Josephine Klick - Allein unter Cops von Peggy_Padouk ================================================================================ Kapitel 2: ----------- „Josephine.“ Ich schreckte von meinem Sitz hoch, als jemand meine Schulter schüttelte. Verschlafen rieb ich kurz meine Augen, bevor ich hochblickte. „Alex? Wie lange habe ich geschlafen?“ Er sah auf seine Uhr, bevor er antwortete. „Nicht lange. Vielleicht eine halbe Stunde.“ „´Ne halbe Stunde?“, fragte ich erschrocken. Verflucht nochmal. „Ist was passiert? Gibt es Neuigkeiten?“ „Nein, er wird noch verhört.“ Ich schnaubte. „Wie lange soll das denn noch gehen?“ „Die Kollegen sind genauso involviert wie wir, also wurde ihn der Fall abgenommen. Jetzt gibt es eine unabhängige Untersuchung. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob es ein Straf- und entsprechend ein Disziplinarverfahren geben wird. Du musst dich bereithalten. Wir sind die nächsten die befragt werden.“ Alex wirkte unruhig und ging wie ein eingesperrter Tiger auf und ab. „Alex, ist alles in Ordnung?“ Er blickte sich einen Moment um. Es saßen noch weitere Kollegen vom Einsatz im Aufenthaltsraum und warteten auf Ihre Vernehmung. Alex hockte sich vor mir hin und legte seine Hände an die Lehne meines Stuhls. Sein Blick wirkte ernst. „Josephine“, begann er mit gesenktem Ton. „Dir ist doch klar, wie solche Befragungen ablaufen.“ Ich nickte ihm zu, bevor er fortfuhr. „Alles was du heute sagst, kann über die Zukunft von Fritz entscheiden. Egal welche Probleme ihr in der Vergangenheit miteinander hattet, erinnere dich daran, was er heute für dich getan hat.“ Die letzten Worte klangen in meinem Kopf nach, wie ein Echo. `Was er heute für dich getan hat...´ Fritz hatte jemanden getötet um mich zu retten. Egal ob Serienmörder oder nicht, jeder Polizist fürchtete sich vor dem Moment in dem er ein Leben beenden musste. Noch dazu hatte er Clemens nicht bei einem unkontrollierten Schusswechsel getötet. Alex hatte mir alles erzählt. Was Fritz heute für mich getan hat... war Wahnsinn. Sein ganzes Leben setzte er damit aufs Spiel. Ich wollte zu ihm, ihn umarmen, mich bei ihm bedanken und im selben Moment wollte ich ihm eine knallen. Fragen, warum er soweit für mich gegangen war. „Josephine“, unterbrach Alex meine Gedanken. Ich schüttelte die Gedanken ab um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. „Ja, ich verstehe was du meinst.“ Wir wussten alle nicht, was Fritz erwartete. Keiner von uns war je ein ähnlicher Fall untergekommen. Ewald recherchierte bereits und suchte die Akten zu ähnlichen Fällen raus. Vor etwa zwei Stunden hatte Ewald uns die ersten Ergebnisse übers Telefon geliefert. Die Ausgänge waren so unterschiedlich gewesen, dass Waldi keine Prognose aussprechen wollte. In den meisten Fällen wurde der Polizist jedoch suspendiert. Mein einziger Wunsch im Moment war, dass Fritz nicht ins Gefängnis musste. Alex nickte mir zu. Er stand wieder auf und setzte sich auf den Stuhl neben mir. Er wirkte erschöpft, als er seinen Kopf abstützte. Ich verstand die Angst um seinen Partner, seinen besten Freund. Wir beide würde alles tun, um Fritz da rauszuholen. „Frau Klick?