Between Heaven and Hell von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 18: Tod eines Helden ---------------------------- Die Zeit, die Piers draußen auf dem Gang warten musste, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Alles um ihn herum verschwamm irgendwie, und selbst die Geräusche schienen einfach zu verstummen. Für einen Moment verwandelte sich der weiße, helle Gang des Krankenhauses wieder in das Labor der B.S.A.A., und ein Schauer lief dem jungen Soldaten über den Rücken. Dann kehrte er in die Realität zurück, und mit seinem Bewusstsein kehrten auch die anderen Menschen und die Geräusche wieder. Er hatte selber gar nicht mitbekommen, wie er sich irgendwann auf eine Bank gesetzt hatte, und dort saß er nun, die Arme auf die Beine gestützt, das Gesicht in den Händen vergraben und versuchend, sich noch einen letzten Funken Hoffnung zu bewahren. Wesker war am Leben, Wesker war im Motel gewesen, direkt vor seiner Nase, und er hatte es nicht einmal mitbekommen. Vorwürfe machte sich Piers so oder so, ob Chris nun näher auf das Thema hatte eingehen wollen oder nicht. Er hatte versagt, er hatte seinem Liebsten nicht helfen können. Und wäre er nur ein paar Momente später aufgewacht, hätte er gar nichts mehr tun können. Aber selbst so war es offenbar zu spät gewesen. Leicht hob Piers den Kopf, als sich ihm Schritte näherten, und alleine der Blick des Arztes reichte aus, um zu wissen, welche Nachricht er ihm überbringen würde. Der junge Scharfschütze hatte das Gefühl, als würde sein eigenes Herz sich zusammenziehen und nicht mehr schlagen wollen, und ein dicker Kloß machte sich in seinem Hals breit. "Kann ich...", begann er, atmete zittrig durch und erhob sich langsam, wobei er das Gefühl hatte, dass seine Beine ihm den Dienst versagen wollten. "Darf ich... mich verabschieden...?" Der Arzt nickte leicht, und Piers erkannte echtes Mitleid in seinem Blick. Er machte diesem Mann keine Vorwürfe, er wusste, dass er und seine Kollegen getan hatten, was sie konnten. Sie waren auch nur Menschen und konnten keine Wunder vollbringen. Gegen das Gift wäre nur ein Gegenmittel angekommen, und die Zeit hatte einfach nicht gereicht, um ein solches herzustellen. Piers war da nicht wie die panischen Leute in Filmen, die plötzlich die Ärzte anfielen und ihnen die Schuld an einfach allem gaben. Er wusste es besser. Der Mann begleitete ihn noch bis zur Tür der Notaufnahme, bei der Piers erst einmal einfach stehen blieb und doch zögerte, ob er da wirklich rein wollte. Natürlich war er es Chris schuldig, sich wenigstens noch einmal richtig zu verabschieden, aber wenn er nun dort rein ging und seinen toten Captain sah... Dann machte es das alles so endgültig. Und das ertrug der junge Mann irgendwie nicht. "Wenn Sie nicht wollen oder nicht können..." "Doch, doch, es geht schon...", unterbrach Piers den Arzt dann jedoch, atmete noch einmal tieg durch und öffnete die Tür, trat in den Raum und an das Bett heran. Chris war von den ganzen Geräten gelöst worden, und die Decke hatte man bis über seine Hüfte hoch gezogen, sodass Piers nur sein Gesicht, die Schultern und einen Teil seines Oberkörpers sehen konnte. Etwas zögerlich näherte er sich weiter und ließ sich dann wieder auf den Stuhl sinken, auf dem er zuvor schon gesessen hatte. Wieder ergriff er die Hand des Älteren, und bei deren Kälte schauderte er merklich. Eine Weile lang saß Piers einfach da und blickte in das bleiche Gesicht seines Liebsten. Noch immer konnte er nicht fassen, dass dieser tot war, wirklich tot, und dass er nie mehr zurück kommen würde. Chris hatte kein Virus im Körper, das ihm helfen konnte, er war einfach nur ein Mensch. Ein Mensch, der Piers so unendlich glücklich gemacht hatte, und der ihn nun mindestens genau so unglücklich machte. Leicht hob Piers die Hand des Älteren an und hauchte einen leichten Kuss auf den Handrücken, in dem zuvor noch die Nadel der Infusion gesteckt hatte. Dann griff er in seine Jackentasche und zog sein altes Abzeichen raus, das Chris ihm damals zu Hause in die Hand gedrückt