Therapiestunden von KankuroPuppet (( Psychological Affairs )) ================================================================================ Kapitel 18: Zusatzkapitel: Krankenakte "Kid" -------------------------------------------- Zusatzkapitel Obwohl es bereits das gesamte Wochenende schneite, schienen die Flocken nun von Minute zu Minute größer zu werden. Immer dichter drängten sich die weißen Kristalle aneinander, während sie aus den Wolken herab auf die inzwischen bedeckten Straßen fielen und eine beißende Kälte mit sich brachten, die sich durch die warme Kleidung hindurch in jede Faser der alternden Muskeln zog. Nur langsam kam er voran, mühselig schleppten sich seine Beine durch den Schnee, der seine Hose mittlerweile tränkte. Mit einem Seufzen erreichte der Psychiater den angestrebten Hauseingang, schnaubte laut, als er sich erschöpft gegen den Türrahmen lehnte und auf eine der Klingeln drückte. Es war seit mehreren Stunden dunkel, die Arbeit in der Klinik hatte ihn länger aufgehalten als geplant und zusammen mit dem unbarmherzig rieselnden Neuschnee hatte es lange gedauert, bis er die Wohnung seines Neffen erreicht hatte. Dennoch ahnte er, dass es nicht länger warten konnte und so hatte er sich trotz aller Widrigkeiten durch den Winter gekämpft. Seine Hände zitterten, während sich seine tauben Fingerspitzen fest um das rechteckige Päckchen krallten, das er in den Händen hielt. Sein Atem zeigte sich in kleinen Wolken vor seinem Mund, während er ein zweites Mal den Knopf drückte, in der Hoffnung, die Tür würde endlich geöffnet werden. „Er ist bestimmt im Bett. Muss nur aufstehen. Wach werden…“, murmelte seine raue Stimme in den gräulichen Bart, in der Hoffnung, ihre Worte könnten das nervös pochende Herz beruhigen. Nichts rührte sich. Unruhig schaute der Psychiater auf seine Armbanduhr und fuhr sich anschließend aufgewühlt über das Gesicht. Kurz vor zehn. Law arbeitete momentan nicht in der Klinik; kein Schichtdienst. Die Bibliotheken waren geschlossen. Der Griff um das Paket in seinen Händen wurde mit jeder verstreichenden Sekunde fester, bis seine Muskeln zitterten. „Alles ist gut“, flüsterte er vor sich hin, kniff die Augen zusammen und hoffte abermals aus diesen Desaster aufzuwachen. „Alles ist in bester Ordnung.“ Er wusste, dass sein Neffe schlau war, bei weitem intelligenter als er selbst. Law würde wissen, wann es gefährlich wurde. Er würde wissen, wann man vom todbringenden Zug abspringen musste, selbst wenn es wehtat. Die alten Augen betrachteten stumm das kleine Päckchen, das wie ein Schatz in seinen Händen ruhte. Auch nach dem dritten Klingeln blieb die Eingangstür des Hauses verschlossen. Doch gerade als Zögern und Resignation abermals vom Geist des Psychiaters besitzergreifen wollten, erklang ein leises Klicken und warme Luft legte sich auf die fahlen Wangen des alternten Mannes, als eine junge Frau das Haus verließ und mit einem freundlichen Lächeln die Tür offenhielt, bis der nächtliche Gast an ihr vorbei geschritten war und den Flur betreten hatte. Überrascht hatte er das Lächeln erwidert, war daraufhin nahezu gespurtet, um das letzte Hindernis zu überwinden, bevor er es sich anders überlegen würde. Nun atmete er erleichtert aus, fuhr sich über den Bart und begann mit nunmehr entschlossenen Schritten die Treppen zu erklimmen. Wie er erwartet hatte, fand er die Wohnungstür seines Neffen verschlossen. Auf ein Klopfen antwortete niemand und als er mit einem Ohr an der Tür lauschte, stellte er fest, dass es im Innern vollkommen leise war. „Bestimmt bei seinen Freunden“, raunte sich der Psychiater selbst zu, strich mit einem Finger über das braune Papier, das seinen kleinen Schatz umwickelte. Ein unerwartetes Lachen huschte über seine Lippen. „Die beiden Chaoten“, ergänzte er schließlich mit dem Gedanken an die Studienkollegen seines Neffen, die er einst an der Universität durch Zufall kennenlernte. Die Erinnerung beruhigte ihn kurz, wiegte ihn in einer Woge fatal fauler Sicherheit, bis ihn die Realität mit brutaler Stärke erneut ins Gesicht schlug. Er hatte keine Ahnung, wo sich sein Neffe zurzeit befand und es war seine Schuld, dass dies zu einem Problem geworden war. Unruhig griff er in seine Jackentasche, zückte einen alten Kugelschreiber mit verblichenem Werbedruck und kritzelte einige Worte zittrig auf das braune Papppapier des Pakets, welches trotz besonderer Vorsicht an einigen Stellen von der Feuchtigkeit des Schnees getränkt war und sich in der Wärme des Treppenhauses nun wellte. Mit einem Seufzen der Ohnmacht lehnte er das Paket schließlich an den Rahmen der verschlossenen Wohnungstür und fuhr sich ein letztes Mal durchs Gesicht. Eigentlich stellte es ein zu großes Risiko dar, diese Dokumente an einem öffentlichen Ort zurückzulassen. Doch sein Neffe befand sich möglicherweise in Gefahr und er hatte bereits alle anderen Möglichkeiten erschöpft, um dem Jungen zu helfen. Zwar wusste er immer noch nicht, was genau seinen Neffen dazu veranlasst hatte, sein Praktikum abzubrechen und sich fortan nicht mehr zu melden, doch Laws Faszination bezüglich des exzentrischen Rotschopfs und die Tatsache, dass auch Kid seither nicht mehr zu seinen Therapiestunden erschienen war, ließ ihn besorgniserregende Vermutungen aufstellen; sowohl für seinen Neffen als auch für seinen Patienten. Auch wenn man es ihm nicht gleich anmerkte, so war dem Psychiater nach ihren Jahren der Zusammenarbeit deutlich bewusst, dass Kids Zustand in den letzten Wochen alles andere als stabil gewesen war. Müde von all seinen Sorgen blickte er ein letztes Mal auf das Paket und seine kleine Nachricht. „Bitte mach nichts dummes, Kind“, murmelte er, während sich tiefe Sorgenfalten auf sein Gesicht legten. Dann drehte er sich um und stieg die Treppen mit gesenktem Kopf hinab. Trotz seiner Bitte hatte Law niemals Kids Akte betrachtet, nun hoffte er inständig, dass sein Neffe diesen Rat befolgte, wo ihm sein Onkel die Informationen buchstäblich vor die Haustür legte. Er selbst kannte die Muster in Kids Verhalten, hatte sie über Jahre studiert. Er konnte Spiel von Ernst