Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 125: CXXV – Zu viel gesagt ---------------------------------- Donnerstag, 01.Oktober 2015 Mit einem lauten Gong beendete die Schulglocke den Unterricht und sorgte dafür, dass alle Schüler ihre Sachen zusammenräumten und die Klassenräume so schnell wie möglich verließen; sei es um zu ihrem Klub oder gleich Nachhause zu gehen. Auch Mirâ hatte sich von ihrem Platz erhoben und machte sich auf den Weg zum Ausgang, um sich auf den Heimweg zu machen, nachdem sich ihre Freunde von ihr verabschiedet hatten. Da beide an diesem Tag Klubaktivitäten hatten musste sie ihren Nachhauseweg alleine antreten. Kurz hatte sie überlegt Hiroshi zu begleiten, da sie gern mit Narukami-sensei sprechen wollte. Doch schnell hatte sie diese Idee wieder verworfen. Sie hätte ihrem Kumpel sonst erklären müssen, wieso sie mit seinem neuen Trainer sprechen wollte und dann hätte er erfahren, dass sie alleine in der Spiegelwelt war. Mit Sicherheit wäre er dann sauer, denn sie hatten untereinander ausgemacht, niemals ohne die anderen auf die Seite hinter den Spiegeln zu gehen. Über den Tag verteilt hatte sie schon versucht mit dem Älteren zu sprechen, doch jedes Mal, wenn sie ihm begegnet war wurde er entweder von einem anderen Lehrer gerufen oder von anderen Schülern umzingelt, sodass sie einfach keine Chance hatte. So hatte sie ihr Vorhaben vorerst hintenangestellt und sich vorgenommen, ihren freien Nachmittag lieber für sich zu nutzen. Sie wechselte ihre Schuhe und trat aus dem Eingangsbereich, wo sie zusammenzuckte, als ein kalter Wind aufzog und sie genau erwischte. Fröstelnd zog sie die Arme heran bis der Wind sich wieder legte. Sie blickte in den wolkenverhangenen Himmel. Der Herbst hatte langsam aber sicher Einzug gehalten und sorgte dafür, dass die Temperaturen stark sanken. Bald würde sie ihre dicke Jacke herausholen müssen, denn der Blazer der Uniform würde nicht mehr lange warmhalten. Sie seufzte, während sie weiter in den Himmel blickte. Jetzt war sie mittlerweile ein halbes Jahr in dieser Stadt und hatte so viel erlebt. Sie hatte Freunde gefunden, die unterschiedlicher nicht sein konnten und trotzdem mit ihr durch die Hölle gingen. So viele Kämpfe hatten sie bereits gemeinsam ausgefochten und waren nicht nur einmal knapp dem Tode entkommen. Und trotzdem hielten sie alle noch immer zu ihr. Sie hoffte wirklich, dass dieses Verhältnis auch weiter so bestehen blieb, auch wenn das alles irgendwann einmal zu Ende war. "Mirâ, du bist ja noch da", holte sie die Stimme Akanes aus den Gedanken und ließ sich ihr zuwenden. Überrascht sah sie ihre beste Freundin an, welche in ihren Armen mehrere Zettel hielt und langsam auf sie zukam. Eigentlich hätte sie doch jetzt Judotraining gehabt. Was machte sie also plötzlich hier? Die brünette Oberschülerin schien die stumme Frage von Mirâ zu bemerken und lächelte nur, während sie erklärte, dass ihr Trainer kurzfristig erkrankt war und der Klub deshalb ausfiel. "Masaru-senpai hat mich deshalb gebeten die Unterlagen mit dem Unterrichtsstoff von heute bei Senpai vorbeizubringen", sagte Akane und zeigte auf die Unterlagen in ihren Armen. Die Violetthaarige sah auf die Blätter: "Ist Yasuo-senpai krank?" Ihre Freundin schüttelte den Kopf: "Nein. Heute ist Besichtigungstag in der Aehara Uni. Er möchte im Januar dort die Aufnahmeprüfung ablegen und sich schonmal alles anschauen. Dafür wurde er heute freigestellt." "Ach so", Mirâ nickte, während ihr einfiel, dass Akane ihr vor geraumer Zeit bereits erzählt hatte, dass Yasuo Medizin studieren