Irish Blood, English Heart von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 2: Hands Untied ----------------------- Irish Blood, English Heart – Chapter 2: Hands Untied Er hatte sich in Rage geredet. Er wusste es, und er verachtete sich dafür, und doch konnte er nichts daran ändern, nicht einmal, als er das Mitgefühl in ihren viel zu ausdrucksvollen braunen Augen aufflammen sah, dieses Mitgefühl, von dem er sich einredete, dass er es weder wollte noch brauchte. Gottverdammte Gryffindorfrauen. Hätte nicht Weasley vorbeikommen können? Oder zumindest Potter, mit diesem Blick, der viel zu sehr an Lily erinnert? Warum ausgerechnet Miss Granger? Er wusste, warum sie gekommen war, wusste, dass sie von allen möglichen Kandidaten aus dem Orden oder dem Ministerium wahrscheinlich diejenige war, auf die er am wenigsten ablehnend reagieren würde, und wünschte sich, er könnte es ändern. Aber er hatte zu viele Jahre damit verbracht, sie zu beobachten, schon als viel zu kluges Kind, das so alleine gewesen war in ihren ersten Wochen in Gryffindor – und er hatte ein Gespür dafür, die Einsamen, Verletzlichen unter seinen Schülern zu finden, genauso, wie auch er damals einsam und verletzlich gewesen war. Und dann hatte sie sich mit Potter und Weasley angefreundet... und ein Teil von ihm war enttäuscht gewesen. Nicht, dass er sich im Nachhinein beschweren wollte – ohne sie und ihre Hilfe wäre der Dunkle Lord nun zum uneingeschränkten Herrscher Großbritanniens aufgestiegen, und Potters Leiche wäre irgendwo am Rande des Verbotenen Waldes verscharrt worden. Aber dass sie ihr Potential mit zwei Idioten wie ihnen verschwendete... Ein Teil von ihm widersprach, stellte fest, dass sich Potter und Weasley in den letzten Jahren besser als erwartet geschlagen hatten, aber im Moment war er nicht besonders dazu geneigt, gnädig mit ihnen zu sein. Nicht, während ihm Hermine Granger gegenübersaß, und noch dazu eine Hermine Granger, die irgendwann in den letzten Jahren gelernt hatte, nicht ihren ersten Gedanken auszusprechen. Nein, ihm gegenüber saß eine junge Frau, die erwachsener geworden war, als die Fotos im Tagespropheten vermuten ließen – aber ihr Blick kam ihm beunruhigend bekannt vor. Es war derselbe Ausdruck, den sie zur Schau gestellt hatte, wenn sie in seinem Unterricht über einem besonders schwierigen Zaubertränkeproblem brütete, oder sich und ihre Umgebung mit diesem viel zu scharfen Verstand analysierte. Und sie hatte bereits gelernt, das wurde mit ihren nächsten Worten offensichtlich. Sie lachte – und es war kein angenehmes Geräusch. „Kein Wunder, dass Sie sich den Todessern angeschlossen haben – mit Ihrem Minderwertigkeitskomplex!“ Er biss die Zähne zusammen, und doch spürte er, wie sich tief in ihm etwas regte, auf ihre Herausforderung reagierte. Kein Mitleid von ihr, nicht mehr – aber wenn sie noch einmal versucht hätte, ihm zu erklären, dass alle Gryffindors ihn doch fürchterlich lieb hatten, hätte er sie ohne Umschweife hinausgeworfen, und sie wusste es. „Auf den Gedanken, dass Sie nicht nur unser zahmer Todesser sind, sondern neben mir der einzige Experte des Ordens auf dem Bereich der Horkruxforschung, sind Sie wohl nicht gekommen.“ Sein Stolz rebellierte, als sie behauptete, er wäre der einzige Experte neben ihr, genauso wie er widersprechen wollte, sagen, dass er nicht mehr für den Orden arbeitete... doch es wäre eine Lüge gewesen, und noch dazu eine, die sie viel zu bald selbst bemerkt hätte. „Und ich dachte, Sie wären den ganzen Tag damit beschäftigt, Shacklebolts Aktentasche zu tragen – macht das die Assistentin des Zaubereiministers nicht normalerweise? Wenn sie nicht gerade Kaffee kocht, natürlich.