hatte. Dieses legte er nun in die Handfläche des Älteren, ehe er diese sanft wieder sinken ließ und auf dem Bett ablegte. Schließlich erhob der junge Soldat sich wieder von dem Stuhl, beugte sich hinab und hauchte seinem Captain einen kurzen Kuss auf die Stirn. "Ich werd' dich niemals vergessen, Chris. Niemals...", flüsterte er, schluckte schwer und wandte sich dann schweren Herzens von dem Toten ab, um den Raum wieder zu verlassen. Je länger er blieb, desto schwerer wurde es, und er musste nun loslassen können, auch wenn alles in ihm dabei zerreißen wollte. Draußen angekommen, schloss er die Tür, lehnte sich dagegen und versuchte, ruhig zu atmen und nicht zu weinen. Er war es Chris schuldig, nun stark zu bleiben und weiter zu machen, wie dieser es damals auch nach seinem vermeintlichen Tod getan hatte. Der Arzt kam noch einmal zu ihm und bat Piers, ihn kurz zu begleiten, da noch einiges an Papierkram erledigt werden musste. Das dauerte einige Minuten, und als alles erledigt war, verließ der Soldat das Krankenhaus endgültig, ging die Straße entlang und blickte hinauf in den sonnenklaren Himmel. So oft hatte er sich darüber beschwert, dass das Wetter in Filmen auf magische Weise immer zur Situation passte, und nun wünschte er sich selber Regen, um seine Gefühle zu verdeutlichen und die nun doch wieder aufkommenden Tränen weg zu waschen. Sein Blick fiel auf Chris'' Handy, das er hatte mitnehmen dürfen, und so rief er sich erst einmal ein Taxi, das ihn zurück zum Motel bringen sollte. Nach wenigen Minuten kam dieses auch und brachte den jungen Mann zurück. Schweigend saß Piers auf dem großen Doppelbett und starrte einfach nur die Wand an. Ihm war kalt, obwohl es eigentlich angenehm warm war, und er fühlte sich so unendlich einsam und leer. Das Handy hatte er in der Hand, da er eigentlich Rebecca hatte anrufen wollen, aber noch konnte er das nicht, noch konnte er das alles nicht genug begreifen, und seine Stimme würde ohnehin nur versagen. Und so wartete er noch ein paar Minuten, aus denen schließlich eine Stunde wurde, dann zwei, drei... Und langsam wurde Piers klar, dass er es nicht noch länger aufschieben konnte. Er musste Rebecca anrufen, damit sie und Barry Bescheid wussten. Dann würde er auch noch ein paar andere Kontakte aus der Liste kontaktieren müssen, allen voran Jill und Claire. Ja, er würde Claire sagen müssen, dass ihr Bruder gestorben war, dass er ihn letztendlich doch nicht hatte beschützen können. Dabei hatte er es ihr doch versprochen. Er hatte versprochen, auf Chris aufzupassen. "Chris? Chris, was gibt es? Bist du da?" Rebeccas Stimme riss Piers aus seinen Gedanken, und er hatte gar nicht mitbekommen, dass er die Nummer der Älteren bereits gewählt hatte. "Nein, hier... hier ist Piers, ich..." Er stockte, biss sich auf die Lippen und atmete zittrig durch, als ihm wieder die Tränen in die Augen schossen. "Chris... Chris ist tot. Wesker lebt, er... er hat..." Wie erwartet, versagte dem Soldaten die Stimme, und er schloss die Augen, konzentrierte sich darauf, nicht wirklich zu weinen oder das Handy einfach fallen zu lassen. Zunächst war Schweigen die einzige Antwort, dann ertönte Rebeccas Stimme wieder, und Piers konnte hören, dass sie nicht stark genug gewesen war, gegen das Verlangen anzukämpfen. Rebeccas Stimme zitterte, und immer wieder unterbrach ein Schluchzen ihre Worte. Sie sagte, dass es ihr leid tat, dass sie wusste, wie unendlich viel Chris ihm bedeutet hatte, dass der Verlust auch sie schmerzte, und dass sie wolle, dass Piers wieder zurück kam, dass er nicht alleine sein sollte. Aber sie machte ihm keinerlei Vorwürfe, wie er es erwartet hatte. Dafür machte er sich selber vermutlich schon genug für alle zusammen. "Ich werde zurück kommen. Morgen... Morgen werde ich los fahren", versprach er ihr, dann redeten sie noch kurz, ehe sie sich verabschiedeten und auflegten. Nun musste Piers Claire anrufen, denn eigentlich hätte sie es schon als Erste erfahren sollen. Aber irgendwie hatte er sich davor gedrückt, weil ihm allein der Gedanke an