Wer Wind sät von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Boris ---------------- Grausamkeit ist das Heilmittel des verletzten Stolzes. [Friedrich Wilhem Nietzsche] „Bitte...“ Ein jämmerliches Schluchzen... „Bitte, tun Sie mir nichts. Sie bekommen alles. Mein ganzes Geld. Bitte!“ ...gepaart mit abartigem Betteln. „Nein!“ Es war ja so widerlich, zu welchen kriechenden Kreaturen Menschen mutieren konnten, wenn sie einsahen, dass sie Nichts weiter als Opfer waren. Opfer der Gesellschaft mit ihren Normen und Werten, die sie selbst geschaffen hatten. Es war so erbärmlich zu sehen, wie Menschen jedes Mal im Dreck krochen. Jedes Mal die wohl erniedrigsten Dinge taten, die er sich vorstellen konnte. Manche aßen ihr eigenes Erbrochenes, nahmen ihre eigenen Fäkalien zu sich, um dem zu entkommen, was ihnen drohte. Widerwärtig, wie er fand. Kannte denn keiner von ihnen Stolz?! War das denn für alle ein verdammtes Fremdwort?!! „Halt deine verfickte Fresse, du Miststück!“ Er trat zu. Mit voller Wucht und all seiner Wut. Inmitten ihres Unterleibs, ihres Gesichtes und genoss das knackende Geräusch. Badete sich in diesem, ehe er mit verachtendem Blick auf die Frau zu seinen Füßen herabblicken. Blut lief ihr aus der nun krummen Nase über die Lippen. Über volle, spröde, trockene Lippen, die wegen ihren ehrlosen Schreien geöffnet waren und somit die rote Lebensflüssigkeit in ihren Mund geleiteten. Es war fast zum Lachen, wie sie alle schrien. Um Hilfe. Um irgendjemanden. Als ob sie auch nur jemand in dieser verfluchten Gegend erhören würde. Als ob sich auch nur irgendjemand darum scheren würde, was in den Gassen der Armut und Gewalt geschah! „Du sollst dein Maul halten!!“, zischte er sie zornig an und trat erneut mit voller Kraft zu. Sie erbrach sich. Mal wieder. So oft hatte sie dies schon getan und es kam nur noch Galle aus ihrem stinkenden Mund. Galle und Blut. Es beschmutzte den Boden und es beschmutzte sie. Sie verdreckte ihre Umgebung mit allem was sie tat und gab. Allein schon wie sie aussah und ihre Mitmenschen betrachtete. Feinster Hermelinpelz mit edlem Muster. Die Haare kunstvoll hochgesteckt, welche somit ihren Giraffenhals enthüllten, der behängt war mit einem Brillantencollier. Die Ohrläppchen wurden von ebensolchen Brillantohrringen langgezogen. Für ihre Mitmenschen in ihrer Welt hatte sie ein falsches Lächeln übrig und arrogante Blicke. Für Menschen in seiner Welt, die sie lediglich mit ihrem Chauffeur durchfuhr, konnte sie nicht mehr als Missgunst entbehren. Sie hatte es nicht anders verdient. Nein. Sie hatte verdient hier so zu liegen! Befleckt mit Schlamm, Moder und Abfall von der Gosse. Befleckt mit ihrem eigenem Blut, ihrem Erbrochenem und ihrer Galle. Sie lag gekrümmt, ängstlich und wimmernd da. Vor einem zehnjährigen Kind. Einem Straßenkind. Vor ihm, Boris. Im zerrissenen Kleid, mit nur einem Schuh und der bereits geplünderten Handtasche im Mülleimer nur wenige Meter von ihr entfernt zusammen mit ihrem Pelzmantel. Der Brillanten gleichsam entraubt. Ein Bild wie für ihn geschaffen. Es war zum ergötzen. Die Highsociety ganz unten. Ganz – weit – unten! Wo sie hingehörte. Zu seinen Füßen. „Oh Gott... Bitte!“ Panisch versuchte sie von dem Mann wegzurücken, der sich mit einem perversen Grinsen näherte und den fliderhaarigen Jungen hinter sich ließ. Süffisant verdrehte der Junge die Augen. Wladimir übernahm ab jetzt das Kommando. Boris selbst erledigte nur die Vorarbeit. Sprich: die ausgesuchten Opfer mit kleiner Hilfe überfallen, ausrauben und zu Boden prügeln. Sich für all das rächen, was das Schicksal, Gott, ihm auferlegt hatte. Für das Feine danach war der alte Mann zuständig, der die Hälfte seines Lebens bereits auf der Straße lebte und ihn 'netter' Weise aufgenommen hatte. Er wusste es