A Winters Tale von rea_seraph ================================================================================ Kapitel 3: Während du schliefst... ---------------------------------- Die Überlegungen die mich in letzter Zeit immer häufiger plagten, ließen mich kaum noch schlafen. Ich konnte kaum fassen, wie sehr ich Charles - meinen frechen, süßen, tollpatschigen Charlie - in mein Dämonenherz geschlossen hatte. Jeder Tag an dem wir uns nicht sahen war ein Verlorener. Ich wachte auf mit dem Gedanken an ihn und schlief ein mit einem stummen Gute-Nach-Gruß im Geiste an meinen besten Freund. An den Menschen, der für mich viel mehr war als nur Wegbegleiter und Spielkamerad. Ein Wesen, das mir das Gefühl gab ganz zu sein. Gesund und stark. Mir wurde immer mehr klar, dass das nicht gut sein konnte. Ich fühlte mich furchtbar unruhig in den letzten Tagen. Als spürte ich ein Unheil herannahen. Was sich für mich auch bewahrheiten sollte... Charlie hatte die letzten Wochen nicht so oft Zeit gehabt mir einen Besuch abzustatten, da er mit seinen Prüfungsvorbereitungen in der Endphase war. Er hatte sein Abitur aber so gut wie in der Tasche, denn Charlie war fleißig, zielstrebig und stur. Das zeigte sich schon daran, wie er in der fünften Klasse direkt ein Jahr überspringen konnte, da sein Bildungsniveau dafür mehr als ausreichend war. Er hatte mir anvertraut, dass er die Hochschulreife nur seinem Vater zuliebe erwarb, denn mein Kleiner hatte momentan nicht vor zu studieren. Aber sein Vater Peter war der Meinung das könne sich immer noch ändern im Laufe eines Lebens und vernünftig wie sein Sohn war, nahm er den Rat seines Vaters an und brachte seine Schule zum Abschluss. Obwohl ihm die Mittlere Reife, die er schon erlangt hatte, vollkommen reichte um eine Lehre als Goldschied zu beginnen. Diesen Berufswunsch hatte Charlie schon vor über sechs Jahren kund getan. Und heute mit seinen süßen 17 war sein Wunsch noch so lebendig wie eh und jeh. Er würde Goldschmied werden, wie sein lieber Onkel Claude in Paris. Dieser weißhaarige Mann, der mit seiner Hornbrille und seiner schlanken Statur sehr distinguiert wirkte, hatte wohl sogar eine eigene Werkstatt und einen Verkaufsladen namens »Refugium«. Das hatte ich vergangenes Weihnachten von eben jenem Mann, der über die Feiertage zu Besuch war, selbst erfahren. Meine Gedanken wurden abrupt unterbrochen als Charlie in meinen Tempel herein gestürmt kam. Lachend warf er sich mir in die Arme und während ich meine Nase in seinem gutduftenden Haar versteckte, erzählte er mir "So, mein Lieber! Letzte Prüfung endlich hinter mir! Jetzt heißt es nur noch abwarten mit welchen Noten ich bestanden habe." Grinsend entgegnete ich ihm "Bist du dir so sicher, dass du es geschafft hast?" Mein triezender zweifelnder Ton brachte dich auf die Palme und du entwindest dich meinen Armen. "Du wirst schon sehen und dann anschließend vor Begeisterung auf die Knie fallen und mir, deinem einzig wahren Gott, huldigen!" Auf diese Frechheit fiel mir nun wirklich nichts mehr ein und als mir das Bild durch den Kopf ging, wie ich mich vor ihm auf die Knie warf, lief ich vor Verlegenheit rot an. Verwirrt legte Charlie den Kopf leicht schief und sah mich mit seinen schokoladigen Augen musternd an "Du wirkst ein wenig blass und verschlafen. Gehts dir nicht gut, Narjan?" Ertappt wich ich seinem forschenden Blick aus und setzte mich auf mein Lieblingssitzkissen. "Nein. Alles Ok. Mach dir keine Gedanken!" Sein Blick blieb zweifelnd und er würde das Thema nicht endgültig fallen lassen. Das wusste ich. Aber er würde nicht weiter in mich dringen und das reichte mir für den