A Winters Tale von rea_seraph ================================================================================ Kapitel 1: Es war kalt... ------------------------- Es war kalt... ...als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Noch nicht Winter, aber ein sehr frischer Herbsttag. Das Laub hing bunt an den Bäumen und es roch nass und nach Erde. Ein angenehmer Duft... ...und wohl auch ein sehr gut übertünchender Geruch, denn meine feine Nase hatte mich nicht auf Dich vorbereitet. Ich weiß nicht wo Du so plötzlich herkamst, aber mit einem Mal standest Du neben mir. Nicht einmal Zeit in meine Tierform zu schlüpfen hatte ich. Ehrlich gesagt war ich schockiert und dachte darüber nach dich zu schubsen und wegzurennen. Aber das wäre wirklich zu infantil gewesen. Also riß ich mich zusammen und blickte Dich von unten herauf mit schmalen Augen an. "Wer bist du und was willst du hier?" fragte ich leise. Große schokoladenbraune Augen sahen zu mir herab und der rote Schmollmund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. "Was siehst du mich so an?" fauchte ich errötend und versuchte meinen Schweif hinter meinem Rücken zu verbergen. Der braunhaarige Junge mit der kecken Nase verbarg sein Lachen nun hinter vorgehaltener Hand. "Entschuldige bitte.... aber du siehst so lustig aus! Ist das ein Kostüm? Kommst du von einem Fest?" Die Röte der Verlegenheit auf meinen Wangen verwandelte sich blitzschnell in Zornesröte. "Wenn du mich beleidigen willst, dann kannst du sofort wieder verschwinden." Schnaubend stand ich auf und veschwand in der kleinen Tempelanlage, die drei Stufen entfernt auf einer Anhöhe lag. Dort drin war es wenigstens ein wenig wärmer und Pilger hatten ein paar Brote dagelassen als Opfergaben. Ich nahm auf einem Kissen platz und begann an einem Stück Brot zu knabbern, als leise Sohlen hereintapsten und der Junge sich dreist neben mich, jedoch auf kalten Steinboden, setzte. "Es tut mir Leid." flüsterte er in meine Richtung. Ich würdigte ihn keines Blickes. "Hey..." wehte seine leise Stimme erneut in meine Richtung. Seufzend drehte ich mich zu ihm und hob nur eine Augenbraue, was soviel sagen sollte wie - Na was nun? Was willst du noch hier? - Der Junge reagierte prompt und legte seine Hand sanft auf meine Schulter. Die Wärme die sich von dort aus ausbreitete war angenehm. "Kannst du mir bitte verzeihen? Ich kann mir vorstellen, dass wir gute Freunde werden könnten. Ich wohne hier in der Nähe und könnte dich öfter mal besuchen kommen. Vielleicht kann ich dir etwas Obst mitbringen? Wir könnten auch etwas spielen?" Bezirzt blickte ich dem Jungen in die Augen. Wie alt mochte er sein? Vielleicht einfach danach fragen. Das wäre ein Anfang. Dann könnte ich auch die verlockeneden Angebote des Jungen annehmen. "Wie heißt du und wie alt bist du? Ich bin Narjan, der Wächter dieses Tempels." sagte ich in freundlichem Ton. Der Junge strahlte, da er verstand, dass ich ihm verziehen haben musste. "Ich bin Charlie und 9 Jahre alt. Naja, eigentlich heiße ich Charles... aber das klingt so steif. Was macht man so als Wächter und was hältst du nun davon, wenn ich dich öfter besuchen kommen würde?" "Hallo Charlie, schön dich kennen zu lernen. Tja, ich bewache diesen Tempel, bin hier, nehme Opfergaben entgegen, segne vorbeiziehende Pilger und übe meine Magie. Vorbeikommen klingt nicht so schlecht. Auch das mit dem Obst könntest du machen." sagte ich zum Schluss hin sehr gönnerhaft und unter herabgesenkten Lidern hervorblinzelnd. Der Junge sollte nur nicht denken, dass er zukünftige Besuche herbeisehen würde. Begeisterte Augen glitzerten neugierig in meine Richtung und da konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Der volle Klang meines Lachens hallte durch den kleinen Tempel und wenn irgend möglich, sah der Junge mich nun nur noch faszinierter an. "Was kannst Du denn so? Also magische Tricks, meine ich?" Haspelte Charlie übereifrig hervor. Mit einem neckischen Grinsen schnipste ich mit meiner rechten Hand und es entzündete sich eine kleine Flamme auf den Fingerspitzen meines Zeige- und Mittelfingers. Charlie rief erstaunt aus "Wow! Das sieht ja total echt aus?!" und fasste auch schon ins Feuer. "Autsch!" rief er postwendend aus und ich ließ sofort das Feuer verpuffen. Zart nahm ich Charlies Hand in meine und legte einen Heilzauber darüber. "Das tut mir Leid. Ich hätte dich warnen sollen. Das ist kein Trick. Das ist echte Magie." So beschäftigt mit dem Heilzauber, bemerkte ich nicht den ungläubigen Blick den der Junge mir zuwarf. Aber ich sah ihn als ich nach getaner Arbeit wieder aufblickte. "Das kann nicht wahr sein! Dann sind deine Ohren und dein Schweif gar kein Kostüm?! Das ist auch echt?" Nickend wartete ich ab, was der Junge nun sagen würde. Höchstwahrscheinlich wollte er mich nun doch nicht mehr besuchen kommen. Er wirkte in den Augen des Kleinen nun sicher wie ein gefährliches Monster. Dabei würde ich ihm nie irgendetwas antun. So bin ich einfach nicht. Das ist nicht meine Art. Charlie unterbrach meine Gedanken abrupt mit den Worten "Oh! Das ist so so so cool! Der Hammer! Das würd ich sofort meinen Freunden erzählen... wenn ich welche hätte! Aber keine Sorge, ich erzähl es niemandem. Kann ich dann morgen wieder kommen und Obst für Dich mitbringen?" Überrascht blickte ich zu Charlie auf, der schon wieder auf den Beinen war. "Äh.... ja, natürlich. Gerne. Komm mich besuchen." und es klang beinahe flehend, wie ich peinlich berührt feststellte. Das überwältigende Grinsen in Charlies Gesicht, ließ mich meinen Tonfall nun doch nicht bereuen. "Ok! Cool. Dann bis morgen Narjan!" streichelte Charlie nochmals über meine Schulter bevor er die Stufen herabstolpernd durch die Lichtung in Richtung Stadt verschwand. Wie in Trance fasste ich meine rechte Schulter an und bildete mir ein, dass sie noch ein bisschen warm war von seiner Berührung. - Keine Freunde, hm. Tja. Das liegt wohl jetzt in unser beider Vergangenheit. Charlie und ich werden sicher gute