Petrichor von Raindrop21 (~Der Geruch von Regen auf trockener Erde) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Ich wachte von Tätscheln an meiner Wange und Stimmen auf. Um genauer zu sein, nur von einer Stimme. Es war Amaniels Stimme, die besorgt klang. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und schaute in seine. Sie waren so blau... Ich stellte mir so das Meer vor. Mein Kopf lag auf seinem Schoß und er lächelte erleichtert auf mich runter. "Gut, dass du wach bist. Du hast bestimmt Durst." Ich rappelte mich schnell auf und sackte prompt wieder zusammen. "Bitte, bleib liegen. Du bist zu schwach." "Aber ich muss arbeiten. Sonst... Ich will keine Probleme bekommen. Auch nicht mit dir. Bitte, lass mich gehen!" Er wich ein bisschen von mir zurück, um mir keine Angst zu machen. "Du bekommst keine Probleme mit mir. Ich bin nicht wie mein Vater und die anderen Männer, die dich... an ihn verkauft haben." Fragend schaute ich ihn an und sagte schließlich misstrauisch: "Weißt du eigentlich, was sie mir angetan haben? Ich werde das nie vergessen und schon gar nicht überwinden können." Er rückte ein kleines Stück wieder auf mich zu. "Würdest du es mir erzählen?" Ich stand auf und antwortete: "Nein, aber vielleicht später. Ich muss... jetzt meine Pflichten erfüllen." Er stand ebenfalls auf. "Trink erstmal was. Das ist auch eine Pflicht. Und dann helfe ich dir. Irgendwer muss dir ja alles zeigen und auf dich aufpassen." Zaghaft nickte ich. Er gab mir einen großen Wasserbeutel und ich trank hastig den ganzen Beutel aus. Ich hatte ihn gerade aus, als er mir schon den nächsten hinhielt. Ein Lachen entwich aus meinem Mund. Aman legte seinen Kopf schief. "Was ist so lustig?" "Gar nichts... Tut mir leid, ich wollte nicht..." Er unterbrach mich. "Es muss dir nicht leid tun, ich freue mich, wenn du lachst." Ich gab ihm den zweiten halbleeren Wasserbeutel und ging in die Richtung der Stallungen. Wenigstens diesen Weg kannte ich schon. Für mich war es nicht gerade schön, dass er mir folgte. Aber ich sagte nichts. Als ich die Tür zum Pferdestall öffnete und aus dem Fenster sah, traute ich meinen Augen nicht. Ich rannte auf den Innenhof um es mir genauer anzusehen und es zu spüren. Es war tatsächlich keine Einbildung. Es fielen Wassertropfen vom Himmel. Sowas hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich stand einfach nur da und ließ mich nasswerden. Ich streckte meine Zunge raus und fing Tropfen auf. Es war so schön, wie das Wasser alle Farben sättigte, auch meine Haut. Fasziniert beobachtete ich, wie es an meinen Fingern und Haarspitzen runtertropfte. Aman stand unter dem Vordach und beobachtete mich mit verschränkten Armen an der Wand lehnend. "Hast du noch nie Regen gesehen, oder was?" "Regen", murmelte ich, "R-E-G-E-N... Rrrrreeeegeeennnn..." Ich spielte mit dem neuen und interessanten Wort. "Das Himmelswasser heißt also Regen?" Er nickte immer noch lachend. Ich verstand nie, warum er das lustig fand. Es waren Diamanten, die vom Himmel fielen. Himmelsdiamanten! Und sie verströmten einen unglaublichen Duft. Leicht säuerlich und rein. "Ist der Geruch vom... Regen?" Aman hörte auf zu lachen. "Ja, man nennt diesen Geruch Petrichor. Er entsteht, wenn sich Regen mit trockener Erde verbindet." Ich merkte mir nur ''Petrichor''. Zwei neue, wunderbare Wörter. Es war mittlerweile fast dunkel, als ich Stimmen auf dem Hof hörte. Ich kannte sie von irgendwoher, kam