Last Desire 6.5 von Sky- (Just another Desire) ================================================================================ Kapitel 11: Jeremiels Geständnis -------------------------------- Jeremiel suchte überall nach Liam, aber in diesem weitläufigen Anwesen war es schon schwierig, ihn zu finden. Schließlich traf er auf Johnny, der sich gerade mit Gishi am Streiten war. Diese war tierisch sauer und rief „Verdammt noch mal, du Psycho. Wenn du dich schon um die beiden Ratten im Keller kümmern musst, dann lass wenigstens mein Werkzeug in Ruhe. Man repariert damit Autos und rammt das nicht in irgendwelche Körperöffnungen rein, verdammt!“ „Sorry Schnecke, ist ne Anordnung von Liam gewesen.“ „Ist mit scheißegal was er sagt. Du lässt deine verdammten Griffel von meinem Werkzeug. Oder noch besser: steck es dir selbst in den A…“ Gishi unterbrach kurz, als sie bemerkte, dass Jeremiel auf sie und Johnny zukam und wandte sich ihm zu. Sofort grüßte Johnny ihn breit grinsend und rief „Hey Jerry, willst du bei unserem kleinen Zickenkrieg auch gleich mitmischen?“ „Nein danke. Ich suche Liam, habt ihr ihn gesehen?“ Johnny antwortete nicht sofort, sondern verschränkte die Arme und sein Grinsen hatte schon fast etwas Anzügliches an sich. Er war immer so unausstehlich, wenn er ehrlich war. „Na klar doch. Er ist mit Marcel in seinem Büro, aber er ist gleich weg, weil er noch nachher geschäftlich unterwegs ist. Na? Habt ihr zwei Turteltäubchen etwa irgendwas da am Laufen?“ „Nein, aber ich muss einfach mit ihm reden.“ „Dann lass dich mal nicht aufhalten.“ Damit ging Jeremiel weiter und ließ die beiden Streithähne erst mal alleine. Dummerweise wusste er nicht so wirklich, wo Liams Büro war und so musste er erst einmal eine Weile suchen. Irgendwann aber fand er schließlich ein Zimmer, das wohl Liam gehören musste. Es war leer, aber Jeremiel ging trotzdem hinein, um sich näher umzusehen. Dabei machte er eine etwas seltsame Entdeckung, die ihn stutzig machte: auf einem Tisch lagen mehrere Röntgenaufnahmen oder Bilder von Tomographien. Sie zeigten Frakturen, Blutungen, Tumore und noch andere Dinge und jedes Bild war mit Namen versehen. Stimmt ja, dachte Jeremiel, als er das sah. Liam ist ja nicht nur im organisierten Verbrechen tätig, sondern auch Chirurg. Ob es auch zu mir irgendwo eine Akte gibt? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Er fand schließlich einen Aktenschrank, wo er nach einigem Suchen tatsächlich fündig wurde. Die Akte enthielt einen Operationsbericht in typisch medizinischer Fachsprache, wo noch mal genau erläutert wurde, was Liam alles gemacht hatte und wie er dabei vorgegangen war. Dabei fand er auch die CT-Bilder, wo sich die Missbildungen in seinem Gehirn abzeichneten. Schäden im Limbischen System… Jeremiel wusste, dass dieser Bereich für Gefühle zuständig war, ebenso wie das moralische Empfinden von richtig oder falsch. Wenn Aussetzer dort auftraten, konnten Menschen nicht mehr zwischen Gut oder Schlecht differenzieren und all ihr moralisches Denken wurde komplett ausgeschaltet. In diesem Zustand waren diese Menschen auch zu Mord fähig weil sie in diesem Zustand nicht erkannten, dass das, was sie da taten, ein Verbrechen war. Dann war das, was er getan hatte, also auch auf diesen Defekt zurückzuführen. Des Weiteren lagen noch andere neurologische Schäden vor, die es ihm vor seiner Amnesie unmöglich gemacht hatten, auch körperliche Empfindungen wie