Midian von Yumiko_Youku (Kyūketsuki) ================================================================================ Kapitel 31: Epilogue/Swan Song ------------------------------ Epilogue/Swan Song Die Nacht war sternenklar und der Vollmond schien. Auch die angenehme Temperatur, die trotz des beginnenden Herbstes herrschte, begleitete mich auf meinem Weg. Bedächtig öffnete ich das Tor und Schritt durch die Reihe der Gräber, bis ich vor dem ankam, welches ich gesucht hatte. Langsam kniete ich mich davor und fuhr sanft mit der Hand über die schwarze Marmorplatte. „Hallo, Papa, Mama, Yuri.“ Ich lächelte. “Entschuldigt, dass ich so lange nicht hier war. Es ist in letzter Zeit viel geschehen.” Mein Blick wanderte über die Grab Inschrift. Zwei Körper würden hier wohl nie zur ewigen Ruhe gebettet werden: Mein eigener und der meines Onkels. Doch alle beide Namen prangten bereits in silbernen Lettern auf dem schwarzen Marmor. Ich war Lady Hellsing dankbar dafür, dass sie bewirkt hatte, dass auch Walters Name eingraviert worden war. Schließlich wussten nur wir, was damals geschehen war. Nach einer Weile erhob ich mich und schritt die Gräber weiter ab. Zu meinem milden Erstaunen, war ich nicht der einzige Besucher in dieser Nacht. Ich lächelte und begrüßte den vor mir knienden Mann: „Guten Abend, Sir Irons.“ Obgleich der ältere Herr nicht mit mir gerechnet hatte, lies er sich nichts anmerken und stand auf. „Guten Abend.“ In diesem Augenblick sah ich, wofür Sir Irons hierher gekommen war. Er hatte an Arthurs Grab drei Krüge und eine Flasche Bier abgestellt, als Andenken an seine beiden verstorbenen Freunde und ihre gemeinsamen Erinnerungen. Ich kniete mich vor das Grab, senkte andächtg das Haupt und legte meine beiden Hände aneinander. Ein trauriger Ausdruck schlich sich auf mein Gesicht, als ich ebenfalls der beiden guten Männer gedachte. Der Kies knirschte, als sich Sir Irons abwandte und sich anschickte den Friedhof zu verlassen. Kurz vor der Pforte blieb er stehen. „Alexandra?“ Ich hob leicht den Kopf. Sir Irons hiel seinen Zylinder fest und sah weiterhin gerade aus. „Ich habe dir all die Jahre unrecht getan. Dafür möchte ich mich entschuldigen.“, sagte er leise, aber mit fester Stimme, ehe er in seinen Wagen stieg und sich von seinem Chauffeur davon fahren lies. Ich sah ihm lange hinterher, dann widmete ich mich wieder dem Grab und meinem stillen Gebet. Wir machen nun einen kleinen Zeitsprung. Seit dem großen Endkampf mit Millenium sind inzwischen 30 Jahre vergangen. Es hatte zu viele Verluste zu betrauern gegeben. Doch die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. Jedenfalls alle physischen. Narben auf der Seele verschwinden nie ganz. Sie bleiben dort und prägen uns. Sie machen uns verletzlich und gleichzeitig auch stark. Jede Narbe hat eine Geschichte zu erzählen. Aus der Vergangenheit gilt es zu lernen, auf dass die Fehler nicht in der Zukunft wiederholt werden. Das ist unsere Aufgabe. Die Aufgabe eines jeden einzelnen. In diesen dreißig Jahren hatte ich massig Zeit gehabt, mich zu entwickeln. Sowohl mental, als auch physisch. Ich hatte einige bedeutende Einsätze gehabt, einschlägige Erfahrungen gesammelt und die ersten Seelen in mich aufgenommen. Möglicherweise werde ich ein anderes Mal davon erzählen. „Schluss. Der Sieger steht fest! Lady Integra.“, verkündete Seras und die beiden Fechter trennten sich voneinander. Lady Integra, mittlerweile eine würdevolle Frau älteren Kalibers, zog sich die schützende Maske vom Haupt. Ein langsames Klatschen zog die Blicke aller Anwesenden auf die Gruppe, die durch die Tür gekommen war. Es waren drei Abgesandte der 13. Abteilung Iscariots. „Fabelhaft! Fabelhaft! Sie fechten immer noch meisterhaft.