Freunde. - Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Züge und sollte von dort nicht mehr so recht verschwinden wollen. Eher noch sich vertiefen, als ich am frühen Vormittag des nächsten Tages Charlie schon von weitem rufen hörte "Narjaaaaaaaan... ich bin wieder daaaa. Hab dir auch was mitgebracht!" Als ich meinen Kopf nach draußen streckte konnte ich noch beobachten, wie Charlie die Treppen herauf fiel und das Obst aus seinem Körbchen heraus und in meine Richtung kullerte. Auflachend rief ich ihm zu "Charlie, schnell! Steh auf! Die 3 Sekunden Regel! Davor muss alles wieder im Körbchen sein, sonst können wirs nicht mehr essen." Kichernd sammelten wir Äpfel, Bananen, Birnen und Kiwis zusammen und warfen es schleunigst in das Körbchen zurück. "Gut gemacht." grinste ich Charlie an und sonnte mich in seinem Gelächter. - Ja, wirklich. Beste Freunde. - Kapitel 2: Die ersten Flocken fallen ------------------------------------ Ein rauher Wind fegte an dem kleinen Tempel, meinem Zuhause, vorbei. Es war nun schon sehr kalt geworden. Aber davon spürte ich im Augenblick nichts. Denn ich lag auf einem Kissenlager aus mehreren großen und kleinen Kissen gemütlich auf dem Boden. Im Kamin in der Ecke brannte ein Feuer, welches die Luft nicht nur erwärmte, sondern auch voller riechen ließ... Entspannt strich ich mit meinen langen schmalen Fingern durch Charlies wuschelige Haare. Mein Bauch diente seinem Kopf als Kissen, während er mir alle möglichen Geschichten erzählte und dabei wild mit den Händen gestikulierte. Von der Schule, seinen Lehrern, seinen Lieblingsfächern und nun kamen wir langsam zum Kern seiner Aufregung. Seine Mutter hatte heute wohl extra einen Kuchen -Sachertorte!- gebacken und das ganze Haus duftete himmlisch schokoladig. All dies für Charles, weil er am kommenden Tag Geburtstag haben würde. Am 08.11. vor 9 Jahren war er auf die Welt gekommen und das feierten seine Eltern jedes Jahr mit Begeisterung. Er durfte auch Freunde einladen... Sehnsüchtig ging sein Blick bei dieser Äußerung dabei zu mir hoch und ich vermied es ihm in die Augen zu sehen, damit er mich nicht doch noch überzeugen konnte meinen Tempel für einen Tag hinter mir zu lassen. Seufzend fuhr Charlie fort "Weißt Du, Narjan, in den letzten Jahren kamen ab und zu mal ein oder zwei Bekannte aus der Schule zu meinen Geburtstagsfeiern. Aber nur um zu sehen wie ich wohne, was ich so für Comics und Spielzeuge habe. Niemand will wirklich etwas mit mir zu tun haben. Außer du. Ich bin echt froh, dass du mein Freund bist." Charlie tat sich offensichtlich wirklich schwer richtige Freunde zu finden. Und das zog mir das Herz ganz unangenehm zusammen. Wie konnte es nur so unmöglich sein, diesen lieben Bengel zu mögen? Wo ich, Narjan Weißmond, statt mit meinesgleichen Bande zu knüpfen, lieber Zeit mit diesem Menschenkind verbrachte? Ja gar jede Sekunde herbeisehnte, wieder von ihm besucht zu werden?! Widerstrebend begegnete ich nun doch seinem schokoladigen Blick. Wieso sahen seine Augen auch so hübsch und lecker wie tiefe Schokoladenseen aus?! "Naja... ich hab an meinem Tarnzauber gearbeitet und es könnte wohl auch mein Onkel für einen Tag mit auf meinen Tempel aufpassen....." Große Augen strahlten mich hoffnungsvoll an. Doch abrupt wandte er sich wieder ab und spielte mit einem kleinen blumenförmigen Kissen, das neben ihm auf dem Boden lag. Charlie zupfte an einem Blatt des Kissens, während er leise sagte "Nein, nein, Narjan. Ist schon gut. Ich weiß wie ungern du deinen Tempel verlässt, weil es das einzige ist was du von deinen Eltern noch hast. Es ist auch ganz furchtbar traurig, dass sie kurz nach Eurer Abreise aus Japan so erkrankt sind, dass sie den Tempel nicht mal mehr gemeinsam mit dir einrichten konnten.... Vielleicht sollte ich dir auch mal ein bisschen mehr Zeit mit deinem Onkel und anderen Verwandten lassen. Die sind sicher genervt, dass du ständig was mit mir unternimmst." Entsetzt weiteten sich meine Augen. Ich griff nach seiner Hand und wartete bis der Kleine mich ansah. "Jetzt hör mal, Charlie. Ich mag dich und Zeit mit dir zu verbringen ist das Beste, was ich mir vorstellen kann. Und Moonlight Hills würde sich nur halb nach Zuhause anfühlen und ich würde Japan mehr vermissen, wenn du nicht vorbei schauen würdest. Du bist mein bester Freund! Ich würde gern deinen Ehrentag mit dir verbringen." Voller Tatendrang setzte ich mich auf und zwang meinen Schweif und meine Ohren zu verschwinden und mit einem kleinen » poof « habe ich statt meinem weißen Hakama Jeans und T-Shirt an. "Geht das wohl so?" fragte ich Augenbrauen wackelnd. Lachend klatschte Charlie in die Hände und konnte es kaum abwarten mich morgen als seinen Gast begrüßen zu dürfen. ''~~~'' Am nächsten Tag kam Rakan, mein Onkel, schon früh vorbei und brachte etwas zu Essen mit. Obst und Brot. Etwas Dörrfleisch auch. Er versorgte mich während des Winters - wenn weniger Pilger mit Opfergaben vorbei schauten -, weil er während seine Frau Sinka auf deren Tempel Acht gab, in der Stadt etwas als Wahrsager dazu verdiente. Grinsend fuhr er mir durchs weiße Haar und streichte mir eine Strähne hinter mein rechtes Ohr, während er mich etwas ärgerte "Was bist du denn so aufgeregt? Hast du Angst, dass deine Tarnung auffliegt und du als Teppich in Charlies Haus endest, wenn sein Vater mit dir fertig ist?" Polternd lachte er mich aus, während ich spielerisch versuchte nach ihm zu schlagen. Doch er wich mir immer wieder geschickt aus. Irgendwann gab ich auf und fiel schnaufend auf ein Sitzkissen. Er ließ sich neben mir nieder. Mit seinen stechendgrünen Augen blickte er mich an und streichte sich seine schwarzen Haare aus dem Gesicht, während er meinte "Der Junge tut dir gut. Du siehst so glücklich aus, wie damals in Japan. Seit deine Eltern nicht mehr sind, hab ich dich nicht mehr so lachen und toben gesehen. Ich hoffe nur, dass dir klar ist, wie unterschiedlich eure Lebensspannen sind und dass es nicht mal das sein muss was euch irgendwann trennt... eventuell