“, rief ein Beamter, der gerade ins Zimmer trat. „Das bin ich“, sagte ich und stand augenblicklich auf. Er beäugte mich einen kurzen Moment, bevor ich aufgefordert wurde ihm zu folgen. Ich tätschelte beruhigend die Schulter von Alex und folgte dem Beamten. Er führte mich über den Gang in ein großes Büro, wo Polizisten einige Beteiligten verhörten, die am Tatort gewesen waren. Ich erwartet ebenfalls hier befragt zu werden, aber der Beamte brachte mich in einen Verhörraum. Verwirrt sah ich ihn an. „Wieso werde ich hier verhö-...“ „Nehmen Sie bitte Platz“, unterbrach er mich und legte eine Akte auf den Tisch vor mir. „Es wird gleich jemand da sein.“ Er ließ die Tür ins Schloss fallen. „Es wird gleich jemand da sein“, äffte ich ihn leise nach. „Unhöflicher Schnösel.“ Ich setzte mich hin und sah mich im Raum um. Ein Teil der Wand vor mir war verspiegelt. Wer waren die Beobachter dahinter? Ich fühlte mich wie ein Tatverdächtiger, der sich gleich kritischen Fragen stellen musste. Hatten die Leute hier vergessen, dass ich die Geisel war? Nach kurzer Zeit ging die Tür auf. Ein Mann der mit seiner Körpergröße und den breiten Schultern beinahe die ganze Tür ausfüllte trat in den Raum und kam auf mich zu. Seine dunklen lockigen Haare umrahmten sein ernstes Gesicht. Er musste etwas älter sein als ich – vielleicht 36 oder 37 Jahre. Er wirkte nicht wie ein Kommissar. Dazu sah sein Anzug viel zu teuer aus. „Frau Klick“, begrüßte er mich knapp, aber freundlich. „Ich bin Falk Altenburg, der Chefermittler in diesem Fall“, sprach er weiter, nahm die Akte vom Tisch und wedelte damit vor meiner Nase rum. Er musste aus dem Polizeipräsidium sein. Nur dort rannten sie so gestriegelt und gebügelt umher. „Ich will gar nicht lange drum rum reden“, begann er und setzt sich auf den Stuhl mir gegenüber. „Wir wissen beide, warum wir hier sind.“ Er legte die Akte wieder auf den Tisch und stütze sich mit beiden Ellenbogen am Tisch ab. Der Chefermittler beugte sich zu mir vor, aber ich wich nicht aus und tat es ihm gleich. Diesem kleinen Dominanzkampf am Anfang wollte ich nicht gleich nachgeben. Ich kannte die Maschen der Kollegen. „Um den Vorfall von meinem Kollegen Herrn Munro aufzuklären“, sagte ich möglichst ruhig, beinahe flüsternd. Er wirkte zufrieden mit meiner Reaktion und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Im Plauderton fuhr er fort. „Herr Munro plädiert auf Notwehr“, setzte er an. Ich war erstaunt, dass er mir solche Details anvertraute. Welche Taktik verfolgte er? „Schwer nachzuvollziehen, denken Sie nicht auch? Notwehr - wie Ihnen auch bekannt sein wird - bedarf einer gewissen Gefährdung seines Lebens. Nach den Aussagen der Kollegen war sein Leben zu keinem Zeitpunkt gefährdet.“ Er setzte nicht nach, wartete auf meine Reaktion. „Damit mögen Sie durchaus Recht haben, Herr Altenburg“, begann ich. „Aber wer sich genauer mit den Ereignissen beschäftigt, wird eine erweiterte Form der Notwehr erkennen. Wenn mein Kollege in Gefahr ist, aber unfähig sich zu verteidigen, kann ich im Sinne der Notwehr für meinen Partner handeln. In diesem Fall hat Herr Munro das für mich übernommen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, sonst würden Sie mich jetzt im Leichenschauhaus besuchen.“ „Mir ist bewusst, dass Herr Munro Ihnen das Leben gerettet hat. Ebenfalls kann ich mir gut vorstellen, dass Sie ihm dankbar sind. Bedenken Sie aber, dass er dafür einem Menschen das Leben genommen hat auf eine überaus bedenkliche Weise. Nicht mit einer Schusswaffe, sondern mit einem Messer. Das verkompliziert das Ganze erheblich.