unterscheiden und wusste, wann es gefährlich wurde. Doch das wusste sein Neffe nicht. Law wusste nicht, wie groß das Feuer war, mit dem er spielte und er hoffte inständig, dass es für beide Kinder noch nicht zu spät war… Es ist an der Zeit, dass du dies liest. Einiges wird klarer sein. Neben allgemeinen Informationen findest du meine Notizen. Ich hätte es dir schon viel eher erklären sollen. Bitte mach nichts Dummes, Law MELDE DICH! -------- ~*~ -------- Patientenakte Saint George’s Mental Institute -- CONFIDENTIAL – SEITE -1- PATIENTENINFORMATIONEN Patienten ID 00930110SE Name: O’Sullivan, Eustass Geburtsdatum: 10. Januar 1993 Alter bei Aufnahme: 17 Aufnahmedatum: 21. September 2010 Behandelnder Arzt: Dr. Andrea Meara Vorläufige Diagnose: Anzeichen von Schizophrenie, Depression Weitere Informationen: Eingewiesen nach Gewaltvebr. an ihm bekannten Killian M. Vorläufige Medikation nach Einlieferung: - Risperidon - Ziprasidon - Diazepam - Therapiebeginn empfohlen ASAP SEITE -2- THERAPIEVERLAUF Eingangsuntersuchung 28.09.10 (Dr. Meara) Patient zeigt sich widerwillig. Trotz mehrerer Anläufe keine Antwort auf gestellte Fragen. Anhaltende Unruhe: EMPFEHLE Erhöhung Dosis Diaz. Notizen 11.10.10 (Dr. Meara) Patient gibt wissentlich falsche Informationen: Vollständige Diagnose zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Bluttests zeigen Hormonschwankungen. Gespräch mit Eltern nicht möglich. Abbruch des Prozesses gegen Patient 00930110SE aufgrund nachgewiesener psychiatrischer Erkrankung. Therapiesitzung 20.10.10 (Dr. Meara) Verhalten des Patienten zunehmend aggressiv. Zimmerarrest für zwei Wochen nach Angriff auf weiteren Patienten im Gruppenraum. Empfehle Erhöhung Diaz. zur Beruhigung Gespräch mit Eltern ergab Informationen zur Ausprägungen schizophrener Episoden ab früher Kindheit(!!!) (Ich-Störungen, Halluzinationen). Zustand der Eltern instabil. Weigern sich ihren Sohn zu besuchen (?) INTERVENTION 29.10.10 (Angeordnet: Dr. Meara) Patient verweigert Behandlung (Erbrechen der Medikamente) Ordne Fixierung zur Vergabe der Medikamente an - Erhöhung Dosis Ziprasidon gegen Symptome - Erhöhung Dosis Diaz. gegen Wutausbrüche Notiz 31.10.10 (Dr. Meara) Umstellung der Mediakation erforderlich – Patient ist nicht ansprechbar, Delirium Therapiesitzung 14.11.10 (Dr. Meara) Medikamenteneinstellung i.O. Patient wirkt ruhig und klar. Gespräch möglich. Keine Angaben zur Gewalttat. Keine Angaben zu Symptomen. Nennt sich selbst Kid (?) Ich-Störungen? SEITE -3- THERAPIEVERLAUF Therapiesitzung 22.11.10 (Dr. Meara) Aufgrund der angenommenen Schwere der Erkrankung Etablierung einer Therapiesitzung/Tag. Patient wirkt weiterhin klar, reagiert auf Fragen. Schwierigkeiten bei Konzentration, fehlender Blickkontakt. Zu Beobachten: Erneute anhaltende Unruhe (Bipolarität?). Medikamenteneinstellung mit Vorbehalt i.O. Empfehle Versuch Gruppentherapie, Absetzung Diazepam Notiz 30.11.10 (Dr. Meara) Gruppentherapie zeigt sich wenig erfolgreich. Patient provoziert absichtlich die weiteren Teilnehmer. Empfehle erneute Vergabe von Diaz. gegen Aggression und Unruhe. Patient verweigert weiterhin Angaben zu Symptomen oder Übergriff auf Opfer Killian M. bis hin zur Verleugnung – Anzeichen Ich-Störungen? Fortsetzung Einzeltherapie Notiz 10.12.10 (Dr. Meara) Keine Veränderung Notiz 27.12.10 (Dr. Meara) Besuch der Familie (Eltern, Schwester/jünger) zum ersten Mal seit Einlieferung. Verhältnis wirkt wenig vertraut. Gespräche bleiben oberflächlich. Patient zeigt emotionale Reaktion auf Kontakt mit Schwester. Dauer des Besuchs: 30 Min. Ca. 1 Std. nach Besuch bricht Patient in Tränen aus. Seither instabil emotionaler Zustand, Patient verweigert zu Reden/Besuch des Gruppenraumes Rate von weiteren Besuchen zunächst ab INTERVENTION 02.01.10 (Dr. Meara) Patient zeigt SCHLAFSTÖRUNGEN seit ca. 7 T. Nach nächtlicher Observation fanden sich Angstzustände, begleitet vom krampfhaften bedecken der Ohren und Schreien. (Akustische) HALLUZINATIONEN – Kongruent zu Bericht der Eltern Empfehle dringende Vergabe von Sulprid und Melperon zur Behandlung der ak. Halluz., Zusätzlich Mittel gegen Übelkeit + evtl. weitere Nebenwirkungen Notiz 05.01.11 (Dr. Meara) Medikamente zeigen gewünschte Wirkung. Patient z.Z. nicht ansprechbar. Empfehle Reduzierung der Dosierung in 4 Tagen. Wiederaufnahme der Therapie ASAP SEITE -4- THERAPIEVERLAUF Therapiestunde 20.01.11 (Dr. Meara) Medikamenteneinstellung i.O. Stimmung des Patienten scheint stabil, aufgehellt – Psych. Episode zunächst überstanden (?) Zeigt sich bereit über persönliche Themen zu sprechen. Notiz 25.01.11 (Dr. Meara) Nach 4 Monaten Therapie zeigen sich erste Fortschritte. Patient wirkt aufgeschlossen und kooperativ. Leichte anhaltende Müdigkeit, Übelkeit als Reaktion auf Psychopharmaka. Beschließe Unterstützung der Therapie durch positive Verstärkung WECHSEL d. BEHANDELNDEN ARZTES !!! 03.02.11 Nach Erhalten eines Chemiebausatzes als positive Reaktion auf kooperatives Verhalten des Patienten während der Therapiestunden setzt Patient 00930110SE den Gruppenraum in Brand. Lachen während der Tat und Kombination mit Gewalttat im Oktober letzten Jahres lassen auf begleitende Pyromanie schließen. Empfehle Zimmerarrest. Medikamente bisher wenig erfolgreich. Patient gegen Erwartungen nicht kooperativ. Angaben jeder Art sollten unter Vorbehalt beachtet werden. Übernahme des Patienten durch Dr. G. Trafalgar --- ENDE BERICHT DR. A. MEARA --- SEITE -5- THERAPIEVERLAUF INFORMATIONEN BEI ÜBERGABE 10.02.11 (Dr. Trafalgar) Übernahme durch Dr. G. Trafalgar von Patient Eustass O’Sullivan Vorläufige Diagnose durch Dr. Meara: Schizophrenie mit ausgeprägten akustischen, visuellen Halluzinationen, die sich in psychotischen Episoden zeigen, leichte Anzeichen (manischer) Depression Ich, Dr. G. Trafalgar, empfehle eine Umstellung der Medikamente: Reduktion der Psychopharmaka, Umstellung auf Olanzapin, Absetzung Diazepam Anordnung von Einzeltherapiestunden EINSTUFUNG NACH THERAPIESTUNDE (TS) 1, 11.02.11 (Dr. Trafalgar) Der Patient Eustass O’Sullivan zeigt zunächst keine Reue in Bezug auf