Last Desire 4.5 von Sky- (Another Desire) ================================================================================ Kapitel 4: In der Kletterhalle ------------------------------ Am nächsten Morgen wachte Andrew leicht verkatert auf und fragte sich, wie er es denn gestern überhaupt ins Bett geschafft hatte. Na was soll’s, dachte er sich und stand auf, wobei er sich erst mal streckte. Zumindest musste ich nicht auf dem Sofa schlafen. Er ging runter in die Küche, wo Oliver bereits mit dem Frühstück wartete und sich wie immer bester Laune erfreute. „Na? Alles frisch bei dir?“ „Ich glaub, ich hab einen leichten Kater. Du sag mal, wie bin ich denn ins Bett gekommen?“ „Hab dich hochgebracht, weil du so tief und fest geschlafen hast.“ Ach so, das erklärte ja alles. Andrew stärkte sich erst einmal, ging dann ins Bad und nahm eine von den Kopfschmerztabletten, die Oliver ihm besorgt hatte. Der gestrige Tag mit Ridley war ja schon recht lustig gewesen, auch wenn sie die meiste Zeit nur Kartons geschleppt hatten. Aber wenigstens war es nicht mehr allzu chaotisch im Haus und gegen den Rest würde er auch schon noch etwas unternehmen. Dann hatte er wenigstens eine sinnvolle Aufgabe für die nächste Zeit. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn als seine Kopfschmerzen einigermaßen gewichen waren und es ihm erheblich besser ging, nachdem Oliver ihm ein Spezialmittel gegen Kater gemixt hatte, hatte dieser bereits andere Pläne mit ihm. „Bevor du hier noch den ganzen Tag im Haus sitzt und dich nicht zu beschäftigen weißt, habe ich etwas Tolles ausgedacht.“ „Und… was ist es?“ „Lass dich einfach überraschen. Da du kein geeignetes Schuhwerk hast, kann ich dir gerne ein zweites Paar von mir geben. Du wirst es schon sehen, wenn wir dort sind.“ Und nachdem Andrew die Küche aufgeräumt hatte, packten sie ein paar Sachen ein und machten sich auf den Weg. Oliver machte ein ganz schönes Geheimnis draus, wohin denn sie denn hinfuhren und hatte wie immer sichtlich Spaß. Andrew hingegen war ein wenig unruhig und nervös und fragte sich natürlich, was sein Gastgeber denn mit ihm vorhatte und was er im Schilde führte. Doch als sie schließlich nach knapp einer Viertelstunde Fahrt einen Parkplatz erreichten und eine Kletterhalle betraten, rutschte Andrew sekundenschnell das Herz in die Hose, er sagte aber nichts und versuchte wie immer, sich nichts anmerken zu lassen. Trotzdem wäre er am liebsten sofort wieder umgekehrt. Nicht, dass er Höhenangst hatte oder so, aber er wusste definitiv, dass er für so etwas garantiert nicht geschaffen war. Und ihm war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, da hochzuklettern. Warum zum Teufel hatte Oliver ihn hierher gebracht und was versprach er sich davon? „So, dann wollen wir mal sehen, wie gut du klettern kannst. Hast du schon irgendwelche Erfahrungen, oder ist es dein erstes Mal?“ Er musste lachen über diese ungewollte Zweideutigkeit und klopfte Andrew auf die Schulter, dieser zwang sich eher zum Lachen und hätte am liebsten gesagt, dass er wieder gehen wollte. Aber andererseits hatte Oliver schon so viel für ihn getan, da wäre es doch unhöflich, einfach so zu gehen. Und undankbar wollte er ja auch nicht erscheinen. Trotzdem sträubte sich alles in ihn, zu klettern. Es sah so verdammt hoch aus und in seinem Kopf ratterte er bereits sämtliche Szenarien durch, die sich im schlimmsten Fall zutragen könnten, wenn er abstürzte. Wieder Knochenbrüche und schmerzhafte Reha… Na hoffentlich passierte da auch nichts, denn er stellte es sich nicht gerade einfach vor, da hochzuklettern. Was, wenn er abrutschte und sich nicht mehr festhalten konnte? Was, wenn das Seil riss und er hinunterstürzte? Oliver besorgte die Ausrüstung und erklärte Andrew, was er zu machen habe. „Keine Bange, ich bleib am Seil und pass auf, dass nichts passiert. Ich klettere selbst schon seit Jahren.