“ Er öffnete die Mappe und legte drei Fotos vor mir auf den Tisch. Alle drei stammten von Clemens mit aufgeschnittener Kehle. Ich musste schlucken, ließ mich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen. Ich hatte schon andere Bilder gesehen. Das hatte mich abgehärtet. Ich könnte ihm sagen, dass es dieser Frauenmörder verdient hatte zu sterben. Aber das würde nur den Verdacht auf Selbstjustiz erwecken. Und ich wollte Fritz helfen und nicht schaden. „Über die Art und Weise“, begann ich in einem ruhigen Ton, als ich die Bilder langsam wieder zum Chefermittler zurück schob. „Kann ich Ihnen keine Auskunft erteilen. Ich werde wohl einige Sekunden zuvor in den Fluss gestürzt sein und war daher mit anderen Dingen beschäftigt.“ Ich stockte kurz und überlegte, ob es klug war noch mehr zu sagen, konnte mich aber nicht stoppen. „Es würde mich verwundern, wenn die anderen Kollegen sich erlauben würden, detaillierte Aussagen dazu zu treffen. Immerhin standen die Kollegen etliche Meter vom Tatort entfernt. Allein Herr Munro und noch vielleicht Herr Mahler können dazu ausschlaggebende Aussage treffen. Wenn ich mir die Meinung erlauben darf: Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der Kollegen dem Auto hinterher gesehen haben.“ Falk Altenburg verzog seinen Mund merklich und ich musste in mich reingrinsen. Hatte ich ins Schwarze getroffen? Ob überhaupt einer der Männer eine Aussage dazu getroffen hatte? Ich selber würde eher dem Auto hinterher sehen, als dem bereits gefassten Täter. Das war reine Selbstanalyse. „Herr Munro hat dem Verstorbenen bereits vorher gedroht ihn umzubringen. Laut berichten von den Kollegen, reagiert er auf die Frage und hier zitiere ich `ob Herr Munro Sie geil fände´ sehr intensiv und emotional. Können Sie dazu etwas sagen?“ „Herrn Mahler wurde die gleiche Frage gestellt. Beide sind ein eingespieltes Team. Jemand übernimmt den ruhigen Part und der andere kitzelt die Nerven vom Täter. Herr Munro ist bisher, in allen Fällen in denen es notwendig war, dieser Rolle gerecht geworden.“ „Sie sagen also, dass es nur eine Taktik der Kollegen war?“, fragte mich Herr Altenburg mit einem ungläubigen Unterton und beugte sich wieder dichter zu mir hinüber. „Ich sage“, setzte ich an und ließ mich auch dieses Mal von seiner Nähe nicht einschüchtern. „Dass ich keinen Grund sehe, etwas anderes zu erkennen. Beide Kollegen haben stets sehr professionell mit mir gearbeitet und sich nicht von Emotionen, sondern von rationalen Dingen leiten lassen. Ich bin diejenige im Team die versucht über Emotionen und Bachgefühl Fälle zu lösen. Und eine Taktik zu haben, spricht doch für die Kollegen.“ Ich machte eine kurze Pause, beugte mich dann noch ein Stück vor, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten, bevor ich im Flüsterton fortfuhr. „Genauso wie Sie versuchen durch Körpernähe taktisch Unsicherheit in mir zu schüren und Dominanz auszustrahlen, haben die Kollegen für Geiselnahmen ihre ganz eigene Vorgehensweise.“ Einen Augenblick sah er mich einfach nur an. Hatte ich Herrn Altenburg etwa aus dem Konzept gebracht? Ich war mit mir zufrieden, spürte aber, dass er noch nicht alle Trümpfe ausgespielt hatte. Es war wichtig auf der Hut zu bleiben. Langsam lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und schwieg mich weiter an. Ich erwiderte seinen Blick ohne mich verunsichern zu lassen. „Möchten Sie etwas zu Trinken, Frau Klick?