwahrscheinlich durch sein eigenes ersetzen wird. Aber dieses fremde Bewusstsein ist anders als das, was ich von mir, Eva und den anderen kenne. Es ist hochgradig aggressiv und gefährlich und ich fürchte, wenn wir nichts unternehmen, dann wird der Andrew, den ihr kennt, bald nicht mehr existieren.“ Diese Nachricht war natürlich eine absolute Schocknachricht für den Hacker. Andrew würde aufhören zu existieren? „Kann man denn nichts dagegen tun?“ Liam sah sehr ernst aus und dachte nach, doch er wusste selbst, dass es nicht gerade einfach war. „Das Problem ist, dass wir meine Schwester bräuchten weil sie in der Lage ist, so etwas zu heilen. Ich könnte versuchen, dieses Bewusstsein zu zerstören, aber ich kann nicht zu hundert Prozent garantieren, dass es auch Andrew wieder so gehen wird wie vorher. Wenn dieses Wesen schon zu viel von seiner Persönlichkeit zerstört hat, könnte es ihn verändern.“ „Aber wenn wir jetzt gar nichts tun, dann ist es zu spät!“ „Auch wieder wahr. Nun gut, ich werde sehen, was ich tun kann.“ Oliver hatte genau Recht. Wichtig war es jetzt, unbedingt dieses Wesen daran zu hindern, sich weiterhin bei Andrew auszubreiten und ihn zu zerstören. Also legte Liam wieder seine Stirn auf die des Regungslosen ab und spürte es auf. Und als es zum Greifen nahe war, da erkannte er erst, wie extrem gefährlich es eigentlich war. Denn kaum, dass er es zu zerstören versuchte, griff es auch ihn an, um sich bei ihm festzusetzen. Wahrscheinlich war die Infizierung nicht beabsichtigt gewesen. Wenn der Proxy, der Andrew entführt hatte, lediglich eine mentale Verbindung aufbauen wollte, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Andrew sich dabei infiziert hatte. Aber wieso hatte der Proxy ausgerechnet Andrew entführt und zu ihm Verbindung aufgenommen? Vielleicht würde er ja noch seine Antwort bekommen, wenn er Andrews Erinnerungen abrief. Aber dazu musste er erst diesen Parasiten eindämmen, bevor dieser die Möglichkeit fand, auch ihn zu infizieren. Und da er sowieso ein Unvergänglicher war, könnte das noch hochgradig gefährlich werden, wenn dieses Wesen die Kontrolle übernahm. Also begann Liam mit seiner Arbeit und zerstörte den Parasiten restlos. Sicherheitshalber forschte er nach, ob er auch wirklich nichts übersehen hatte, aber es war nichts mehr zu spüren. Also löste er sich wieder von Andrew, nachdem er ihn erst einmal schlafen geschickt hatte und wandte sich an Oliver. „Ich habe den Parasiten zerstört und Andrew wird erst einmal schlafen, um sich zu erholen. Ich würde ihn aber dennoch gerne zur Beobachtung hier behalten um sicherzugehen, dass der Parasit auch nicht mehr zurückkehrt.“ Oliver nickte und wirkte etwas erleichtert, machte sich aber dennoch große Sorgen. „Wie konnte das denn überhaupt passieren und wie hat sich Andy angesteckt?“ „Wenn Unvergängliche zu anderen eine mentale Verbindung aufbauen, kann es auch sein, dass alles ungefiltert auf den anderen einströmt, wenn man nicht aufpasst. Die Technik, die wir bei anderen anwenden, indem wir unsere Stirn mit ihrer berühren rührt daher, weil es die schnellste und schmerzloseste Art ist, uns mit anderen zu verbinden. Wir können dann in ihre Seele schauen und sie in unsere. Und wenn es dabei zu dieser Infizierung gekommen ist, dann gehe ich davon aus, dass der Proxy selbst ein Träger dieses Parasiten ist.“ „Er hat Andy absichtlich infiziert?“ „Das lässt sich nicht genau sagen. Die Möglichkeit besteht zumindest. Es kann aber auch sein, dass der Proxy gar nicht beabsichtigt hat, Andrew zu schaden und womöglich ist es versehentlich geschehen. Aber das lässt sich noch nicht genau sagen. Ich müsste seine Erinnerungen prüfen, aber solange er sich noch in der Erholungsphase befindet, will ich ihm das nicht zumuten.“ „Wie schlimm war sein Zustand bereits?