“ Sie gingen schließlich zu einer geeigneten Stelle hin und Andrew sah hinauf. Verdammt war das hoch. Sogleich verließ ihn jeglicher Mut und ihm drehte sich der Magen um. „Das schaffe ich nie…“ „Das weißt du erst, wenn du es versucht hast.“ Doch er schüttelte den Kopf und betonte „Ernsthaft. Ich kann das nicht. Ich komme niemals so hoch!“ „Musst du ja auch nicht. Du brauchst einfach nur versuchen, so hoch wie möglich zu kommen.“ „Hättest du mich nicht vorher warnen können, dass wir in eine Kletterhalle gehen?“ „Dann hättest du mit Sicherheit einen Weg gefunden, dich davor zu drücken.“ Doch immer noch machte Andrew keine Anstalten zu klettern. Das war doch absolut verrückt. Wieso nur kam Oliver auf die bescheuerte Idee, dass er jetzt klettern sollte, wo er doch nie so etwas gemacht hatte? Das war doch absoluter Blödsinn. Nie und nimmer schaffte er das! „Tut mir Leid, aber ich kann das nicht. Was ist, wenn ich abstürze?“ „Für den Fall bin ich ja da, um dein Seil zu sichern. Sollte etwas passieren, werde ich dich abbremsen und wenn das Seil reist, fange ich dich so auf und der Boden ist weich genug, dass du dich nicht so schwer verletzen kannst. Nur keine Bange, es kann dir nichts passieren. Versuch es wenigstens mal. Ich mach dir einen Vorschlag: du kletterst so hoch wie du kannst und wenn es nicht mehr geht, dann kommst du wieder runter.“ Andrew merkte, dass Oliver hartnäckig blieb und so gab er es auf, weiterhin Widerworte zu geben. „Lass dir ruhig Zeit dabei. Es drängt dich niemand, okay?“ Doch Andrew sagte nichts und war genervt. Warum ließ Oliver ihn nicht mit seinen bescheuerten Ideen einfach in Ruhe? Er hätte ihn wenigstens fragen können, ob er überhaupt klettern wollte! Aber stattdessen stellte dieser unberechenbare Knallkopf ihn vor vollendete Tatsachen und nötigte ihn regelrecht dazu und fragte ihn nicht mal nach seiner Meinung. Langsam begann er zu klettern und versuchte, irgendwie hochzukommen. Aber es war ihm ein Rätsel, wie er das schaffen und sich vor allem richtig festhalten sollte. Das schaffte er nie und nimmer. Trotzdem versuchte er es. Einfach nur deshalb, damit Oliver endlich aufhörte, ihn zu nerven. Schon nach kürzester Zeit merkte er, dass es ihm eindeutig an Kondition und Training fehlte. Seine Arme taten ihm weh und seine Beine ebenfalls, es war tierisch anstrengend, sich weiter nach oben zu kämpfen und Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Er kam nur quälend langsam voran und rutschte zwischendurch kurz ab, weshalb er wieder eine ganze Zeit lang an einer Stelle festhing und versuchen musste, irgendwie wieder Halt zu finden. Nach einer Weile hielt er inne und atmete schwer und er merkte so langsam, dass es echt an seinen Kräften zehrte und ihm langsam die Kraft ausging. Und seine Motivation war ohnehin schon mitsamt seiner Laune weg. „Oliver, ich glaub ich kann nicht mehr…“ „Ach was, das schaffst du schon. Na komm. Ein kleines Stückchen geht noch!