Der Versuch dich zu verstehen von TheKats ================================================================================ Kapitel 6: Geständnisse ----------------------- „Bis morgen, John“ sagte Sherlock noch, drehte sich dann um und ging im Raum herum um seine Unordnung zu überprüfen. John ging ohne ein weiteres Wort nach draußen, setzte sich in das dort wartende Taxi und fuhr mit Mary nach Hause. Ihre Worte vernahm er nicht, er war mit seinen Gedanken noch an Sherlock's Lippen gefesselt. [Wir betrachten nun eher Shelock ;)] Nach ein paar Minuten in denen er festgestellt hatte, dass außer gelegentlicher Staubwischerei wohl nichts in der Wohnung verändert wurde, griff Sherlock zu seiner Geige, legte den Bogen auf die Saiten und spielte einfach. Er konzentrierte sich nicht auf die Töne die er spielte, ließ seine geübte Hand einfach ihren Instinkten folgen, während er in seine Gedanken abschweifte. Naürlich war es kein Test an John's Intelligenz gewesen. Er wollte wissen wie es John kurz nach seinem Tod ergangen war und wie er nun zu dem doch Lebenden stand. In dessen Reaktion vernahm er Schmerz, Wut, Verzweiflung, die sich wohl bis heute noch hielten. Nachtragend. Doch sie wurden überdeckt von einer Schicht aus Freude, Glück, positiver Überraschtheit über das zurückgewonnene Leben. Dann verfiel der Detektiv selber in Wut. Wut auf sich selbst. Lange Jahre war er in seinen Partner verliebt gewesen, und auch wenn er das stets unterdrückt hatte um sich und seinen Freund zu schützen, musste er es sich nun eingestehen. Doch er hatte sich darauf eingelassen, das Spiel der Hormone in seinem Körper mitgespielt. Hatte er seine Grenze der Selbstkontrolle wirklich so schnell erreicht? Sein Arm verkrampfte sich kurz und er vernahm einen gequält klingenden Akkord an seinem Ohr. Schnell fasst er sich wieder, setzte das Spiel erneut an und kehrte in seinen Gedankengang zurück. Er musste sich jetzt sortieren, das wusste er. Sein Plan war eigentlich gewesen, John die Umstände seines Verschwindens zu erklären, ohne zu viel preis zu geben, doch als er seinen Freund so gesehen hatte, nach den zwei Jahren – nach zwei Jahren voller Leid – wollte er nichts mehr als sich selber im Schutz der Arme wiegen, die ihn schon zuvor immer wilkommen gehießen hätten, in die er sich aus purem Stolz nie fallen ließ. Nie hatte er John's Führsorge wirklich ernst genommen. Nie hatte er sich wirklich bedankt, wollte sich nicht öffnen. Einfach alles in sich verschließen. Die Liebe zu der Person, die ihn trotz seiner selbst zugestandenen Unausstehlichkeit in sozialem Verhalten nicht verlachte, nicht mied nicht beleidigte und die ihn mit Respekt und freundlichkeit behandelte. Nicht formal. Nicht als Etikette. Aus Gutherzigkeit. Aus Ehrlichkeit. Nie hatte er es vernünftig wertgeschätzt. Es hinter eine Tür aus dickstem Glas gesperrt. Zusammen mit dem Leid und der Eifersucht die in ihm aufblitzten, wenn er John mit Frauen sah. Weggesperrt und luftdicht versiegelt. Und dann kommt John. Ein Blick von ihm schnitt sich wie ein Diamand durch das Glas. Die emotionale Umsetzung von Moriarty's bruch der Glasscheiben um die Kronjuwelen. Sherlock schnaubte. Moriarty. Er der erst Schuld daran trug, dass John wütend geworden war. Dass er verletzt