noch, als wenn es sich erst gestern zugetragen hätte. Seine Eltern, der Teufel möge sie quälen, hatten ihn in eine Babyklappe gelegt und den Nonnen eines Heims überlassen. Boris hatte es dort gehasst! Jeden Tag beten und Gott danken. Danken! Wofür sollte er denn danken? Dass er von seinen Eltern ungewollt war? Dass diese Schrullen sich um ihn 'kümmerten'? Oder doch eher dafür, dass diese Wichser von Jugendlichen meinten, sich wie die Chefs aufführen zu müssen? Er hatte es noch gut gehabt, weil sie ihn in Ruhe ließen, nachdem er ihnen zu viele Schwierigkeiten gemacht hatte. Andere, wie dieses Baby Ivan, mit der hässlichen Nase und der Matschfresse, wurden schon als Kleinkind von ihnen fertig gemacht. Der Straßenjunge hatte noch genau im Gedächtnis, dass Ivan erst ein Jahr alt war, als er selbst aus diesem abgefuckten Heim ausgebrochen war – mit vier Jahren - und trotzdem misshandelt wurde. Und was taten die Nonnen? Sie verschlossen ihre Augen und beteten, auf dass die armen, verdorbenen Seelen im Tode ihren Platz fanden und Gottes Gnade erfuhren. Zum Kotzen! Er wollte nur raus da und war abgehauen. Nur weg! Trotz seines Alters war er relativ weit gekommen. Aber in dieser Gegend scherte sich ja auch niemand um die Personen in seiner näheren Umgebung. So war er nachts erschöpft in einer Gasse auf einem verdreckten Pappkarton eingeschlafen, wo er nur Stunden später von Wladimir geweckt wurde, der ihn besoffen von dem Karton verdrängen wollte. Boris wusste noch genau, dass er sich dagegen gewehrt hatte, aber verlor. Doch hatte er Eindruck hinterlassen mit seiner Aggressivität und Wut, sodass Wladimir sich ihm angenommen hatte, um seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, da er selbst mittlerweile zu alt wurde, um noch groß Menschen überwältigen zu können. Es war ein Abkommen zum Eigennutz. Jeder half sich selbst damit. Boris bekam einen Unterschlupf in einem verlassen, instabilen Haus, etwas zu Essen und eine Art Mentor, der ihm das wahre Leben lehrte. Der alte Mann bekam im Gegenzug Unterstützung, die er mit den Jahren auch immer mehr brauchte. Ihre Pläne waren nicht sehr geistreich, mit anderen Worten eher primitiv. Sie legten irgendwelche spitzen Gegenstände wahllos auf die Straßen und hofften, dass die Reifen einer Limousine dadurch zerstört wurden. Dann erledigten sie den Fahrer und kümmerten sich gemeinsam um die Insassen. Wobei der Fliderhaarige mittlerweile dabei eindeutig den größeren Anteil an Arbeit erledigte. Er war zwar noch jung, aber so voller Hass und Verachtung, Zorn und Angriffslust, dass es für ihn fast ein Leichtes war, die hilflosen Frauen zu Boden zu schicken. Und verdammt, er genoss es jedes Mal aufs Neue! Für ihn war es, als würde er Gott verhöhnen, der in seiner grenzenlosen Macht all dies erschaffen hatte und sich jeden Tag an seinem Werk erfreute. Der seine Schäfchen liebte. Zumindest die mit Geld. Denn Gott war mit Sicherheit niemals sein ständiger Begleiter, war es nie gewesen. Und deswegen genoss er es, Gott zu demonstrieren, wie armselig seine Schäfchen waren. Nach außen hin trugen sie Stolz und Erhabenheit zur Schau. Doch schickte man sie zu Boden, winselten sie wie die Maden. Und wie sie winselten! Keinerlei Stolz in ihnen! Und genau das war der Hohn, den Boris liebte zu zeigen. Und den er gleichzeitig verachtete wie nichts auf der Welt. Wie konnte man so unehrenhaft sein? Wie konnte man um Gnade betteln?! Lieber würde Boris sterben, als zu betteln. Zu betteln, um so etwas wie Gnade und seinen Stolz vergessen. Niemals! Keiner kannte mit ihm Mitleid, nicht mal Gott. Wieso zum Teufel sollte er, als Gott verlassene Kreatur, also Gnade verteilen?! Nicht in tausend Jahren würde er auf diesen absurden Gedanken kommen, Menschen, die sich für was Besseres hielten, obwohl sie die Verdammenswerten waren, etwas Gutes zu tun. Wo ihm doch auch niemand etwas Gutes tat. Nein, nie im Leben. Sie würden alle das bekommen, was sie verdienten. Und in seinen Augen verdiente die Menschheit es, zu leiden! Was ist Gewalt anderes als Vernunft, die verzweifelt? [José Ortega y Gasset] „NEIN!