Camio und das Menschliche Herz von Kirai (Eine Demon Lord Camio Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 2: In der Menschenwelt ------------------------------ "Ich verstehe einfach nicht, wie du schon wieder so viel essen kannst!" Camio grinste zur Antwort und schob sich eine weitere Portion Spaghetti in den Mund. Ihr äußerst ausgiebiges Frühstück war gerade einmal vier Stunden her, und sie waren kaum mehr als 40 Minuten unterwegs gewesen, als Camio vorschlug, essen zu gehen. "Wie ein Kleinkind", hatte Lotte gesagt, "immer am essen und nörgeln." Aber wirklich gestört hatte es sie nicht. Vincent hatte sie schließlich zu einem kleinen, neuen Italiener in der Gegend eingeladen, wo sie jetzt saßen. Insgesamt war Vincent viel netter, seit Lotte ihm alles erzählt hatte. Er hatte ihm sogar "angemessenere" Kleidung ausgeliehen, Kapuzenpullover und Jeans, die ihm eigentlich ganz gut gefielen, auch wenn sie fast zwei Größen zu groß waren und die Ärmel um seine Beine schlackerten. "Und", meinte Lotte plötzlich, "hat es sich hier verändert, seit du das letzte Mal hier warst?" Er nickte heftig. "Ganf doll", antwortete er mit vollem Mund, was Vincent zum schmunzeln brachte, auch wenn er sich Mühe gab, tadelnd dreinzusehen. "Wie lange ist das denn her?", fragte er, den Kopf auf die Hände gestützt. Camio schluckte und legte die Gabel beiseite. Tja, wie lange eigentlich? "Schon ein paar hundert Jahre.", meinte er schließlich. Der Menschenjunge nickte gedankenverloren. Nach einer weiteren Portion Nudeln für Camio stand Lotte schließlich mit einer gemurmelten Entschuldigung auf. Ihr Bruder beobachtete, wie sie sich entfernte, und als sie außer Hörweite war, wandte er sich an den Dämon: "Hör mal, Camio, tut mir schrecklich leid, dass du hier reingeraten bist. Nimm es Lotte bitte nicht übel, sie ist so ein Sturkopf. Immer will sie irgendwas beweisen. Wenn sie mir nur vorher davon erzählt hätte, hätte ich sie vielleicht daran hindern können, aber, naja, ..." Er brach ab. Camio schüttelte den Kopf und erklärte, dass er freiwillig da war. Immerhin hatte er etwas vor. Sein Gegenüber war merklich erleichtert. "Ist das bei dir eigentlich normal, dass du anfängst zu brennen?", wollte er dann wissen. Der Dämon zuckte die Schultern. "Passiert manchmal, wenn ich mich aufrege. Aber mir macht es nichts aus." Vincent nickte interessiert. "Die meisten Menschen wären allerdings weit weniger entspannt, wenn jemandes Füße Feuer fangen.", setzte er frech hinzu. Nun war es an Vincent, die Schultern zu zucken. "Mit Lotte bin ich Kummer gewöhnt, da brennt es eh gelegentlich. Wenn auch meistens keine Personen. Einmal hat sie im Wohnzimmer Schwefel angezündet, den Geruch wurden wir tagelang nicht los. Außerdem...", er brach erneut ab, suchte nach den richtigen Worten. "Außerdem rege ich mich grundsätzlich nicht auf. Das bringt nur Ärger." "Was bringt Ärger?" Ohne dass sie es bemerkt hatten, war Lotte wieder zu ihnen gestoßen. "Dass unser Gast so viel isst, der macht uns noch pleite!", verkündete Vincent lachend. Camio blitzte ihn an, sein Blick verschlagen. "Dann bezahl halt nicht." Für einen winzigen Moment blieb beiden Menschen die Luft weg. "Nicht dein Ernst, oder?", hakte Lotte ungläubig, und mehr als ein wenig aufgeregt, nach. Der Dämon hob beinahe spöttisch die Augenbrauen. "Warum denn nicht?" Vincents Mine war neutral, als er sprach: "Das macht man nicht, Camio. Die Menschen leben davon." Naserümpfend verschränkte der Angesprochene die Arme. "Ihr doch auch. Die sind doch nicht euer Problem." Lotte sah zu Vincent herüber, der, die Hand noch auf der Tasche mit dem Geld, unentschlossen dastand. „Warum eigentlich nicht? Ich hab noch nie was geklaut! Bist du sicher, Camio?