Moment. Vielleicht fiel mir bis später eine Ausrede ein. Nach kurzem Kratzen an seinem Hinterkopf, fiel Charlie noch etwas Dringlicheres ein. "Oh, Narjan! Du wirst nicht glauben, was ich dir jetzt erzähle!" Er warf sich neben mir auf das Sitzkissen und während wir uns aneinander kuschelten, fing Charles an aufzudecken, warum er so aufgedreht war. "Also, du weißt doch, dass ich unbedingt Goldschmied werden will. Und da hab ich gedacht, ich schreib meinem Onkel Claude einen Brief um anzufragen, welche Werkstätten er mir empfehlen kann, wo ich das Handwerk am Besten lernen kann. Und er hat mir doch tatsächlich zurück geschrieben, dass er mich liebend gerne ausbilden würde! Dabei hat er immer gesagt, er bildet niemanden aus! Aber für mich macht er eine Ausnahme. Ich soll ihm Bescheid geben, sobald ich meine Prüfungen bestanden habe. Dann macht er mich für einen Ausbilderschein und ich kann Ende des Jahres im Oktober meine Lehre bei ihm beginnen. Das dauert dann zwei einhalb Jahre und ich kann sogar bei ihm wohnen. In Paris. Kannst du dir das vorstellen?! Meine Eltern sind begeistert. Das wird soooo cool. Oh mein Gott. Du musst mich unbedingt besuchen kommen! Aber ich komme sowieso jeden Monat ein Wochenende nach Hause und zu deinem Geburtsag am 24.12. und den Feiertagen." In seiner Begeisterung bemerkte Charles meine zurückhaltende Reaktion zunächst nicht. Innerlich starb ich tausend Tode. Charlie würde mich im Oktober verlassen. Wahrscheinlich für immer. Wer konnte schon garantieren, dass er wiederkäme?! Zunächst würde er sicher noch, wie versprochen, jeden Monat nach Hause kommen. Aber dann würde er Freunde finden, vielleicht sogar die Liebe und dann würde er sich irgendwann nicht mehr an mich erinnern. Wenn seine Eltern noch die obligatorischen Briefe zu Geburtstagen und Weihnachten bekämen, würde ich irgendwann keine Ahnung mehr haben, was im Leben meines Kleinen vor sich geht. Denn ich würde kein Teil mehr davon sein. Oh Gott. Es brach mir das Herz. Panisch versuchte ich die aufsteigenden Tränen fortzublinzeln, als ich deinen forschenden Blick bemerkte. "Du weißt doch, dass ich dir schreiben werde?! Und jeden Monat sehen wir uns. Auf jeden Fall! Außerdem kannst du mich doch besuchen kommen." Ich schüttelte nur sanft den Kopf. "Charlie, du weißt doch, dass Rakan nicht länger als 1 bis 2 Tage auf meinen Tempel mit aufpassen kann. Dafür rentiert es sich kaum nach Paris zu fliegen. Und außerdem ist das alles sehr teuer." "Oh, ich weiß, Narjan. Aber ich kann dir das Geld für die Flugkosten doch schenken." Wieder schüttelte ich nur leicht den Kopf und strich ihm sanft durch seine, noch immer so, wuscheligen Haare. "Das ist schon in Ordnung, Charlie. Ich freue mich für dich und jetzt ist gerade mal Sommer. Es sind ja noch ein paar Monate bis zu deiner Abreise. Und dann wirst du mich jeden Monat besuchen kommen und in zwei einhalb Jahren bist du wieder mein Fast-Nachbar." Ich drückte seinen schmalen Körper an mich und versteckte meinen traurigen Gesichtsausdruck in seinem Nacken. Denn ich glaubte meinen Worten selbst nicht. Charlie schien jedoch beschwichtigt. "Genau! Also Kopf hoch, Narjan! Wie siehts aus mit schwimmen gehen?" Nickend fasste ich seine Hand und zog ihn vom Sitzkissen hoch, während ich selbst aufstand. Lachend und uns gegenseitig schubsend machten wir uns auf zum nah gelegenden See. In jeder Geste und jedem Blick hing für mich nun eine Ewigkeit. Denn unsere Freundschaft hatte jetzt ein Ablaufdatum. Bis Oktober noch. Solange noch gehörst du mir.... ... und dann lasse ich dich ziehen. Weil ich dich liebe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)