Schmerzen oder Hitze und Kälte wahrzunehmen. Und Liam hatte das alles bei ihm behoben, damit er ein normales Leben führen konnte? Aber wie hatte er das geschafft, ohne Spuren einer Operation zu hinterlassen? Er fand diesbezüglich keine eindeutigen Angaben und fand hauptsächlich Informationen darüber, wie die Schusswunde operiert worden war. Moment mal… hatte Eva nicht gesagt, dass sie und Liam parasitäre Bewusstseinsformen waren, die sich in die Körper der Menschen einnisten und den Körper dann nach ihren Vorstellungen verändern konnten? War es also möglich, dass Liam so etwas mit ihm gemacht hatte? Er musste ihn einfach fragen. Jeremiel legte die Akte wieder zurück und machte sich wieder auf die Suche. Irgendwann schließlich fand er das Büro, wo Liam gerade mit Marcel was besprach und einen sehr beschäftigten Eindruck machte. Da er nur ungern stören wollte, beschloss er zu warten. Er wartete knapp eine Stunde vor der Tür, bis schließlich Marcel herauskam. Dieser bemerkte Jeremiel aus den Augenwinkeln und fragte „Möchtest du zu Liam?“ „Ja, ich will mit ihm reden.“ „Dann beeil dich, er hat geschäftlich zu tun.“ Der 25-jährige ging rein und betrat das Büro. Liam saß am Schreibtisch und hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und dachte offenbar über irgendetwas nach. Als er dann aber Jeremiel bemerkte, da war für einen kurzen Moment wieder dieser Ausdruck von Schwäche in seinen Augen. Aber auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn da fand er seine kühle und autoritäre Haltung wieder und fragte „Kann ich dir helfen?“ „Ich möchte gerne mit dir reden. Es gibt da einige Dinge, die ich wissen muss.“ Nachdem er die Tür geschlossen hatte, ging Jeremiel zu ihm hin. Sein Blick hatte etwas Forschendes und schon fast Lauerndes angenommen. Derselbe Blick wie sein Bruder, dachte Liam, als er ihn so betrachtete. Zwar gibt es immer noch einige Unterschiede, aber die Ähnlichkeit der beiden ist in den letzten Tagen immer deutlicher geworden. Er ist gar nicht mehr wiederzuerkennen. Schließlich setzte sich Jeremiel auf einen Stuhl. Nun ja, er hockte sich mehr darauf und legte nachdenklich sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema Gefühle auseinandergesetzt und dabei auch darüber nachgedacht, was du gesagt hast. Ich weiß, dass ich absolut hilflos und überfordert in dem Sinne bin. Auch habe ich einfach nicht verstanden, was du wolltest und deshalb habe ich versucht, mehr darüber herauszufinden. Ich habe mir Rat von Delta und Johnny geholt und Bücher gelesen, trotzdem bin ich immer noch sehr langsam und ich erkenne viele Dinge nicht, die für andere offensichtlich erscheinen. Deshalb tut es mir auch leid, dass ich erst jetzt zu dir komme und nicht schon viel früher.“ Es war deutlich zu sehen, dass Liam unruhig war. Zwar konnte er sich seine kühle charismatische Ausstrahlung bewahren, doch er konnte es nicht mehr für lange. Jeremiel hatte sich intensiv genug damit beschäftigt und war inzwischen in der Lage zumindest halbwegs zu erkennen, dass Liam nervös war und vielleicht auch Angst hatte. Aber so ganz hundertprozentig sicher war er sich da auch noch nicht wirklich. Er atmete tief durch und schwieg eine Weile, dann aber stand er auf, ging um den Schreibtisch herum und beugte sich zu Liam herunter, dann küsste er ihn. Ganz eindeutig. Es fühlte sich vollkommen anders an, als Delta ihn geküsst hatte. Sein Herz begann zu rasen und ihm war, als würde ihm irgendetwas die Luft abschnüren. Liam war verwirrt darüber und mit einem Mal war auch diese charismatische Ausstrahlung endgültig gewichen. „Und was sollte das jetzt?