“ Der Dämon, alles andere als unglücklich über die Bewunderung in Lottes Stimme, zuckte nonchalant mit den Schultern. „Klar. Das mach ich ständig.“ Dass er fast immer erwischt wurde, ließ er natürlich weg. Wieder wandte sich Lotte an ihren Bruder. „Komm schon, Vince! Er hat schon irgendwo recht, oder? Dieses eine Mal, um es mal gemacht zu haben? So viel ist das ja nicht, das wird schon nichts machen. Komm Vince, lass uns mal was Verrücktes machen!“ Sie war ganz hibbelig und sogar ein wenig rot im Gesicht. "Am besten gehen wir jetzt einfach. Ihr wolltet doch so gerne die Stadt sehen.", erwiderte dieser, offensichtlich nervös. „Also ja?“, hakte Lotte nach, die sich nicht abwimmeln lassen wollte. Der Junge sah sich noch einmal im Restaurant um, es war noch viel zu früh, außer ihnen war nur ein Tisch besetzt. Niemand beachtete sie. Er biss sich auf die Lippe. „Ja.“, gab er nach, und auch wenn er es erbittert bestreiten würde, auch ihm gefiel die Aufregung zumindest ein wenig. Die drei standen auf und gingen. So sichtbar nervös, wie sie doch alle drei waren, grenzte es an ein Wunder, dass diesesmal niemand sie erwischte. Kaum draußen, begann Lotte zu kichern, sie grinste Camio an und er grinste zurück und sagte, das hätte er schon hundertmal gemacht. „Ist doch nicht schwer, oder?“ Noch als sie Minuten später im Bus saßen, grinste Lotte vor sich hin. Am besten gefielen Camio die großen Plätze, entschied er, als die drei sich in einem der vielen Parks im Gras niederließen. Das, und das Essen. Vincent hatte darauf bestanden, ein paar kulturell wichtige Sehenswürdigkeiten in die Tour mit einzubeziehen, und Lotte beharrte auf die großen Straßen mit all den kleinen bunten Läden, in denen sie ihm neue Ausstattung gekauft hatten: Eine hellblaue Weste mit coolem Skelettmuster auf dem Rücken, ein schwarz-weißes T-Shirt, graue Jeans und zwei Gürtel. Gegen Schuhe hatte er sich vehement geweigert. Aber Camio mochte die großen Plätze, die Stauen und Denkmäler, an denen alle mit Staunen vorbeigingen, und die unendlich vielen Menschen, die ihren armseligen kleinen Leben nachgingen, die vielen kleinen Vögel. Berlin gefiel ihm, entschied er, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Ein guter Ort für den Anfang. Irgendwann würde er auch so eine Statue haben, von sich selbst. Sein Bruder würde staunen. Die ausgebreitete Karte, die in ihrer Größe über die Ränder des schweren, wertvollen Steintisches hing, kam Belial kaum bekannt vor. Hatte sich die Menschenwelt wirklich so sehr verändert in den paar Jahrhunderten? Es waren offensichtlich viel zu viele Städte, überall. Ein schiefes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als ihm ein anderer Gedanke kam: Nicht, dass man das nicht beheben konnte. Die Generäle hatten sich für den Tag zurückgezogen, und so war es an Avaria, dem Dämonenkönig, Mächtigsten nach Lucifer selbst, bei seinem Brüten und Pläneschmieden Gesellschaft zu leisten. Sie selbst sorgte sich wenig um den Krieg, den er vorbereitete, die Menschenwelt im Ganzen konnte