wollte. Damals war sie am Boden zerstört, doch mittlerweile schien sie sich damit abgefunden zu haben. Die Violetthaarige vermutete, dass es daran lag, weil die beiden nun ein Paar waren. So konnten sie nur noch hoffen, dass der Ältere die Prüfungen an der Universität in der Nachbarstadt bestand, damit er in der Nähe bleiben konnte. Immerhin wäre die nächste medizinische Fakultät, soweit Mirâ wusste, in Tokio oder Osaka und das war schon ein ganzes Stück von Kagaminomachi entfernt. Allerdings hegte sie wenig Zweifel daran, dass Yasuo die Aufnahme bestehen würde. Trotzdem wusste man nie, wie es kam. Ihnen blieb also nichts anderes übrig, als im Januar die Daumen zu drücken. „Sag Mirâ. Möchtest du vielleicht mitkommen?“, fragte plötzlich Akane und holt die Gleichaltrige damit aus ihren Gedanken. Überrascht sah diese ihre Freundin an und verstand nicht ganz, wieso sie mitkommen sollte. Es war nicht so, dass sie etwas dagegen hatte, aber sie wollte nun nicht das fünfte Rad am Wagen sein, wenn die Brünette bei ihrem Freund war. Ihre Freundin schien ihr Unbehagen zu bemerken und lachte plötzlich: „Nun schau nicht so entgeistert. Ich weiß doch gar nicht, wie lange das heute bei Senpai dauert. Deshalb wollte ich nur schnell die Unterlagen vorbeibringen und dann wieder gehen. Oder eventuell noch mit Bejû spazieren gehen. Ich hätte dabei nur gerne etwas Gesellschaft. Gegebenenfalls können wir ja noch irgendwo was essen gehen oder so.“ „Ach so“, bemerkte Mirâ nun, „Ähm ja klar. Dann komme ich mit.“ „Super“, freute sich Akane und lief dabei an der Violetthaarigen vorbei, „Aber selbst wenn Senpai schon da wäre, ist das noch lange kein Grund zurückzustecken, Mirâ. Wir sind alle befreundet, also können wir auch zu Dritt etwas unternehmen. Meinst du nicht?“ „J-ja“, Angesprochene nickte, war jedoch nicht wirklich davon überzeugt. Sie wusste, dass die Brünette es nur gut meinte, aber wahrscheinlich würde sie sich am Ende nur überflüssig fühlen. Es war halt ein Unterschied, ob man einfach nur befreundet oder ein Paar war. Man verhielt sich automatisch anders, selbst wenn man es gar nicht will. Doch jetzt hatte sie es ihrer Freundin einmal versprochen. Deshalb setzte sie sich ebenfalls in Bewegung, um zu dieser aufzuholen und sie dann zu begleiten. Einige Zeit später erreichten sie das Haus von Yasuos Großeltern, welches am Stadtrand im Stadtteil Mangetsu-ku, in der Nähe des städtischen Waldes stand. Kaum hatte Akane das bereits rostige Gartentor geöffnet, ertönte auch schon ein lautes Bellen, woraufhin Bejû im nächsten Moment hinter dem Haus hervor gerannt kam. Das Bellen verstummte, als der beige Hund die Brünette erkannte und wich Freude, mit welcher er diese beinahe umsprang. Gerade noch so konnte sich die junge Frau halten und lachte, als ihr das Tier kurz über das Gesicht leckte. „Ist ja gut, Bejû. Ich freu mich auch dich zu sehen“, versuchte Akane den freudig erregten Hund zu beruhigen, was ihr jedoch erst gelang, als sie ernst wurde, „Sitz!“ Sofort saß Bejû aufrecht da, sah die junge Frau jedoch mit schief gelegtem Kopf und heraushängender Zunge lieb an. „Aw. Hör auf so zu schauen. Da werde ich noch schwach“, schwärmte diese daraufhin und kraulte das Tier kurz darauf hinter den Ohren, „Du bist halt ein ganz Feiner.