“ Sie murmelte etwas, das für seine von Jahren des Unterrichtens gestählten Ohren wie „chauvinistisches Arschloch“ klang, und er konnte nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf seine Züge schlich. Was hatte sie denn erwartet? Dass er in den letzten Jahren zu einem sanften Großvater geworden war? Einem zwinkernden Dumbledore-Verschnitt, der ihr auf den Kopf zusagte, dass die Position an Shacklebolts Seite wie gemacht war, um ihr beizubringen, wie man in der politischen Arena Londons manövrierte? Nein... nie im Leben würde er das tun. Auch wenn er es vielleicht insgeheim dachte. Miss Granger reckte den Kopf, als ob sie die Herausforderung angenommen hätte. „Neben diesen überaus wichtigen Aufgaben habe ich irgendwie noch die Zeit gefunden, zwischen den Bibliotheken in Hogwarts und auf Malfoy Manor, den Zellen im Keller des Ministeriums und Askaban zu pendeln, jeden Todesser und Greifer zu verhören, der uns in die Hände fällt, und jedes Buch zum Thema Horkruxe zu studieren, das mir in die Finger gefallen ist.“ Er warf ihr ein abschätziges Lächeln zu. „Und was denken Sie, was ich hier mache? Mich zum Bibliothekar weiterbilden, weil ich Madame Pince' Stelle übernehmen möchte?“ Sie verarbeitete die neue Information so schnell, dass er vermutete, sie hatte einen besseren Blick auf seine Notizen und Bücher werfen können, als ihm Recht war, und warf ihm ein nicht sehr freundliches Lächeln zu, das ihn beunruhigend an Umbridge erinnerte. „Ich dachte, Sie würden hier in ihrer kleinen Hütte in Irland sitzen, weitab von der magischen Gesellschaft, die Sie kennen, sich die Decke über den Kopf ziehen und darauf warten, dass die Welt um Sie herum endlich die Gnade hat, zu verschwinden.“ In ihm regte sich etwas, das er schon lange für tot gehalten hatte – der Wunsch, sich selbst und seine Entscheidungen zu verteidigen. „Und wenn es so wäre, Miss Granger?“ Seine Stimme hatte die seidig-bedrohliche Qualität angenommen, die Generationen von Hogwarts-Schülern zu fürchten gelernt hatten, und auch auf sie verfehlte sie ihre Wirkung nicht. „Wenn ich, nachdem ich in zwei verschiedenen Kriegen auf zwei verschiedenen Seiten gekämpft habe, von denen keine meine eigene war, einfach nur ein paar Jahre des äußeren Friedens wollte, damit ich meine Dämonen zum Schweigen bringen kann? Denn glauben Sie mir, Miss Granger – wirklichen Frieden wird es für mich nicht geben.“ Emotion regte sich in ihren großen Augen, aber es war nicht das Mitleid, das er erwartet hatte dort zu sehen, sondern... Überraschung? Er runzelte die Stirn, während er sich in seinen Stuhl zurücksinken ließ. „Wenn es so wäre, Mr Snape, dann hätten Sie jedes Recht dazu – aber wir wissen beide, dass Sie nicht deswegen hier sind, oder Sie hätten Ihre Türe niemals für mich geöffnet.“ Die kühle, fast distanzierte Gewissheit in ihrer Stimme ließ ihn seine eigene Verwirrung nur noch stärker fühlen, und er biss die Zähne zusammen. Du wirst dich jetzt nicht von einem kleinen Gryffindormädchen in einer Diskussion schlagen lassen! Ein tiefer Atemzug, ein Hauch von Okklumentik, um seine aufgewühlten Gedanken zu beruhigen, und er konnte ihr wieder äußerlich gelassen süffisant entgegenlächeln. „Wissen Sie, Miss Granger, bis zu dieser Nacht in der Heulenden Hütte, als mein Leben fast geendet hätte...“ Sie wirkte geschockt, dass er so kühl, fast beiläufig von diesem Tag sprechen konnte, und er genoss den Ausdruck auf ihren Zügen. „... bis zu dieser Nacht waren mir mein ganzes Leben lang die Hände gebunden. Zuerst meine Eltern, die mir jeden Ansatz eines freien Willens nahmen, meine Herkunft als irisches Halbblut, die mir so viele Türen verschloss, Evans, die mich nach ihrer Pfeife tanzen ließ in ihrem Versuch, mein Leben zu diktieren... und dann, als ich endlich dachte, meine erste, eigene Entscheidung getroffen zu haben, stellte ich fest, dass ich nun nur noch ein Diener des perfidesten aller Puppenspieler war.