“ Boris hörte noch den hysterischen Schrei der Frau, als er aus der Gasse trat und in Richtung des Versteckes ging. Doch ihn störte es nicht im Geringsten. Zu Anfang war er noch geschockt gewesen über das Szenario, welches sich in diesem Augenblick in der Gasse abspielte. Er hatte nicht verstanden, wieso der alte Mann den Frauen die Kleider vom Leib riss, seine eigene Hose öffnete und seinen Penis mit Wucht in ihre Ärsche stieß. Mittlerweile wusste er, dass Wladimir die Frauen vergewaltigte. Doch wirklich bekümmern tat es ihn nicht. Es widerte ihn an, ja, allerdings war ihm die Tatsache an sich relativ egal. Sollte er machen, was er wollte. Sollte er mit den Opfern umgehen, wie er wollte. Seinetwegen konnte er sie auch umbringen – was er gewiss auch bei manchen tat. Boris war es egal. Ihm war so ziemlich alles egal. Alles, bis auf Stolz und Ehre. Für den Rest war er zu stumpf. Sein Leben, sein Schicksal, hatte ihn taub und dumpf werden lassen für die Bürden anderer. Seine war bereits viel zu groß für seine Kinderschultern. War es direkt zu Beginn schon gewesen. Und des Öfteren wusste er nicht damit umzugehen und verlor sich in seinem Hass, der sich von seiner Verzweiflung nährte. Der Depression seiner Lebensaufgabe, wenn man es so nennen wollte. Jedoch gab es für ihn auch keinen Ausweg aus seinem selbst ausgesuchten Leben. Wie auch? Er war ein Kind. Ohne Schulbildung, ohne Geld. Wie sollte er etwas erreichen und was aus sich machen? Seine einzige Möglichkeit war, bei Wladimir zu bleiben und mit ihm Frauen zu überfallen und deren Wertgegenstände gegen Essen bei der Mafia zu tauschen. Was anderes blieb ihm nicht übrig, denn er würde einen Teufel tun, auf den Kinderstrich zu gehen und sich von alten, ekeligen Männern ficken zu lassen! Da würde er lieber verrecken, als sich dieser Demütigung hinzugeben. „Verfickte Scheiße, eh!!“ Zornig trat er gegen eine hängende Mülltonne einer Bushaltestelle, die sich dadurch aus ihrer Halterung löste und zu Boden fiel, den Inhalt auf dem Bürgersteg verstreuend. Ein angebissenes Brot war unter dem Müll dabei, auf welches Boris sich gleich stürzte und es regelrecht verschlang. Wladimir und er hatten lange Zeit keinen Erfolg gehabt und somit kein Geld, was sie bei der Mafia hätten eintauschen können, eintauschen mussten! Hatte der alte Sack sich von dem Mafioso doch unterdrücken lassen. Einmal im Monat keine Zahlung gleich einmal im Monat halbtot. Und das wollten sie beide nicht. Glücklicherweise hatte sich ja wieder eine Frau in ihr Viertel verirrt. Demnach gab es heute Abend etwas zum Essen, wenn Wladimir zurückkehren würde. Boris unterdrückte das erleichterte Seufzen, welches sich bei diesem Gedanken hinaufkämpfte. Endlich wieder was Vernünftiges zu essen. Noch ein Nachteil seines Lebens. Selten etwas Essbares. Vielleicht sollte er sich ja dafür bedanken, wenn er heute Abend etwas bekam. Der Junge schnaubte abwertend und belächelte sarkastisch seine eigenen Gedanken. Am Arsch würde er danken! Immerhin beschaffte er sich das Essen selbst und bekam es nicht geschenkt von dem ach so großartigen Gott! Zügigen Schrittes marschierte er durch den knöchelhohen Schnee in Richtung des Unterschlupfes. Versteckte seine Hände in der Manteltasche, so wie er sein Gesicht im hohen Kragen versuchte vor dem Wind zu schützen, der mittlerweile an Stärke gewann. In der Nacht würde es definitiv stürmen und schneien. Dann konnten sie wieder zusehen, dass sie nicht erfroren. Hieß