wirst du ihn einfach irgendwann ziehen lassen müssen." Ich spürte genau wie vorsichtig Rakan mit mir sprach und mir war auch vollkommen klar, dass er noch etwas ganz anderes außen vor ließ. Dass Charlie vielleicht einfach irgendwann nicht mehr mein Freund sein wollen würde. Oder wenn seine Zeit gekommen war starb. Das täte mir wohl am meisten weh... Aber ich wollte nicht eine Sekunde verpassen, solange er mich in seinem Leben wollte. Deshalb lächelte ich Rakan nur an, während ich sanft nickte. Ein Poltern schreckte uns beide auf. Und da purzelte auch schon Charlie herein. "Bist du etwa schon wieder die Tempelstufen heraufgefallen?" Fragte ich entgeistert, während mein Onkel nur lachte. "Hey, wo bleibt die Höflichkeit. Ich hab immerhin Geburtstag!" Schmollend wikten deine roten Lippen noch plüschiger? Voller? Oder eher samtiger... ich weiß es nicht. Es sah auf jeden Fall sehr niedlich aus. "Entschuldigen Sie, Herr van Strauss. Lieber Charles. Herzlichen Glückwunsch!" trieze ich ihn zunächst, meine die letzten Worte aber sehr ernst. Deine Augen schimmern leicht als du dich, nachdem du dich wieder vom Sturz aufgerappelt hast, in meine Arme wirfst. "Danke. Das wird der besteste Geburtstag, jeeeeeemals." Mein Onkel tätschelte dem Jungen in meinen Armen den Kopf und scheuchte uns dann raus. "Los, haut ab, ihr zwei. Und feiert schon. Herzlichen Glückwunsch, Zwerg!" "Danke!" rief Charlie nur gutmütig grinsend und zog mich an der Hand hinter sich her. "~~~" Während wir aus dem Wald heraus nach Moonlight Hills hineinspazierten, nahm ich die gestern perfektionierte Tarnform an. In voller Menschengestalt (also ohne Schweif und Ohren) waren meine Haare nicht mehr schulterlang, sondern reichten nur noch bis knapp zu den Ohren. Weiß blieben meine Haare leider immer. Denn in meiner wahren Fuchsform war mein Fell strahlendweiß. Meine blauen Augen und mein legeres Jeans und T-Shirt Outfit wirkte dafür normal. Vielleicht würde das ein wenig von meiner ungewöhnlichen Haarfarbe ablenken. Wir kamen vor einem rießigen Haus an. Es war so groß, dass es fast wie eine Villa wirkte. Überwaltigt schaute ich zu den Erkerfenstern hinauf und bewunderte den Garten mit Teich und Rosenspalier. So hübsch. Charlie hatte schon die Haustür aufgeschlossen und stürmte mir voran in das Wohnzimmer. "Mam, Dad! Narjan ist da!" Lachend saß das Ehepaar auf der Couch und sahen ihrem vor Begeisterung übersprudelnden Sohn mit seinem Begleiter im Schlepptau hereinstürmen. Marie van Strauss stand als erste auf und schüttelte Narjan freundlich lächelnd die Hand. "Hallo, Narjan. Wir hören so viel Gutes von Dir! Seit Charlie dich vor Wochen kennen gelernt hat, seid ihr ja fast unzertrennlich und endlich lernen wir uns kennen. Ich bin Marie und das ist mein Mann Peter, bitte duze uns einfach und danke, dass du Charlie so ein guter Freund bist." Peter van Strauss stimmte seiner Frau nickend zu und schüttelte ebenfalls Narjans Hand. "Schön sie beide kennen zu lernen. Vielen Dank, dass ich heute hier sein darf. Charlie schwärmt mir schon seit Tagen vor, wie toll sie backen können, Marie und gestern hat er mich mit Erzählungen darüber unterhalten, wie das gaaaaanze Haus so himmlisch schokoladig geduftet hat." Triezend zog ich meine Worte ein wenig in die Länge, wie es Charlie oft tat, wenn er etwas übertrieben darstellen wollte. Sofort erkannte dieser, was ich da getan hatte und schlug lachend nach mir. "Narjan, du Fiesling! Glaub ja nicht, du bekommst jetzt noch Kuchen!" Gespielt entsetzt schlug ich mir die Hand vor die Brust und meinte "Aber Charlieeee...." Lachend scheuchten Marie und Peter ihren Sohn in das Esszimmer, wo der Tisch auch schon wundervoll gedeckt war. Alles in hellblau gehalten mit Platzdeckchen und kleinen Legofiguren als Serviettenhalter. Die Torte prunkvoll in der Mitte des Tisches aufgebahrt. Während Peter sich daranmachte die Kerzen auf dem Kuchen anzuzünden, mit eifriger Unterstützung seines Sohnes, redete Marie leise mit mir. "Du bist also Waise und arbeitest in dem kleinen Tempel im Wald?" "Ja. Mein Onkel hilft mir ab und an und unterrichtet mich, da ich noch 17 und schulpflichtig bin." -Ich hoffe man verzeiht mir die kleine Notlüge.- dachte ich so im Stillen. Aber ich konnte ihr schlecht beichten, dass ich über 100 Jahre alt war und da wir Dämonen Zeit anders empfinden bin ich mit 17 wahrscheinlich sowieso ehrlicher. "Ich finde es sehr lieb, dass du so geduldig mit Charles bist. Er kann manchmal schon etwas anstrengend sein und er ist ja auch einiges jünger als du." "Das stört mich nicht, Marie. Er ist wie ein Bruder, den ich nie hatte. Charlie ist für mich irgendwie Familie geworden." Schulterzuckend und verlegen wich ich ihrem sanften Blick aus. Sie drückte meine Schulter, während sie sagte "Du bist in unserem Haus jederzeit willkommen, mein Junge." Schluckend unterdrückte ich die Tränen die aufsteigen wollten, weil diese Frau die gleiche liebe Art wie ihr Sohn hatte. Da unterbrach uns Charlie "Ok. Ok... ich kann jetzt die Kerzen ausblasen. Seid ihr soweit?!" Grinsend wandten wir uns ihm zu und er schaute jeden lächelnd an, bevor er kräftig pustete und zehn Kerzen erfolgreich verlöschten. "Was hast du dir gewünscht?" Fragte Peter seinen Sohn mit seiner warmen Baritonstimme. "Das darf ich doch nicht sagen, Dad. Sonst geht es nicht in Erfüllung!" Lächelnd nickte sein Vater und während Marie die Kerzen entfernte, begann ich den Kuchen zu schneiden. Bald saßen wir lachend und plaudernd da. Genossen den Kuchen, hörten Musik, spielten Blinde Kuh und andere lustige Kinderspiele. Auch wenn Charles eigentlich zu alt dafür war. Nach eigener Aussage. Doch als ich mit kleiner Leidensmiene erzählt hatte, dass ich noch nie dergleichen spielen durfte, war er plötzlich Feuer und Flamme. Natürlich nur mir zuliebe... Marie zwinkerte mir zu - signalisierte mir damit dass sie genau wusste dass ich ihren Sohn zum Spielen animiert hatte - und feuerte ihren Sohn an, während dieser versuchte am Poster eines