“, lobte Makube, der neue Leiter der Abteilung. „Ich dachte, ich hätte gesagt, Sie sollen im Empfangszimmer warten.“, sagte Integra. „Nein, nein. Also das Warten passt uns gar nicht.“, erwiderte der silberhaarige Mann mit der Narbe über dem rechten Auge gelassen. „Im Übrigen wir haben ja gewartet, aber bekamen nichtmal einen Tee serviert. Und dann wurden wir des Wartens überdrüssig.“ „Nun...“, mischte ich mich ein und kam mit Tablett auf der Hand näher, auf welchem gefährlich drei Tassen Tee schwankten. Jetzt, da mein Onkel nicht mehr war, übernahm ich die Pflichten des Butlers. So wie er es mich einst gelehrt hatte. Sollte natürlich nicht heißen, dass ich auf die Jagd oder den Kampf verzichtete. „Das gestaltet sich etwas schwierig, wenn Sie bereits den Raum verlassen haben, wenn ich Ihnen den Tee servieren möchte.“ Makube lächelte entschuldigend. „Das tut mir aber außerordentlich Leid.“ Als ob. „Sie können hier nicht einfach frei herumlaufen, wie es Ihnen gefällt.“, rief Lady Integra die Herrschaften zur Ordnung. „Gehen Sie zurück.“ „Ja, ja.“, machte der Leiter der 13. Abteilung ergeben. „Gehen wir zurück.“ Als er an mir vorbei lief, fragte er: „Sie gestatten?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er sich eine Tasse von Servertablett und verlies den Raum. Seine Begleiter folgten ihm. Einer der beiden, eine alte Bekannte, grinste Seras und mir schief zu. Heinkel hatte sich von ihrer Gesichtsverletzung nie ganz erholt und es war manchmal etwas mühsam, ihre Worte zu verstehen. Lady Integra wandte sich an ihren Fechtschüler: „Wir machen Schluss für heute. Vielen Dank an sie alle. Die Versammlung hat sich hiermit aufgelöst.“ Ihr Blick ruhte nun auf dem Mann, mit dem sie vorher gefochten hatte. „Lord Penwood Jr, ich danke Ihnen. Sie haben sich sehr gesteigert im Fechten.“ „Ja... Ich meine...Nein.“, stotterte Sir Penwoods Enkel unsicher. „Ich bin noch lange nicht gut genug... Vielen Dank...“ Er zögerte, ehe er sich ein Herz fasste, um weiter zu sprechen: „Sie... ähm... haben auch mit Opa... ich meine... meinem Großvater gefochten, nicht wahr?“ Mein Blick wanderte zur erwartungsvoll zu Integra. „Ihr Großvater...“, begann diese bedächtig, ehe sie tief Luft holte und wie eine Maschinenpistole los ratterte: „... Warf heranrückenden Nazisoldaten zu Boden und riss sie in Stücke. So etwas gab es in ganz England nicht noch einmal. Einen Feind nach dem anderen hieb er genau in zwei Stücke. Am Ende soll er sich eine Bombe umgeschnallt und ein feindliches Luftschiff zur Explosion gebracht haben “ Ich hielt ein Grinsen zurück. Es gab eben verschiedene Wege Sir Penwoods Andenken zu ehren. Sir Penwood Jr. blieb eine Weile erstaunt stumm, ehe er fragte: „Sie flunkern, nicht wahr?“ „Doch es stimmt. Er war Englands Schutzengel. Ich bin damals da mit hinein geraten und habe mein linkes Auge verloren“, behauptete sie. „Es ist wirklich wahr. Wirklich. Da es wirklich stimmt, bitte ich um Geld für einen neuen Helikopter.“, fügte Lady Hellsing schließlich ihre Forderung hinzu. „Was, schon wieder?!“, rief der junge Mann ungläubig aus. Integra lies sich nicht beirren. „Ich bitte darum.“ „J...Ja...“, gab Sir Penwood klein bei, ehe er aus dem Raum stürmte. „Das ist sicher schrecklich für ihn und die ganze Familie.“, meinte Seras. „Reden Sie nicht schon wie die Mafia?“ „Nein, das ist gut.“, entgegnete Lady Integra. „Es soll ruhig hart für ihn sein. Da muss er jetzt durch. Gnadenlos. Wenn ich sterbe, ist es auch mit Hellsing zu Ende. Dann übernimmt seine Familie. Danach sollte ein staatliches Organ unter Leitung der Regierung diese Aufgabe übernehmen. Die Zeiten, in denen Familienunternehmen über Generationen hinweg solche Organisationen angeführt haben, sind vorbei.“ Ich senkte etwas den Blick. An diese Zeit, ohne Integra, ohne Hellsing, mochte ich gar nicht denken. „Außerdem bin ich ein wenig müde.