“ „Wenn die Befragung noch länger dauert, nehme ich einen Kaffee, sonst reicht mir auch ein Wasser.“ Herr Altenburg nahm das Telefon neben sich in die Hand und wählte eine Nummer. Es dauerte nicht lange bis sich jemand am anderen Ende meldete. „Einen Kaffee für Frau Klick und für mich ein stilles Wasser. Danke.“ Das war wohl seine Art mich wissen zu lassen, dass er noch lange nicht mit mir durch war. Wenn es wirklich noch eine ganze Weile dauerte, brauchte ich wirklich einen Kaffee. „Ihr Kaffee müsste gleich hier sein.“ „Sehr freundlich, danke!“ Ich bemühte mich ihn anzulächeln, wusste aber, dass es aufgesetzt aussehen musste. „Wo Sie gerade über das Thema Emotionen gesprochen haben“, begann er. „Glauben Sie, dass Herr Munro für Sie mehr als kollegiale Gefühle hegt?“ Die Frage warf mich aus der Bahn. Ich versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. Für einen kurzen Moment war es mir selber durch den Kopf geschossen, aber das konnte einfach nicht sein. Fritz war an mir auf diese Weise nicht interessiert. Wir hatten Ewigkeiten gebaucht um als Teamkollegen einigermaßen miteinander klar zu kommen. Da konnte nicht mehr sein. „Wie meinen Sie das?“, fragte ich etwas zögernd. Ihm musste klar sein, dass ich ihn richtig verstanden hatte. Dennoch ging er auf meine Frage ein. „Glauben Sie, dass Herr Munro versucht hat SIE als Frau zu retten oder eine Kollegin?“ Seine Frage machte mich nachdenklich. Ich wollte glauben, dass er versucht hatte mich zu retten und nicht irgendjemanden, aber das wäre wohl die falsche Antwort. Zum Glück öffnete sich just in dem Moment die Tür und die Getränke wurden gebracht. Es gab mir Zeit über eine passende Antwort nachzudenken. „Nun, Frau Klick? Was denken Sie?“ Vor meiner Antwort nahm ich in aller Ruhe einen Schluck Kaffee. Ich stellte das wärmende Getränk auf den Tisch und sah ihn unvermittelt an. „Ich denke eine `Was wäre wenn -These´ ist irrelevant, Herr Altenburg. Weder sollte sie vor einem Untersuchungsausschuss Relevanz haben, noch würde ein Gericht sich mit solch wilden Fantasien beschäftigen wollen. Konzentrieren wir uns also auf die Fakten. Ein Partner oder auch Teamkollege schwebte in Lebensgefahr. Herr Munro hat reagiert um diese Person zu retten. Das ist es, was ich sehe. Es hat dabei keine Rolle gespielt, dass ich diese Person war. Wir sind Kollegen, die sich vertrauen.“ „Sie glauben also nicht, dass Herr Munro aus Emotionen heraus gehandelt hat?“, hakte er nach. „Herr Munro ist keine Maschine“, begann ich und musste aufpassen mich nicht im Ton zu vergreifen. „Natürlich wird er Emotionen gehabt haben, wie jeder normale Mensch, wie jeder gute Polizist. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit sind es nicht die Emotionen, die Sie ihm unterstellen. Vielleicht war es Verantwortungsgefühl, aber das vermag ich nun wirklich nicht einzuschätzen. Da kann Ihnen Herr Munro gewiss mehr sagen.