Brandstiftung. Stattdessen entschließt er sich (eigenständig) zu einem Gespräch über den Motorbau des neuen Modells eines Autoherstellers. Leichtes Lallen der Stimme (wahrscheinlich Reaktion auf überhöhte Medikation), leichte Müdigkeit, dennoch klar Ich empfehle eine Befragung des Opfers Killian M. so bald wie möglich TS 5, 25.02.11 (Dr. T) Patient O’Sullivan umgeht weiterhin jegliches Thema, das auf seine Erkrankung hindeuten könnte. Familie wird nicht erwähnt. Stattdessen große Konzentration auf wissenschaftliche Themen, Interesse an jeglicher Art von Maschinenbau. Mehrfache Erwähnung einer Werkstatt (?). Es zeigen sich weniger Anzeichen einer Psychose, Schlaf für 3 bis 5 Stunden möglich; signifikante Reduktion der Panikattacken während der Nacht Notiz: Während der Therapiesitzung bezeichnet sich O’Sullivan selbst als „Kid“. Auf seinen eigenen Namen reagiert er nur nach mehreren Wiederholungen und bei Fragen, an denen er Interesse hat. Warum Kid? BEFRAGUNG KILLIAN M., 06.03.11 (Dr. T) Ärzte und Patient stimmen Befragung zu. Nachdem sich der Patient Killian M. (21) nach dem Übergriff durch Eustass O’S. mehrere Wochen in einem kritischen Zustand befand, zeigt sich sein Zustand seit 5 Wochen stabil. Neben der psychologischen Untersuchung fand eine Befragung durch die Polizei statt. Der Geschädigte entschließt sich gegen eine Anzeige. Dauer der Befragung durch Psychiater Trafalgar: 20 Min. Killian M. entschließt sich zunächst zu schweigen, woraufhin ich mich entschließe, ihm Informationen über den Zustand seines Freundes (?), meines Patienten zukommen zu lassen. Zwar vermeidet der Befragte Augenkontakt, doch scheint er aufmerksam zuzuhören. Nach zwanzig Minuten ergreift er das Wort: “Was auch immer ihr Wichser ihm anhängen wollt, er hat nur getan, was ich gesagt hab. War alles meine Idee. Also lasst eure dreckigen Quacksalberpfoten von ihm. Kid braucht Idioten wie euch ganz sicher nicht.“ (Zitiert nach Notizen) Das Gespräch wird daraufhin durch mich beendet. Notiz, 08.03.11 (Dr. T.) Patient O’Sullivan („Kid“) wirkt deutlich interessiert an den Informationen über seinen Freund Killian M. Als ich dessen wenigen Worte aus meinen Notizen zitiere, beginnt Eustass zum ersten Mal in meiner Anwesenheit zu grinsen. Wir schließen die Sitzung nach 15 Minuten, nachdem sich Eustass weigert zu sprechen. SEITE -6- THERAPIEVERLAUF TS 16, 24.03.11 (Dr. T.) Eustass beginnt jede Sitzung mit Fragen zu Killian M. Ich entschloss mich zum Austauschspiel: Meine Antwort für seine Antwort. Der Patient berichtet in seinen Antworten zu meinen Fragen von akustischen und teilweise visuellen Halluzinationen im geschätzten Alter von 7 bis 11 Jahren. Bezeichnen wir dies als erstes Auftreten psychotischer Episoden zeigt sich ein ungewöhnlich früher Ausbruch der Schizophrenie. Traumatische Erlebnisse dieser Zeit sollten als Erklärung für anhaltende Panikattacken während der Nacht herangezogen werden. Bemerke: Eustass bezeichnet die Halluzinationen, selbst im Wissen, dass es Symptome sind, als „Stimmen“, die er damals nach eigener Angabe für Geister hielt. Ich werde dies weiter verfolgen. Familie weigert sich gegen Besuche. Kid äußert jedoch gleichzeitig kein Interesse an einem Besuch dieser Art. Medikamente wirken. Empfehle Beibehaltung der Dosis BESUCH durch Killian M., 10.04.11 Auf Bitte des Geschädigten wurde das erste Treffen nach der Tatnacht arrangiert. Nach Auflage der Polizei mussten sowohl ein Polizeibeamter als auch ein Psychiater anwesend sein. Ich übernahm die letztere Position. Eustass zeigte sich am Morgen zunehmend aufgeregt, woraufhin ihm gegen meine Anordnung von der zuständigen Schwester Diazepam verabreicht wurde. Das Medikament führte zu anhaltender Müdigkeit, Desorientierung während des Treffens. Beide Jungen zeigen sich extrem wortkarg. Während Killian M. spricht, starrt Eustass ausdrucklos auf das vernarbte Gesicht seines Freundes. Zu meiner Überraschung scheint es der Geschädigte zu sein, der versucht seinen Täter zu beruhigen. -- Transkribiert nach Überwachungsband und Notizen -- K. M.: (nach 5 Min. Schweigen) Ich wusste nicht, dass du hier drin sitzt, Kid. Hätte nicht gedacht, dass die das können. Ohne Anzeige… Aber ist ok, Alter. Du bist noch da. Hörst du mich? Du bist noch hier. (~2 Min. Pause) Ich krieg dich hier raus. Hörst du, Kid? Die Kanalratten können dich hier nicht ewig festhalten. Du musst nur noch was durchhalten, verstanden? (Eustass‘ Blick richtet sich auf den Polizeibeamten) K. M.: Ich krieg dich hier raus, Alter. (~1 Min. Pause) Scheiß drauf was war. Du bist noch hier, verstehste? E. O’S.: (nach ~3 Min. Stille, flüsternd, Blick auf Killian M.) Sie verstehn’s nicht, Killer (?). Die kapiern es einfach nicht… (Blick wandert umher, knetet nervös die eigenen Finger) Die Idioten schnallen nich, was da abgeht… K. M.: Sind sie wieder da? E. O’S.: Sie werden nie weg sein… Nie… K. M.: Doch, waren sie. Du musst nur daran denken, ja Kid? Denk daran, Kid. (Eustass presst sich anschließend die Hände auf die Ohren. Atmung beschleunigt sich deutlich. Der Polizeibeamte neben mir tritt einen Schritt nach vorn, doch ich versuche ihn zurückzuhalten.) E. O’S.: Sie werden nie… Verstehst du, Killer?