“ Er grinste freundlos. „Natürlich wusste ich damals noch nicht, wozu Dumbledore mich zwingen würde, mit seiner Freundlichkeit und seinen Versprechen und seiner Ideologie, die doch immer nur auf das Wohl der anderen ausgerichtet war, und nicht auf das seiner Fußsoldaten.“ Wieder wirkte sie weniger bestürzt als überrascht – vielleicht hatte sogar eine Hermine Granger das Maß an Betroffenheit, das ihr für seinen überaus tragischen Fall zur Verfügung stand, ausgeschöpft – und er konnte fast sehen, wie sie in ihrem Kopf Informationen sortierte, das, was er eben gesagt hatte, mit ihren eigenen Schlussfolgerungen und Vermutungen abglich, und ihr peinlich genau gezeichnetes Bild von ihm in einigen Details anpasste. Wenn er nicht das Objekt ihrer Analyse gewesen wäre, er wäre fast fasziniert gewesen, ihr dabei zuzusehen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Wissen Sie, Miss Granger, jetzt, da ich mich so plötzlich ohne Meister finde, beginne ich, das Gefühl der überraschenden Entscheidungsfreiheit zu genießen. Mit welchem Plan Sie auch immer hierhergekommen sind, um mich zur Mitarbeit zu zwingen – wollten Sie meine Schuldgefühle wegen dem Mord an den Potters benutzen, oder meine schreckliche Kindheit, meine Liebe zu Lily, meine Schuld gegenüber Potter, oder meine Mitverantwortung für den Aufstieg des Dunklen Lords? – vergessen Sie ihn. Ich werde nicht nach Ihrer Pfeife tanzen, oder nach Potters, oder der des Zaubereiministers. Niemals wieder.“ Ihre Fähigkeit zur kühlen Herausforderung schien sie nach seinen Worten verlassen zu haben, denn er sah, wie die roten Flecken auf ihren Wangen aufstiegen, und in ihren Augen Wut zu funkeln begann, echte Wut – die Art von Gryffindorwut, die sie dazu gebracht hatte, Draco Malfoy zu schlagen und ihre kleinen Freunde mehr als einmal auf die Größe von Fingerhüten zurückzustutzen. „Gottverdammt! So, wie Sie sich gerade benehmen, merkt man nichts von Ihrem berühmten Intellekt – nur von Ihrem verdammten Temperament! Geht es wirklich nicht in Ihren dicken Schädel, dass ich nicht hier bin, um Sie mit irgendeinem ausgeklügelten Slytherin-Plan ins Ministerium zu locken und dort in eine Zelle zu sperren? Ich wollte Sie um Ihre Mithilfe bitten – nicht mehr, nicht weniger.“ Sie war von ihrem schmalen Platz auf dem steinharten Sofa aufgesprungen und atmete schwer, als sie ihn anstarrte, überrascht von ihrer eigenen Wut und Vehemenz und ihrem Mut, sich ihm entgegenzustellen. „Sie wissen besser als wir alle, wie wichtig es ist, dass Voldemorts Seele endlich zerstört wird. Sie haben ebenso viel zu verlieren wie wir, wenn nicht noch mehr, sollte er wirklich zurückkehren. Soll ich Ihnen das wirklich erneut im Detail auseinandersetzen? Oder muss ich stattdessen vor Ihnen im Schlamm kriechen, damit Sie sich endlich Ihrer Verantwortung bewusst werden?“ Ein kleiner, uneingeladener und im Moment wirklich unwillkommener Teil seiner Selbst fand den Gedanken reizvoller, als er zugeben mochte, doch er schob den Impuls so schnell beiseite, wie er gekommen war, konzentrierte sich stattdessen auf die Wut, für die das verblassende Bild in seinem Kopf Platz machte. „Und was, wenn ich die Schnauze voll davon habe, dass irgendjemand an meine Verantwortung appelliert? Wenn es mir egal ist, was mit dem Rest der Welt passiert, oder mit meinem eigenen kümmerlichen Rest von einem Leben, wenn von mir aus die ganze Zaubererwelt um mich herum sterben könnte, ohne dass es für mich ein besonderer Verlust wäre? Was ist dann, Miss Granger? Was wollen Sie dann tun?