Esels an der richtigen Stelle den Eselschwanz mit einer Reißzwecke anzubringen. Die Augenbinde heruntergerissen, stöhnte Charlie nur auf. Nein, der Schwanz war definitiv im Auge des Esels falsch gelandet.... Als ich bei meinem Versuch den Schwanz genau richtig anbrachte, rief Charlie laut lachend "Betruuuuuuug! Narjan ist ein Schummler. Ein Schummler. Ein Schummleeeeeeeeeer" Charlies Lachen artete in Giggeln aus, als ich ihn als Bestrafung für diese Verleugnung auskitzelte. Es war ein wundervoller Abend. Nach dem Abendessen verabschiedete ich mich an der Haustüre von Charlies Eltern. Sie betonten, dass sie hofften, dass ich sie bald wieder besuchte. Am Gartentor warf sich Charlie erneut in meine Arme und flüsterte glücklich "Danke, Narjan. Du bist mein bester Freund auf der ganzen Welt und das war mit Abstand der besteste Tag überhaupt." Lächelnd drückte ich dem Kleinen einen Kuss auf die Stirn und winkte zum Abschied. Kaum in der Lichtung verschwunden ließ ich meine Illusion fallen und wackelte entspannt mit Ohren und Schweif. Wenig später fand ich meinen Onkel in meinem Kissenberg vor dem Kamin schlummernd vor. Ich deckte ihn zu und legte mich neben ihn. Meine Tante Sinka erwartete ihren Mann nicht vor morgen früh zurück und ich konnte ihm noch ein bisschen Kuchen von den van Strausses mitgeben. Da würde Sinka sich sicher freuen. "~~~" Die Winter kamen und gingen. Und mit jedem Jahr gewann Ihre Freundschaft an Facetten. Narjan kam es auch nach über sieben Jahren nicht vor, als wären ihre Lebensspannen großartig unterschiedlich. Denn jeder Moment stand ihm klar und so bunt und prägnant im Sinn, dass die Tage, Wochen und Jahre nicht wie es andere Dämonen empfanden an ihm vorbeihuschten, sondern schlichen und verweilen wollten. Machte Charlie ihn menschlich? Und war das eine gute Sache? Kapitel 3: Während du schliefst... ---------------------------------- Die Überlegungen die mich in letzter Zeit immer häufiger plagten, ließen mich kaum noch schlafen. Ich konnte kaum fassen, wie sehr ich Charles - meinen frechen, süßen, tollpatschigen Charlie - in mein Dämonenherz geschlossen hatte. Jeder Tag an dem wir uns nicht sahen war ein Verlorener. Ich wachte auf mit dem Gedanken an ihn und schlief ein mit einem stummen Gute-Nach-Gruß im Geiste an meinen besten Freund. An den Menschen, der für mich viel mehr war als nur Wegbegleiter und Spielkamerad. Ein Wesen, das mir das Gefühl gab ganz zu sein. Gesund und stark. Mir wurde immer mehr klar, dass das nicht gut sein konnte. Ich fühlte mich furchtbar unruhig in den letzten Tagen. Als spürte ich ein Unheil herannahen. Was sich für mich auch bewahrheiten sollte... Charlie hatte die letzten Wochen nicht so oft Zeit gehabt mir einen Besuch abzustatten, da er mit seinen Prüfungsvorbereitungen in der Endphase war. Er hatte sein Abitur aber so gut wie in der Tasche, denn Charlie war fleißig, zielstrebig und stur. Das zeigte sich schon daran, wie er in der fünften Klasse direkt ein Jahr überspringen konnte, da sein Bildungsniveau dafür mehr als ausreichend war. Er hatte mir anvertraut, dass er die Hochschulreife nur seinem Vater zuliebe erwarb, denn mein Kleiner hatte momentan nicht vor zu studieren. Aber sein Vater Peter war der Meinung das könne sich immer noch ändern im Laufe eines Lebens und vernünftig wie sein Sohn war, nahm er den Rat seines Vaters an und brachte seine Schule zum Abschluss. Obwohl ihm die Mittlere Reife, die er schon erlangt hatte, vollkommen reichte um eine Lehre als Goldschied zu beginnen. Diesen Berufswunsch hatte Charlie schon vor über sechs Jahren kund getan. Und heute mit seinen süßen 17 war sein Wunsch noch so lebendig wie eh und jeh. Er würde Goldschmied werden, wie sein lieber Onkel Claude in Paris. Dieser weißhaarige Mann, der mit seiner Hornbrille und seiner schlanken Statur sehr distinguiert wirkte, hatte wohl sogar eine eigene Werkstatt und einen Verkaufsladen namens »Refugium«. Das hatte ich vergangenes Weihnachten von eben jenem Mann, der über die Feiertage zu Besuch war, selbst erfahren. Meine Gedanken wurden abrupt unterbrochen als Charlie in meinen Tempel herein gestürmt kam. Lachend warf er sich mir in die Arme und während ich meine Nase in seinem gutduftenden Haar versteckte, erzählte er mir "So, mein Lieber! Letzte Prüfung endlich hinter mir! Jetzt heißt es nur noch abwarten mit welchen Noten ich bestanden habe." Grinsend entgegnete ich ihm "Bist du dir so sicher, dass du es geschafft hast?" Mein triezender zweifelnder Ton brachte dich auf die Palme und du entwindest dich meinen Armen. "Du wirst schon sehen und dann anschließend vor Begeisterung auf die Knie fallen und mir, deinem einzig wahren Gott, huldigen!" Auf diese Frechheit fiel mir nun wirklich nichts mehr ein und als mir das Bild durch den Kopf ging, wie ich mich vor ihm auf die Knie warf, lief ich vor Verlegenheit rot an. Verwirrt legte Charlie den Kopf leicht schief und sah mich mit seinen schokoladigen Augen musternd an "Du wirkst ein wenig blass und verschlafen. Gehts dir nicht gut, Narjan?" Ertappt wich ich seinem forschenden Blick aus und setzte mich auf mein Lieblingssitzkissen. "Nein. Alles Ok. Mach dir keine Gedanken!" Sein Blick blieb zweifelnd und er würde das Thema nicht endgültig fallen lassen. Das wusste ich. Aber er würde nicht weiter in mich dringen und das reichte mir für den Moment. Vielleicht fiel mir bis später eine Ausrede ein. Nach kurzem Kratzen an seinem Hinterkopf, fiel Charlie noch etwas Dringlicheres ein. "Oh, Narjan! Du wirst nicht glauben, was ich dir jetzt erzähle!" Er warf sich neben mir auf das Sitzkissen und während wir uns aneinander kuschelten, fing Charles an aufzudecken, warum er so aufgedreht war. "Also, du weißt doch, dass ich unbedingt Goldschmied werden will. Und da hab ich gedacht, ich schreib meinem Onkel Claude einen Brief um anzufragen, welche Werkstätten er mir empfehlen kann, wo ich das Handwerk am Besten lernen kann. Und er hat mir doch tatsächlich zurück geschrieben, dass er