Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 130: CXXX – Hilfreiche Unterstützung -------------------------------------------- Dienstag, 06.Oktober 2015 Gähnend betrat Mirâ durch das Schultor das Gelände der Jûgôya High School, während sie fröstelnd ihre Arme enger an sich presste. Der Wind wurde von Tag zu Tag ungemütlicher. Bald würde sie wohl ihren Schal und ihre dicke Jacke raussuchen müssen. Außerdem sollte sie langsam überlegen sich ein paar neue Feinstrumpfhosen für den Winter zu kaufen, die sie unter ihre Overknees ziehen konnte. Noch so in Gedanken versunken, wann sie dieses Unterfangen in Angriff nehmen sollte, bemerkte sie in einiger Entfernung Hiroshi und Emiko, die sich wieder unterhielten. Obwohl ihr Shuya mittlerweile klar gemacht hatte, dass sie sich bei der Brünetten keine Gedanken in Bezug auf Hiroshi machen musste, merkte sie erneut, wie sich langsam ihre Kehle zuschnürte und leichte Eifersucht in ihr aufstieg. Doch schnell schüttelte sie den Kopf, um das Gefühl wieder loszuwerden. Sie wusste ja selber nicht, wieso sie immer so empfand, immerhin gab es ja keinen Grund dafür. Also durfte sie sich davon nicht zu stark vereinnahmen lassen. Aus diesem Grund nahm sie dieses Mal all ihren Mut zusammen und ging nun direkt auf die beiden zu. Dieses Mal würde sie sie ganz direkt ansprechen. Es war sowieso total peinlich sich deshalb jedes Mal zu verstecken. „Und es ist wirklich alles in Ordnung?“, hörte sie leise Hiroshis Stimme, als sie sich den beiden näherte. „Ja und jetzt mach dir keine Gedanken darüber“, lachte Emiko und boxte dem Blonden dabei vorsichtig gegen die Schulter. Dabei fiel ihr Blick an diesem vorbei auf Mirâ, die von ihrem Kumpel noch nicht bemerkt worden war. Ein kleines Lächeln zierte Emikos Lippen: „Wie gesagt. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Ich muss jetzt los, sonst macht sich Mari noch Sorgen, wo ich bleibe. Trotzdem danke, dass du dir Gedanken machst. Ich weiß das wirklich zu schätzen, aber ich komme klar. Also dann, bis später.“ Damit hatte die Brünette ihre Tasche noch einmal gerichtet und war gegangen, während der blonde junge Mann ihr besorgt nachsah. Das Knacken eines Astes, auf den Mirâ ausversehen trat, ließ ihn jedoch zusammenzucken und sich umdrehen. Überrascht sah er seine Teamkameradin an. „Oh. Morgen Mirâ. Geht es dir wieder etwas besser?“, fragte er, ihren Zustand am Vortag ansprechend. Seine Klassenkameradin nickte: „Ja. Mir geht es wieder besser. Danke nochmal für gestern.“ Ein leichter Rotschimmer lag auf ihren Wangen, weshalb sie etwas verlegen zur Seite blickte, als sie daran denken musste, wie sie sich an den jungen Mann geklammert hatte. Dieser sah ebenfalls zur Seite, weil es ihm nicht anders ging, woraufhin Schweigen zwischen den beiden ausbrach. Das jedoch wurde Mirâ nach kurzer Zeit unangenehm. Deshalb räusperte sie sich und sah in die Richtung, in die Emiko verschwunden war: „Entschuldige, falls ich euch in eurem Gespräch gestört habe. Ich wollte auch nicht lauschen oder so. Aber kann es sein, dass Sakura-san irgendwelche Probleme hat? Du hattest sie doch gefragt, ob alles gut ist. Außerdem erwähnte Nagase-kun letztens auch so etwas in der Art…“ Auch Hiroshi sah nun kurz in die Richtung, bevor er sich Zunge schnalzend am Kopf kratzte: „Ah diese Quatschtüte… er sollte doch den Mund halten. Naja egal. Dir kann man ja vertrauen.