aber nicht darauf, woher ich sie kannte. Aber ich wollte es unbedingt wissen. Leise öffnete ich die Tür nach draußen und erkannte Amaniel und Jasira, die mit einem schwarzhaarigen, jungen Mann sprachen. Das war... "Ace!", schrie ich. Er drehte sich verwundert um, aber erkannte mich offenbar. "Hey, Imanti!" Er fing mich mit seinen starken Armen auf und drehte mich, während er mich umarmte. Auf einmal stoppte er und setzte mich ab. "Was machst du hier in Meda?" Ich schwieg und sah ihn nur an. Er schien langsam zu verstehen und stampfte auf Aman zu und stellte ihn zur Rede. "Dein Vater hat sie verschleppen lassen? So etwas hat sie nicht verdient!" Er konterte: "Ich weiß, dass sie es nicht verdient hat. Ich kann die Entscheidungen meines Vater nicht beeinflussen. Ich finde es auch nicht gut, okey ?!" Ace lief nervös hin und her. Nach einiger Zeit wendete er sich wieder an mich und sagte leise: "Ich hole dich hier raus. Morgen gehst du in die Stadt um einzukaufen und dann flüchten wir zusammen von hier." Ich freute mich. Endlich bekam ich wieder Hoffnung auf ein schönes Leben. Zurück zu meiner Familie. Ich schaute zu Aman, weil ich befürchtete, er würde es vielleicht verbieten. Aber er starrte nur zu Boden. In der Nacht konnte ich kaum schlafen und ich war am nächsten Morgen schon früh wach. Das Frühstück für meinen Herren, auch Gibril genannt, was ich von Jasira erfuhr, hatte ich fertig und serviert. Ich meldete mich bei ihm ab, um einkaufen zu gehen. Sozusagen. Er war einverstanden und ich verfluchte ihn ein letztes Mal leise, bevor ich die Tür des Saals hinter mir schloss. Ich lief den Gang entlang und wurde von Aman abgefangen. Meine Hoffnung rückte in den Schatten, weil ich dachte, er würde mich verpetzen oder nicht gehen lassen. Aber ich täuschte mich. "Keine Sorge, ich will dich nur zu Ace bringen und mich von dir richtig verabschieden." Und so kam die Hoffnung wieder zurück ans Licht. Wir kamen an einen Papaya-Stand, an dem Ace stand. In seiner linken Hand hielt er eine Ledertasche, die offenbar mit Essen und Trinken gefüllt war. Er grinste mich an. "Bereit?" "Bereit!", antwortete ich ebenfalls grinsend. Aman umfasste mein Handgelenk und fragte: "Kann ich noch kurz mit dir reden?" Ich bejahte seine Frage und Ace ließ uns allein. Er schaute mir in die Augen. "Also... Das ist also unser Abschied. Ich weiß nicht, ob ich es gut oder schlecht finden soll. Es ist gut, dass du deine Freiheit bekommst, aber schlecht, dass ich dich heute zum letzten Mal sehe. Aber ich möchte es nutzen um dir ein paar Sachen zu sagen." Er nahm mein anderes Handgelenk. "Immer wenn es regnet, werde ich an dich denken und dich vor mir sehen, wie du ihn so fasziniert betrachtest. Ich hoffe, du wirst auch manchmal an mich denken. Ich will nur, dass du weißt, dass du mir nicht egal bist und du mir vertrauen kannst. Mein Vater erfährt nichts von mir." Ich lächelte ihn an und küsste ihn auf die Wange. "Danke!" Er lächelte auch. Ace kam mit vollem Mund zurück und nuschelte: "So ihr Süßen, wir müssen dann mal los. Keine Sorge, man sieht sich bestimmt ein zweites Mal." Der Schwarzhaarige ging zu seinem Kamel. Ich lief rückwärts zu Ace und Aman ließ langsam meine Hände los und rief mir noch ein "Petrichor" hinterher. Lächelnd nickte ich und stieg zu Ace auf das Kamel. Lange schaute ich ihm noch hinterher, genauso wie er mir. Hosted by Animexx e.V. 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