… Nie! (beginnt zu schreien). Und die kapiern es nicht und ich… ich nicht… K. M.: Reiß dich zusammen oder ich krieg dich hier nie raus! E.O’S.: (beginnt zu weinen) Ich… Ich kann… Killer! Bitte! Ich… Fuck! Ich… So eine Scheiße… Ich… (Der Polizeibeamte unterbricht die Sitzung. Nachdem Killian M. auf seine Worte nicht reagiert, zieht er diesen am Arm aus dem Besucherzimmer. Eustass‘ Blick bleibt starr. Nachdem er beginnt unruhig auf dem Stuhl zu wippen, wird der Patient auf meine Anweisung hin sediert.) -- Transkript Ende -- Notiz: Weitere Befragung von Killian M. erforderlich, O’Sullivans Zustand kritischer als angenommen TS 33, 29.04.11 (Dr. T.) Eustass stellt zunehmend Fragen zu Psychosen und Schizophrenie und zeigt mir damit eine sehr analytische Herangehensweise in der Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung. Um diesen Ansatz weiter zu verfolgen, gestatte ich dem Patienten Zugang zur Bibliothek der Klinik. Ich erhoffe mir, dass das Verständnis um die Ursachen seiner Symptome die Therapie unterstützen wird. Eustass zeigt sich schon zu Beginn interessiert an der Behandlungsoption. Notiz: Nach einer schweren psychotischen Episode nach dem Treffen mit Killian M. zeigt sich Eustass‘ Zustand stabil. Ich stimme einem weiteren Besuch zu. SEITE -7- THERAPIEVERLAUF TS 50, 27.05.11 (Dr. T.) Eustass setzt sich intensiv mit medizinischer Fachliteratur auseinander, während sich seine gewählten Gesprächsthemen weiterhin auf wissenschaftliche Bereiche beziehen. Persönliche Episoden und Erinnerungen werden wenn möglich umgangen. Dennoch zeigte sich heute ein (in meinen Augen) erster Durchbruch: -- Transkribiert nach Notiz -- DR.T.: […] Ich schließe es aus der Tatsache, dass du nie über deine Eltern sprichst. Desinteresse deutet gemeinhin auf ein problematisches Verhältnis hin. (Patient lacht). Ich frage mich an dieser Stelle, ob das der Grund ist, warum du dir selbst einen anderen Namen gegeben hast. (Stille, ~2 Min.) Dr. T.: Ist es, weil du dich auf diese Weise weiter von dei-… E. O’S.: Ein Name ist ein scheiß Name. Wen interessiert’s? Dr. T.: Warum ihn dann ändern? E. O’S.: (schaut verwundert, grinst daraufhin) Meine Eltern hatten damals nicht gerade Geschmack bewiesen, als ´se den Wisch ausgefüllt haben. ‚Eustass‘? Was ein scheiß Name. Genauso beschissen wie ihre krank teuren Autos oder dreckigen Yoga Kurse. (schaut mir zum ersten Mal im Gespräch in die Augen) Dr. T.: Warum ‚Kid‘? E. O’S.: Warum? (lacht laut, steht auf und wandert im Raum umher, ~3 Min. Stille) Vielleicht weil ich die Idee mag meinen Schatten abzuschneiden und ins Wunderland zu verschwinden. Dr. T.: Ins Nimmerland. (Patient schaut verwundert, darum Ausführung). Du sprichst von ‚Peter Pan‘, oder? Der Junge, der nicht erwachsen werden will. In der Geschichte ist es das Nimmerland. Das Wunderland gehört zu Lewis Carroll. E. O’S.: (weiterhin verwundert) Wie auch immer… Was ist der Unterschied? Dr. T.: Das heißt, du willst nicht erwachsen werden? E.O’S.: Das sind ziemlich viele Fragen heute, Doc. (nimmt sich ein Buch aus dem Regal und beginnt zu blättern) Aber scheiß drauf. Menschen wie ich werdn eingesperrt, wenn ´se erwachsen werden. (lässt das Buch auf den Boden fallen, schaut aus dem Fenster). Wann kann ich Killer sehen? -- Transkript Ende -- Bemerkung: Eustass scheint seine Diagnose zunehmend zu akzeptieren. Besorgniserregend bleibt die Ablehnung des Erwachsenenalters. BESUCH 2 durch Killian M., 22.06.11 Nach dem unglücklich verlaufenen ersten Besuch, hat die Polizei einem zweiten Anlauf zugestimmt mit Auflage von zwei Aufsehern und einem Psychiater im Raum. Kid zeigt sich in den Tagen vor dem Zusammentreffen ausgesprochen kooperativ, vermeidet allerdings weiterhin Aussagen über persönliche Erlebnisse. Medikamente wurden bisher beibehalten. -- Transkript nach Tonaufnahme und Notiz: -- (Killian M. betritt den Raum, beide Jungen schweigen, Eustass‘ Blick bleibt konzentriert auf den Tisch zwischen ihnen gerichtet.) (~2 Min. Schweigen) K. M.: Behandeln die dich hier gut? E. O’S.: (blickt auf, schaut K.M. an) K. M.: Hab getan was ich konnte, Mann. Is nich einfach… Die sagen, du kannst erst raus, wenn se wissen, dass du keine Scheiße mehr baust. E. O’S.: (lacht leise) (~3 Min. Schweigen) K. M.: Dein Ding, Alter. Aber ich denk, du solltest einfach sagen was war… Macht’s einfacher. Was solln se schon machen? (30 Sek. Pause) Ich kann nichts anderes mehr machen, Kid. Verstehste? Das wa-… E. O’S.: (unterbricht Killian M. mit einem hysterischen Lachen) Du bist son Idiot, Killer. Was geht es die an? Ich werde es eh machen. Kapiert? Ich mach es eh. Das ist das einzige… Und wenn die es nicht wissen… Fuck… umso besser. (Killian M. steht daraufhin auf und verlässt den Raum. Der Besuch ist beendet.) -- Transpkript Ende -- Bemerkung: DRINGEND herausfinden, worüber die beiden sprachen Notiz, 06.07.11 (Dr. T.) Patient O’Sullivan leidet seit 4 Tagen an nächtlichen Schreikrämpfen – dringender Verdacht auf erneute psychotische Episode. Empfehle Umstellung der Medikamente: Haloperidol TS 72, 13.07.11 (Dr. T.) Kid verbringt seine meiste Freizeit in der Bibliothek. Nach Anpassung der Medikamentendosis zeigt er sich konzentriert und weniger schläfrig. Sein Interessensgebiet ist nun nicht mehr ausschließlich auf rein medizinische Ansätze beschränkt. Das Vertrauen in seinen Therapeuten scheint zu wachsen, sodass sich vereinzelte interessante Gespräche führen lassen. Ich habe begonnen, die Sitzungen mit einzelnen mathematisch/physikalischen Rechenaufgaben zu begleiten, nachdem ich Kids Interesse an diesen entdeckt habe. Ich erhoffe mir dadurch sein Interesse an den TS zu erhöhen und damit auch sein Engagement. -- Transkript aus TS 72 nach Notiz – Dr. T.: Bei Killians, Verzeihung, Killers letztem Besuch hattest du erwähnt, etwas tun zu müssen. Du wirst mir immer noch nicht mehr dazu sagen, nehme ich an? E. O’S.: Stimmt. (Arbeitet an der Aufgabe) Sie denken, ich werde nicht mehr aus der Klapse rauskommen. Dr. T.: Stimmt nicht. (Eustass schaut überrascht auf, rechnet dann weiter) E. O’S.: Du weißt genau wie ich, dass ich die scheiß Pillen nicht schlucken werde, sobald ich hier raus bin. Die machen mich so… (schaut mich an, grinst). So lustig. Ich kann das nicht leiden. Als wärste betrunken 24/7. Ich nehme sie nicht und deshalb baue ich Scheiße und dann bin ich wieder hier. Dr. T.: Nicht, wenn du die Medikamente nehmen würdest. E. O’S.: So funktioniert das nicht, Doc. (seufzt resignierend) So funktioniert das nie. Dr. T.: Es wird funktionieren. Schizophrenie ist nicht das Ende, Kid. Du wirst damit leben lernen. E. O’S.: (lacht laut, dann Schweigen ~2 Min.) Keine Ahnung. Es ist zu laut zum Denken. -- Transkript Ende – Bemerkung 20.08.11 Eustass‘ Medikamente sind gut eingestellt. Er nimmt an Gruppensitzungen teil und zeigt sich dabei aufgeschlossen und interessiert. Einen Besuch durch seine Mutter hat er abgelehnt, doch zeigt er Freude an den wöchentlichen Treffen mit Killian