“ Er steckte seine Hände in die Hosentasche und sah wieder zum Schulgebäude, in dem Emiko mittlerweile verschwunden war: „Weißt du… Emi steht auf Mädchen. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sie besser mit uns Jungs klarkommt. Obwohl das in der heutigen Gesellschaft eigentlich akzeptiert werden sollte, gibt es aber immer noch Menschen, die damit nicht klarkommen. Emis Mutter ist zum Beispiel eine dieser Personen, die ein Problem damit haben. Und sie zeigt ihr das nicht nur verbal.“ Geschockt legte sich Mirâ die Hand vor den Mund, als ihr etwas einfiel: „Kommen daher die blauen Flecken an ihrem Arm?“ „Du hast sie gesehen?“ Ein Nicken kam als Antwort, mit der Erklärung, dass sie die Blutergüsse bemerkt hatte, als die Brünette Akane seinen USB-Stick zurückgegeben hatte. „Verstehe…“, murmelte ihr blonder Kumpel, „Jedenfalls hält sie es deshalb vor allen geheim. Es war nur Zufall, dass Shuya und ich es herausgefunden haben. Aber sie hat Angst nicht akzeptiert zu werden, wenn sie sich outet. Ich bin der Meinung, dass das nicht stimmt. Aber ich befinde mich nicht in ihrer Lage, deshalb kann ich es nicht genau sagen. Für sie ist diese Lage wirklich schwer und ich verstehe sie auch irgendwie. Als ihr Kumpel kann ich in dem Moment nur moralisch für sie da sein. Allerdings macht es ihre Situation Zuhause nicht wirklich besser und letztens hatte sie wieder einige schlimme Verletzungen am Arm. Die waren nicht zu übersehen, auch wenn sie versucht sie zu verstecken. Deshalb mache ich mir Sorgen.“ Das violetthaarige Mädchen beobachtete den Gleichaltrigen einen Moment von der Seite, bevor sie lächelte: „Du bist einfach ein netter Mensch, Hiroshi-kun. Und das macht dich so liebenswürdig.“ Überrascht sah Gemeinter sie mit großen Augen an, bevor er seine Hand vor den Mund legte und zur Seite schaute, um seine Verlegenheit zu überspielen: „Ach… ach was.“ Auf die Reaktion des Größeren hin konnte sich Mirâ ein Kichern nicht verkneifen, weshalb auch er nach einiger Zeit lächeln musste. Dann schien ihm etwas einzufallen: „Ach so. Ich wollte eh mit dir sprechen.“ Fragend sah sie Hiroshi an, welcher ihr erklärte, dass sie Ende Oktober ein Turnier in Inaba besuchen würden, bei dem die Managerin des Fußballclubs etwas Unterstützung bräuchte. Matsurika hatte davon natürlich, wie auch immer, Wind bekommen und sich angeboten. Die Managerin hatte aber sofort abgelehnt, da sie bereits ahnte, wieso die Schwarzhaarige sich freiwillig gemeldet hatte. Sie brauchte zuverlässige Leute, die ihre Aufgaben auch gewissenhaft erledigten. „Da bist du mir in den Sinn gekommen“, kam er letzten Endes zum Punkt, „Ich weiß, dass du alles, was man dir aufträgt mit vollem Einsatz erledigst. Würdest du uns begleiten und unserer Managerin helfen?“ „Eh ich? Ich weiß nicht…“, war Mirâ etwas unsicher, immerhin kannte sie sich mit Fußball überhaupt nicht aus. „Entschuldige, dass ich dich damit überfalle. Du musst auch nicht sofort Antworten. Das Turnier ist an dem Wochenende in zwei Wochen. Du kannst also auch noch bis nächste Woche überlegen. Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber du würdest uns wirklich sehr damit helfen“, schlug der junge Mann die Hände zusammen. „Hm…“, ließ die Violetthaarige ihren Blick eine Weile auf ihrem Kumpel ruhen. Zum einen wollte sie ihm wirklich gerne helfen und es wäre mit Sicherheit auch eine tolle Erfahrung, aber immer noch hatte sie Bedenken, da sie sich mit dem Sport absolut nicht auskannte. Andererseits fiel ihr plötzlich wieder ein, dass Narukami-sensei Co-Trainer des Clubs war. Sie hatte so viele Fragen, was die Wild Card und die Sache mit den Personas anging, schaffte es aber nicht, eine ruhige Minute zu finden, um mit dem Lehrer darüber zu sprechen, da immer etwas dazwischenkam. Das könnte ihre Chance sein endlich ein richtiges Gespräch mit ihm zu führen. Auch wenn es etwas eigennützig war, so stand ihre Entscheidung in diesem Moment fest: „Also gut. Ich helfe euch.“ Überrascht sah Hiroshi sie an: „Wirklich? Du kannst dir auch noch etwas Zeit lassen.“ Die junge Frau schüttelte den Kopf: „Nein schon gut. Ich hab mich entschieden. Ich komme mit. Sagst du in deinem Club Bescheid? Und wäre es vielleicht möglich, dass ich vorher mal mit hospitieren kann, um einen Einblick zu bekommen?“ Der Blonde war total begeistert: „Ja sicher! Ich werde mit unserer Managerin darüber sprechen. Ich denke, sie wird dann auf dich zukommen. Vielen Dank, Mirâ!“ Angesprochene erwiderte nur mit einem Lächeln und hoffte, dass Hiroshi ihr auch ihre Eigennützigkeit verzeihen möge mit der sie diese Entscheidung getroffen hatte. Trotzdem freute sie sich nun irgendwie auf das Turnier. Ihr Kumpel musste direkt nach ihrem Gespräch zur Managerin seines Clubs gegangen sein, denn bereits in der Mittagspause wurde sie von dieser auf den Gang gerufen. Überrascht stand sie nun einem Mädchen gegenüber, welches ungefähr so groß war, wie sie selbst und dunkelbraune kurze Haare hatte. Auch sie trug die Sportjacke anstatt des Blazers, genau wie Akane, jedoch offen, sodass man darunter die schwarze Bluse mit der großen, roten Schleife erkannte. Dazu trug sie unter dem roten Faltenrock eine schwarze, blickdichte Strumpfhose, auf welcher Mirâ jedoch kleine silberne Sterne erkennen konnte. Sie mochte also auch solche Dinge. „Du bist Shingetsu-san?“, fragte sie direkt heraus, obwohl es eigentlich klar war. Immerhin war die Violetthaarige zu ihr gekommen, nachdem sie gerufen wurde. Das schien auch ihrem Gegenüber aufzufallen, weshalb sie räusperte und weitersprach: „Ich bin Kinako Suzuka, die Managerin des Fußballclubs. Makoto-kun meinte, dass du dich bereit erklärst mich auf dem Turnier in Inaba zu unterstützen. Stimmt das?“ „Ja das stimmt. Ich habe allerdings nicht viel Ahnung von Fußball und auch nicht von den Aufgaben einer Managerin. Deshalb würde ich gerne vorher mal bei euch aushelfen“, erklärte die Violetthaarige. Die Brünette nickte: „Das ist kein Problem. Unser Club trainiert immer Montag, Mittwoch und Freitag. Wenn du an einem der Tage keine eigenen Clubaktivitäten hast, kannst du einfach vorbeikommen.“ „Wäre dann diesen Freitag okay?“, fragte Mirâ nach, auch wenn sie wusste, dass an diesem Tag eigentlich Kuraiko im Botanik-Club war. Sie müsste es der Schwarzhaarigen also erklären und hoffte, dass sie es verstehen würde. Es war ja auch nur für die Zeit bis zu dem Turnier in Inaba. Danach würde sie sich wieder voll und ganz dem Club der Schwarzhaarigen zuwenden. „Ja, das ist okay. Komm am besten in Sportsachen hin. Einige unserer Jungs kommen sonst nur auf dumme Gedanken. Dann bis Freitag“, damit hatte sich Kinako verabschiedet und