“ Er nickte schwach und machte sich ein paar Notizen. Ob er die wirklich brauchte oder mir nur Zeit geben wollte, konnte ich nicht sagen. Aber ich hatte das Gefühl ihn für dieses Gespräch zumindest geknackt zu haben. Ich wurde noch lange befragt, aber die kritischen Fragen waren überstanden. Die entscheidenden Themen konnte ich natürlich nicht beantworten. Zum Zeitpunkt des Tatvorganges war ich gerade anderweitig beschäftigt. Aber je länger die Befragung anhielt umso deutlicher wurde mir, was sie versuchten Fritz zu unterstellen. Das Wissen machte mich nervös. Fritz würde in großen Schwierigkeiten sein, wenn sie die Notwehr nicht anerkannten und ihn der fahrlässigen Tötung für schuldig erklärten. „Sind wir durch?“, fragte ich nach, als er die Unterlagen zusammenpackte und in die Akte legte. Er nickte zustimmend und erhob sich. „Lassen Sie sich von mir nach draußen begleiten.“ Er ging dicht hinter mir, öffnete die Tür für mich und wir traten wieder in das große Gemeinschaftsbüro. Die Schreibtische hatten sich geleert. Es waren nur noch wenige Kollegen vom Einsatz anwesend die befragt wurden. „Wurde Herr Mahler schon befragt?“, wandte ich mich an Herrn Altenburg. Er schüttelte nur den Kopf. „Die Hauptbefragungen obliegen alleine mir, Frau Klick.“ Er lächelte selbstzufrieden. Am Schreibtisch der Sekretärin blieben wir stehen. „Bereiten Sie bitte den Raum für Herrn Mahler vor“, bat er sie. „Natürlich“, erwiderte sie und machte sich gleich auf den Weg. Seit wir mit dem Verhör durch waren wirkte er entspannter und beinahe freundlich. „Haben Sie auch Herrn Munro befragt?“ Die Frage hatte meine Lippen verlassen, bevor ich darüber überhaupt wirklich nachdenken konnte. Aber ich musste es einfach wissen. Er nickte mir zu. „Wie geht es ihm?“ „Er ist nicht sehr gesprächig, Ihr Kollege.“ Herr Altenburg klang unzufrieden. „Das macht die Untersuchung nicht einfacher.“ „Was passiert jetzt?“, wollte ich wissen. Wir standen noch immer am Schreibtisch der Sekretärin und er machte keine Anstalten mit mir zu Alex zu gehen. „Wenn alle Kollegen zu dem Fall befragt worden sind, sichten wir die Unterlagen und beraten uns. Es kann sein, dass Herr Munro in Untersuchungshaft bleiben muss, bis die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen abgeschlossen hat. Wenn er Glück hat, kommt er mit Freigang und einer Suspendierung für den Zeitraum der Untersuchung davon. Das kommt aber ganz auf die Ergebnisse der Befragungen an. Nach Ende der Untersuchungen wird dann entschieden, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht.“ „Wonach sieht es derzeit aus, Herr Altenburg? Untersuchungshaft oder Suspendierung auf Zeit?“ Ich war mir nicht sicher, ob es ein Fehler war die Frage zu stellen. Er musste mir meine Unsicherheit ansehen. Ich war überrascht, als er mich mit einem beruhigenden Lächeln anblickte und mit sanfter Stimme auf meine Frage einging. „Wissen Sie Frau Klick, ob Sie es glauben oder nicht, aber ich bin einer von den Guten. Ich bin immer daran interessiert gute Beamte im Dienst zu halten. Aber ich muss sicher gehen, dass es zukünftig keine weiteren Vorfälle wie diesen geben wird. Das ist mein Job. Aber Sie haben Ihre Sache gut gemacht.“ Ich senkte meinen Kopf als ich vor Erleichterung lächeln musste. „Josephine...?