“ fragte er und wollte immer noch so kühl und distanziert erscheinen, aber er scheiterte kläglich an dem Versuch. Jeremiel brauchte selbst einen Moment um sich zu sammeln, dann aber atmete er wieder tief durch und erklärte „Ich glaube, ich bin dir verfallen, Liam.“ Der Unvergängliche brachte kein Wort hervor, als er das hörte und war nicht imstande, darauf zu reagieren. Es kam einfach viel zu überraschend. „Als ich bei Norman und Mr. Fincher war, da habe ich es gehasst, dass sie mich so angefasst haben. Es war für mich unerträglich gewesen, aber bei dir war es irgendwie anders, auch wenn es ziemlich wehgetan hat. Ich war dir nicht böse deswegen, stattdessen konnte ich nicht aufhören an dich zu denken. Und dann hat mein Herz immer so schnell geschlagen und ich habe mich immer so merkwürdig gefühlt. Ich konnte diesen Kuss einfach nicht vergessen und so bat ich schließlich Delta darum, mich zu küssen, weil ich sichergehen wollte, dass es nicht bloß eine normale körperliche Reaktion auf einen Kuss wäre, ganz unabhängig von der Person. Aber bei Delta war es nicht so wie bei dir. Mein Herz hat da nicht schneller geschlagen und es fühlte sich auch ein wenig unangenehm an. Das war nur bei dir so. Ich kann nicht aufhören an dich zu denken und mich zu fragen, wie du dich fühlst und wie traurig du ausgesehen hast. Mag sein, dass ich ziemlich langsam im Erkennen von Gefühlen bin, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass ich mich in dich verliebt habe.“ Liam sagte rein gar nichts. Wahrscheinlich gingen ihm in diesem Moment tausend Gedanken durch den Kopf. Vielleicht aber war er momentan nicht fähig, überhaupt an etwas zu denken. Er war wie erstarrt und begriff offenbar nicht so wirklich, was eigentlich passiert war. Und so ganz konnte er es auch nicht glauben. „Du musst dich irren“, sagte er schließlich und fand seinen kühlen und autoritären Ton wieder. „Nach allem, was ich dir angetan habe, kannst du doch unmöglich so etwas für mich empfinden.“ „Das hat mich ja auch verwundert. Aber Gefühle sind nun mal irrational und können nicht logisch erklärt werden. Zumindest nicht zu hundert Prozent. Und die Symptome lassen einfach keinen anderen Schluss zu. Ich habe mich in dich verliebt, trotz allem was passiert ist.“ „Aber warum?“ „Vielleicht, weil ich dein Licht gesehen habe, das du in dir trägst. Ich habe mich irgendwie so… so gut gefühlt, als ich es gesehen habe. Ich weiß auch nicht, wie ich es beschreiben soll und was das für ein Gefühl war. Es war so, als bräuchte ich keine Angst mehr zu haben und als würde mir aller Schmerz genommen werden.“ Jeremiel versuchte angestrengt, das richtige Wort dafür zu finden und ging noch mal alles durch, was er gelesen hatte und welche Empfindungen mit bestimmten Gefühlen verbunden wurden. Dann aber hatte er wohl nach einer Weile das richtige Wort gefunden. „Ich… ich habe mich sehr geborgen gefühlt in deinem Licht.