war zurück in ihre Klasse gegangen. Mirâ sah ihr kurz nach, bevor sie sich abwandte und in Richtung der 2-3 lief, um gleich das Gespräch mit Kuraiko zu suchen. Irgendwie bekam sie zwar nun doch etwas Angst vor der möglichen Reaktion der Schwarzhaarigen, aber da musste sie nun leider durch. Also atmete sie noch einmal tief durch, bevor sie die Tür zur Klasse ihrer Freundin aufschob und danach auf diese zuging. Seufzend verließ Mirâ am Nachmittag das Schulgebäude, während sie ihr Smartphone in der Tasche ihres Blazers verschwinden ließ. Shuichi hatte ihr geschrieben, ob sie an diesem Abend mal wieder eine Schicht übernehmen könnte. Obwohl sie eigentlich gar keine so große Lust hatte zu arbeiten, sagte sie trotzdem zu. Sie hatte die letzten Wochen schon weniger gejobbt und langsam ging auch ihr Taschengeld zur Neige. Es wäre also nicht schlecht wieder mal etwas dazuzuverdienen. Außerdem wollte sie sowieso mit Shuichi sprechen, nachdem sie am Morgen von Emikos Problemen erfahren hatte. Ihr älterer Kollege war, was seine Sexualität anging, in der gleichen Situation wie die junge Frau und konnte Mirâ deshalb bestimmt einige Fragen beantworten, die ihr auf der Seele brannten. Sie musste sich nur überlegen, wie sie das Thema ansprach, immerhin war es schon ziemlich prekär. Aber bis zum Beginn ihrer Schicht hatte sie noch etwas Zeit und konnte sich darüber Gedanken machen. Aus diesen wurde sie jedoch genau in dem Moment gerissen, als sie neben sich plötzlich einige Schreie hörte, die aus einiger Entfernung erklangen. Erschrocken sah sich die Oberschülerin zu allen Seiten um und versuchte die Schreie zu lokalisieren. Das dauerte einige Sekunden, doch dann war sie sich sicher, woher sie kamen und rannte sofort los. Sie lief einmal quer über den Schulhof und bog dann hinter dem Gerätelager rechts ab, um kurz darauf wie erstarrt stehen zu bleiben. Vor sich erkannte sie nun Ryu, welcher auf dem Boden hockte und sich schützend die Hände vor den Kopf hielt, während fünf Jungs um ihn herumstanden und ihn mit einem Fußball beschossen. Dabei gingen sie alles andere als zaghaft vor. Stattdessen schossen sie mit voller Kraft, sodass der Aufprall auf den Jüngeren, belgeitet von seinen Schmerzensschreien, lautstark zu hören war. Lachend wiederholten die fünf Jungs dieses Martyrium immer wieder. Wut stieg in der Violetthaarigen auf, welche jedoch auch von Angst begleitet wurde. Immerhin hatte sie den Angriff der Jungs, welche ebenfalls hier dabei waren, am gestrigen Tag noch nicht vollständig verarbeitet. Trotzdem setzte sie sich plötzlich automatisch in Bewegung und rannte auf das Geschehen zu. Kurze Zeit später prallte der Ball schmerzhaft an einer ihrer Waden ab. Es tat wirklich sehr weh, doch die junge Frau ließ sich davon nicht beirren und wandte sich stattdessen an ihren Kohai, der zusammengekauert auf dem Boden hockte. „Ryu-kun. Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt, woraufhin der Kleinere aufschaute: „Mirâ-senpai…“ „Du schon wieder? Haben wir dir gestern nicht schon gesagt, dass du dich heraushalten sollst?“, fragte der Junge, der sie am Vortag so massiv bedroht hatte. Er fing den Ball ab, welcher an der jungen Frau abgeprallt und in seine Richtung gekullert war, und hielt ihn mit dem rechten Fuß fest. „Sagt mal, habt ihr nicht langsam mal Genug davon?