also, dass sie bald wieder auf Suche gehen mussten nach etwas, was sie zum Heizen benutzen konnten. Wie er es hasste abhängig von seinem Glück zu sein! Die Welt war scheiße! Genau wie die ganzen Menschen, die sie bewohnten. Sie waren doch alles nur Huren vom Freier, der sich Gott schimpfte. Er befriedigte sich an ihnen, während sie selbst nur hilflos dalagen und danach gierten, was er ihnen dafür geben würde, sollte. Abartig! Ebenso wie die Behausung, die er sein Zuhause nennen durfte. Weder Wladimir noch er selbst waren reinlich. So sah der Raum auch aus. Überall lag Müll, überall war Dreck und es war arschkalt! Es widerte ihn an, nur Lust etwas daran zu ändern, hatte er nicht. Er war nur froh, dass sie hinaus gingen, um zu pissen und zu scheißen. Boris schüttelte sich angeekelt. Er sollte erst gar nicht drüber nachdenken, wie er es wäre, wenn sie nicht raus gingen. Da er keine Motivation aufbringen konnte, aufzuräumen und ebenso keinen Bock hatte, hier dumm zu sitzen bis Wladimir wiederkam, ging er noch einmal hinaus und lief wahllos durch irgendwelche Straßen und Gassen. Der Mensch, der nicht geachtet ist, bringt um. [Antoine de Saint-Exupéry] Als er zurückkam, war der Alte auch schon wieder da und zwar eifrig am fressen. „Was soll das?!“, zischte Boris wütend und ging auf Wladimir zu. Wie konnte der Arsch es wagen, das ganze Essen wegzufressen und ihm nichts übrig zu lassen?! „Reg dich nicht auf, Kleiner. Hier hast du doch was“, damit warf er ihm den Rest eines Leibes Brot zu und eine Kartoffel. „Hättest halt eher da sein müssen.“ „Ich geb’ dir gleich 'hättest halt eher da sein müssen' aufs Maul!“ Aggressiv schmiss er die Kartoffel und das Stück Brot auf den Boden und schritt sauer auf den alten Mann zu. „Was fällt dir ein, alles zu fressen?! Du hast die Scheiße nur wegen mir bekommen! Mir steht der größere Teil zu und du frisst alles auf!“, schrie Boris und packte den Alten am Kragen. Er sah rot. Seit Tagen hatte er nichts mehr gegessen, außer den spärlichen Resten, die er im Müll fand. Und dann hatten sie endlich wieder Glück, konnten einiges eintauschen und dann wagte es dieser Wichser von altem Sack, ihm alles wegzufressen! „Du Hurensohn! Du hinterfotziger Hurensohn!“ Er schlug zu. Mehrmals. Mit der Faust. Mit einem Gegenstand. Er trat zu. Ohne es wirklich zu registrieren. Ganz automatisch. Wie eine Maschine, die - von Wut und Hass verzerrt – geleitet wird. Nicht mal das Knacken der Knochen nahm er wahr. Nicht mal die Schreie nahm er wahr. Nicht mal das viele Blut. Er hörte erst auf, als er keuchend da stand und der Körper Wladimirs auf Grund seiner Schläge und Tritte gepeinigt zuckte. Zuckte und schließlich erschlaffte. „Wag’ dich das nie wieder, alter Mann!“, zischte er noch und verschwand aus dem Raum, hinaus in den kalten Abend Russlands. Boris musste sich abreagieren. So was passierte ihm selten, dass er die Kontrolle vollkommen verlor. Es ließ ihn jedes Mal schaudern. Besonders, wenn er seine mit Blut befleckten Hände danach betrachtete. Was für ein Monster musste in ihm schlummern? Ob er Wladimir wirklich getötet hatte? Bestimmt nicht. Der hielt das aus. Er war robust, zäh. Der würde das schon überleben. Da war er sich sicher... ~~ Boris hob misstrauisch seine Augenbraue, als er zum Versteck zurückkam und ein Auto davor parken sah. Wer um alles in der Welt parkte in so einer verlassenen Gegend?! Je näher er kam, desto mehr konnte er erkennen. So auch die beiden in schwarz gekleideten Männer, die wie Mauern starr dastanden und skrupelloser und kälter nicht hätten sein können. Was waren das für Psychos? „Er ist nicht hier.