M., bei deinen allerdings immer seltener Konversationen stattfinden. Ich empfehle Weiterführung der Behandlung auf ambulanter Basis in ca. einem Monat (!!!) SEITE -8- THERAPIEVERLAUF ENTLASSUNG Patient 00930110SE, 19.09.11 ENTLASSUNG DES PATIENTEN: Name: O’Sullivan, Eustass Patienten ID: 00930110SE Geburtsdatum: 10. Januar 1993 Aufnahmedatum: 21. September 2010 Datum der Entlassung: 19. September 2011 Behandelnder Arzt: Dr. George Trafalgar Diagnose: Anzeichen manischer Depression, Schizophrenie mit psychotischen Episoden Medikamente: Diazepam nach Bedarf, Haloperidol, Ziprasidon Einzeltherapiestunde, wöchentlich Bemerkung: Aufgrund seines stabilen Zustandes und der befriedigenden Einstellung der Medikamente entschließe ich mich zur ambulanten Fortsetzung der Therapie des Patienten. Eustass O’Sullivan wird zunächst bei Killian Murphy einziehen. Die Kombination ist im Auge zu behalten, auch wenn Killian bei jedem der letzten Treffen deutlich Besorgnis und Interesse am Zustand von Eustass gezeigt hat. Ich stimme dem gemeinsamen Wohnarrangement daher zu. Notiz, 28.09.11 (Dr. T.) Zustand des Patienten auch nach der Entlassung stabil. Nimmt Medikamente. Kein Auftreten von Symptomen. BEMERKUNG: RÜCKFALL (?), 15.10.11 Patient Eustass O’S. wird mit tiefer Schnittwunde im Gesicht eingeliefert. Nachdem die Verletzung mit 6 Stichen genäht wurde, verweigert Eustass jegliche Aussage zur Polizei und besteht darauf, dass er einen Unfall in der Wohnung von Killian M. hatte. Die Glaubwürdigkeit dieser Aussage ist fragwürdig. TS 93, 02.11.11 Nach einem üblichen Beginn der Therapiestunde entschließe ich mich Eustass direkt auf seine Verletzung anzusprechen. Zunächst reagiert er nicht, als ich jedoch erwähne, dass die Polizei überlegt eine Anzeige gegen Killian aufzugeben, entschließt er sich zu sprechen. -- Transkript nach Tonaufnahme – Dr. T.: Du bist sein Schutzbefohlener… Eine schwere Verletzung wie deine – und ich hoffe, dir ist bewusst, dass du dein Auge hättest verlieren können – kann nicht ignoriert werden und Killian’s- E. O’S.: (Korrigiert, schaut auf den Boden und knetet seine Hände) Killer… Dr. T.: (nimmt Vorschlag auf) Killers Polizeiakte lässt Vermutungen aufstellen. Die Wahrheit ist besser, Kid. Besser für Killer. Wenn er dich nicht verletzt hat, dann kannst du ihm mit der Wahrheit helfen (Pause ca. 15 Min., Eustass löst wöchentliche Aufgabe an der Tafel, setzt sich hin, schaut Therapeuten an) E. O’S.: Was habt ihr Wichser eigentlich immer mit eurer Wahrheit? Wen interesst es denn? Was ist wahr? Wahr ist, was wir haben wollen… (lacht, 2 Minuten Schweigen, Beginn Aussage) Wir waren bei Killer… Er arbeitet viel, hatten vorher nicht viel gemacht. Und dann… (unterstützt mit Gestik) Er hatte ne Kippe und ich wollte ihm helfen. Hab nicht daran gedacht, verstehen Sie? Ich hab das Feuerzeug einfach automatisch in die Hand genommen. Hab es angemacht… und dann… Scheiße… Hätte mir denken können, dass er nen Trauma oder so hat. War ja krass, nicht wahr? Er ist einfach durchgedreht… Hab sowas noch nicht gesehen bei ihm. Er hat geschrien. Ich bin dann zurück in Deckung, aber er war schneller (sieht mich an und lacht stolz). Ist ziemlich gut mit dem Butterfly, Killer. Und dann… Zack! (Geste des Stechens) Hat mich kalt erwischt. Alles war rot. Hat sich dann aber wieder schnell beruhigt. Er hat den Krankenwagen und so gerufen, aber ist dann abgehaun. Ich meinte, es wär besser so… Will nicht, dass er Ärger kriegt wegen sonem Dreck (schweigt ~5 Min., schaut sich um). Wir sind dann fertig, ja? Ich bin weg…. (steht auf und geht). -- Ende Transkript -- SEITE -9- THERAPIEVERLAUF Notiz 15.11.11 Haloperidol schlägt an. Ich bin zufrieden mit der Einstellung und den Ergebnissen. Kid wirkt ausgeglichen. Keine Erwähnung von Halluzinationen. Wunde im Gesicht heilt zufriedenstellend. TS 96, 27.11.11 Kid wirkt beunruhigt, schaut während der Sitzung aufgeregt hin und her, knetet die eigenen Hände und kaut auf den Fingernägeln. Diazepam für 2 Wochen. Veränderung des Verhaltens ist zu beobachten. BEMERKUNG, 05.12.11 Ich bleibe beunruhigt. Zwar erscheint Kid zu jeder Therapiestunde, doch ist er selbst unter Einnahme des Diazepam unruhig und unkonzentriert. Letzte Woche konnte er zum ersten Mal die von mir gestellte Aufgabe nicht lösen. Ich deute seine trotz genannter Schwierigkeiten regelmäßige Anwesenheit als deutliche Suche nach Hilfe, allerdings fällt es mir immer schwerer, Zugang zu ihm zu finden. BEMERKUNG, 26.12.11 Kid erscheint nicht mehr zu unseren Sitzungen. Die Wohnung seines Freundes Killian M. ist leer. Der Vermieter bestätigt den Auszug vor einer Woche. Auch die Familie hat keine Informationen zum Verbleib ihres Sohnes. BERMKUNG, 20.01.12 !!! Selbst mit polizeilicher Hilfe ist Kid nicht aufzufinden. Nachdem ich die Akte beinahe archiviert hatte, erhielt ich jedoch am gestrigen Abend einen Anruf, den ich leider nicht entgegennehmen konnte. Die Stimme am Anrufbeantworter klingt nach Kids Freund Killian Murphy. -- Transkript nach Aufnahme -- „Hey… Also… Ich hab den Zettel aus Kids Tasche. Sie sind doch dieser Doc, oder? Scheiße… Sein Sie der Doc. Sind Sie da? (kurze Pause) … Son Dreck, ist das hier nicht für Notfälle? Alter… Warum sind sie nicht da? Was für’n verdammter Drecksarzt bist du eigentlich? … (wütendes Schnauben, Pause ca. 10 Sekunden) Was soll’s… (Seufzen) Kid ist… Irgendwas stimmt nicht. Er sagt, er trifft wen, wissen se? Aber da is keiner… Also… Ich mein… Da kann keiner sein. Und er hört wieder diese Stimmen… Ich glaub, es ist echt schlimm dieses Mal… Aber er merkt’s irgendwie nicht. Ist entweder aufgedreht oder schläft nur… Keine Ahnung… Ich… Ich glaube, er braucht Hilfe… (~30 Sekunden Pause) Es ist wie damals. Da war er auch so… Ist durchgedreht. Ich glaube, er wollte sich selbst was antun, wissen Se? Ich hab‘ ihn dann extra provoziert, er hat vollkommen am Rad gedreht. Als er mich angegriffen hat, ja? (Pause ~5 Sek.) Ich denke, er wusste nicht, dass ich es war. Wollte das eigentlich sich selbst antun. Ich wollte helfen, verstehen Sie? … Sind Sie da? … Er braucht