mich liebend gerne ausbilden würde! Dabei hat er immer gesagt, er bildet niemanden aus! Aber für mich macht er eine Ausnahme. Ich soll ihm Bescheid geben, sobald ich meine Prüfungen bestanden habe. Dann macht er mich für einen Ausbilderschein und ich kann Ende des Jahres im Oktober meine Lehre bei ihm beginnen. Das dauert dann zwei einhalb Jahre und ich kann sogar bei ihm wohnen. In Paris. Kannst du dir das vorstellen?! Meine Eltern sind begeistert. Das wird soooo cool. Oh mein Gott. Du musst mich unbedingt besuchen kommen! Aber ich komme sowieso jeden Monat ein Wochenende nach Hause und zu deinem Geburtsag am 24.12. und den Feiertagen." In seiner Begeisterung bemerkte Charles meine zurückhaltende Reaktion zunächst nicht. Innerlich starb ich tausend Tode. Charlie würde mich im Oktober verlassen. Wahrscheinlich für immer. Wer konnte schon garantieren, dass er wiederkäme?! Zunächst würde er sicher noch, wie versprochen, jeden Monat nach Hause kommen. Aber dann würde er Freunde finden, vielleicht sogar die Liebe und dann würde er sich irgendwann nicht mehr an mich erinnern. Wenn seine Eltern noch die obligatorischen Briefe zu Geburtstagen und Weihnachten bekämen, würde ich irgendwann keine Ahnung mehr haben, was im Leben meines Kleinen vor sich geht. Denn ich würde kein Teil mehr davon sein. Oh Gott. Es brach mir das Herz. Panisch versuchte ich die aufsteigenden Tränen fortzublinzeln, als ich deinen forschenden Blick bemerkte. "Du weißt doch, dass ich dir schreiben werde?! Und jeden Monat sehen wir uns. Auf jeden Fall! Außerdem kannst du mich doch besuchen kommen." Ich schüttelte nur sanft den Kopf. "Charlie, du weißt doch, dass Rakan nicht länger als 1 bis 2 Tage auf meinen Tempel mit aufpassen kann. Dafür rentiert es sich kaum nach Paris zu fliegen. Und außerdem ist das alles sehr teuer." "Oh, ich weiß, Narjan. Aber ich kann dir das Geld für die Flugkosten doch schenken." Wieder schüttelte ich nur leicht den Kopf und strich ihm sanft durch seine, noch immer so, wuscheligen Haare. "Das ist schon in Ordnung, Charlie. Ich freue mich für dich und jetzt ist gerade mal Sommer. Es sind ja noch ein paar Monate bis zu deiner Abreise. Und dann wirst du mich jeden Monat besuchen kommen und in zwei einhalb Jahren bist du wieder mein Fast-Nachbar." Ich drückte seinen schmalen Körper an mich und versteckte meinen traurigen Gesichtsausdruck in seinem Nacken. Denn ich glaubte meinen Worten selbst nicht. Charlie schien jedoch beschwichtigt. "Genau! Also Kopf hoch, Narjan! Wie siehts aus mit schwimmen gehen?" Nickend fasste ich seine Hand und zog ihn vom Sitzkissen hoch, während ich selbst aufstand. Lachend und uns gegenseitig schubsend machten wir uns auf zum nah gelegenden See. In jeder Geste und jedem Blick hing für mich nun eine Ewigkeit. Denn unsere Freundschaft hatte jetzt ein Ablaufdatum. Bis Oktober noch. Solange noch gehörst du mir.... ... und dann lasse ich dich ziehen. Weil ich dich liebe. Kapitel 4: ...erwachte ich im tiefsten Winter. ---------------------------------------------- "Woran denkst du?" frage ich dich leise. "An den Tag an dem du mich in der Schule besucht hast." Ich muss lächeln. Du und deine abstrusen Gedankensprünge... "Wie kommst du jetzt darauf?" "Ach, mir fiel gerade im Nachhinein auf, dass ab diesem Tag Matt und seine Freunde ganz plötzlich aufgehört haben mich zu triezen. Hattest du damit irgend etwas zu tun?" Und ich erinnere mich wieder, als wäre es gestern gewesen, an den Tag vor einigen Jahren an dem Charlie zum ersten Mal mit einem blauen Auge bei mir im Tempel aufgetaucht ist. Ich hatte vorsichtig versucht aus ihm heraus zu bekommen wie das passiert war. Aber er wollte nicht so recht heraus rücken und ich wollte ihn nicht weiter drängen, als er mich abwimmelte mit den Worten "Ich bin irgendwie blöd gestolpert und gegen meinen Spint gekracht." Aber als sich die blauen Flecken und Schrammen häuften, wurde ich unruhig. Ich musste etwas unternehmen. Tage später konnte ich live mit ansehen, wie ein paar seiner Mitschüler Charlie beim Stolpern "halfen". Es war schon gut, dass ich ihm in die Schule gefolgt war. Diese Bengel sollten lernen, dass man mit Charles van Strauss nur so umspringen konnte, wenn man auch das Echo vertrug. Nachdem ich diesen Matt und seine zwei Kumpels Felix und Aron vor der Mittagspause im Hof abgefangen und ihnen mit meinem Fuchsfeuer einen ordentlichen Schrecken eingejagt hatte, leistete ich Charlie bei seinem Mittagessen auf dem Dach Gesellschaft. Ich hatte dir damals aufgetischt, dass ich nur aus Langeweile vorbei geschaut hatte... "Hm... kann mich nicht so genau erinnern." Wich ich dir nun also nur schmunzelnd aus. Das reicht dir wohl, denn du rollst dich auf der Picknickdecke herum und legst deinen Kopf auf meinem Bauch ab. Dein Lieblingsplatz zum vor dich Hindösen. Ich lasse meinen Blick hinauf in den Himmel schweifen. Die Herbstsonne ist heute ungewöhnlich stark. Aber der Duft von Winter liegt bereits wieder in der Luft und dieser warme Oktobertag wird wohl unser letzter Picknick-Tag in diesem Jahr sein.... Schon nächste Woche wirst du nach Paris zu Onkel Claude fliegen und wir werden uns erst wieder Anfang nächsten Monats sehen. Und dann immer nur einmal im Monat übers Wochenende. Zweieinhalb Jahre lang.... und wer weiß ob du dann zurück kommst nach Moonlight Hills. Diese Gedanken wollten mich einfach nicht loslassen und vielleicht war das auch mein Unterbewusstsein, welches mich versuchte abzuhärten. Damit es mich nicht zu hart treffen würde, sollte Charlie mich tatsächlich irgendwann nicht mehr an seinem Leben teilhaben lassen wollen. Aber da konnte man genauso gut versuchen sich auf eine Naturkatastrophe vor zu bereiten. Nichts würde mich vor dem Schmerz schützen, ohne meinen Liebling weiterleben zu müssen. Geistesabwesend streichle ich durch dein Haar und genieße es wie du mir in warmen Kreisen über den Arm streichst. "Ich werde dich vermissen." Verdutzt halte ich inne und überlege zunächst, ob ich das jetzt