“ „Sagen wir es mal so: Ein paar Stunden später und von ihm wäre nicht mehr viel übrig geblieben. Der Parasit ist hochaggressiv und bösartig und ich habe so etwas noch nie in meinem langen Leben gesehen. Dieses Wesen arbeitet wie ein Unvergänglicher, der einen neuen Wirtskörper sucht. Aber er geht mit aller Gewalt vor und als ich eine Verbindung zu Andrew aufgebaut habe, da versuchte er sofort, auch mich zu infizieren. Wenn er einen Unvergänglichen befallen würde, dann würde es mit Sicherheit erheblich länger dauern, bis er seinen Wirt vollständig übernommen hat. Da wir ihn so schnell entdecken und zerstören konnten, wird der Schaden bei Andrew noch nicht allzu gravierend sein. Aber dennoch ändert es nichts an der Tatsache, dass ein Teil seiner Persönlichkeit bereits zerstört ist. Und weil meine Kräfte hauptsächlich zerstörerischer Natur sind, brauchen wir Eva, damit sie den Schaden beheben kann.“ „Und wenn man diese Zeitrücksetzung machen würde?“ „Das klappt leider nicht bei derartigen Anomalien. Und wenn ich es mache, wird der Parasit dennoch wieder ausbrechen. Auch unserer Kraft sind Grenzen gesetzt.“ Sie gingen zurück in den Salon, wo L, Rumiko und die anderen saßen. Oliver setzte sich erst einmal und bekam von Delta einen Drink. Er brauchte nach der Aufregung dringend etwas Alkoholisches. Als auch Delta und Johnny Platz genommen hatten, erklärte Liam die momentane Situation und wie er die Lage einschätzte. „Also was ich bei Andrew entdeckt habe, habe ich noch nie zuvor gesehen. Der Proxy, der ihn entführt hat, infizierte ihn beim Aufbau einer mentalen Verbindung mit einem parasitären Bewusstsein, welches hochgradig aggressiv und bösartig ist. Es zerstört in unglaublicher Geschwindigkeit die Seele und damit auch die Persönlichkeit seines Wirtes. Mit anderen Worten: das Ding greift den Gedankenschaltkreis an und setzt sich auch genau dort fest.“ „Gedankenschaltkreis?“ fragte Rumiko und war etwas verwirrt. „Ich dachte, das wäre dieser Chip, den sie Beyond und Andrew eingesetzt hätten.“ „Das ist ein künstlicher Gedankenschaltkreis“, erklärte Liam und setzte sich in einen der Sessel. „Die Seele besteht aus zwei verschiedenen Teilen: dem anatomischen und nichtanatomischen. Die anatomische Seele sitzt von Geburt an im Kern des Gehirns und programmiert es sozusagen. Sie bestimmt die Persönlichkeit und ist enorm wichtig für unsere Individualität. Die anatomische Seele bleibt selbst nach dem Tod vorhanden, deshalb ist auch die Persönlichkeit von Andrew und Beyond unangetastet geblieben. Sie besitzt zudem eine Art eigene Zeituhr, die die Lebensdauer bestimmt. Solange die anatomische Seele aktiv ist, bleibt der andere Teil der Seele fest darin verankert und damit lebt man auch. Sollte aber diese Zeituhr abgelaufen sein und man stirbt, dann deaktiviert sich die anatomische Seele und damit kann der nichtkörperliche Teil der Seele nicht mehr am Körper haften und löst sich, woraufhin man stirbt. Der nichtanatomische Teil der Seele ist das, was man sich unter einer Seele eben vorstellt: es ist der Lebensatem und wenn diese entweicht, stirbt man. Die Death Notes sind so konzipiert, dass sie diese „Zeituhr“ außer Kraft setzen oder manipulieren. Man könnte sogar davon sprechen, dass das Death Note unseren Gedankenschaltkreis hackt und uns in einem gewissen Grade steuern kann. Nun, das gilt zumindest für euch, denn das Death Note hat bei Unvergänglichen keine Wirkung. Der künstliche Gedankenschaltkreis funktioniert wie eine Art Seelenprothese. Er ersetzt den nichtanatomischen Teil der Seele und gleicht somit den Defizit aus, wodurch der Körper wieder zum Leben erweckt werden kann. So ist das Prinzip gedacht. Bei Unvergänglichen liegt der Sachverhalt anders. Unsere Persönlichkeit und unsere Erinnerungen liegen gänzlich im nichtanatomischen Teil und wir sind auf den anatomischen auch nicht angewiesen. Wenn wir in einen Wirtskörper eindringen, dann