“, fragte Mirâ ohne auf die Aussage des jungen Mannes einzugehen, während sie aufstand und die Gruppe wütend ansah. „Kche! Du lernst es nicht. Oder? Aber wenn du nicht hören willst, dann musst du es halt auf andere Weise lernen“, ließ die Aussage ihres Gegenübers die Violetthaarige stutzen. Dieser balancierte nun den Ball auf seinem Fuß, trat ihn ein, zwei Mal in die Luft und holte dann aus, um den in der Schwebe liegenden Ball genau in ihre Richtung zu treten. Erschrocken wich die Oberschülerin zurück, doch egal was sie hätte tun können, der Ball würde sie unweigerlich mitten ins Gesicht treffen. Reflexartig hob sie ihre Hände, während sie die Augen Schloss und ihr ein ängstlicher Schrei entkam. Doch der Aufprall blieb aus. Stattdessen hörte sie die Sohlen von Schuhen, welche auf dem Boden kratzten und dann ein dumpfes Geräusch, so als wäre der Ball gegen etwas weiches geprallt. Überrascht öffnete sie daher die Augen und erkannte dann wieder Hiroshis Rücken. Dieser war zwischen sie und die Jungs getreten und hatte den Ball durch einen gekonnten Sprung mit seiner Brust abgefangen. Er landete wieder auf dem Boden, was auch der Ball ihm nachtat, jedoch dann noch einmal aufhüpfte. In diesem Moment holte der Blonde mit dem rechten Fuß aus und schoss den Ball zurück zum Absender, welcher ihn mit voller Wucht in den Bauch bekam, wo er abprallte und dann gegen sein Gesicht flog, weil er durch den Aufprall des Balles nach vorne geschaut hatte. Mit einem dumpfen Knall ging der junge Mann damit zu Boden, woraufhin die anderen sofort geschockt einen Schritt zurück machten. Überrascht blickte Mirâ auf die Szene, als ihr auffiel, dass sie diesen Angriff von Hiroshi schon häufiger in der Spiegelwelt beobachtet hatte. „Du scheinst es ja auch nicht zu lernen“, meinte ihr Kumpel wütend und ließ ihre Aufmerksamkeit wieder zu ihm wandern, „Habe ich dir gestern nicht schon gesagt, was passiert, wenn ihr Mirâ anrührt?“ „Alter, Makoto! Komm mal wieder runter“, sagte plötzlich einer der Jungs, die dieses Mal neu dabei waren. Sauer drehte sich der Blonde zu den beiden, die gleich zusammenzuckten: „Für dich Makoto-senpai! Und schon mal nicht in diesem Ton, du Pimpf!“ „Spiel dich nicht so auf, Senpai!“, meinte nun der andere, „Was mischt dieses Mädchen sich überhaupt ein? Und außerdem, wenn wir dem Rektor erzählen, dass du jemanden KO geschossen hast, dann droht dir nicht nur ein Schulverweis. Das ist eine klare Körperverletzung!“ „Ach? Und das was ihr hier macht wohl nicht? Langsam schlägt es echt 13. Ihr könnt froh sein, wenn ich diese Sache NUR unserem Trainer melde und ihr mit einer Suspendierung aus dem Fußballclub davonkommt“, Hiroshi war kurz davor zu explodieren. Dass sogar Mitglieder des Fußballclubs in diese Sache involviert waren und dazu auch noch einen Ball nutzen, um andere zu verletzen, regte ihn tierisch auf und machte ihn einfach nur sprachlos. Dabei warb der Fußball und auch ihr Club immer wieder mit Toleranz und Umsicht. Die beiden traten jedoch diese Grundsätze mit Füßen, nur um sich zu profilieren. Es kotzte ihn einfach an und am liebsten hätte er auch an ihnen ein Exempel statuiert. Doch das würde dann wahrscheinlich wirklich in einer Schulsuspendierung enden und darauf konnte er verzichten, selbst wenn er einen guten Grund hatte. „Kannst du bezeugen, dass wir in die Sache involviert waren? Wenn wir