“ „Eh? Das sieht man Ihnen aber gar nicht an.“, meinte Seras und warf mir einen kurzen Blick zu. „Wenn Sie das Fechten so überanstrengt, warum übernimmt das nicht Alex für Sie?“ Ich grinste verschmitzt und erinnerte mich an die einige Male, die ich mit Sir Penwood Jr. gekämpft hatte. Auch wenn ich mich zurück gehalten hatte, hatte ich den armen Jungen jedes Mal vernichtend geschlagen. Irgendwann hatte er nur noch zitternd vor mir gestanden und sich gar nicht mehr gewehrt. „Darum geht es nicht.“, mischte sich Integra ein. „Heute morgen im Spiegel habe ich schon wieder ein paar neue Falten entdeckt. Und irgendwie erinnerten mich diese Falten an Walter.“ Sie lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Ich studierte ihr Profil. „Naja. Ich finde nicht, dass Sie meinem Onkel ähneln.“, meinte ich und hob mit geschlossenen Augen einen Finger. „Er hatte nämlich weniger Falten unter den...“ Weiter kam ich nicht, den Integra fuhr herum und versetzte mir einen heftigen Schlag ins Gesicht. „Idiotin!“ Ich grinste entschuldigend. „Nehmen Sie es sich doch nicht so zu Herzen”, versuchte Seras sie zu beruhigen. „Haben Sie die Sache nocht nicht überwunden? Reden Sie nicht vom Sterben.“ Sie begann zu grinsen und unseren Master zu imitieren. „Wenn Sie wollen, kann ich von Ihrem Blut trinken . Sehen Sie? Ich bin schon wie der Master.“ Dafür erntete die blonde Draculina einen Tritt ins Gesicht. „Deswegen muss man doch nicht gleich zutreten!“, beschwerte sie sich. „Ich verbitte mir die dummen Witze.“, keifte Integra. „Ihr ändert euch schließlich nie, auch nach Jahrzehnten nicht.“ Sie funkelte uns beide an, ehe sie wieder lautstark ihrem Ärger Luft machte: „Und überhaupt, was macht Alucard, dieser Idiot? Der lässt sich überhaupt nicht mehr blicken.“ Sie sah Seras vorwurfsvoll an. „Du hast doch gesagt, dass er zurück kommt, oder?“ „Er kommt auch zurück. Dass weiss ich genau.“, antwortete die blonde Draculina selbstsicher, öffnete die obersten Knöpfe ihrer Uniform und gab somit den Blick auf die Bisswunde frei, die ihr Alucard vor wenigen Monaten zugefügt hatte. „Er hat schließlich von meinem Blut getrunken.“ Auch wenn Master ebenfalls mein Blut getrunken hatte und ich seines, war mein Optimismus nicht ganz so grenzenlos. Aber das lag eben an meinen Charakter. Integras Schnauben unterbrach mich in meinen Gedanken. „Du sagst schon seit 30 Jahren, dass er kommt. Seit 30 Jahren! Außerdem bist ein Vampir, da mag das egal sein.“ „Und als Vampir kriegt man keine Falten.“ Ich zog spöttisch beide Augenbrauen in die Höhe. Autsch. „Du böses Kind! So ein freches Mundwerk“, schellte die alte Dame und kniff in Seras Wange. Whoah! Das Großmutterimage passte immer besser, aber das behielt ich ausnahmsweise lieber für mich. „E-entschuldigung. Verzeihen Sie mir!“, wiederholte die gepeinigte Seras gequält. Lächelnd wandte ich mich auf und lies die beiden Streithähne alleine. „Vergessen Sie nicht das Treffen mit der 13. Abteilung.“, erinnerte ich Lady Integra lediglich. Die warteten ja noch immer irgendwo im Gebäude. Nachdem ich das Tablett und den nicht getrunkenen Tee weg gebracht hatte, stieg ich die Treppen in den Keller hinab und suchte das alte Verlies auf. Dort, wo vor Alucard vor vielen Jahren einst eingesperrt geworden war, bewahrte die Hellsing Organisation nun das Einzige auf, was von ihm übrig geblieben war: Sein schwarzer Sarg und den Stein mit einem Pentagramm, das mit seinem Blut gezeichnet war. Nur sein rotes Band nicht. Das trug ich stets bei mir. So glitt ich durch die geschlossene Tür und setzte mich andächtig, wie ich es die vergangenen letzten 30 Jahren regelmäßig getan hatte, neben Masters Sarg um ihn still zu betrachten und dabei meinen ganz eigenen Gedanken nachzuhängen. Ich