“ „Nein ernsthaft! Ich kann nicht mehr!“ Doch Oliver spornte ihn weiter an und so kletterte Andrew noch höher. Ohne es zu wollen wurde er dabei richtig sauer und am liebsten hätte er Oliver erwürgt. Warum nur hört er nicht endlich auf, mich ständig zu drängen, obwohl er doch selber gesagt hat, ich kann jederzeit wieder runterkommen, wenn ich es nicht mehr schaffe? Und wieso mach ich da überhaupt noch mit? Das ist doch totaler Schwachsinn! Oliver ist echt so ein verdammter Blödmann, der kann sich sein dämliches Grinsen sonst wohin stecken… Andrew war selbst erstaunt, dass er so sauer wurde, dabei hatte er sich noch nie dermaßen geärgert. Nun gut, er hatte mal die Beherrschung verloren und Beyond eine reingehauen, als dieser seine Beziehung zu L gebeichtet hatte. Aber das war ja auch eine recht heftige Sache gewesen, doch hier regte er sich streng genommen über eine absolute Kleinigkeit auf. Und genau das war ihm noch nie in seinem Leben passiert. Immer wieder hielt er zwischendurch an und versuchte Oliver zu verstehen zu geben, dass er nicht mehr schaffte, doch dieser hörte überhaupt nicht zu und drängte ihn nur weiter. Schließlich aber, als er noch höher geklettert war, verließ ihn endgültig die Kraft und an diesem Punkt ließ Oliver ihn auch wieder herunter. Andrew war völlig am Ende seiner Kräfte und atmete schwer. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Verdammt, war das eine Tortur gewesen. Der Hacker klopfte ihm zufrieden lächelnd auf die Schulter. „Super gemacht. Dafür, dass du angeblich nicht klettern kannst, hast du es ja ganz schön weit nach oben geschafft.“ Doch da platzte Andrew endgültig der Kragen und er schlug Olivers Hand weg, dann stieß er ihn von sich. „Du kannst mich mal!“ rief er und legte seine Kletterausrüstung ab. „Ich hab dir oft genug gesagt, dass ich nicht mehr kann und du hörst einfach nicht zu. Du mit deinem bescheuerten Grinsen gehst mir auf die Nerven. Ich hab echt keine Lust mehr auf diesen Schwachsinn.“ Damit wollte Andrew gehen, doch Oliver stellte sich ihm in den Weg. Immer noch war er die Ruhe und die gute Laune in Person und das brachte Andrew nur noch mehr auf die Palme. „Jetzt sei doch nicht so. Guck doch, du hast es fast bis ganz nach oben geschafft und das ist eine grandiose Leistung für einen Anfänger.“ „Das interessiert mich aber nicht“, rief Andrew und stieß ihn wieder zurück. In dem Moment war es ihm auch vollkommen egal, dass andere in der Kletterhalle neugierig zu ihnen herüberschauten. „Ich finde es einfach zum Kotzen, dass keiner auf das hört, was ich will und du meinst, du könntest deine beknackten Spielchen mit mir spielen. Ich hab das mein ganzes Leben ertragen, seit ich in Wammys House war und mir ständig vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. Und ich habe immer versucht, es allen recht zu machen. Aber was ich will, zählt hier ja wohl gar nicht, oder? Stattdessen gehst du mir mit deinen Klettertouren auf die Nerven.