und verlassen war. Er der Schuld daran war, dass Sherlock zwei Jahre in absoluter Isolation praktisch um sein Leben kämpfte, nur darauf wartete, dass endlich jemand den Schritt ging, den er sich aus Feigheit nicht traute zu nehmen. Feigheit. Vielleicht auch Hoffnung. Hoffnung auf etwas Besseres. Hoffnung auf John. John. John, der den vor Emotionen vollgestopften Raum öffnete. John, der die Flut an Gefühlen Sherlock's Palast von Oben durch alle Gänge und Räume schmettern ließ. John, der ihn daran gehindert hatte klar zu denken, der ihn in sein Spiel engewickelt hatte und der selber vom Spiel vernebelt worden war. John. Sein John. Er wusste nicht wie es weitergehen sollte. Er hatte einmal die Kontrolle verloren und fürchtete es erneut zu tun. Er wollte es. Sein Herz schrie danach. Schrie nach Nähe. Schrie nach John. Sein Hirn jedoch sagte ihm Versagen voraus. Er würde sich vermutlich nicht mehr konzentrieren können. Seine Arbeit würde leiden. Seine Intelligenz. Alles woran er gearbeitet hatte. All diese Jahre. Umsonst. Er dachte an sich selbst. Sein Verhalten. Er würde John wehtun, egal wie er sich entschied. Ob er ihn ablehnte oder ihn in den Wahnsinn trieb mit seiner Art. Noch einmal betrat Mrs. Hudson den Raum, doch Sherlock bemerkte sie nicht bis sie sprach. „Warum sind sie denn jetzt wieder gegangen? Ach, Sherlock, Sie bringen einfach nur Chaos in die Leben der Menschen, ob Sie nun da sind oder nicht. Aber ich sage Ihnen etwas:“ sagte sie mit führsorglichem Ton. Sherlock ließ die Geige sinken und drehte sich zu ihr. So gleichgültig es nur ging blickte er sie an, aber die alte Dame kannte Emotionen, egal wie versteckt sie waren und sie sah ihm seine aufgewühltheit an. „Lebendig sind Sie uns allen lieber.“ Sie stellte die frisch gebackenen Kekse zu dem Tee und nahm zwei der Tassen wieder mit. Sherlock beobachtete sie mit leidendem und dankbarem Blick zugleich. „Essen Sie die Kekse, bitte! Ich will Sie nicht umsonst gebacken haben.“ Die Frau lächelte, drehte sich um und ging zur Tür. „Und Ihr Spiel.. Es war wunderschön. Als erzählte es eine eigene Geschichte. Bitte sagen Sie mir, dass Sie es gerade komponieren.“ Sherlock schüttelte den Kopf, er erinnerte sich ja nicht an das, was er seinem Instrument entlockt hatte. Die Frau blickte ihn traurig und sorgenvoll an. Dann lächelte sie wieder und sagte sanft: „Diese Stimmungsschwankungen in der Melodie, der wechselnde Rhythmus und die ungleichmäßig wechselnden Taktarten.. Es erzählt Ihre Geschichte.“ sie drehte sich, noch immer lächelnd, um und stieg die Treppen hinab. Da wurde es Sherlock klar. Die Worte der Frau weckten ihn aus seinem Koma. Ihre Worte waren: //'Bitte sagen sie mir, dass Sie es gerade komponieren' – Präsenz, noch immer stattfindend, nicht abgeschlossene Handlung. Seine Geschichte, sein Leben. Noch immer stattfindend, nicht abgeschlossene Handlung.