ihre Reaktion unglaublich weh tat. Immerhin war Chris ihr Bruder gewesen. Er suchte im Telefonbuch des Handys nach ihrem Namen, atmete tief durch und wählte die Nummer, die dort gespeichert war. Es tutete eine ganze Weile lang, und als Piers schon dachte, dass sie nicht rangehen würde und auflegen wollte, ertönte doch eine ihm bekannte Stimme. "Chris, endlich meldest du dich mal. Irgendwann bekommst du noch richtig Ärger von mir. Weißt du das? Ich hab dir gesagt..." "Hier ist nicht Chris. Hier ist Piers. Piers Nivans...", unterbrach der junge Soldat die Ältere mit belegter Stimme, und mit einem Mal wurde es still am anderen Ende der Leitung, wie auch schon zuvor bei Rebecca. Doch bei Claire lag das vermutlich auch daran, dass sie gerade von einem vermeintlich Toten angerufen worden war. Aber darauf ging sie nicht einmal ein, sicherlich hatte Piers' Stimme klar gemacht, dass etwas Schlimmes passiert war. "Was ist mit Chris?", fragte Claire leise, und ihr wiederum war nun deutlich anzuhören, dass sie es ganz genau wusste, dass ein Gefühl ihr sagte, was geschehen war, warum Piers und nicht ihr Bruder sie angerufen hatte. "Es tut mir leid", erwiderte er leise und senkte den Blick, auch wenn Claire das nicht sehen konnte. Dann berichtete ihr, dass Chris gestorben war, dass man ihn vergiftet hatte, doch ihr gegenüber erwähnte er Wesker nicht. Er wusste, dass Chris gewollt hätte, dass seine Schwester in Sicherheit ist und sich nicht Hals über Kopf auf machte, seinen Mörder zu finden. Schon gar nicht, wenn dieser Albert Wesker hieß. Und so behauptete er, nicht zu wissen, wer es getan hatte, auch wenn es dem jungen Soldaten leid tat, Claire belügen zu müssen. Aber es war besser so. Auch mit ihr redete Piers nun noch eine Weile, und als er ihr sagte, wie leid es ihm tat, dass er versagt hatte, erwiderte sie, dass er aufhören sollte, einen solchen Unsinn zu reden, dass er nichts dafür konnte, und dass er schon mehr als genug für seinen Captain getan hatte. Sie sagte ihm, dass Chris sie nach der Sache in China angerufen hatte, dass sie ein sehr langes und ausführliches Gespräch geführt hatten. Wie oft Piers' Name dabei gefallen war, und das immer nur gemeinsam mit Lob und Anerkennung. Dass Chris so unglaublich viel von ihm gehalten hatte, und dass sein vermeintlicher Tod ihm fast das Herz gebrochen hatte. Nun waren sie bei diesem Thema angelangt, und so berichtete nun Piers ihr, wie er wohl überlebt hatte, wie Chris nun immer für ihn da war, wie er ihn gerettet hatte. Und nach kurzem Zögern berichtete er Claire auch von ihrer Beziehung. Wenn jemand die Wahrheit darüber erfahren sollte, dann war sie es. Doch anders als erwartet, wurde Claire nun nicht wütend oder reagierte angeekelt, sondern sie schien sich zu freuen. So sehr sie das in ihrer Trauer eben konnte. "Ich bin froh, dass er am Ende wenigstens glücklich war, dass er bei einem Menschen war, den er so sehr liebte, und der ihn eben so sehr liebte", erwiderte sie, und Piers hörte, wie sie sich kurz die Nase schnäuzte, wofür sie sich anschließend entschuldigte, warum auch immer. Einige Minuten sprachen sie noch miteinander, dann wollte Claire ein wenig für sich sein, versprach aber, sich ab und an mal bei ihm zu melden. Piers war darüber angenehm überrascht, verabschiedete sich und legte auf. Wieder fiel sein Blick auf die Wand, und er wischte sich ein paar Tränen weg, ehe er sich daran machte, Jill anzurufen und nach ihr noch einige weitere Leute von Chris' Kontaktliste. Zumindest die Leute, die sein Captain im Laufe der Zeit wenigstens mal erwähnt hatte. Noch immer war das alles so unwirklich. Am Vortag hatten sie noch gemeinsam geduscht und waren sich so nahe gewesen. Am Abend hatten sie gekocht und miteinander gegessen, und auch, wenn Piers einen kleinen Schwächeanfall gehabt hatte und ab und an düstere Gedanken zu Wesker gehuscht waren, den Chris draußen gesehen hatte, so war der Tag doch wundervoll gewesen. Und nun würde es einen solchen Tag nie wieder geben, es war für immer vorbei. Gerade hatten sie noch