schreiben wir den anatomischen Teil um und absorbieren den nichtanatomischen. Wenn wir hingegen einen toten Körper übernehmen, bleibt der zweite Teil aus. Dieser Parasit geht ähnlich wie wir vor, allerdings mit einem erheblichen Unterschied: er zerfrisst die anatomische Seele vollständig, bis sie unbrauchbar wird und absorbiert erst dann den nichtanatomischen Teil. Erst danach beginnt er sich selbst im Körper auszubreiten. Dies alles geschieht bei vollem Bewusstsein seines Wirts und ist für ihn mental eine extreme Belastung und führt zu schweren Schäden in der Psyche. Des Weiteren ist es ein unvorstellbar schmerzhafter Prozess und würde sich ungefähr anfühlen, als würden sich Insekten im Kopf ausbreiten und alles zerfressen.“ „Könnten wir uns bei Andrew anstecken?“ fragte L schließlich, der als Erster diese beunruhigende Entdeckung verarbeitet hatte und nun versuchte, die Gesamtsituation zu erfassen. Doch Liam konnte ihn beruhigen. „Der Parasit scheint sich nur dann auf andere übertragen zu können, wenn eine mentale Verbindung aufgebaut wird. Demnach würde mehr für uns Unvergängliche die Gefahr einer Ansteckung bestehen.“ „Dann verstehe ich aber eines nicht: wieso hat er Andy infiziert, wenn dieser nicht in der Lage ist, den Parasiten weiter zu verbreiten?“ Beyond verstand das noch nicht so wirklich, aber L hatte sich schon so seine Gedanken gemacht und konnte einige Theorien aufstellen, was das betraf. „Die wahrscheinlichste Möglichkeit wäre, dass der Proxy ganz gezielt vorgegangen ist. Er wusste, dass Liam uns helfen würde und benutzte Andrew, damit auch Liam sich infizieren würde. Das würde auch erklären, wieso er ihn nicht mitgenommen, sondern ihn einfach so zurückgelassen hat. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Proxy ihm nicht schaden wollte und er Andrew versehentlich infiziert hat. Weitere Möglichkeit: es handelte sich womöglich um einen Test, um die Wirkung des Parasiten beobachten zu können.“ „Da sieht man, dass er der berühmte L ist“, kommentierte Liam, sparte sich aber nun seinen herablassenden und kühlen Ton, sodass es tatsächlich wie ein Kompliment klang. „Diese Möglichkeiten habe ich auch schon durchdacht. Und es würde auch Sinn machen, diese erste Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, wenn es da nicht einen markanten Widerspruch gäbe: Jeremiel ist nicht infiziert. Dieser Proxy, der eurer Aussage nach genauso aussieht wie Frederica, ist damit entweder kein Träger oder aber sie kann ihn unterdrücken.“ Nun stellte sich dann natürlich die Frage, was diese Proxys denn nun genau waren. So wie es sich anhörte, schienen sie sozusagen Überträger zu sein. Da sich dieses parasitäre Bewusstsein nicht alleine verbreiten konnte, brauchte es jemanden der in der Lage ist, ihn auf andere zu übertragen. Wenn dem so war, dann könnte es doch theoretisch möglich sein, dass die Proxys dazu da waren, den Parasiten zu verbreiten. War das etwa tatsächlich das Ziel? L spürte, wie ihm der Kopf dröhnte und er fühlte sich ziemlich angeschlagen. Liam bot ihnen an, dass sie gerne in seinem Haus bleiben könnten, doch Rumiko wollte zurück zu Jamie und ihren Kindern. Da Beyond Sorge hatte, ihnen könnte etwas zustoßen, beauftragte Liam Delta, dass er auf sie aufpassen sollte. Oliver beschloss da zu bleiben, da Andrew sowieso noch zur Beobachtung in Liams Haus bleiben musste. Johnny leistete ihm Gesellschaft, während Liam seinerseits Jeremiel nach Hause bringen wollte, zusammen mit L und Beyond. Die Stimmung war sehr bedrückt und sie alle fragten sich natürlich, wieso es die Proxys ausgerechnet auf sie abgesehen hatten. Etwa, weil sie alle zu Evas wiedergeborener Familie gehörten? Was hatten die Proxys damit zu tun und wie weit war Nastasja Kasakowa in die Sache verwickelt? Wie viel hatte sie gewusst? 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