laut gesagt habe. Dabei ist das der eine Gedanke, der mir seit Monaten omnipräsent ist und den ich doch nicht ausspreche. Dann bemerke ich deinen Blick zu mir herauf. Du hast das gerade gesagt. Erst nickte ich nur. Als ich deinen enttäuschten Blick bemerke, beeile ich mich zu erwidern "Ich dich auch. Sehr." Was nicht einmal halb ausdrückte wie sehr. Aber dein Blick wird plötzlich ganz weich und du lehnst dich über mich. Die Herbstsonne verschwindet hinter deinem Rücken und alles ist plötzlich weich und warm. Auch deine Lippen auf den meinen. Weich und warm. Deine Lippen... Deine Lippen?! Verdutzt reiße ich meine geschlossenen Augen - wann hatte ich die zugemacht?! - auf und blickte hinauf in dein Gesicht, das über meinem schwebt. Immer noch berühren sich unsere Lippen und noch bevor ich überlegen kann, was das bedeutet, öffnest du deine Augen und weichst ein Stück ab von mir. Die Berührung endet und du lächelst mich furchtbar süß und verlegen an und legst deinen Kopf wieder auf meinem Bauch ab. Und wie der jämmerliche Feigling, der ich nun mal bin, spreche ich dich nicht darauf an. Auch nicht als du dich von mir verabschiedest am Tag deines Fluges. Ich lächle dich an und hoffe, dass die Tage schnell vergehen bis du wieder zu mir zurück kommst. ~~*~~ Überglücklich schließe ich dich in die Arme als du Anfang November für dein erstes Wochenende nach deiner Abreise wieder nach Hause und wenig später zu mir in den Tempel kommst. Endlich lässt der Druck an meinem rechten kleinen Finger, der eine direkte Leitung zu meinem gequälten Herzen zu haben scheint, nach. Mein Onkel hatte die Frage nach Schmerzen im rechten kleinen Finger nur mit einem mitleidigen Blick beantwortet. Was das nun heißen sollte, wollte ich, glaube ich, gar nicht so genau wissen. Ich hatte für den Moment meinen kleinen Liebling - der mich mittlerweile an Körpergröße fast eingeholt hatte - wieder in Reichweite. Begeistert erzählte er mir von Paris. Dem bunten Treiben auf der Champs-Elysees, die schicken Cafés und Klamottenläden, dem Eiffelturm und der faszinierenden Goldschmiedewerkstatt von Claude. "Ich bin sehr gelehrig, sagt Claude! Und bald darf ich ihm auch im Verkaufsladen helfen. Ach, Narjan, das ist alles so aufregend und spannend! In meiner Klasse in der Berufsschule sind zwei sehr nette Mädels mit denen ich mich gut verstehe. Monique und Valerie steigen beide ins Familiengeschäft ein. Können mir also auch viel erzählen und beibringen. Wenn ich erst mal fertig mit meiner Lehre bin, dann arbeite ich eine Weile und spare mir Geld zusammen für einen eigenen Laden in Moonlight Hills. Das wird so klasse." Lächelnd lauschte ich dir und hoffe es würde tatsächlich alles so geschehen. Wir spielten Schach, aßen Marie van Strauss´ berühmte Haselnuss-Plätzchen und fegten das Laub vor und hinter dem Tempel zusammen und verbrannten es in einem lustigen Fuchsfeuer. Während wir lachend Gestalten im Rauch zu erkennen versuchten, neigte sich das Wochenende langsam zu seinem Ende und Charlie musste sich wieder von mir verabschieden. Innerlich fürchtete ich, dass ich mit jedem Abschied ein wenig schwächer würde. Ich fühlte mich wirklich nicht gut. Aber was sollte ich tun? Ihm sagen -Bleib, weil ich ohne dich verkümmere. Lass dein Leben hinter dir und werde zu meinem?- Winkend stand ich vor meinem Tempel am Treppenabsatz und sah Charlie hinterher wie er hinter der Lichtung verschwand.... **~~** Mein Unwohlsein fand wenige Wochen später seinen Höhepunkt kurz nachdem Marie, Charlies Mutter, vorbeigeschaut hatte um mir Bescheid zu geben, dass Charlie über die Feiertage und zu meinem Geburtstag im Dezember nicht würde kommen können. Er hatte wohl einen wichtigen Einstufungstest, aber ich hörte Maries Worte nur dumpf in meinen Ohren wiederhallen "... Charlie wird es deshalb leider nicht schaffen nach Hause zu kommen. Wenn Du ihn zu sehr vermisst, dann komm uns doch besuchen, Narjan. Dann können wir zusammen mit ihm telefonieren, da wir ihn schon nicht sehen können..." Ich ging spazieren und kam wohl nach Stunden, denn es war schon dunkel geworden, desorientiert wieder zu mir. Vor dem See, in dem wir im Sommer immer gemeinsam baden gingen und im Winter Schlittschuh laufen, war ich am Ufer zu einem Häufchen Elend am Boden zusammen gesunken. Der See hatte jetzt Anfang November schon eine leichte Eisschicht. Während ich noch dumpf und innerlich erkaltet auf den See vor mir starrte, hatte ich plötzlich das seltsame Gefühl neben mir zu stehen. Ich sah meinem Körper zu, wie er seitlich zu Boden sank. Wie ohnmächtig lag ich da und ich wollte mir selbst zurufen "Steh auf. Es ist zu kalt, Narjan. Komm schon!" Aber mein Körper rührte sich nicht und ich, außerhalb meines Körpers, fühlte mich plötzlich wie magisch angezogen vom See. Ich tauchte ein in die dunklen Tiefen und spürte keine Kälte. Losgelöst von allem ging es mir endlich wieder gut. Oder fühlte ich nur einfach gar nichts mehr? Auf dem Weg zurück zur Oberfläche versperrte mir eine dünne Eisschicht den Weg. Aber ich wollte hier eh nicht mehr weg. Beide Hände an die Fläche gelegt, starrte ich nach oben in den Himmel dem Mond entgegen. Er schien mich mitleidig anzusehen. Mein Blick fiel auf meinen rechten kleinen Finger. Er war vollkommen blau angelaufen. Aber das kümmerte mich jetzt nicht mehr. Ich schloss die Augen und trieb gedankenlos vor mich in. Zugedeckt mit einer dünnen Decke aus Eis, einem Laken aus kühlem Nass und dem Mond als treues Nachtlicht. ~~*~~ In einem kleinen Einzimmer Appartment in Paris schreckte Charlie schweiß gebadet aus einem Alptraum auf. Keuchend saß er aufrecht im Bett. Die Hände vor den Mund geschlagen, kam er langsam wieder zu sich. Als er seine Hände von seinem Gesicht fort nahm, sah er im Licht des Mondes, das durch sein Dachfenster hereinschien, dass sein linker kleiner Finger komplett blau angelaufen war.... Kapitel 5: Es warst eben doch immer du. --------------------------------------- Rakan war außer sich vor Wut. So überaus wütend... auf