“ Damit ging Andrew und verließ die Kletterhalle. Er setzte sich draußen auf eine Bank und brach in Tränen aus. Irgendwie wurde ihm in diesem Moment alles zu viel. Aufgestaute Emotionen brachen hervor und er konnte sie nicht zurückhalten. Verdammt, er hatte da gerade komplett die Beherrschung verloren, obwohl er das doch nicht wollte. Aber Oliver war doch selber schuld. Warum machte er so eine Scheiße mit ihm und was versprach er sich davon? Zog er irgendwie ein abartiges Vergnügen daraus, seinen Mitbewohner durch die Gegend zu scheuchen und ihn die Wand raufzujagen, obwohl dieser es definitiv nicht wollte? Der hatte sie doch nicht mehr alle. Andrew spürte, wie erschöpft er eigentlich war und dass sich seine Arme und Beine wie Blei anfühlten. Nie hätte er gedacht, dass das Klettern so dermaßen anstrengend war und er bezweifelte, dass er die Energie dafür aufbrachte, zu Fuß nach Hause zu laufen. Nein, das schaffte er wirklich nicht. Er war völlig erschöpft. Leise seufzend lehnte er sich zurück und sah in den grauverhangenen Himmel. Irgendwie fühlte er sich in diesem Moment noch beschissener als im Institut, obwohl er doch jetzt in deutlich besseren Verhältnissen lebte als dort. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, er hätte nicht auf Frederica gehört und wäre bei Dr. Brown geblieben. Dann würde es ihm jetzt nicht so dreckig gehen. Als ihm etwas Eiskaltes gegen die Wange gedrückt wurde, erschrak er und wurde aus seinen Gedanken gerissen. Es war Oliver, der zwei Dosen Cola dabei hatte und sich neben ihn setzte. Er reichte ihm eine und wortlos nahm Andrew sie an, während er sich die Tränen aus den Augen wischte. Immer noch wirkte der Hacker so locker und sorglos wie eh und je und schien sich augenscheinlich nicht sonderlich um Andrews miserable Verfassung zu kümmern. Dann aber bemerkte er „Da hat sich über die ganzen Jahre wohl ziemlich viel bei dir aufgestaut, oder?“ „Kann schon sein“, murmelte der 25-jährige tonlos und trank einen Schluck. So etwas hatte er nach der Klettertour wirklich gebraucht. „Irgendwie habe ich komplett die Beherrschung verloren.“ „Na irgendwann mal musste das doch raus. Du kannst doch nicht ewig alles schweigend hinnehmen und ertragen, obwohl es dir gegen den Strich geht. Das hilft niemandem wirklich. Aber weißt du, es kann auch sehr befreiend sein, sich einfach den ganzen Frust von der Seele zu schreien und seine ganze Wut rauszulassen. Dann fühlt man sich gleich besser und hat dann endlich gesagt, was Sache ist. Wenn ich ehrlich sein soll, hatte ich schon damit gerechnet, dass du total ausrasten würdest. Deshalb habe ich dich ja hierher gebracht.“ Als Andrew das hörte, hätte er beinahe seine Coladose fallen gelassen und fassungslos sah er Oliver an. Dieser Mistkerl hatte ihn extra auf die Palme gebracht? War der jetzt komplett übergeschnappt? „Du hast WAS getan?“ „Dich absichtlich komplett verausgabt, damit du erst mal über deine Grenzen hinausgehst und siehst, was du eigentlich schaffen kannst, wenn du an dich glaubst und damit du nicht mehr die nötige Energie hast, die Beherrschung zu bewahren. Ich hab gleich schon bei der Sache mit der Melone gemerkt, wie sehr du innerlich unter Anspannung standest. Früher oder später wäre es sowieso dazu gekommen, dass du komplett explodierst, oder aber in die andere Richtung gehst und dich wieder umbringst. Also habe ich dich erst mal dazu gebracht, dass du auf mich losgehst, damit du endlich mal ganz klar sagst, was dich so aufregt und wieso du so unglücklich bist.“ Andrew war sprachlos und konnte nicht fassen, was Oliver da mit ihm gemacht hatte. Dieser Kerl hatte also von Anfang an vorgehabt, ihn in solch eine Situation zu bringen, nur damit er seinen Emotionen freien Lauf ließ und sich seine Wut von der Seele redete? In diesem Moment brach Andrew wieder in Tränen aus und tröstend legte der Hacker einen Arm um ihn. „Erzähl schon, was dir so an die Nieren geht. Meinetwegen kannst du gerne wieder laut werden.