sonnenkind von karlach (— flames and thunder.) ================================================================================ Kapitel 5: konflikt: nachts im wohnwagen ---------------------------------------- Die Tür ging mit einem leisen Klicken zu. Anscheinend nicht leise genug, denn kaum einen Augenblick später ging das Licht an und Raul wurde mit einer vor Wut qualmenden Julia auf dem Sofa konfrontiert. „Wo zum Teufel, Raul Antonio Fernandez, warst du so lange?!“ Der jüngere Zwilling spürte, wie er unter ihrem stechenden Blick zu schrumpfen begann. Das Bedürfnis, die Tür zu öffnen und zu flüchten wurde nur von der Gewissheit, dass es danach nicht besser sein würde, in Schach gehalten. Julia konnte über Jahre hinweg grollen; zu glauben, dass sie das hier bald vergessen würde, wenn sie es nicht vom Tisch fegen konnte, war reine Utopie.   Beinahe schon unterbewusst zupfte er am Kragen seines dunkelblauen Shirts, um die Bissspuren, die Lai auf seinem Schlüsselbein hinterlassen etwas zu verdecken. So im Nachhinein schalt er sich dafür, seinem Partner nicht deutlich gemacht zu haben, dass eine etwas anders gewählte Plazierung — weniger sichtbar, sofern möglich — vielleicht für sie beide eher von Vorteil wäre. Allerdings kam es, wie es kommen musste, die Bewegung zog präzis die Aufmerksamkeit seines Zwillings auf sich. Mit drei grossen Schritten stand Julia vor Raul und schlug seine Hand weg, um sich den Knutschfleck besser ansehen zu können.   „Ist das ein blauer Fleck?“, fragte sie und kniff die Augen zusammen. Ihre blonden Fransen kitzelten Rauls Nase, so nahe stand sie, und er war erstaunt, wie sie beide beinahe exakt gleich gross waren. Etwas starr aus Angst vor ihrer Reaktion schüttelte er den Kopf und zuckte zusammen, als Julia die Stelle etwas rauer anfasste, als es wohl nötig war. Raul zischte und Julia kniff die Augenbrauen zusammen. „Lügner. Hast du noch mehr von denen?!“ Vorsichtig schob Raul seine Schwester etwas von sich weg. „Mir geht es gut, Julia. Ich bin nicht in eine Prügelei geraten“, versicherte er ihr nervös und plötzlich flackerte Erkenntnis in ihren Augen auf. „Willst du mich veräppeln, Raul? Ich habe mir verdammt noch mal Sorgen gemacht während du mit Lai herumgemacht hast?!“ Julias grüne Augen leuchteten bedrohlich auf und Raul wünschte sich, er hätte den Mund gehalten. Er wollte sagen, dass es nicht so war, wie sie dachte doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Wen versuchte er hier eigentlich an der Nase rumzuführen, seine Schwester oder sich selbst? Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass er die Liebkosungen nicht genossen hatte, mal davon abgesehen, dass es sich falsch und respektlos anfühlte, seine Beziehung zu Lai zu verleugnen. Also schwieg er.   „Ich hatte Angst weil ich dachte, du Idiot hättest dich von irgendwelchen Rüpeln verprügeln lassen! Ich habe mir verdammt noch mal Sorgen gemacht, Raul, weil du nichts von dir hast hören lassen! Aber anscheinend bin ich einen schnellen Anruf nicht wert, wenn du mit Lai in die Kiste hopsen willst, ja?!“ Julias Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst und  sie drehte sich auf dem Absatz um. „Weißt du was, du musst gar nichts sagen. Ich geh’ ins Bett — wie ich es schon vor Stunden hätte tun sollen.“ Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte sie zu ihrem Bett, machte auf dem Weg dahin das Licht aus und legte sich schwungvoll hin. Zurück blieb Raul, verloren in der Dunkelheit. Er wartete, bis ihre Atemzüge ruhig wurden, bevor er sich ebenfalls umdrehte und in die Nacht hinaus verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)