sich selbst. Warum hatte er Narjan nicht gewarnt? Gut, er hatte nicht ahnen können wozu es seinen Neffen treiben würde, dass sein Seelenpartner ihn zeitweise verließ. Irgendwie hatte er im Innersten gehofft, dass Narjan über die Distanz hinweg bemerken würde, dass ein Mensch nicht die passende Wahl ist. Dass Ihre Lebensspannen, Ihre Wesen sich zu sehr unterschieden als, dass sie jemals miteinander glücklich werden könnten. Aber was hatte er sich da nur angemaßt?! Es war ganz allein die Entscheidung seines Neffen an wen er Herz und Seele verlor. Und vielleicht reichten einige glückliche Jahre Narjan über all die Jahre hinweg, die sein Partner ihn früher verlassen würde. Es war schlicht und einfach egal. Er musste etwas unternehmen bevor sein Neffe nicht mehr zu retten war. Denn ein Körper, auch der eines Kitsune (Fuchsdämonen) konnte nur bedingte Zeit ohne seine Seele fortbestehen. ~~*~~ Die Eltern von Charles waren überraschend leicht zu überzeugen. Nicht zuletzt, weil sie heute morgen einen alarmierenden Anruf von Charlies Onkel Claude erhalten hatten. Charlie war momentan beim Arzt und ließ seinen Finger untersuchen. Unter diesen Umständen würde er den wichtigen Einstufungstest nicht absolvieren können. Zum Goldschmied brauchte man nun mal zu allererst seine Hände. Und wenn ein Finger blau angelaufen war und schmerzte, waren das keine guten Voraussetzungen. Der Arzt hatte ihn nun erst einmal zwei Wochen krank geschrieben. Marie van Strauss rief nach Rakans Erklärungen - und dieser hatte sie wirklich vollkommen ins Bild gesetzt auf sämtliche Konsequenzen pfeifend - sofort in Paris an und bat Charlie doch nach Hause zu kommen, damit sein Finger in Ruhe genesen konnte. Sie wusste es wäre nicht klug Charlie am Telefon zu erzählen, was mit Narjan geschehen war, deshalb versuchte sie ihre Stimme so ruhig wie möglich zu halten. Charlie war schnell überredet. "Ja, Mam. Ich glaube auch, dass es ganz gut ist, wenn ich mich zu Hause auskuriere. Narjan wird sich sicher freuen, dass ich zu seinem Geburtstag jetzt doch kommen kann und den Test kann ich nächsten Monat nachholen. Hab schon alles geregelt." "Wunderbar, mein Schatz. Dann komm Heim. Ich habe dir den Flieger in 2 Stunden vom Flughafen Charles-de-Gaulle aus gebucht. Bis heute Abend." "Alles klar, Mam. Dankeschön. Ich hab Dich lieb." Marie lächelte "Ich Dich auch." Und das meinte sie auch. Wen kümmerte es, ob Ihr Sohn Seelenpartner eines Kitsune war? Dieser Fuchsdämon war der liebste Junge, den sie sich vorstellen konnte und wollte immer nur das Beste für Charlie. Was konnte sich eine Mutter mehr wünschen, als dass Ihr Sohn von seinem Partner / seiner Parterin geliebt wurde?! Sie blickte mit warmen Augen zu Ihrem Mann und sah den liebenden Blick erwidert. Es war schön zu wissen, dass ihr Sohn nicht allein sein würde, wenn sie und Peter einmal nicht mehr waren. ~~*~~ Völlig außer Atem stürmte Charlie seinen Eltern, Rakan und dessen Frau voran in Richtung See. Er konnte nicht fassen, was ihm seine Mutter wenige Mintuten zuvor möglichst einfühlsam erklärt hatte. Narjans Seele hatte vor lauter Kummer über seine Abwesenheit seinen Körper verlassen. Er würde sterben, wenn Charlie ihn nicht irgendwie zurück holte. Das war alles wirklich schrecklich gelaufen. Er machte sich solche Vorwürfe! Dabei wollte er doch nur, dass Narjan stolz auf ihn war. Und dass sie später etwas zusammen hatten. Ein kleiner Schmuckladen mit selbst Geschmiedetem neben Narjans Tempel war Charlies Traum seit er ein kleiner Junge war. Er wusste schon damals, dass sie für immer zusammen bleiben würden. Und er hatte sich selbst gut zugeredet diese paar Jahre Ausbildung locker zu überstehen, weil er ja wusste warum er die Distanz und die Mühen auf sich nahm. Eine gemeinsame Zukunft. Natürlich hatte er für Narjan Paris ein bisschen bunter und aufregender beschrieben, aber größtenteils hatte er damit auch sich selbst zu überzeugen versucht, dass es gar nicht so schlimm war von Narjan getrennt zu sein. Es war ja nicht auf Dauer. Endlich. Noch nie war ihm der Weg zum See so lange vorgekommen. Keuchend warf er sich neben Narjans Körper zu Boden. Sanft strich er ihm einige Haarsträhnen aus dem viel zu kalten Gesicht. Mit beiden Händen griff er nach den Händen des Fuchsdamöns, dem sein Herz gehörte. "Bitte, Narjan. Verlass mich nicht! Ich brauche Dich so sehr!" Schluchzend brach es aus Charlie hervor, während er sich zu einem sanften Kuss herabbeugte. Seine warmen Lippen trafen auf den viel zu kalten Mund. Die leicht bläuliche Färbung zog seinen Blick magisch zu Narjans rechtem kleinen Finger. Als Charlie seinen linken kleinen Finger bei Narjans rechtem kleinen Finger einhakelte, spürte er wie ein Ruck durch den Körper des Fuchsdämons ging. Narjans Kopf wandte sich in Richtung See und gleich darauf hatte wieder alles Leben den Körper verlassen. Verdutzt blickte auch Charlie zum See. Er ging näher heran und sah unter der Eisdecke die durchsichtige Gestalt Narjans schwimmen. Völlig verwirrt flog sein Kopf hin und her zwischen Körper und Seele. Etwas erzählt zu bekommen war einfach doch anders als es live zu erleben. Das war mit Abstand das gruseligste was er bisher je gesehen hatte... Aber jetzt musste er sich zusammen reißen! Beherzt rutschte Charlie auf Knien näher und schlug mit der flachen Hand auf die Eisfläche! "NARJAAAAN! Oh mein Gott! Bitte! Geh in deinen Körper zurück! Bitte verlass mich nicht! ICH LIEBE DICH DOCH!" Sekunden zogen zäh dahin und Charlie kam es wie eine Ewigkeit vor... Plötzlich riss die geisterhafte Gestalt unter der Eisschicht die Augen auf und starrte Charlie ins Gesicht. Verwunderung, Glückseligkeit und ein zauberhaftes Lächeln zogen in Sekundenbruchteilen über Narjans geisterhaftes Gesicht. Im nächsten Moment spürte dieser, wie er aus dem eisigen See herausgezogen wurde. Es fühlte sich an wie ein samtenes Band, das ihn am Finger umschloss und in seinen Körper zurück zog. Charlie stolperte vom Seeufer fort, wieder hin zu