wirklich Hilfe… Hallo? (~20 Sek. Pause) Wichser… (legt auf) -- Transkript Ende – Notiz: Die Nachricht wurde zwischen 03:29 Uhr und 03:36 Uhr aufgenommen. Ich hörte sie am nächsten Morgen gegen 7 Uhr ab. Polizei wurde unverzüglich verständigt. Ich fuhr zu meiner Praxis in der Hoffnung, Killian oder Kid dort aufzufinden. TS 113, 04.02.12 Es dauerte zwei Wochen, bis ich die beiden jungen Männer in meiner Praxis fand. Sie erwarteten mich morgens unangemeldet in meinem Sprechzimmer. Ich erkannte als erstes Kid, der unruhig in einem der Sessel saß und verunsichert hin und her blickte, Killer stand hinter ihm, abwehrend mit verschränkten Armen. Kid schien meine Anwesenheit nicht zu bemerken, Killers einzigen Worte der Sitzung waren: „Machen Sie was“. Dann verließ er den Raum und ließ mich mit Kid allein. Ich hatte das Tonbandgerät noch nicht zur Hand, weshalb ich den Verlauf des Gesprächs nur zusammenfassen werde: Nach einer kurzen Begrüßung richteten sich Kids Augen für einen kurzen Moment auf mich, dann wurde der Blickkontakt unbeständig. Ich fragte ihn, wie es ihm ergangen sei, doch bekam keine Antwort. Nach etwa 15 Minuten der Stille zeigte Kid eine erste Reaktion, indem er laut lachte. Er erwähnte mehrere Male, dass es für eine Unterhaltung zu laut sei. Er treffe aber diese Person und er wüsste, was zu tun sei. „Es gibt keine Antwort“, wiederholte er. Ich stellte Fragen zu der Person mit Bedacht auf die Anrufbeantworter-Nachricht und auch zu Kids Medikamenten, doch wirkte es, als könne er mich nicht verstehen. Nach insgesamt einer halben Stunde wird die Tür geöffnet, Killian M. betritt den Raum und schaut neugierig auf Kid. Nach einem Fluch packt er Kid am Kragen und zieht ihn mit sich. Ich versuche ihn aufzuhalten, erkläre, dass Kid bleiben müsse und sich in akuter Gefahr zumindest in einer akuten psychotischen Episode befände. Ich rief den Sicherheitsdienst, doch waren die beiden jungen Männer verschwunden, bevor dieser eingreifen konnte. Habe Beschwerde bzgl. Sicherheitsstandards der Klinik eingereicht. SEITE -10- THERAPIEVERLAUF NOTFALLBEMERKUNG Suizidversuch, 21.02.12 Nach der kurzen Sitzung war Kid wieder einmal nicht auffindbar. Wie von mir befürchtet, hat die akute psychotische Episode, in der er sich befand, nun ihre Auswirkungen gezeigt. Die Nachricht des Notdienstes erreichte mich gegen Mitternacht. Ich fuhr augenblicklich ins Krankhaus im Westend. Als ich eintraf, berichten mir die Ärzte von zwei offenen Pulsadern an den Handgelenken und einer überaus hohen Dosis blutverdünnender Acetylsalicylsäure. Eine leere Packung Aspirin wurde später in Kids Hosentasche gefunden. Die Kombination der Verletzung mit den Medikamenten deutet unmissverständlich auf einen Selbstmordversuch hin. Kid sei eine Stunde zuvor von seinem Mitbewohner gefunden worden. Dieser hatte unverzüglich den Notarzt alarmiert. Ich schalte mein Aufnahmegerät ein, bevor ich das Krankenzimmer betrete. Killian sitzt neben dem Krankenbett, Kids Augen öffnen und schließen sich unkontrolliert. Die Ärzte verabreichen Spenderblut und nutzen Kochsalzlösung zur Reinigung des Blutes. Kid scheint deutlich desorientiert. -- Transkript nach Aufnahme – Killian M.: (schaut verwundert zur Tür, verdeckt dann sein Gesicht mit einer Hand und betrachtet mich durch den Spalt zwischen zwei Fingern) So eine Scheiße… Ich hätt’s nicht gedacht. Ich meine… Das Schlafen und die Stimmen… Aber… Alter, ich hätt’s nicht gedacht. Ich… Ich kann mir das nicht verzeihen. Es… Es tut mir Leid… Es… (Stoppt, als seine Stimme merklich dünn wird, dreht sich dann von mir ab und schaut auf das Krankenbett) Dr. T.: (lege eine Hand auf Killians Schulter) Es ist ok. Er ist krank. Du weißt das. Egal was passiert, es ist nicht deine Schuld. Es ist gut, dass du ihn gefunden hast und es ist gut, dass er jetzt hier ist. Wir werden ihm helfen. (gehe zum Bett und setze mich auf den Rand. Lege eine Hand auf Kids Arm. Seine Augen richten sich kurz auf mich, er versucht sie offen zu halten, doch fallen die Lider immer wieder zu) Killian M.: Er spricht nicht… Hab’s schon versucht. Der guckt nur und pennt wieder ein. (wird dann laut, wendet sich an Kid) HAST DU GEHÖRT, DU WICHSER? Ziehst sone Scheiße in meiner Wohnung ab. Ich hab dir gesagt, dass es ne verdammte Schnapsidee ist. Dr. T.: (zu Killian) Er hat dir hiervon erzählt? Killian M.: (nimmt die Hand vom Gesicht, schaut zu Boden, ca. 10 Sek. Pause) Nicht direkt… Mehr über diese Stimmen und dass es nicht leise wird… und dieser… Keine Ahnung, diese Hallus und dass es besser sei… Was weiß ich. Er wäre… Ich hätt‘ es wissen sollen. Es war wie damals. Aber da konnte ich helfen, wissen Se? Dieses Mal.. Ich… Ich hätte… (bricht dann ab, steht auf und stellt sich neben das Bett; spricht direkt zu Kid) WARUM HAST DU HIRNTOTER TROTTEL NICHTS GESAGT? Dr. T.: (entschließe mich dies unkommentiert zu lassen, halte Killians Sorge und dessen Erwähnung von akustischen und visuellen Halluzinationen fest) Wir können ihm hier helfen. Es wird besser werden (werde von einem Laut von Kid unterbrochen) Kid: (Stimme ist belegt und undeutlich, schaut sich mit einem Mal erschrocken um, ergreift verkrampft meinen Arm) NEIN! (schreit) NEIN! Sie sind da! Sie sind überall! Ich muss… Ich muss weg… (beginnt zu weinen) Ich muss weg, Doc! Sie sind hier… Überall… ICH KANN DAS NICHT… (schaut dann zu Killian) Du elender Hurensohn! Warum? Warum? ICH KANN DAS NICHT! ICH WILL NICHT! ICH… (zwei Pfleger kommen in den Raum, versuchen Kid festzuhalten. Ich rate vom Beruhigungsmittel vorerst ab, doch folgen die Pfleger der Klinikordnung. Kaum ist Kid weggetreten, verlässt Killian den Raum. Ich folge ihm kurz darauf) -- Transkript Ende – Ich halte am Haloperidol fest und unterzeichne eine zweimonatige Einweisung zur Medikamenteneinstellung und Behandlung der Schnittwunden. Therapiestunden werden fortgeführt. Depression als Symptom der Schizophrenie sollte nun zunächst mit in den Vordergrund rücken. Es war das erste Mal, dass ich Killian so gesprächig im direkten Umgang erlebt habe. Diese offensichtliche Darstellung seiner