behaupten, dass wir auch nur dazu gekommen sind, weil wir das mitbekommen haben, hast du das Problem“, grinste der eine wieder. Da war natürlich was dran. Trotzdem konnte Hiroshi das nicht auf sich beruhen lassen. Sollte er doch andere Maßnahmen ergreifen? „Dann habt ihr wohl jetzt das Problem“, erklang plötzlich eine erwachsene männliche Stimme, woraufhin sich alle beteiligten erschrocken umdrehten. Hinter dem Schulgebäude tauchte plötzlich eine Person mit grauem Haupthaar auf. Die Arme vor der Brust verschränkt sah er die Gruppe von Schülern ernst an. „Ich habe durch Zufall mitbekommen, was hier los ist und kann bezeugen, dass die Aktion von Makoto nur eine Schutzmaßnahme war, um Shingetsu und Arabai zu schützen“, sagte diese Person. „Narukami-sensei“, brachte Mirâ etwas überrascht heraus, was nun vor allem die Jungs aus dem Fußballclub zusammenzucken ließ. „Wie mir scheint gibt es da einiges an Gesprächsbedarf. Ich werde diese Sache jedenfalls melden müssen. Haltet euch also besser bereit, euch vor dem Direktor zu äußern“, erklärte Yu ruhig, während er auf die Gruppe von Schülern zuging, „Ihr solltet jetzt besser gehen. Den Ball nehme ich in Gewahrsam.“ Mit einem gekonnten Trick hatte der Lehrer den Ball mit dem Fuß nach oben gespielt und aufgefangen, bevor er wieder zu der Gruppe von Jungs schaute. Diese sammelten ihren KO gegangenen Kumpel ein und machten sich schleunigst vom Acker, sodass nun nur noch die drei Persona-User und der junge Lehramtsstudent zurückblieben. Eine Viertelstunde später saßen Mirâ, Hiroshi und Ryu auf einer Bank auf dem Schulgelände und schwiegen sich mehr oder weniger an. Nachdem die Mobber verschwunden waren hatten die beiden Zweitklässler Narukami-sensei die Situation erklärt, woraufhin dieser meinte, dass er bereits so eine Ahnung diesbezüglich hatte. Er versprach sich nun auch zu kümmern, damit die Sache endlich ein Ende hatte, bevor er die drei Schüler in den freien Nachmittag entließ. Besorgt blickte Mirâ zu Hiroshi, welcher, die Arme verschränkt, seitlich an der Bank lehnte und in Gedanken versunken schien. Bevor der Lehramtsstudent gegangen war, hatte dieser dem Blonden noch eine kurze Warnung ausgesprochen. So sollte auch dieser sich darauf gefasst machen eine Strafe für die Aktion zu erhalten. Immerhin hatte er einen Schüler verletzt, selbst wenn das gute Gründe hatte. Zwar würde er wohl nicht mit einer Suspendierung rechnen müssen, aber es könnte gut sein, dass er an einigen Spielen des Clubs nicht teilnehmen durfte. Und gerade kurz vor dem Turnier in Inaba nahm ihn dieser Umstand ziemlich mit. Natürlich war noch nichts in Stein gemeißelt, allerdings musste Narukami-sensei auch seine Aktion melden. Würde er etwas verschweigen und die anderen Schüler würden es beim Gespräch mit dem Rektor erzählen, dann käme auch er nicht glaubwürdig rüber. Allerdings versprach Yu, dass er für den Blonden ein gutes Wort einlegen und alles tun würde, dass die Bestrafung nicht zu stark ausfiel. Trotzdem merkte man Hiroshi an, dass es ihn mitnahm. Ob er seine Entscheidung bereute? „Hiroshi-senpai, Mirâ-senpai… es tut mir leid, dass ihr da mit hineingezogen wurdet“, entschuldigte sich Ryu demütig, „Vor allem bei dir muss ich mich entschuldigen, Hiroshi-senpai. Wenn es dumm läuft wirst du für die nächsten Spiele gesperrt.