ihr gestohlen bleiben, sollen die Schoßvögelchen des Alten sie sich doch holen. Aber Belial war es wichtig, also hörte sie sich die Pläne an, gab Vorschläge, lehrte die Truppen sowohl das Fürchten als auch den Kampf und verbrachte die Abende an Belials Seite, während er metallene Figuren auf der Karte herumschob. Sie machte sich wenig aus Strategie, aber sie erkannte, es war kein schlechter Plan. Alles in allem war es kein schlechter Plan. Avaria bemerkte den Eindringling zuerst, noch bevor er auch nur die Halle betrat. Die Spitze ihres Schwertes lag binnen Sekunden an seinem schuppigen Hals, und er ergab sich sofort. Sie warf ihn dem König vor die Füße, wo er zitternd und fauchend liegen blieb. „Höchster Lord Belial, bitte, ich bringe Nachricht für Euch.“, brachte er schließlich heraus. Der Dämonenkönig zischte verärgert, wer wagte es, ihn zu stören? Sein Gegenüber schien unter seinem Blick zu schrumpfen, wagte nicht, den Kopf zu heben, getroffen von der Macht, die der Geflügelte ausstrahlte. Belial wirkte so cool und gelassen wie immer, aber unter der Oberfläche brodelte er beinahe. Er hatte keine Zeit für Kleinigkeiten, er musste einen Feldzug vorbereiten! Am Rande seiner Wahrnehmung bemerkte er Avarias Blick, besorgt. Beinahe unbewusst runzelte er die Stirn, wie schon all die vorherigen Male, wenn etwas schiefzulaufen schien, wenn sie ihn so ansah. Für eine Sekunde hielt er ihren Blick, sein Ausdruck sichtbar weicher. Sie gab ihm ein schwaches Lächeln, dann brach sie den Blickkontakt. Auch er wandte sich wieder dem anderen Dämon zu. Hoffentlich für ihn war es wichtig. „Sprich.“, befahl er. Der andere zuckte zusammen und beeilte sich, dem nachzukommen. „Es geht um den hohen Lord Camio.“ Belial neigte leicht den Kopf. Camio? Er hatte vor Stunden nach ihm rufen lassen, jetzt, wo er etwas Zeit hatte. Was hatte sein übermütiger Bruder nur wieder ausgefressen? Seine Augen verengten sich. Der andere zögerte, eingeschüchtert von der Reaktion des Höheren. „Er... Wir können ihn nirgends finden!“ Hintergründig nahm er Avarias Blick wahr, als sich seine Flügel spannten. Verschwunden? Sofort füllte sich sein Geist mit möglichen Gefahren, doch er war sich der Anwesenheit des Boten bewusst, also zwang er sich, ruhig zu bleiben. Er nickte, dann schickte er ihn fort. Sofort war Avaria bei ihm. Vor ihr musste er sich nicht verstellen, sie hatte seine Sorge längst erkannt. Er rieb sich die Stirn. Stütze sich auf dem Tisch ab, ungeachtet der Karte darauf, die er zerknickte. Stieß sich vom Tisch wieder ab und begann, hin und her zu gehen wie ein Tiger im Käfig. Camio brachte sich oft in Schwierigkeiten, ließ sich beschwören, verursachte Chaos, brachte ihn in Verlegenheit, immer und immer wieder, und immer musste er gerettet werden. Hatte ihn oft enttäuscht, verärgert, blamiert. Aber er war sein kleiner Bruder. Alles andere war egal, er war für Camio verantwortlich, und wenn er Recht hatte, trug er die Schuld an seinem Verschwinden, er war es doch, der ihn abgewiesen hatte. Er hätte es wissen sollen. Schon lief er auf die Flügeltore zu, die gewaltigen, nachtschwarzen Flügel ausgebreitet. „Was hast du vor, Liebster?“, fragte Avaria, eine Hand auf seinem Arm. Sie kannte die Antwort, auch wenn sie ihr nicht gefiel. Es gab nur einen Ort, wo er sein konnte. „Die Menschenwelt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)