“ Ich erstarrte bei der Stimme für einen Moment. Dann schnellte mein Kopf rum. „Fritz“, rief ich erleichtert aus. Er stand am anderen Ende vom Raum. Ein Beamter ging hinter ihm und einer vor Fritz. Er hatte noch immer Handschellen um. Gott, sie behandelten ihn wie einen Schwerverbrecher. Ich wollte zu ihm, besann mich aber, als ich Herr Altenburgs Hand auf meine Schulter spürte. „Herr Munro“, sprach Herr Altenburg in einer eiskalten, klaren Stimme, die mir Gänsehaut verursachte. So hatte er mit mir nicht einmal während der ganzen Befragung nicht gesprochen. Woher kam dieser Wandel? „Wie ich sehe, werden Sie in Ihr Nachtquartier gebracht.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach. „Wir hatten gerade ein sehr interessantes Gespräch mit Ihrer Kollegin. Sehr interessant.“ Ich sah wie sich die Hände von Fritz ballten. Er sah von mir zu Herrn Altenburg. „Meine Kollegin hat mit der Sache nichts zu tun“, knurrte Fritz. Bevor Herr Altenburg ihn noch weiter provozieren konnte, wandte ich mich an Fritz. „Fritz, natürlich habe ich was damit zu tun.“ Ich versuchte eine möglichst neutrale Stimme zu wahren. „Immerhin war ich die Geisel. Ich weiß zwar nicht was Herr Altenburg so interessant an dem Gespräch fand, aber es ist gut verlaufen.“ Ich versuchte Fritz mit meinen Augen zu sagen, wie dankbar ich war. Aber es schien nicht bei ihm anzukommen. Er sah mich verwirrt an. Vielleicht weil meine Stimme so kühl klang? Aber gerade jetzt konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen. „Und Fritz“, redete ich weiter. „Alexander und ich wissen beide sehr zu schätzen, wie kollegial du bist.“ Ich musste schlucken. Es waren nicht die Worte des Dankes, die ich ihm sagen wollte. Aber die Einzigen, die ich momentan sagen konnte. Auch Fritz schluckte „Josephine, ich...“ „Heute nicht Fritz“, unterbrach ich ihn und fühlte mich dabei so schlecht. „Es wurde heute schon genug gesagt. Wir sind alle müde. Lass uns drüber schlafen und ein anderes Mal weiterreden, okay?“ Ohne auf eine Zustimmung von Fritz zu warten, zwang ich mich Herrn Altenburg anzusehen. „Lassen Sie uns gehen. Ich möchte Herrn Mahler nicht noch länger warten lassen.“ Er wirkte überrascht, nickte aber sofort und setze seinen Weg mit mir fort. Er drehte sich beim Gehen noch einmal kurz zu Fritz um. „Schlafen Sie gut Herr Munro. Wir sehen uns morgen früh.“ Es kam keine Antwort. Wir gingen zum Aufenthaltsraum. Waldi saß neben Alex und beide durchwühlten Akten. Ich wollte nicht, dass Herr Altenburg unsere Recherche mitbekam. „Alex, du Workaholic“, versuchte ich zu scherzen. „Herr Altenburg würde dich jetzt gerne zur Befragung mitnehmen. Ich kümmere mich um die Berichte, die dem Chef noch fehlen.“ Ich ging auf die beiden zu und nahm Ihnen schnell die Mappen ab. „Danke Waldi, dass du uns die Sachen vorbei gebracht hast.“ Alex und Waldi verstanden schnell. „Du weißt doch wie der Chef ist, wenn die Fälle nicht ordentlich abgeschlossen sind“, sagte Waldi. Alex stand auf und ging auf Herrn Altenburg zu. Beide nickten sich kurz zu und verschwanden im Gang. „Das war knapp“, stöhnte ich auf und sank auf den Stuhl. Nach kurzem Durchatmen wandte ich mich Waldi zu. „Was haben wir?