Besorgnis, als auch seine Aussagen über Kid sollten Grundlage der nächsten Sitzungen werden. BEMERKUNG GEWALTTAT ggn. Killian Murphy: Für eine feste Aussage ist es noch zu früh, doch aus Killians Nachricht auf meinem AB und dessen kurze Bemerkung im Krankenzimmer schließe ich, dass die damalige Gewalttat von Kid gegen Killian eine Reaktion einer psychischen Episode war. Kid schien sich bereits dort selbst verletzen zu wollen, Killian scheint daraufhin solange seinen Freund beredet und provoziert zu haben, bis dieser seine Wut und Frustration, seine dekonstruktive Kraft nicht gegen sich selbst, sondern gegen Killian richtete. SEITE -11- THERAPIEVERLAUF TS 114, 28.02.12: Erste Sitzung nach Suizidversuch Nach der starken emotionalen Reaktion im Krankenbett weigert sich Kid in den folgenden Tagen zu sprechen. Zudem vermeidet er Augenkontakt. Ich deute dies als einen Ausdruck von Scharm in Bezug auf das Misslingen des Suizidversuchs, wie es häufig zu beobachten ist. Trotz seiner abwehrenden Haltung entschließe ich mich zu einem Gespräch, auch wenn die steril weißen Räume der Westend Klinik denkbar ungeeignet sind. Als ich den Raum betrete, hockt Kid auf einem der beiden vorbereiteten Stühle. Sein Blick ist auf den Boden gerichtet, während er abwesend an den Fingernägeln seiner linken Hand kaut. Er wirkt blass und übermüdet, trotz der Beruhigungsmittel. Ich setzte mich und schweige zunächst, in der Hoffnung, er würde eigenständig das Gespräch suchen. Nach 10 Minuten ändere ich die Taktik. -- Transkript nach Tonbandaufnahme und Notizen – Dr. T.: Schwester Ellen erzählte mir gerade von dem jungen Patienten aus Zimmer 8, der sich strikt weigert irgendetwas anderes als Schokoladenpudding zu essen (lache, Kid scheint jedoch nicht zu reagieren, ~10 Sek. Pause) Ich wusste gar nicht, dass du so sehr Schokolade magst. Kaum zu fassen, dass dich die Schwestern damit durchkommen lassen. Hast sie wohl alle um den Finger gewickelt… (lache erneut, bis Kid mit einem Mal aufguckt) (~30 Sek. Pause) Kid: (flüstert) Ist das sowas wie nen schlechter Witz, Doc? Dr. T.: (deutlich verwundert) Ein Witz? Nein. Aber wenn es ein Versuch war, dich zum Sprechen zu bewegen, dann freut es mich, dass es geklappt hat. Du scheinst Smalltalk immer noch nicht zu schätzen. (ca. 30 Sek. Pause, Kid schweigt und zieht an den Verbänden um seinen Handgelenken) Kid: Wie lange dieses Mal? Dr. T.: (überlege, ~5 Sek.) Wie lange du dieses Mal hier bleiben musst? Bis deine Medikamente eingestellt sind… Und ich sicher bin, dich wieder in meiner Praxis zu sehen. Vielleicht auch, bis ich sicher bin, dass du nicht wieder so etwas Dummes tun wirst Kid: (hört zunächst ausdruckslos zu, beginnt dann laut zu lachen ca. 20 Sek.) Dumm? (kichert) Das ist es wohl… dumm. Wenn ich nicht so bescheuert wär, dann wär ich jetzt nicht hier. Dann müsste ich mir nicht diese Scheiße anhören… Es wär‘ so einfach… Weißt du, Doc? Es wär‘ so einfach… Dr. T.: Und ist es das, was du willst, Kid? Willst du es einfach? Kid: (Schaut mich nachdenklich an, seufzt dann) Wär doch mal was anderes, oder? (zunächst schweigen beide, dann grinst Kid schließlich und beginnt zu lachen, ich stimme ein, ca. 30 Sek. – festhalten möchte ich die Selbstironie als positives Zeichen der realistischen Einschätzung seiner momentanen Situation) Dr. T.: Killia-… Killer war ernsthaft besorgt deinetwegen. Er hatte mich angerufen. Kid: Killer ist ein verfickter Verräter… Dr. T.: Er hat dir das Leben gerettet Kid: Eben. (schnaubt wütend, fährt sich mehrmals durch die Haare) Ich will dieses Leben nicht… Dr. T.: Kid… Du weißt, dass es deine Krankheit ist, di-… Kid.: (springt auf und stellt sich in aggressiver Haltung vor mich, wird lauter) Krankheit! Seit wann weiß der Bekloppte denn, dass er bekloppt ist? Ist es nicht das, was ihr Wichser sagt? Ist ok… Du weißt es ja nicht… Ich weiß nicht, dass ich durchs verdammte Wunderland hoppel? (schreit) Eure scheiß Pillen bringen mich doch erst dahin. Und dann liegt man sabbernd im Bett und wartet auf die verfluchte Schwester, damit sie deine Windel wechselt, weil dein verkacktes Hirn zu kaputt ist, als dass man es auf die Gesellschaft loslassen kann und deshalb gibt man Pillen und schaltet dich aus und dann… und dann… (nach Atem ringend, anschließend leise) Wie kann ich denn das Spiel spielen, wenn ich die Regeln nicht verstehen kann? (schluchzt) Ich kann das nicht zu Ende denken… Es ist so laut, und so hell und ich… Ich bin viel zu spät… Ich kann das nicht zu Ende… Ich meine… Es war so einfach… Dr. T.: (stehe auf und lege eine Hand auf Kids Schulter) Es tut mir Leid, dass es so schwer ist, Kid. Es ist unfair, ich weiß. Aber wir schaffen das. Ich verspreche dir, wir schaffen das. Kid: (legt zu meiner Überraschung seine Stirn auf meine Schulter, schweigt, bis sich seine Atmung wieder beruhigt vollständig hat) Ich werde dich enttäuschen, Doc… (schweigt, ca. 20 Sek.) Es tut mir Leid, aber ich werde auch dich enttäuschen, Doc. (20 Sek. Pause) Kann ich jetzt gehen? -- Transkript Ende – Wichtige Bemerkung nach Gespräch: Ich möchte drei Dinge im Anschluss an das Gespräch festhalten, die für den weiteren Verlauf von Kids Therapie relevant sein werden (1) Das Gespräch mit Kid erinnerte mich an die Darstellung und Begründung zur Gewalttat gegen Killian. Es erscheint, als würde Kid auf die Auswirkungen psychotischer Episoden dekonstruktiv reagieren – zunächst gegen andere, jetzt gegen sich selbst. Zum Schutz vor sich selbst und für andere ist daher besonders sensible auf den Beginn einer neuen Episode zu achten. (2) Die Beschreibung seiner Umgebung als „so hell“ und „so laut“ deutet auf eine Störung des Reizfilters hin – Haloperidoldosis sollte erhöht werden. (3) Besonders bewegend erscheint mir die Darstellung von Kid zu sich selbst in Bezug auf andere mit dem Verb „enttäuschen“. Er scheint die Schuld für sein Verhalten immer noch bei sich selbst zu suchen, weshalb er das Auftreten von Symptome als persönliches Versagen deutet. Beunruhigend bleiben seine letzten Worte der Sitzung, die weiterhin auf eine erhöhte Suizidgefahr