“ Lächelnd beobachtete Mirâ ihre beste Freundin. Sie liebte wirklich jegliche Art von Tieren und kam auch irgendwie immer mit ihnen aus. Das hatte die Violetthaarige schon häufiger beobachtet. Es lag wohl daran, dass Tiere an sich einen ausgeprägten Sinn dafür hatten, wer es gut mit ihnen meinte und wer nicht. Bei Akane spürten sie dies wahrscheinlich auch sofort. Die Haustür öffnete sich und zog damit die Aufmerksamkeit der beiden Oberschülerinnen auf sich, woraufhin sie kurz darauf eine alte Dame erkannten, die sie etwas überrascht ansah. „Ach… Akane-chan, du bist es. Ich dachte schon Yasuo wäre schon wieder zurück“, meinte sie, während sie auf die Türschwelle trat und sich an Mirâ wandte, „Mirâ-chan nicht wahr?“ Erschrocken zuckte Angesprochene kurz zusammen und verbeugte sich dann: „J-ja. G-Guten Tag.“ Derweilen war Akane an Yasuos Großmutter herangetreten: „Guten Tag. Ich bringe Senpai die Unterlagen von heute vorbei.“ „Das ist aber lieb von dir, mein Kind. Yasuo müsste auch bald zurück sein. Er und sein Großvater sind schon wieder auf dem Rückweg. Kommt doch kurz rein“, bat die ältere Dame. Sie wartete nicht einmal auf eine Antwort, sondern trat bereits wieder ins Haus, um so die beiden Oberschüler hereinzulassen. Etwas überrumpelt sah Mirâ zu Akane, welche nur leicht lächelte und dann der Bitte nachkam. Ihre Freundin sah ihr kurz nach, seufzte dann und folgte ihr. So lange würde es ja mit Sicherheit nicht dauern. Kurz darauf trat sie in einen recht kurzen Flur, von welchem jeweils rechts und links ein Raum abging. Genau ihr gegenüber war eine schmale Holztreppe, die in das obere Stockwerk führte und rechts daneben ein kleiner schmaler Gang, welcher aber augenscheinlich zum Abstellen verwendet wurde. Yasuos Großmutter legte den beiden jeweils ein Paar Hausschlappen vor die Füße und verschwand dann in dem Raum zu ihrer Linken. Noch einmal blickte Mirâ fragend zu Akane, welche sie wieder nur entschuldigend anlächelte. „Sorry… Senpais Großmutter ist so. Wir bleiben nicht lange, versprochen“, flüsterte sie anschließend und schlüpfte dann in die Schlappen, um der alten Dame zu folgen. Mirâ seufzte und tat es ihr daraufhin nach. Sie wollte eigentlich keine Umstände bereiten. Außerdem würde es so darauf hinauslaufen, dass sie blieben bis Yasuo Nachhause kam und dann hätte sie genau die Situation, die sie vermeiden wollte. Es machte ihr nichts aus, wenn sie alle zusammen waren, denn dann fiel es nicht so ins Gewicht, dass Akane und Yasuo ein Paar waren. Alleine war das allerdings eine andere Sache. Sie schüttelte den Kopf, als ihr bewusst wurde, dass es ihrer Freundin ganz schön unfair gegenüber war. Eigentlich sollte sie sich für Akane freuen und sie unterstützen. Stattdessen nahm sie plötzlich eher Abstand, weil sie Angst hatte nicht mehr dazuzugehören. „Ziemlich kindisches Verhalten…“, ging ihr durch den Kopf, während sie in das mollig warme Zimmer trat. Kurz sah sie sich in dem altmodisch eingerichteten Zimmer um und erkannte dabei auch einige Fotos auf dem alten Holztisch, auf denen sie Yasuo erkannte, auch wenn er etwas anders aussah. „Wah… sind das Fotos von Senpai als Kind?“, holte sie Akanes Stimme aus den Gedanken, woraufhin sie sich zu dieser umdrehte. Die Brünette stand mittlerweile vor dem niedrigen Couchtisch und betrachtete die verschiedenen Fotos, welche auf diesem verteilt lagen. Mirâ trat nun ebenfalls näher und erkannte dann ein Foto, welches ihre Freundin aufgehoben hatte. Darauf war ein kleiner Junge mit schwarzem, strubbeligem Haar, zu sehen, der frech in die Kamera grinste. Das Pflaster auf seiner Nase gab ihm dabei einen noch frecheren Touch. „Wie süß“, schwärmte ihre brünette Freundin, die das Foto eingängig studierte. Yasuos Großmutter lachte und trat an die beiden heran: „Ja nicht wahr? Da war Yasuo gerade in die Grundschule gekommen.