“ Ewald zeigte mir die Fälle jetzt noch einmal im Detail. Ein Fall, der mich vorher weniger interessiert hatte, zog jetzt meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ein Beamter hatte den Geiselnehmer erschossen, obwohl nur eine indirekte Gefahr drohte. Er selbst hatte den Geiselnehmer damals nach einem Sexualdelikt ins Gefängnis gebracht. Der Beamte fürchtete, dass es vom Täter eine Art Rache war seine Kollegin als Geisel zu nehmen und er wollte eine Flucht verhindern. Den Mann Fluchtunfähig zu machen durch einen Schuss ins Bein hätte völlig genügt. Aber da er seine Partnerin nicht gefährden wollte, hatte er sich für einen Kopfschuss entschieden. Der Geiselnehmer war sofort tot. Was in der Untersuchung raus kam änderte alles. Die beiden waren nicht nur dienstliche Partner. Ihm wurde irrationales Verhalten vorgeworfen und in Untersuchungshaft gesteckt, bis der Fall geklärt war. Die Staatsanwaltschaft warf ihm fahrlässige Tötung vor. Nach Abschluss des Falls musste er mehrere Therapien über sich ergehen lassen und wurde vom Dienst dauerhaft suspendiert. Er kam zwar auf Bewährung frei, aber seine berufliche Karriere war für ihn beendet. Wurde ich deswegen so genau zu unserer Beziehung befragt? Verglich man uns mit diesem Fall? Es würde Fritz umbringen vom Dienst suspendiert zu werden und es würde Alex umbringen auf seinen Partner dauerhaft verzichten zu müssen. Und mich... Ich schüttelte meinen Kopf. Das durfte nicht passieren. Ich musste sie davon abhalten. Sie durften die Ereignisse nicht missverstehen. Fritz hatte es getan um einen Kollegen zu retten, oder? Er hätte das Gleiche für Alex gemacht, richtig? „Ist alles okay, Josephine?“ Ich spürte die Hand von Waldi auf meinen Rücken, als ich mich vorbeugte und mein Gesicht in meinen Händen vergrub. Ich stöhne innerlich. Was für eine verzwickte Situation. „Ja, schon, irgendwie...“, erwiderte ich verkrampft. Ich wandte mich zu Waldi „Kann ich diese Akte behalten?“ „Klar, warum nicht...“, sagte er nur etwas verwirrt. „Danke Waldi“, erwiderte ich. „Soll ich dich nach Hause fahren?“ „Ich würde gerne noch auf Alex warten“, entgegnete ich kopfschüttelnd. „Wir sehen uns dann morgen auf dem Revier?“ „Vermutlich nicht. Der Chef hat mir eine Zwangspause verordnet.“ „Vielleicht ist das besser so. Du solltest du erholen und keinen Kopf ein wenig frei kriegen.. Montag wissen wir bestimmt mehr.“ Ich wollte nicht diskutieren, aber ich würde gewiss nicht bis Montag warten, um Neues zu erfahren. Spätestens morgen früh stand ich hier auf der Matte und forderte Antworten von Herrn Altenburg. „Vermutlich“, erwiderte ich wenig überzeugt. Ewald verschwand und ich wartete auf Alex eine gefühlte Ewigkeit. Ich ging zur Sekretärin um nach den Stand zu fragen als Alex mir entgegen kam. „Josephine.“ „Alex, da bist du ja“, sagte ich erleichtert. „Seid ihr fertig?“ Alex nickte nur. Er sah genauso erschöpft aus, wie ich mich fühlte. „Dann lass uns gehen.“ „Frau Klick, Sie sind ja noch hier.“ Ich drehte mich widerwillig zu Herrn Altenburg. „Was spricht dagegen? Ich habe auf meinen Kollegen gewartet. Wir werden jetzt los, wenn Sie erlauben.“ „Natürlich. Wir haben für heute die Befragungen abgeschlossen. Morgen werden wir uns zum weiteren Vorgehen verständigen. Ich gehe davon aus, dass Sie morgen wieder hier sein werden?“ „Nennen Sie mir Ort und Zeit und wir werden hier sein“, mischte sich Alex ein. Herr Altenburg lachte leise. „Gut zu wissen, dass Herr Munro so loyale Kollegen hat. Wir beginnen um neun Uhr mit der Besprechung“, begann er Alex zu informieren, bevor er sich mir zuwandte. „Wir können ja zusammen Mittag essen gehen, Frau Klick.