hindeuten. Antidepressiva sollten in Erwägung gezogen werden. SEITE -12- THERAPIEVERLAUF Besuch in Klinik, 05.03.12 Entgegen meiner Anweisung wurde Kids Haloperidoldosis nahezu verdoppelt. Während meines (unangekündigten) Besuches finde ich Kid in einem Bett auf dem Korridor. Er ist nicht ansprechbar, scheint vollkommen weggetreten. Kurz nach meiner Ankunft treffe ich Killian, welcher sich schweigend neben das Bett stellt und Kid übers Gesicht streicht, um vermutlich Speichel von dessen Kinn zu entfernen. (Zitat aus Gedächtnis) Killian: „Der Mist hier kann doch nicht gut sein. Er ist ein Zombie… Ich bitte Sie, Doc. Hol’n Sie ihn hier raus… Ober ich fange wirklich an mich zu fragen, ob es richtig war, den Notarzt zu rufen. Die Scheiße hier kann doch nicht Ihr Ernst sein…“ Ich entschließe mich für die Beantragung der ambulanten Versorgung des Patienten. TS 120, 04.04.12 Nachdem Kid vor zwei Wochen aus der Klinik entlassen wurde, erscheint er zu jeder angesetzten Therapiesitzung (~jeden zweiten bis dritten Tag). Das Haloperidol scheint nun richtig dosiert zu sein – seine Aussagen sind klar, die Augenbewegungen scheinen kontrolliert und er vermag sich für kurze Perioden (ca. 2 bis 3 Minuten) auf einen Interessensgegenstand konzentrieren zu können, sodass er in der letzten Sitzung sogar die von mir gestellte, begleitende Aufgabe wieder lösen konnte. Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf. Kid wirkt ausgeglichen und gesprächig. Als nächsten Schritt der Therapie werde ich nach einer Beschäftigung suchen, die Kid helfen wird, sich wieder in das gesellschaftlich-soziale Leben zu integrieren. Die Therapiestunden werden von nun an zweimal wöchentlich stattfinden. BEMERKUNG STUDIENANFANG, 07.05.12 Obwohl das Semester bereits begonnen hatte, kann ich einen früheren Studienkollegen davon überzeugen, Kid an seinen Vorlesungen teilhaben zu lassen. Sein Interesse an und seine Begabung in Mathematik, Physik und Mechanik lassen mich vermuten, dass er sich im universitären Umfeld wohlfühlen kann. Ich begleitete ihn an seinem ersten Tag. Er wirkt zufrieden, geradezu aufgeregt, was mir Grund zur Hoffnung gibt, dass ein Studiengang seinen Zustand weiterhin stabilisieren könnte. Bemerkung 07.06.12 Zu meiner Enttäuschung erfahre ich von meinem Kollegen, dass Kid immer seltener zu den Vorlesungen erscheint und es nahezu unmöglich ist, ihn in Gruppenprojekte zu integrieren. Auch wenn er Kid als überaus intelligent einschätzt, so scheint die fehlende soziale Variante diesem im akademischen Zusammenhang im Weg zu stehen. In unseren Therapiesitzungen erwähnt Kid nichts davon. Vielmehr berichtet er von dem Autowrack, das er und Killian momentan wieder zusammenbauen. Ich schätze Killians Hilfeversuch, doch ist es äußerst bedauerlich, dass die universitäre Laufbahn für Kid unmöglich zu verfolgen scheint. TS 202, 09.09.12 Aus zeitlichen Gründen wurde die Weiterführung der Akte zu sehr vernachlässig. Kids Zustand ist jedoch weiterhin stabil, die Medikamente sind gut eingestellt. Festhalten möchte ich einen Ausschnitt aus der letzten Sitzung: -- Transkript nach Tonbandaufnahme – Kid: Wann hast du aufgehört mich Eustass zu nennen? Dr. T.: Möchtest du, dass ich dich Eustass nenne? Kid: (lacht verwundert) Scheiße nein! (schweigt während er einige der bereitgestellten Kekse ist) Dr. T.: Warum dann die Frage? Kid: Was weiß ich… Mir war danach. Weißt du Doc, ich hab letztens dieses Buch gelesen… Hat ewig gedauert, sag ich dir! Ich les` ne Seite und dann dreht sich alles. Dieses verfickte Peridolgift bringt meinen Kopf echt durcheinander… Aber egal, ich hab’s gemacht. Und da ging’s mir dann auf. Ich mein… Das Problem ist doch, dass Eustass normal sein muss. Erwachsen werden und Tennis spielen. Das College abschließen. Ich hab‘ mir das dann vorgestellt. Eustass, dieses hässliche Gör mit den roten Haaren und den Sommersprossen. Ist aber ziemlich flink der Junge und gewinnt sich einige Medaillen. Dann ist er ganz clever, macht nen guten Abschluss und geht aufs College, um später Maschinenbau zu studieren. Die Mama steht auf der Abschlussfeier und weint, während der Vater ihm stolz die Hand auf die Schulter legt. Danach fängt Eustass O’Sullivan an in dieser großen Firma zu arbeiten, baut nen paar geile Roboter und so… Irgendwann lernt er dieses hübsche Mädel mit den schwarzen Locken kennen… Sie gehen aus: Verliebt, verlobt, verheiratet. Mama weint wieder, dieses Mal auf der Hochzeit; Vater hat die Kiste mit den Kubanischen bereit. Zwei Kinder, der Porsche, die große Villa und das Ferienhaus. Der Labrador, Golf, Jahresurlaub und fünf Enkelkinder auf dem Arm im Schaukelstuhl auf der Veranda. Glücklich und zufrieden. Niemand hatte jemals behauptet, er sei nicht richtig. Geliebt von sich und der Welt, bis er umweint und betrauert ins Grab fällt… (macht eine Pause, schaut durch den Raum und auf die Tafel mit der gelösten Aufgabe der Sitzung, lacht traurig) … (~20 Sek. Pause, schaut mich an) Und wenn er doch nicht gestorben ist, dann… Nen schönes Märchen. Sehr schön sogar… (hebt seine Hand und formt eine Pistole aus seinen Fingern, die er erst auf mich richtet, dann auf sich selbst und anschließend mimt, als würde er gegen seine Schläfe feuern) Es ist eine Schande, nicht wahr? Dr. T.: (nehme mir bewusst einige Sekunden, um über das Gesagte nachzudenken. Offensichtlich scheint er sich damit auseinanderzusetzen, wie sein Leben ohne seine Erkrankung ausgesehen hätte. Sein neuer Name wird damit sowohl zum Symbol seiner eigenen Ohnmacht jemals erwachsen zu werden, als auch zum Todesurteil des normalen Lebens, das er hätte führen können. Die Realisierung ist traurig wenn auch scharfsinnig, so versuche ich einzugreifen, denn wir sind uns beide bewusst, dass er dieses erträumte Leben niemals führen kann) Was ist der Unterschied zwischen Kid und Eustass? Kid: (hebt verwundert die Augenbrauen, lacht dann leise und schaut zunächst nachdenklich zu Boden, bevor er mich entschlossen ansieht) Eustass hatte eine kleine Schwester. -- Transkript Ende -- […] ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)