“ „Kche… schon gut. Bin ja selber schuld… obwohl diese Idioten es wirklich verdient hatten“, murrte der blonde junge Mann, „Was hattest du eigentlich dort zu suchen? Es wäre wirklich sinnvoller, wenn du dich von den Kerlen fernhalten würdest.“ Der Jüngste in der Runde senkte den Blick und schwieg kurz, um zu überlegen, wie er die Sache erklären sollte: „Ich wollte ihnen sagen, dass sie Mirâ-senpai in Ruhe lassen sollen. Sie ist immerhin nur meinetwegen da mithineingeraten. Ich möchte nicht, dass sie weiter von denen bedroht wird, nur weil sie mich schützen möchte.“ „Deshalb musst du dich doch aber nicht in solch eine Situation begeben“, schimpfte Mirâ, „Du weißt doch wie sie drauf sind.“ „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich mit einem Ball beschießen würden…“, murmelte der Brünette, als ihm etwas einfiel: „Ich muss mich noch bei euch für eure Hilfe bedanken, auch wenn es…“ „Lass gut sein“, sagte Hiroshi, während er sich von der Bank abstieß und sich in Bewegung setze, „Versuch dich einfach von den Kerlen fernzuhalten. Wenn etwas ist, dann sind wir zur Stelle. Aber unternimm nicht ständig solche Alleingänge, die dich nur in Schwierigkeiten bringen. Sprich lieber mit uns darüber und wir finden eine gemeinsame Lösung.“ Während er an den beiden vorbeiging hob er die Hand und verabschiedete sich so von ihnen, bevor er das Schulgelände verließ. Mirâ und Ryu sahen ihm besorgt nach. „Er ist jetzt bestimmt sauer auf mich. Verständlicherweise…“, wandte der Brünette seinen Blick auf seine Hände, die er in seinem Schoß gefaltet hatte. Die Ältere schaute noch immer in die Richtung, in die ihr blonder Kumpel verschwunden war: „Ich denke nicht, dass Hiroshi-kun sauer auf dich direkt ist. Wohl eher auf die Situation.“ Überrascht sah Ryu sie an, woraufhin sie weitersprach: „Außerdem ist er ja nur so sauer geworden, weil ich wieder involviert war. Wenn müsste er ja auch sauer auf mich sein. Ich denke was ihn nervt ist die Tatsache, dass er eine Strafe zu erwarten hat, obwohl er nur helfen wollte. Ich kann ihn verstehen. Alle reden immer von Zivilcourage, aber sobald man das durchzieht, bekommt man am Ende nur noch mehr Schwierigkeiten. Da wundert es mich auch nicht, dass keiner mehr hilft, wenn man Probleme hat.“ „Da ist was dran“, murmelte ihr Kohai. Lächelnd wandte sich die Zweitklässlerin dem Jüngeren zu: „Mach dir also keine Gedanken darüber. Okay?“ „Ich versuch es…“, kam es nur nickend zurück, „Danke für deine aufmunternden Worte, Mirâ-senpai. Und nochmal danke, dass du mir zu Hilfe gekommen bist.“ Das Lächeln der Violetthaarigen wurde noch etwas intensiver, während sie ein angenehmes warmes Glühen in ihrer Brust verspürte. Erschöpft lehnte sich Mirâ gegen die Wand, als ihre Schicht im Shadô endlich ein Ende fand. Sie verstand, wieso Shuichi am Nachmittag um ihre Mithilfe gebeten hatte, denn der Laden hatte regelrecht gebrummt. Dabei war es wieder einmal mitten in der Woche. Doch nun war es zum Glück vorbei, weshalb sich die junge Frau langsam und schwerfällig umzog. Sie war wirklich froh, wenn sie zuhause in ihrem Bett lag und endlich die Beine hochmachen konnte. Doch obwohl ihr Nebenjob ziemlich anstrengend war, hatte sie es noch keinen Moment bereut hier angefangen zu haben. Kurz stutzte sie. Okay, in einer Situation schon. Nämlich dann, wenn Kyo wieder unausstehlich war. Aber ansonsten konnte sie sich nicht beklagen. Sich streckend verließ sie die Umkleide und ging durch den Eingangsbereich der Karaokebar. „Schönen Feierabend“, wünschte ihr Shuichi, welcher, wie immer, hinter dem Empfangstresen saß und sich um Reservierungen und ankommende Gäste kümmerte. „Ah, dir nachher…“, Mirâ stoppte, als ihr einfiel, dass sie mit dem jungen Mann noch sprechen wollte, „Shuichi-san, hast du kurz Zeit?