Narjans Körper. Rakan, seine Frau Sinka und Charlies Eltern sahen das schwache Leuchten, das Narjans Körper umgab und staunten als der Fuchsdämon endlich flatternd die Augen öffnete. "Charlie." War das einzige Wort, das Narjan hervorbrachte und das Echo war enorm. Allen rannten die Tränen aus vollen Augen über die Wangen und Charlie war sprachlos vor Glück. Er hatte es geschafft. Er hatte Narjan retten können. Kapitel 6: Und zum Glück war ich es auch für Dich. -------------------------------------------------- Ganz dumpf hörte ich Charlie nach mir rufen. Aber das musste ich mir einbilden. Charlie war fort. Wer wusste schon, ob er je aus Paris zurück kehren würde? Ich musste mich damit abfinden. Wo der Schmerz soweit weg war, konnte ich doch endlich loslassen... Da klopfte etwas. Im nächsten Moment brachte ein Ruck an meinem Finger mich dazu meine Augen zu öffnen. Das konnte nicht sein... Charlie?! Verwunderung und Freude überrollten mich wie eine Flutwelle. Herrje, warum konnte ich denn nichts sagen? Da erinnerte ich mich wieder. Hier unter der Eisdecke war nur meine Seele. Mein Körper wartete am Ufer auf mich - und mit ihm mein Charlie. Ein samtenes Band an meinem Finger zog mich zurück in meinen Körper, zurück zu meinem Seelenpartner. Meinen steifgefrorenen Lippen entkam nur ein Wort. Der Name meines kleinen Lieblings. ~~*~~ Die nächsten Tage wurde ich von Charlie geradezu in Watte gepackt. Er hatte mich zu sich nach Hause mitgenommen und Rakan und Sinka gebeten sich um meinen Tempel zu kümmern. Charles kuschelte stundenlang mit mir in seinem Bett, oder auf dem Sofa im Wohnzimmer seines Elternhauses. Wir aßen gemeinsam mit Charlies Eltern, die gar nichts seltsam daran zu finden schienen, dass wir uns stets an den Händen hielten und keusche Küsse auf Wange und Stirn miteinander tauschten. Ich traute mich nicht etwas zu sagen, denn ich wollte nicht, dass es aufhörte. Aber irgendwann mussten wir darüber reden, wie es nun weitergehen sollte. "Ich habe lange und ausführlich mit Deinem Onkel Rakan telefoniert, als Du vor ein paar Stunden auf mir eingeschlafen bist." Blinzelnd blicke ich von Deinem Schoß aus hoch in Dein Gesicht und drücke meinen Hinterkopf unsicher gegen deinen Bauch. "Schau mich nicht so traurig und unsicher an." grinst Du frech und wuschelst mir sanft durch mein weißes Haar. "Du weißt ich liebe Dich und ich habe eine Möglichkeit gefunden, damit Du Dich sicher genug fühlst mich auch mal ein paar Tage zu entbehren. Außerdem würdest Du dadurch die Unabhängigkeit erlangen, Deinen Tempel für längere Zeit zu verlassen und mich so nach Paris begleiten zu können." Erstaunt blicke ich Dich an und traue mich zu fragen "Wieso hat Rakan das Dir erzählt, aber nicht mir?" "Naja, erstens hat er wohl gehofft, dass Dich das mit uns beiden nicht so aus der Bahn werfen würde, weil ich ja nur ein Mensch bin und zweitens hast Du jetzt, nachdem Du mich zurück hast, noch nicht mit Rakan gesprochen. Ich glaube er denkt Du bist wütend auf ihn, weil er Dich nicht ins Bild gesetzt hat, wegen Deinem Finger und Dich nicht gewarnt hat, was passieren könnte..." Mein wildes Kopfschütteln entlockt Dir ein Lächeln. "Ich weiß." sagst Du nur. "Das erklären wir ihm später zusammen. Aber jetzt will ich Dich erst mal was fragen." Meine Augenbrauen berühren fast meinen Haaransatz, was wohl wirklich Aufforderung genug ist weiter zu sprechen und Du lächelst, während du fragst "Liebst Du mich so sehr, dass ich Dein sein soll? So sehr wie ich Dich? Würdest Du mich heiraten?" Vollkommen verdutzt starre ich Dich an. "Ja." presse ich überglücklich hervor und stemme mich hoch um Deine Lippen zu berühren. Sanft treffen sich unsere Münder und wir tauschen einen liebevollen Kuss. Meine Hände verschwinden in deinen braunen wuscheligen Haaren und genießen deren weiche Textur. Deine Hände stützen sich auf meine Schultern. "Rakan wird sich um alles kümmern. Die Kleidung, den Zeremonienmeister und den Zeitpunkt. Er gibt uns Bescheid." Ich nicke nur und sinke in eine Umarmung. Und dann war es schon fünf Tage später so weit. Charlies Eltern waren leicht erstaunt, aber stimmten zu. Das war alles was nötig war. Und nächste Woche musste Charlie ja schon zurück nach Paris und seine Ausbildung fortsetzen. Aber diesmal würde er nicht allein gehen. ~~*~~ Während der Zeremonienmeister - ein höherer Dämon aus dem Schlangenklan - die heiligen Worte sprach, hatten Charlie und ich uns fest an den Händen. Die blaue Einfärbung unserer kleinen Finger ging zurück, bis es an unserer beider Finger nur noch ein blaues Band, wie die Tatöwierung eines Rings, war. Nach dem letzten Segnungsspruch warf ich Charlies weiße Haube zurück, um seine zarten Lippen zu küssen. Beide trugen wir an japanisches Hochzeitsgewand angelehnte Kleidung. Mein schwarzes Gewand gab einen schönen Kontrast zu Charlies weißem. Und wie auf ein Stichwort begann es nach unserem Kuss zu regnen. Da die Sonne trotzdem mit aller Kraft schien an diesem eher warmen Wintertag, zog sich ein großer Regenbogen über den Platz. Wir hörten Charlies Mutter flüstern "Wenn es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint, dann findet irgendwo eine Fuchshochzeit statt. Das hat mir meine Mutter mal erzählt. Sie hatte also Recht. Heute heiratet unser Sohn seinen geliebten Fuchsdämon und schon spielt das Wetter verrückt, um einen Regenbogen zu bilden." Charlies Vater, Rakan, Sinka und einige andere anwesende Dämonen konnten ein Lachen nicht zurückhalten. Auch Charlie und ich mussten kichern. Wir würden es gemeinsam schaffen. Ich würde Charlie so oft wie möglich begleiten, bis er mit seiner Ausbildung fertig war. Dann würden wir uns um die Eröffnung seines kleinen Schmuckgeschäfts neben meinem Tempel kümmern. Und wenn es an der Zeit war und er mich irgendwann nach langen gemeinsamen Jahren verließ... würde ich ihm nachfolgen. Denn es gab nur eine Liebe für mich. Nur einen Charlie. So wie es für ihn nur mich gab. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)