“ „Es ist einfach so vieles, was beschissen bei mir läuft. Als ich zu euch ins Waisenhaus kam, da wollten Roger und Watari mich zum neuen Hoffnungsträger für L’s Nachfolge machen. Ich wollte beweisen, dass ich das Zeug dazu habe und dass ich es schaffen kann. Wie ein Verrückter habe ich gelernt und die Nächte durchgearbeitet, um die Konstruktionspläne fertig zu stellen, um L sogar zu übertreffen. Und dann heißt es plötzlich, ich wäre nicht mehr geeignet, weil ich psychisch labil bin und nicht die nötige innere Stärke besitze.“ „Das ist echt mies“, stimmte Oliver kopfnickend zu. „Zuerst machen sie dir Hoffnungen und setzen dich unter Druck und dann sägen sie dich einfach ab. Das ist echt ne miese Tour.“ „Ja und ich war so dumm, mich in den Falschen zu verlieben und die ganze Zeit Beyonds Gefühle auszunutzen, nur um mich selbst besser zu fühlen. Obwohl ich wusste, dass er mich liebte, hab ich ihn einfach als Ersatz für L missbraucht und als ich dann Gefühle für Beyond entwickelt habe, hab ich bereits den Karren in den Dreck gefahren und mir von Clear einreden lassen, dass ich alles vermasselt habe und ich allein dafür verantwortlich bin, dass Beyond so leiden musste. Und ich bin so bescheuert, dass ich mich jahrelang von James (also Dr. Brown) wie Dreck behandeln lasse, obwohl ich genau wusste, dass er ein Mistkerl war. Ich hasse das alles. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich so dumm war und mir immer von allen ständig sagen ließ, was ich zu tun und zu lassen hatte. Selbst jetzt mache ich es nicht besser und bin inzwischen so weit, dass man mich nicht mehr alleine lassen kann, weil ich sonst nicht mehr zurechtkomme. Hätte ich damals genauso wie Beyond das Waisenhaus verlassen, anstatt mich so dermaßen unter Druck setzen zu lassen, dann wäre vielleicht vieles anders gekommen. Und hätte ich mich nicht in den Falschen verliebt, hätte ich Beyond nicht so wehgetan. Ich finde es einfach zum Kotzen, ständig vor den anderen den unbekümmerten Andy zu spielen, für den alles in Ordnung ist und mit dem man machen kann, was man will. Ich hab die Schnauze voll davon!“ Es war irgendwie komisch, das alles endlich mal so offen zu sagen, aber gleichzeitig fühlte es sich befreiend an, endlich mal ganz laut auszusprechen, warum es ihm so schlecht ging und wie er sich wirklich fühlte. Irgendwie hatte er das Gefühl, es wäre in Ordnung, wenn er sich Oliver so anvertraute, weil dieser ihn verstand. „Weißt du was das Schöne daran ist, Andy? Wenn wir zuhause sind, können wir diese ganze Scheiße abhaken und ein neues Kapitel schreiben. Das wird schon wieder.“ „Hör mir mit deinem bescheuerten Das wird schon wieder auf! Ich kann echt nicht verstehen, wie jemand wie du nur so eine lockere und sorglose Lebenseinstellung haben kann, wenn du doch selber weißt, wie hart und grausam das Leben ist. Man bekommt nichts geschenkt in diesem Leben und die Welt ist nun mal verdammt ungerecht. Du spielst dich hier als der absolute Therapeut auf, der für jedes Problem eine Lösung weiß, aber dabei hast du doch überhaupt keine Ahnung, wie ich mich fühle. Du musstest dich doch nie für irgendetwas großartig anstrengen. Stattdessen hast du ständig den Unterricht geschwänzt, Flieger aus deinen Testbögen gebastelt und durch die Luft fliegen lassen. Du machst nur das, was dir Spaß macht und sonst nichts. Ich hasse solche Menschen, die meinen, man könne so einfach durchs Leben kommen und sich ohne große Anstrengungen durchmogeln und dann noch die Frechheit besitzen, anderen zu sagen, was das Beste für sie wäre.