“ Immer noch war Liams Gesicht unbewegt und er begriff anscheinend noch nicht so ganz, dass das hier gerade wirklich passierte. Er hatte Jeremiel eine Fußkette angelegt und ihn im Zimmer eingesperrt, er hatte sich so eiskalt ihm gegenüber verhalten und ihn dann auch noch zum Sex genötigt und ihm dabei so wehgetan. Wieso nur? Wieso hasste er ihn denn nicht? Das begriff der Unvergängliche einfach nicht, aber dennoch kam ihm das so bekannt vor. Nikolaj… Er hat sich damals auch nicht von meiner Art abschrecken lassen. Obwohl ich versucht habe, die ganze Welt auszuschließen, weil sich sowieso alle vor mir gefürchtet haben, ist er nicht gegangen. Nein, je mehr ich ihn von mir weggestoßen habe, desto näher kam er mir. Und jetzt geschieht das alles ein zweites Mal. All diese Gefühle und dieses Durcheinander. Hatte Eva vielleicht gewusst, dass es erst zur Eskalation kommen muss, damit wir beide zueinander finden und hat sie deshalb den Part übernommen, Jeremiel die Wahrheit zu sagen? Einfach aus dem Grund, damit ich das nicht tun musste und damit ich stattdessen auf ihn zugehen und mit ihm ins Gespräch kommen konnte? Kann es sein, dass ich meine Schwester doch irgendwie falsch eingeschätzt habe? Liam sah Jeremiel an, der sich offenbar wirklich Mühe gegeben hatte, seinen Gefühlen irgendwie Ausdruck zu verleihen. Und für so einen unerfahrenen Menschen wie ihn war das wirklich ein gewaltiger Fortschritt. Schließlich erhob er sich und sah auf Jeremiel herunter, der gut und gerne 15 Zentimeter kleiner war, da Liam schon fast an die zwei Meter heranreichte. Sanft strich er über die Wange des 25-jährigen und sah ihm tief in die Augen. „Und du bist dir wirklich sicher? Gefühle kann man falsch verstehen und ich will nicht, dass du dich meinetwegen wieder so schlecht fühlst. Ich will dir nicht wehtun, nicht noch einmal. Bevor das passiert, begrabe ich lieber meine Gefühle für immer und lasse dich gehen. Und außerdem hast du doch selbst gesagt, dass es unnatürlich ist, wenn zwei Männer sich lieben.“ „Das schon, aber Delta hat mir erklärt, dass ich mich geirrt habe. Man liebt, wen man liebt und daran ist nichts falsch. Und du sagtest doch selbst: wo Dunkelheit ist, wird es auch Licht geben. Und deshalb wird es zu allem was existiert, immer ein äquivalentes Gegengewicht geben. Also ist es doch nicht unnatürlich, wenn ich dich liebe.“ Einen Augenblick zögerte Liam noch, aber dann schloss er den 25-jährigen in seine Arme. Er drückte ihn fest an sich und Jeremiel spürte, wie der Unvergängliche zitterte. Er kämpfte immer noch mit seinen Emotionen und brach schließlich in Tränen aus. Zuerst war Jeremiel unsicher, was er jetzt genau tun sollte, aber dann entschied er sich einfach dazu, die Umarmung zu erwidern. So lagen sie sich eine Zeit lang in den Armen und sagten nichts. Wieder schlug sein Herz wie verrückt und er wurde irgendwie von diesem leisen Wunsch ergriffen, dass dieser Moment nicht aufhören würde. Doch dann löste sich Liam sofort wieder von ihm und zuerst war Jeremiel verwirrt und dachte zuerst, er hätte irgendetwas falsch gemacht, aber dann sah er die Angst in Liams Augen. Aber wovor hatte er denn Angst? Es gab doch keinen Grund, oder etwa doch? „Tut mir leid, aber… es geht nicht.“ Jeremiel war verwirrt und verstand nicht wirklich, was das zu bedeuten hatte. Er war ratlos und versuchte das für sich irgendwie zu erklären. Wieso nur wies Liam ihn zurück, obwohl er ihn liebte? Das war doch widersprüchlich. „Warum nicht?“ „Versteh mich nicht falsch. Ich liebe dich wirklich und ich würde wirklich alles für dich tun. Aber… ich habe etwas getan, was unverzeihlich war. Ich habe dich zu etwas gezwungen, was du nicht wolltest. Ich will dich beschützen, aber es hat sich gezeigt, dass ich die wohl größte Gefahr für dich bin. Deshalb ist es besser, wenn wir uns voneinander distanzieren.