blinzelte und hob den Kopf. Ich musste wohl ein genickt sein. Ich hatte meine Hände auf die schwarze Totenkiste gelegt gehabt und meinen Kopf darauf gebettet. Ich erhob mich und sah ein letztes mal auf Masters Sarg hinab. Alles wirkte unverändert. Dann ging ich in meine eigenes Zimmer zurück. Ich hockte mich auf meine Couch, holte meinen Handhelden aus der Schublade und begann zu spielen. Zwischendurch fluchte ich einige Male leise, lies das Gerät sinken, nur um den schweren Bosskampf dann wieder aufzunehmen. Oh nein! Jetzt gab ich nicht auf. Gerade, als der Gegner zu Grunde ging, hielt ich inne. Ich schreckte hoch und lies den Handhelden abermals sinken. Das konnte doch nicht... Ich glaubte eine überwältigende Aura zu spüren und sprang auf die Füße. Mein Herz begann schneller zu klopfen. Master! Ich folgte meinem Gefühl und meiner Intuition und sprintete los. Als dann noch mehrere Schüsse erklangen, war mein Ziel klar: Integras Schlafgemach. Seras war vor mir angekommen und blieb verdattert im Türrahmen stehen. Mein Herzschlag drohte für den Bruchteil einer Sekunde auszusetzen, als ich an ihr vorbei in Sir Hellsing Zimmer sah. An der Wand gelehnt, saß dort laut lachend Master Alucard. Er war genau so wie ich ihn in Erinnerung behalten hatte. Sein Lachen. Seine Stimme. Sein schwarzes Haar. Sein roter Mantel. „Welch gewaltsame Begrüßung.“, meinte Alucard lächelnd, während die Wunde, die Integra ihm zugefügt haben musste, zu bluten begann. „Und dieser Lärm... Genau wie früher.“ „Master“, rief Seras erfreut aus. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und meine Augen funkelten sanft. Ich glaubte Tränen in meinen Augen zu spüren. Tränen der Freude. Dieses Wiedersehen drohte mein Herz zu zerreißen. Master, nach all diesen Jahren. Er drehte sich nicht zu uns um, sein Augenmerk lag auf seiner Herrin, welche sich im Bett aufgesetzt hatte. „Du kommst spät, Alucard.“, tadelte sie ihn. „Was hast du denn getrieben?“ „Weiter gemordet.“, antwortete der Vampir. „Und zwar die Leben in mir drin.3424867 Leben. Ein einziges habe ich ausgelassen. Sonst hab ich alle komplett ausgelöscht. Nun bin ich hier. Nun bin ich nirgendwo, aber kann überall sein. Deshalb bin ich hier.“ „Du bist zu später.wiederholte seine Herrin. „Du bist zu spät, Alucard.“ Er legte lächelnd den Kopf schief. „Tut mir Leid.“ „Wolltest du etwa mein Blut trinken?“, fragte Integra. Masters Augen weiteten sich, wie die eines hungrigen Hundes. „Ja, genau!“, rief er gierig aus. „Ich habe seit 30 Jahren nichts mehr gegessen. Ich hab Hunger.“ „Ich bin mittlerweile schon Oma!“, erwiderte Integra und fixierte den Vampir. „Das macht nichs.“, entgegnete Alucard und sah gespannt dabei zu, wie sich Integra in ihren rechten Ringfinger biss und ihm das Blut in den Mund tropfen lies. „Willkommen daheim, Graf.“, begrüßte sie ihn lächelnd. „Ich bin wieder da, Gräfin.“, sagte Alucard, ehe er seine Zunge ausfuhr und das frische Blut kostete. Erst, als er genug Blut zu sich genommen hatte, erhob sich Master. Sein Blick ruhte auf seinen beiden Schülern und er grinste breit. „Willkommen daheim.“, zwitscherte Seras fröhlich und ich schloss mich ihr an: „Okarinasai, Master.“ Alucard grinste. „Ja. Seras, Alexandra. Ich bin wieder da.“ Und das würde er hoffentlich bleiben. Jetzt und für immer. Meine rechte Hand legte sich über mein Herz. Zwischen meinen Fingern hielt ich immer noch das rote Band umklammert. Mein warmer Blick lag auf Masters Gesicht und wieder schlug mein Herz einen Takt schneller. Seine Wiederkehr lies all meine Gefühle für ihn neu entfachen und mich nicht im geringsten daran zweifeln, dass ich immer an seiner Seite sein und bleiben wollte. Egal, was die Zukunft auch mit sich bringen mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)