“ Er stand nun ebenfalls, starrte auf die schmale Frau mit den buschigen Haaren vor ihm hinab in einem unbewussten Versuch, sie einzuschüchtern, nur dass sie keinen Zentimeter nachgab und mit funkelnden Augen zu ihm hochblickte. „Dann würde ich Ihnen sagen, dass Sie ein schlechter Lügner geworden sind in den letzten Jahren.“ So ruhig, so gelassen, so sicher klang sie, dass es ihr mit ihrer Gewissheit für einen kurzen Moment gelang, das Gebäude seiner einstudierten Gleichgültigkeit zum Wanken zu bringen, bevor sich die Steine wieder aneinanderfügten und die Türen erneut schlossen. „Und was bringt sie zu dieser eklatanten Fehleinschätzung?“ Für einen Moment berührten ihre Finger den dicken, rauen Stoff seines Umhangs, bevor er sie abschütteln konnte, und sie warf ihm ein kurzes Lächeln zu. „Würde ein Mann, dem alles egal ist, daran arbeiten, das größte Geheimnis schwarzer Magie zu lösen, um den größten schwarzen Magier aller Zeiten ein für allemal zu verbannen?“ Er schnaubte, um seine Überraschung zu tarnen, und machte einen Schritt zurück, von der plötzlichen Realität ihrer Nähe, die er zuvor nicht bemerkt hatte, überwältigt. „Vielleicht mag ich die Herausforderung?“ Sie lachte, mit echter Amüsiertheit, ein neuer Laut, den er zuvor nur aus der Ferne gehört hatte, wenn sie mit einem ihrer Gryffindorfreunde sprach. „Natürlich tun Sie das – genauso wie ich.“ Etwas regte sich in ihm, als sie ihn so beiläufig mit ihm verglich, behauptete, dass sie sich ähnlich wären, doch sie sprach weiter, bevor er den Impuls genauer betrachten konnte. „Oder vielleicht wollen Sie auch nur selbst unsterblich werden und das Elend Ihrer Existenz in die Ewigkeit ausdehnen?“ Sie legte den Kopf schief, nachdenklich, wie wenn sie gerade zwei unbekannte Substanzen im Zaubertränkelabor gemischt hatte und nun auf ihre Reaktion wartete. „Glauben Sie mir, Miss Granger, nichts liegt mir ferner als das.“ Er schluckte die Galle hinunter, die plötzlich in seinem Hals aufstieg. „Ich bin in meinem Leben einmal zu oft erniedrigt und benutzt worden, als dass ich irgendjemandem die Chance geben würde, das in alle Ewigkeit zu tun.“ Zum ersten Mal sah er zögern in ihrem Blick, einen Hauch von Rückzug anstelle des bedingungslosen Angriffs einer Gryffindor. „Es tut mir leid.“ Ihre Stimme klang rau, gepresst, so als ob sie wirklich meinen würde, was sie sagte, aber Severus hatte in seinem Leben schon zu viele ausgezeichnete Schauspieler gesehen, um ihren Worten Glauben zu schenken. „Das war... unangebracht.“ Sein Lachen klang freudlos und war voller bitterer Erinnerungen, und die an jenen Tag am See, als Potters Vater ihm seine vielleicht größte Niederlage zugefügt hatte, stand nicht an letzter Stelle. „Generationen von Gryffindors haben anders gedacht.“ Sie reckte das Kinn vor. „Generationen von Gryffindors fühlen sich jetzt schuldig, weil sie Ihnen Unrecht getan haben.“ „Glauben Sie das wirklich, oder sagen Sie das nur, weil Sie nach jedem Strohhalm greifen, um mich zur Mitarbeit an Ihrem kleinen Projekt zu überreden?“ Er klang süffisant und distanziert, und doch wusste er, dass ihm die Antwort auf diese Frage wichtiger war, als er sogar vor sich selbst zugeben wollte. Sie lächelte, und er glaubte, einen Hauch von Verachtung in ihrer Mimik zu sehen, in ihrer Antwort zu hören. „Denken Sie, was Sie wollen.“ Er packte ihre Schulter, bevor sie reagieren konnte, und fixierte ihren Blick, bevor er das eine Wort fast zärtlich murmelte. „Legilimens.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)