“ „Liam…“ „Nein! Es geht einfach nicht. Akzeptier das bitte und geh.“ Jeremiel versuchte noch, mit Liam zu reden, doch es hatte keinen Zweck. Er blieb hartnäckig und so blieb ihm nichts anderes übrig als zu gehen. Doch so wirklich schlauer als vorher war er auch nicht. Nur noch verwirrter. Er hatte irgendwie gedacht, dass sich jetzt alles klären würde. Aber stattdessen hatte es damit geendet, dass Liam ihm jetzt aus dem Weg ging. Das machte in seinen Augen einfach keinen wirklichen Sinn. Nachdenklich durchstreifte Jeremiel das Haus und traf schließlich auf Johnny, der ein wenig verstimmt aussah. Offenbar war der Streit mit Gishi irgendwie nicht so gut verlaufen. Als der Informant aber sah, wer da kam, da schwand sein missmutiges Gesicht und er setzte ein Lächeln auf. „Hey Jerry, wie geht’ wie steht’s?“ „Es geht. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde alles nur noch unverständlicher werden. Und was ist mit dir? Bist du wegen Gishi verstimmt?“ „Ach nein! Es ist nichts Besonderes. Weißt du, es sind nur ein paar Kleinigkeiten aber das renkt sich schon wieder ein.“ Johnny log, das merkte Jeremiel sofort. Für gewöhnlich, wenn dieser die Wahrheit sagte, war er ein unausstehlicher Mistkerl, vorlaut und respektlos. Aber Delta sagte mal, dass Johnny viel freundlicher wurde, wenn er log. „Was ist wirklich passiert?“ Johnny seufzte und kratzte sich dabei am Kopf. „Ach diese ganze Beziehungskiste finde ich einfach zum Kotzen.“ Er ging zusammen mit Jeremiel nach draußen auf die Terrasse, wo es zum Glück nicht ganz so heiß war. Der Himmel war bewölkt und ein kühler Wind wehte. Sie setzten sich in eine schattige Ecke und Johnny legte seine Beine auf dem Tisch ab. „Manchmal verstehe ich Delta nicht. Er ist ein totaler Nymphomane, der mit jedem in die Kiste steigt. Das weiß ich ja und ehrlich gesagt ist es mir scheißegal. Aber mir geht diese Dreieckskiste mit Marcel so auf den Senkel. Dieses ewige hin und her ist total anstrengend und nach über 400 Jahren, wo wir schon leben, müssten doch manche Dinge wenigstens halbwegs normal und geregelt ablaufen können. Ja ich gebe es zu, ich liebe es, Delta auf die Palme zu bringen. Er lässt sich nun mal so hervorragend ärgern und es wäre mir auch sonst zu langweilig. Ich hab ja auch kein Problem damit, dass er neben mir noch zig andere Typen hat. So eine einfache Beziehung ist nun mal nichts für ihn, aber ich finde es einfach ätzend, dass es sich auch mit den Gefühlen nicht anders verhält. Weißt du Jerry, es gibt ja tatsächlich so offene Beziehungen wo Paare dann einfach mal mit anderen schlafen, aber sie lieben sich immer noch. Aber Delta ist so flatterhaft, dass man nie wirklich weiß, ob er jetzt gerade mit jemandem herumvögelt, weil er mal wieder Notstand hat oder weil da auch Gefühle im Spiel sind. Zuerst fickt er stets und ständig mit Marcel, obwohl er ihn hasst und mich behandelt er wie einen Fußabtreter. Und kaum, dass du dazu kommst und Delta sich wie die reinste Glucke aufführt, da stürzt er sich wieder wie ein Liebestoller auf mich.“ „Ich bin schuld?“ „Das habe ich jetzt nicht gesagt. Aber es ist nun mal so, dass Delta und ich von Liam die Bitte erhalten hatten, uns gut um dich zu kümmern und dir so gut es geht zu helfen. Wir haben das gerne gemacht und dadurch, dass wir gemeinsame Interessen verfolgten, sind wir uns wieder näher gekommen und jetzt muss ich wieder damit rechnen, dass Delta sich wieder an Marcels Hals wirft und ich wieder der Mann auf der Ersatzbank bin. Ich sag’s dir, Jerry: Liebe macht nicht blind, sie ist geisteskrank!