“ War das eine Provokation? „Vielen Dank für ihr Angebot, aber ich möchte keine Probleme verursachen. Ich denke zu einer unabhängigen Untersuchung gehört es auch, eine gewisse Distanz zu wahren, denken Sie nicht auch, Herr Altenburg?“ Er nickte mit einem wissenden Lächeln. „Für Wahr, Frau Klick.“ Stimmte er zu. „Wir sollten alle unseren Platz kennen, solange die Untersuchungen zum Fall nicht vollständig abgeschlossen sind.“ Ich war mir sicher auf was er anspielte und nickte ihm zu. Er wandte sich an Alex. „Und Herr Mahler, die Besuchszeiten für Ihren Kollegen Herrn Munro sind übrigens morgen von Zehn bis Zwölf. Da die Befragungen abgeschlossen sind, können Sie Ihren Kollegen natürlich auch wieder sprechen. Gute Nacht.“ Er wandte sich von uns ab und verließ das Großraumbüro. „Was meinte er denn damit?“, begann Alex verwirrt. „Ach er hat nur auf meine Befragung angespielt. Ich erklär dir das morgen. Ich bin echt fix und alle, lass uns losfahren.“ Wir gingen zum Auto und Alex schmiss den Motor an. „Wie ist deine Befragung verlaufen?“, wollte Alex wissen. „Ganz gut, denke ich. Aber lass uns morgen über die Details sprechen, okay? Fahren wir zusammen hin?“ „Klar, ich kann dich morgen früh abholen“, bot mir Alex an. „Hat dir der Chef auch frei gegeben?“, fragte ich nach. Alex knurrte bevor er antwortete. „Ist ja nicht so, dass ich eine Wahl gehabt hätte.“ Ich nickte. „Ich auch nicht.“ Den Rest der Fahrt schwiegen wir. Auf dem Gehöft angekommen ließ er mich vor dem Haus raus. Ich stieg aus dem Auto und drehte mich noch einmal zu ihm. „Soll ich dich dann morgen um neun abholen?“ „Nachher trifft es wohl besser“, scherzte ich und zeigte auf die Uhr. „Aber ja, neun Uhr klingt gut. Dann sind wir rechtzeitig da.“ „Dann morgen um neun.“ „Alles klar. Danke fürs Bringen. Fahr bitte vorsichtig. Nacht, Alex.“ „Danke, dir auch.“ Es brannte noch Licht im Wohnzimmer als ich das Haus betrat. „Josephine?“, kam es aus dem Wohnzimmer. „Ja, Papa?“ „Ein Glück, dass du Zuhause bist.“ Er kam mir entgegen. Er wirkte erleichtert und lächelte. „Ich bin sehr müde, Papa. Lass uns morgen reden, ja?“ „Natürlich. Wollen wir zusammen frühstücken?“ Ich schüttelte meinen Kopf und konnte sofort die Enttäuschung in seinen Augen sehen. “Ich werde dafür keine Zeit haben. Ich muss gleich morgen früh wieder ins Revier.” „Du willst nach einem Tag wie heute gleich wieder arbeiten?“ „Nein, Papa“, sagte ich. „Aber Alex und ich fahren zu Fritz. Morgen werden erste Informationen bekannt.“ Er schwieg einen Moment. „Du hast sehr gute Kollegen, Josephine“, sagte er leise. Er klang bedrückt, aber im Moment konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen. „Ich weiß. Lass uns ein anderes Mal darüber reden, okay?“ „Okay. Dann schlaf gut, Josephine.“ „Du auch, Papa.“ Als ich in meinem Bett lag, ging mir noch vieles durch den Kopf. Wie würde die Untersuchung wohl ausfallen? Ich hatte Angst meine Augen zu schließen, hatte Angst wieder im Auto zu sitzen während es sich mit Wasser füllte und ich drohte zu ertrinken. Ebenso gingen immer wieder die Bilder durch meinen Kopf, wie Fritz mich sanft anlächelte, gerade nachdem er einen Menschen getötet hatte um mich zu retten. Wie musste es ihm gehen? Ich war mir sicher nicht die einzige mit einer schlaflosen Nacht zu sein. 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