“ Sie sah auf die verteilten Fotos: „Beim Aufräumen habe ich die Fotos wiedergefunden und hab mich dann ein wenig in Erinnerungen verloren, bis ihr gekommen seid. Die Zeit ist so schnell vergangen. Nächstes Jahr geht Yasuo schon auf die Universität.“ Der etwas traurige Unterton in ihrer Stimme war Mirâ dabei nicht entgangen. Es musste für Eltern schwer sein ihre Kinder ziehen zu lassen, wenn sie erwachsen wurden. Yasuos Großeltern bildeten dabei keine Ausnahme, immerhin war er bei ihnen aufgewachsen. Andererseits waren sie sicher auch erleichtert, dass er auch ohne Eltern soweit klar kam. Diese konnten sie ihm immerhin nicht ersetzen. Mirâ selbst konnte sich nicht vorstellen, wie es gewesen wäre bei ihren Großeltern aufzuwachsen. Zwar wusste sie, dass diese sie liebten, aber trotzdem war sie immer froh, wenn sie wieder Zuhause war. Selbst Junko hatte einmal so etwas erwähnt. Noch einmal schüttelte sie kurz den Kopf, als sie bemerkte, wie sie mit den Gedanken abdriftet, und sah dann wieder zu Akane, die bereits das nächste Foto in den Händen hielt. Mit einem leichten Rotschimmer im Gesicht, grinste sie über beide Ohren und schwärmte darüber, wie niedlich Senpai als Kind doch war. „Aber…“, sagte sie jedoch plötzlich, „Irgendwie wirkt er auf den Fotos so ganz anders, als er jetzt ist. Viel aufgeweckter.“ „Hm, ja da hast du recht“, sagte die Älteste im Raum, die Akane das Foto aus der Hand nahm und es dann mit einem Lächeln betrachtete, „Yasuo hat sich wirklich stark verändert. Andererseits kann man es ihm nicht verdenken. Nachdem, was mit seinen Eltern geschehen ist… sie sind viel zu früh von uns gegangen. Sowas verändert ein Kind natürlich.“ Plötzlich wurde die Stimmung im Raum wirklich ernst. „Senpai hat erzählt, dass sein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen ist“, meinte die Brünette plötzlich und erhielt als Antwort ein Nicken der alten Dame. „Ja, das war ein schrecklicher Tag“, sagte diese, „Zumal Yasuo damals mit im Auto saß…“ „W-was?“, geschockt sahen die beiden Schülerinnen die Ältere an. Erneut nickte diese: „Yasuo und sein Vater waren auf dem Heimweg vom Krankenhaus, als Saeki die Kontrolle über seinen Wagen verloren hatte. Was genau dazu geführt hat wissen wir nicht und Yasuo kann sich nicht mehr daran erinnern.“ „Wir sind wieder da“, unterbrach eine männliche Stimme die eingetretene Stille und ließ die drei Frauen aufschrecken, „Yasuo, was stehst du dort herum?“ Kurze Zeit später trat ein älterer Herr mit grauen Haaren in das Wohnzimmer und blickte etwas irritiert auf die drei anwesenden Frauen: „Oh wir haben Besuch. Hallo Akane-chan. Und du bist?“ „Mirâ Shingetsu. Sehr erfreut“, stellte sich Mirâ mit einer kurzen Verbeugung vor, welche der alte Mann leicht erwiderte. Einen Moment später betrat auch Yasuo den Raum, jedoch fiel der Violetthaarigen sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Er wirkte ziemlich bedrückt und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas mit seinem Ausflug nach Aehara zu tun hatte. Auch fiel ihr erneut auf, wie er sich die rechte Hüfte rieb: Eine Geste, die sie bereits mehrmals bei ihm beobachtet hatte. „Senpai, willkommen zurück“, trat Akane an den Älteren heran und hielt ihm die Unterlagen der Schule entgegen, „Das hier hat mir Marasu-senpai für dich gegeben. Das ist der Unterrichtsstoff von heute.“ Der Blauhaarige nahm die Papiere entgegen, wirkte dabei aber alles andere als anwesend: „Danke.