“ „Du meinst also, ich hätte ein rundum glückliches Leben?“ „Ja, das denke ich!“ Hier aber wich das sorglose und freche Lächeln und mit einem Male wurde Oliver ernst, sehr ernst sogar. Und so hatte ihn bis jetzt kaum jemand erlebt. Er ergriff Andrew am Arm und sah ihn fest an. „Jetzt hör mal gut zu, Andy: es gibt genügend Menschen auf der Welt, denen es viel schlechter geht als dir und die versuchen trotzdem, das Beste aus ihrer Situation zu machen und auch sie können glücklich sein. Weißt du was? Ich glaube, ich muss dir mal vor Augen führen, was ich damit meine. Wir fahren erst mal nach Hause, dann machst du dich fertig und ich zeige dir mal andere Seiten vom Leben.“ Damit erhob sich Oliver, hielt Andrew immer noch am Arm fest und brachte ihn zum Auto. Irgendwie war er ganz verändert und so wirklich konnte sich der Rothaarige nicht erklären, woran das lag. Was war denn auf einmal mit Oliver los? Sie setzten sich ins Auto und fuhren nach Hause. Während der Fahrt sagte der Hacker nichts und gönnte sich stattdessen erst einmal eine Zigarette. „Wo… wohin fahren wir gleich hin?“ „Ein paar gute Freunde von mir besuchen. Ich denke, es wird dir mal ganz gut tun, wieder unter Leute zu kommen. Wir wollen heute Abend zum Bowlen und danach noch ein wenig feiern.“ Irgendwie war Andrew jetzt völlig verwirrt und verstand nicht mehr, was das denn jetzt sollte. Wollte Oliver ihm denn nicht gerade noch irgendetwas Bestimmtes gezeigt haben? Er erinnerte sich wieder an Ridley, der ihm geraten hatte, Olivers Ideen einfach mitzumachen, so bescheuert sie auch zu sein schienen. Also hatte er wohl kaum eine andere Wahl, als sich überraschen zu lassen. Nachdem sie zuhause angekommen waren, verabschiedete sich der Hacker kurz, da er noch ein paar Sachen besorgen wollte und in der Zeit wollte Andrew schnell unter die Dusche springen. Während das heiße Wasser auf ihn einprasselte, dachte er über das nach, was er zu Oliver gesagt hatte. Zugegeben… jetzt, da er sich wieder beruhigt hatte, sah er ein, dass er ziemlich ungerecht zu ihm war und vieles gesagt hatte, was nicht stimmte. Oliver hatte es doch viel schwerer gehabt in seiner Kindheit. Er hatte doch wegen seines schwachen Herzens nie draußen spielen dürfen mit den anderen Kindern und er hatte ständig mit der Angst leben müssen, dass er jederzeit sterben könnte. Und er hatte schon mit zwei Herzinfarkten im Krankenhaus gelegen. Oliver war doch genauso schwer depressiv gewesen, weil er dachte, sein Leben wäre beschissen und er würde eh nicht lange leben. Ich muss mich echt bei ihm entschuldigen, dachte sich Andrew und ärgerte sich zugleich, dass er so ungerecht zu Oliver war, obwohl dieser doch eigentlich nur helfen wollte, dass er sich endlich mal den Frust von der Seele reden konnte. Sicherlich ist er jetzt sauer auf mich, verdenken würde ich es ihm nicht nach dem, was ich ihm an den Kopf geworfen habe. Oh Mann, ich bin aber auch ein absoluter Idiot. Warum nur kann ich nicht ein Mal im Leben etwas richtig machen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)