nebeneinander im Bett gelegen, eng aneinander gekuschelt, und nun war Chris für immer fort. Hätten sie schon am Vortag etwas wegen Wesker unternehmen sollen? Hätten sie überhaupt etwas tun können? Das waren die Fragen, die Piers sich immer wieder stellte. Es war unklar, ob das irgendetwas gebracht hätte, und so oder so waren die Geschehnisse nun nicht mehr zu ändern. Er hatte den Leuten von Chris' Kontaktliste, die er hatte erreichen können, Bescheid gegeben, nun hing das Handy am Ladekabel, und die Taschen waren gepackt mit allem, was sie gemeinsam gekauft hatten, bis auf die Sachen, die sich noch im Kühlschrank befanden. Selbst die Kleidung von Chris hatte er mit eingepackt, weil er einfach noch nicht bereit war, diese weg zu werfen. Bis er sich dazu durchringen konnte, würde es noch etwas dauern. Am nächsten Tag würde er wie versprochen zurück zu Rebecca und Barry fahren, zumindest würde er sich da auf den Weg machen, die Reise an sich würde länger als einen Tag dauern. Und dann würden sie sich gemeinsam um den Rest kümmern. Um Wesker und die Sache mit der B.S.A.A.. Doch was, wenn das alles vorbei war? Was sollte er dann tun? Eigentlich hatte Piers sich dann mit Chris zurückziehen wollen, damit sie in aller Ruhe und in Frieden ein gemeinsames Leben führen konnten. Das hatten sie ja beide gewollt. Aber nun gab es nichts mehr, was ihn irgendwie antrieb, keinen Ort, an den er konnte, oder an den er wirklich wollte. Er würde alleine bleiben, bis an sein Lebensende. Er wollte niemanden außer Chris. Ganz gleich, wie schnulzig und kitschig diese Einstellung wirken mochte, so war es nun einmal. Aber vielleicht würde sein Leben auch gar nicht mehr so lange dauern, immerhin plante er, sich gemeinsam mit den Anderen Wesker zu stellen. Möglicherweise würde dieser seinem Leben ja ein Ende bereiten, oder die Soldaten der B.S.A.A.. Nicht, dass Piers es darauf anlegte, nein. Er hatte sich geschworen, für Chris so lange durchzuhalten wie es nur ging. Dieser war damals stark gewesen, war nicht wieder abgesunken, sondern hatte weiter gemacht, war seinem Job als Captain weiterhin nachgegangen, auch wenn es ihm ohne Piers sicherlich nicht leicht gefallen war. In seinem Gedenken hatte er das getan, und dafür wollte und musste Piers sich nun revanchieren, das musste er einfach. Ein leises Seufzen kam dem jungen Soldaten über die Lippen, und er schlurfte in die Küche, um sich noch kurz ein Brot zu schmieren und etwas zu trinken, ehe er sich auf den Weg ins Bad machte, vor dem er innehielt, als er für einen Moment wieder Chris' leblosen Körper dort liegen sah. Der Scharfschütze atmete tief durch, betrat das Bad, putzte Zähne, ging auf die Toilette, wusch sich und ging anschließend ins Bett. Er wusste nicht, ob er wirklich schlafen konnte, aber er musste es versuchen. Ab dem nächsten Tag hatte er eine ziemlich lange Fahrt vor sich, für die er fit sein wollte. Er hatte keine Lust, sein Leben selber zu beenden, weil er vor Müdigkeit einen Unfall baute. Also legte er sich hin, schloss die Augen und versuchte, irgendwie Ruhe zu finden. Es dauerte eine ganze Weile, bis Piers wirklich einschlafen konnte, und kaum war ihm das gelungen, begannen die Albträume. Immer wieder sah er Chris vor sich, wie er auf dem Boden lag, dann die Szene im Krankenhaus, als er kurz aufgewacht war, nur, um wenige Momente später für immer von ihm zu gehen. Mehrmals schrak Piers in der Nacht schweißgebadet und schwer atmend auf, mehr als einmal mit Tränen in den Augen. Irgendwann mitten in der Nacht, als es schon fast auf den frühen Morgen zuging, hatte das endlich ein Ende, als Piers' Körper und Bewusstsein alledem nicht mehr wirklich standhielten. Erneut war er durch einen Albtraum aufgeschreckt, doch dieses Mal fielen ihm die Augen einfach wieder zu, und er sackte kraftlos in sich zusammen, seine Sinne schalteten sich ab, und Piers wurde, wenn auch unfreiwillig, endlich ein traumloser und tiefer Schlaf gegönnt, aus dem er erst am späten Vormittag wieder erwachen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)