“ Jeremiel betrachtete Johnny, der aus den unzähligen Innentaschen seines Mantels eine Zigarettenschachtel herausholte und dann eine Zigarette anzündete. Schließlich aber hatte der 25-jährige eine Idee und fragte „Und wenn du einfach mal mit Delta Klartext redest? Ich meine, wenn es dir so missfällt, dann ist es doch das Beste, wenn du mit ihm darüber sprichst und ihm klar machst, dass du keine – wie du es gerade bezeichnest – Fußmatte bist. Wenn du deine Provokationen lässt und mal ernsthaft mit ihm redest, wird sich vielleicht eine Lösung finden.“ „Kann sein. Ich werde mal schauen, was ich mache. Aber was ist mit dir? Wie ich gehört habe, hast du schon mit Liam geredet. Habt ihr alles klären können?“ Jeremiel schüttelte den Kopf und erzählte von dem Gespräch mit Liam und dem etwas merkwürdigen Ausgang. Johnny hob erstaunt die Augenbrauen als er hörte, dass Jeremiel Liam seine Liebe gestanden hatte und wie Letzter ihn in den Arm genommen und dann geweint hatte. „Meine Fresse“, murmelte Johnny schließlich und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und blies einen Rauchkringel. „Das mit euch ist ja fast genauso abgefuckt kompliziert wie bei mir und Delta oder Delta und Marcel.“ „Ich verstehe nicht, wieso Liam mich auf einmal wegstößt, obwohl er mich doch liebt.“ „Na weil er Schiss hat. Was er mit dir gemacht hat, war ja quasi eine Vergewaltigung und vergiss nicht die Nummer mit der Fußkette. Für gewöhnlich bringt ihn rein gar nichts aus der Ruhe und wenn ihn irgendetwas beschäftigt, zeigt er es nie und meist macht er dann genau das, was er eigentlich nicht tun wollte. Und er denkt, dass er eine Gefahr für dich ist. Immerhin ist er Mafiaboss, ein Unvergänglicher mit gottesähnlichen Kräften wenn man bedenkt, dass er über Leben und Tod bestimmen kann, und er besitzt nicht gerade viel Feingefühl. Ach was heißt nicht viel? Der Kerl ist im Grunde wie ein Stachelschwein.“ „Wie ein Stachelschwein?“ fragte Jeremiel und runzelte die Stirn. „Sprichst du damit auf das Stachelschweinbeispiel von Arthur Schopenhauer an?“ „Ganz genau. Wenn Tiere frieren, rücken sie zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Aber Stachelschweine würden sich gegenseitig verletzen, wenn sie sich zu nahe kommen. Deshalb müssen sie einen geeigneten Abstand zueinander finden, damit sie sich einerseits wärmen, sich aber andererseits auch nicht verletzen können. So verhält es sich mit Liam. Er glaubt, dass er dich nur wieder verletzen würde, wenn er sich auf die Beziehung mit dir einlassen würde. Er ist nun mal ein dominanter Typ, da ist es auch ein wenig schwierig mit ihm.“ „Aber in meinem früheren Leben als Nikolaj habe ich es doch auch geschafft, oder etwa nicht? Also was soll ich am besten tun, Johnny?“ „Bleib einfach hartnäckig und lass dich nicht unterkriegen. Liam ist ein alter Dickschädel und denkt manchmal nicht richtig darüber nach, was er tut. Aber wenn du dran bleibst und genau weißt, was du willst, dann dürfte es schon gehen.“ Na hoffentlich behielt Johnny auch Recht. Denn Jeremiel war sich jedenfalls nicht sonderlich sicher, was er jetzt tun sollte. Aber eines wusste er jetzt schon: einfach so aufgeben war keine wirkliche Option. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)