“ Die brünette Schülerin lächelte lieb, aber auch ihr merkte Mirâ an, dass sie mitbekommen hatte, dass etwas mit Yasuo nicht stimmte. Offensichtlich versuchte sie es sich nicht anmerken zu lassen und fragte den Älteren frei heraus, ob er Lust auf einen Spaziergang mit Bejû hatte. Angesprochener jedoch blätterte kurz durch die ihm gereichten Unterlagen und seufzte dann, ehe er erklärte, dass er sich gerne etwas ausruhen würde, da ihn der Tag mächtig geschlaucht hatte. „Entschuldige. Wir gehen ein anderes Mal. Ja?“, entschuldigte er sich daraufhin. Die Jüngere wirkte kurz etwas überrascht, doch setzte dann ein Lächeln auf und nickte: „Ja ist in Ordnung. Nächstes Mal dann.“ Sie wandte sich an Mirâ: „Dann sollten wir uns langsam los machen. Komm Mirâ.“ Angesprochene nickte und verabschiedete sich dann, ebenso wie ihre Freundin, von dem Blauhaarigen und seinen Großeltern, bevor sie gemeinsam das Haus verließen. Schweigend liefen die beiden jungen Frauen kurz darauf nebeneinander her. Die gedrückte Stimmung konnte man regelrecht greifen. Plötzlich blieb Akane jedoch stehen und sah noch einmal zurück. Auch Mirâ blieb stehen und beobachtete ihre Freundin, welche mehr als bedrückt wirkte. Dass Yasuo sie einfach weggeschickt hatte, tat ihr sicher weh. „Mirâ… glaubst du Senpai ist jetzt sauer?“, fragte sie plötzlich. Überrascht sah Angesprochene die Gleichaltrige an und schüttelte dann den Kopf: „Nein. Ich glaube nicht.“ „Aber er war so komisch… er hat bestimmt das Gespräch mitbekommen“, meinte die Brünette nur mit zittriger Stimme. „Wahrscheinlich“, beschönigte Mirâ nichts und ließ damit ihre Freundin zusammenzucken, „Aber ich glaube nicht, dass er deshalb auf mich oder dich böse ist. Es ist ja nicht so, dass wir nachgebohrt haben. Ich vermute, dass es einige schlimme Erinnerungen in ihm geweckt hat und er deshalb alleine sein wollte.“ „Aber sollte ich als seine Freundin dann nicht für ihn da sein? Hätte ich vielleicht bleiben sollen?“, kamen weitere unsichere Fragen. So genau wusste die Violetthaarige darauf auch keine Antwort. Sie war weder in der Position eine Beziehung zu führen, noch konnte sie sagen, was in Yasuo vorging, da sie nicht das gleiche durchgemacht hatte wie er. Zum Glück, musste sie sich eingestehen. Eine solche Erfahrung gönnte sie niemandem. Doch genau deshalb konnte sie ihrer Freundin in dieser Situation auch nicht wirklich helfen, was ihr sehr leidtat. Immerhin wollte sie Akane in ihrem Leid nicht alleine lassen. Also ging sie auf die Brünette zu und strich ihr beruhigend über den Rücken, während diese versuchte nicht wieder in Tränen auszubrechen. Geweint hatte sie in den letzten Tagen immerhin oft genug. Mirâ war mittlerweile bereits aufgefallen, dass Akane nicht nur ein großes Herz für Tiere hatte. Auch um Menschen, die ihr wichtig waren, machte sie sich ständig Gedanken und versuchte ihnen auf ihre Art zu helfen. Doch Mirâ wusste auch, dass diese Großherzigkeit sie angreifbar machte, so wie gerade eben. Denn alles was sie glauben ließ in Bezug auf ihre Freunde versagt zu haben, zog sie mächtig herunter. In ihr stieg ein angenehm warmes Gefühl auf, welches ihr nur zu gut bekannt war. „Ich bin sicher, dass alles gut ist, Akane. Yasuo-senpai wird darüber nachdenken und dann ist alles wieder gut. Da bin ich mir ganz sicher“, redete sie beruhigend auf ihre Freundin ein, „Komm, ich lade dich auf einen Tee und etwas Kuchen ein. Was hältst du davon?