“ Überrascht sah der Ältere sie an, doch nickte dann, woraufhin die Oberschülerin an ihn herantrat und ihm erklärte, was ihr auf der Seele brannte. Sie erzählte ihm von Emiko, die durch ihre sexuelle Orientierung Probleme hatte und es deshalb geheim hielt. „Ich habe es nur durch Zufall erfahren. Natürlich habe ich nicht vor es breit zu treten. Aber mich würde interessieren, wie du damals damit umgegangen bist. Hattest du auch solche Probleme?“, fragte sie gerade heraus, „Und wie bist du damit umgegangen?“ Der Brünette mit den blonden Strähnen hatte ruhig zugehört und schwieg dann einen Moment. Er schien zu überlegen, wo er am besten damit anfing und welche Worte er wählen sollte. Dann lächelte er: „Tja… das ist eine schwierige Situation für deine Schulkameradin. Gerade in dem Alter ist es schwer damit umzugehen, weil einem jeder einreden will, dass es nur eine Phase wäre. Das Gefühl kenne ich auch. Ich habe es auch sehr lange geheim gehalten. Ich wollte ja auch meine besten Kumpels nicht verschrecken, allerdings kamen sie irgendwann von selbst auf mich zu und haben mich drauf angesprochen. Am Anfang hatte ich Angst, dass sie sich von mir abwenden, aber erstaunlicherweise akzeptierten sie mich so, wie ich war. Das hat mich glücklich gemacht.“ „Sie hat ja auch Freunde, die das so akzeptieren. Allerdings sind es Jungs. Ich denke, die denken sowieso ganz anders darüber, als andere Mädchen. Bei euch ist es ja genauso, dass Mädchen es eher akzeptieren, als andere Jungs“, meinte Mirâ. „Das stimmt. Aber die Meinung anderer muss man leider akzeptieren, selbst wenn sie unangenehm ist“, sagte Shuichi der Violetthaarigen über den Kopf streichend. „Darf ich fragen, wie deine Eltern reagiert haben, als du es ihnen gesagt hast?“, kam die nächste Frage. Der Brünette überlegte kurz: „Vor ihnen hab ich es am längsten geheim gehalten. Erst zum Eintritt in die Uni habe ich mich geoutet. Naja, wie soll man es sagen? Sie waren nicht begeistert? Aber wer wäre das schon? Aber sie haben es nach und nach akzeptiert. Es brauchte nur seine Zeit.“ „Die Sache ist also nicht so einfach. Was?“, kam die Oberschülerin zum Schluss. Ihr Gegenüber seufzte: „Wenn es so einfach wäre, wäre die Welt wohl ein besserer Ort. Aber nun solltest du dir darüber keine weiteren Gedanken machen. Ich denke deine Schulkameradin weiß schon, wie sie am besten mit der Situation umgeht.“ „Ja, ich hoffe du hast Recht. Vielen Dank, dass du immer ein offenes Ohr für mich hast, Shuichi-san“, bedankte sich die Violetthaarige mit einer Verbeugung, „Ich wünsche dir dann nachher auch einen schönen Feierabend.“ „Komm gut Heim und sei vorsichtig“, hörte sie noch eine Verabschiedung, bevor sie aus der Bar ging und den Heimweg antrat. Das warme Glühen in ihrer Brust, welches auch den Fortschritt von Shuichis Social Link ankündigte, hielt noch ziemlich lange an und verschwand erst, als sie fast zuhause war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)