“ Ein weiterer Mann kam aus seinem Unterschlupf und sprach die anderen beiden an. Er war hochgewachsen, muskulös, hatte lila Haare, einen grünen Mantel und eine seltsame Maske. DAS war definitiv der größte Psycho unter den Dreien. Bei Satan, was wollten diese Freaks hier? Und wer war bitte nicht da? Sie meinten doch nicht etwa ihn? Dann fiel der Blick des Oberkranken auf ihn und ein seltsames Lächeln erschien auf den Lippen. „Komm nur her, Junge“, lautete der Befehl, den Boris selbstverständlich nicht befolgte. „Komm du doch her.“ Es war riskant mit so einer großen Klappe diesen Typen gegenüber zu treten, aber er konnte nicht anders. Tatsächlich kam der seltsamste dieser Männer auch zu ihm. Dieses Lächeln beständig auf seinen Lippen, welches Boris schaudern lies. „Ich habe dich gesucht“, lauteten die Worte, die er an ihn richtete, sobald er vor ihm stand. „Toll“, meinte Boris sarkastisch. „Ich dich nicht. Also verzieh dich!“ Donnerndes Lachen ertönte darauf und der Fliderhaarige fühlte sich alles andere, aber nicht ernst genommen. „Ich meine das ernst“, knurrte er wütend und ballte seine Fäuste. „Das kann ich mir denken, mein Junge. Dem alten Mann hast du wohl ebenfalls bewiesen, dass du es ernst meinst.“ Die Stimme war aalglatt, dennoch rau und gefährlich. „Ich bin nicht dein Junge“, spuckte er die Worte aus und schaute verachtend in die wegen der Maske roten Augen. „Noch nicht“, war die ungewöhnliche Antwort, die Boris innerlich zurückweichen ließ. „Was soll das heißen?!“ „Du bist es doch leid, ständig wie eine Ratte nach Essen im Müll zu suchen, nicht wahr? Um das Essen mit einem alten Mann zu kämpfen. In einem baufälligem Schuppen zu leben und zu frieren wie die Maden, wie unwürdiges Getier.“ Boris knurrte bei dieser Aufzählung und bohrte seine Finger in die Handflächen, um sich unter Kontrolle zu halten. Wie konnte dieser Psychopath es wagen? „Ich kann dir ein besseres Leben bieten. Eine Unterkunft, regelmäßiges Essen, fließend Wasser. Ich kann dich lehren deinen Hass und deinen Zorn zu kontrollieren und geschickt einzusetzen. Ich kann dich zu einem Mann machen, dem die Welt Respekt zollen wird! Vor dem die Welt erzittern wird! Der über alles thront, was unwürdig ist.“ Der Straßenjunge war misstrauisch und gleichsam fasziniert. Sollte das wirklich die Wahrheit sein? Konnte dieser Mann das erreichen? Aber... „Wieso solltest du das tun?“, fragte er skeptisch nach. „Weil ich weiß, wie es ist sein Leben so zu verbringen wie du. Und weil ich die Menschen hasse, die meinen, sie könnten die Welt regieren. Ich will eine neue Weltordnung schaffen, in der die an der Macht sind, die das Zeug dazu haben und es verdient haben. Leute wie du.“ „Und das soll ich dir glauben, ja?“, er schnaubte. Als ob! „Weshalb solltest du mir nicht glauben?“, fragte der Mann heimtückisch nach und Boris wusste keine Antwort. Das Ganze hörte sich verlockend an. Sehr verlockend. Er würde endlich wieder von der Straße runterkommen. Regelmäßiges Essen und Wasser. Ein Unterschlupf und die Aussicht auf Macht, um etwas verändern zu können. „Wieso willst du mich dafür?“ „Du hast das Potenzial, was ich brauche. Genau wie weitere Jungen, die ich bereits angeworben habe.“ „Und was ist der Haken bei der Sache?“ Irgendwas musste da doch von Nachteil sein! Das war zu perfekt. „Ich verlange Disziplin. Wer zu spät aufsteht, bekommt kein Frühstück.“ „Das ist alles?“, fragte Boris belustigt nach. Na, das war jawohl seine leichteste Übung. „Gut, ich bin dabei.“ Boris nickte dem Mann vor sich zu und war sich sicher, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Der Maskentyp nickte den beiden anderen zu, die auf der Fahrer- und Beifahrerseite des Autos einstiegen. Während er selbst mit dem augenscheinlichen Anführer hinten Platz nahm. Sie fuhren los als er die Tür nicht mal ganz geschlossen hatte. „Wie heißt du eigentlich?“ „Mein Name ist Balkov.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)