“ Die Brünette sah sie kurz an und nickte dann, bevor sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischte und nochmal kurz durchatmete, um sich zu beruhigen. Dann wandte sie noch einmal kurz den Blick in die Richtung, in welcher Yasuo wohnte, und folgte dann ihrer violetthaarigen Freundin. Später Abend – Shâdo Erschöpft ließ sich Mirâ auf die schwarz-blaue Sitzgarnitur sinken, nachdem sie die Tische im Eingangsbereich der Karaokebar abgewischt hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie gleich Feierabend hatte und dann endlich nach Hause konnte. Obwohl es mitten in der Woche war, war das Shâdo an diesem Abend wieder stark besucht gewesen und sie war von einem Raum zum nächsten geeilt, um es den Gästen recht zu machen. Dafür hatte sie sich ihren Feierabend aber nun redlich verdient. Sie lehnte sich an die bequemen Polster und schweifte kurz mit den Gedanken ab. Nachdem sie mit Akane Tee trinken war, hatte sie diese noch nach Hause begleitet. Zwar wirkte ihre Freundin dabei wieder etwas gelassener, aber trotzdem hatte Mirâ das Gefühl, dass sie die Sache mit Yasuo immer noch beschäftigte. Verständlich war es auf jeden Fall, immerhin waren sie sowohl befreundet, als auch ein Paar. Sie selbst hoffte nur, dass sich die Sache zwischen den beiden wieder regulierte. „Beschäftigt dich etwas, Mirâ-chan?“, holte sie die Stimme von Shuichi aus ihren Gedanken. Das Polster unter Mirâ bewegte sich kurz, als sich Besagter mit etwas Schwung neben sie setzte, woraufhin sie langsam ihren Kopf hob und in sein lächelndes Gesicht sah. In diesem Moment kamen gerade ihre Kolleginnen am Eingangsbereich vorbei und verabschiedeten sich beim Vorbeigehen von den beiden, ehe sie das Lokal verließen. Shuichi hatte ihnen kurz zugewunken und ihnen einen schönen Feierabend gewünscht, bevor er sich wieder an die Oberschülerin wandte: „Na?“ Angesprochene schwieg kurz und überlegte, ob sie mit dem Älteren darüber sprechen sollte, und wenn ja, wie sie am besten anfing. Als sie sich entschieden hatte setzte sie sich wieder aufrecht hin und erklärte dem Braunhaarigen dann die Situation, welche sich an diesem Nachmittag ergeben hatte. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich richtig reagiert habe und was ich noch machen kann…“, meinte sie abschließend. Der Student neben ihr schwieg kurz und überdachte das Ganze in Ruhe, bevor er sich wieder an sie wandte: „Ich denke, du hast deiner Freundin gegenüber richtig gehandelt. Du warst für sie da, als sie dich brauchte. Das ist in Ordnung. Und ansonsten kannst du nicht viel machen. Wenn jemand etwas Schlimmes erlebt hat und daraus ein Trauma entstanden ist, dann kann man demjenigen auch nur helfen, wenn er diese Hilfe möchte. Ich bin sicher, dass dein Kumpel schon oft über seine Situation nachgedacht hat und soweit damit abgeschlossen hatte. Wahrscheinlich hat es ihn etwas überfordert, dass seine Großmutter so aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Das hat in ihm sicher auch noch einmal diese schlimmen Erinnerungen geweckt.“ Mirâ nickte. Den Gedanken hatte sie auch schon, allerdings half ihr das nicht weiter. „Ich denke es wird alles gut“, ließ Shuichi sie aufschauen, „Wenn sich euer Kumpel beruhigt hat, wird sich sicher alles klären. Vor allem, wenn deine Freundin ihm wirklich so wichtig ist. Dann wird er ihr nicht unnütz Sorgen machen wollen.“ Der Student lächelte breit, was auch der Jüngeren ein kleines Lächeln auf das Gesicht zauberte. Ja, sie wollte dran glauben, dass alles gut wird. Immerhin liebten sich die beiden. Alleine das war schon ein Grund dafür, dass sie daran glaubte. Sie nickte erneut und bedankte sich bei dem Brünetten für die lieben Worte, während sie in ihrem Inneren das angenehm warme Glühen spürte, dass sich unaufhaltsam breit machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)