// Er dürfe sich nicht zu viele Gedanken über seine eigenen Entscheidungen machen. Müsse einfach das Maß finden. Er könne einfach den Alltag so leben wie bisher. Die Zeit, die er mit John verbrachte mit Gefühlen schmücken. Er lächelte zufrieden, legte noch einmal Geige und Bogen aneinander und spielte. Lange. [Zurück zu John] Auch als Mary und er zu Hause waren, hörte er ihr nicht zu. Sie gab es wohl auch langsam auf. Er zog sich wortlos in sein Zimmer zurück und setzte sich einfach auf sein Bett, blickte durch das Fenster in den Himmel, in die Leere. Inzwischen drehten sich seine Gedanken um das, was er getan hatte, mit Sherlock. Aber er schwelgte nicht in Erinnerung an dessen Offenheit oder dessen Berührungen auf seiner Haut sondern daran, wie es geschehen war. Erst war er sauer, dann mitten in einem Spiel aus Lust und Verlangen gewesen. Waren es die Gefühle für seinen Freund, die er zuvor immer unterdrückt hatte? Aus Scham? Aus Unsicherheit? Nein. Aus Reflexion! Er wollte sich nie eingestehen, dass er in Sherlock verliebt war, weil er sie nie eingestehen wollte auf jemanden des gleichen Geschlechts zu stehen. Er hatte sich all die Zeit unterbewusst selbst unterdrückt und Sherlock's plötzliches Aufleben war der Schlüssel. Der Schlüssel zur einzigen verschlossenen Tür in John's Gefühlswelt. Eine Tür, die den größten Raum in ihm verschlossen hielt. Alle anderen Räume an Gefühlen, waren bislang verwinkelt, unergründlich, Labyrinth oder Herberge neuer Türen, die John sich nie traute zu öffnen. Nun, da die stützende Tür den Rahmen verließ, stürzte dieser ein, riss einen Stein nach dem Anderen aus der unübersichtlichen Mauer in seinem Herzen und John begriff, woher die Unergründlichkeit seiner Emotionen rührte. Ein Schlüssel, der alle Fragen beantwortete und seine Gefühle zusammenlaufen ließ. Er fühlte sich befreit und gleichzeitig beschämt. Er hatte seinen Partner vollkommen überrumpelt, als dieser seine verschlossene Tür geöffnet hatte. Ob es Sherlock unangenehm gewesen war? Er selber hatte schon mit mehreren Frauen geschlafen – noch nie mit einem Mann zwar, aber Sexualität war für ihn an sich nichts Neues. Für Sherlock jedoch war schon die Offenheit von Gefühlen etwas gänzlich unbekanntes gewesen. Und John dachte an das Liebesgeständnis seines Partners. Und der Wortteil Geständnis bekam für ihn zum ersten Mal eine wirkliche Bedeutung. Sie beide hatten wirklich ein Geständnis abgeliefert. Etwas, was in ihrem Inneren schlummerte geweckt und sich selber bestätigt, dem anderen bestätigt, dass es da war. Und er hatte seinen Freund direkt herausgefordert. Es tat ihm Leid, doch bereute er es nicht. Er musste schmunzeln als er dachte wie oft er verschiedenen Leuten schon vorgezickt hatte nicht schwul zu sein. Wie oft alleine schon Mrs. Hudson. Und wie oft er Sherlock innerlich verteidigt hatte, ohne es wirklich zu merken. Vor Donovan. Vor Anderson. Sogar vor dessen eigenem Bruder. Er wollte Mycroft ins Gesicht lachen, da sein Bruder endlich einmal Gefühl zu gelassen hatte. Er war nun nicht länger 'Die Jungfrau'. Er war sein Freund. Sein Sherlock. Er schloss die Augen und schwelgte in Erinnerungen. Die Zeit, die sie zusammengelebt hatten. Wie oft hatte John innerlich Sherlock's Ausbrüche von Langeweile verflucht. Wie sehr hatte er innerlich geschrien um die Geschichte mit Irene Adler, hatte sich gewünscht, die Stücke die er für sie komponierte wären eigentlich für ihn gewesen. Jetzt hatte er für alles einen viel höheren Lohn erhalten. Sherlock's Liebe. Er fühlte sich nun endlich erfüllt. Richtig. Verleugnete nicht länger, dass er schwul oder zumindest bi sein musste. Ohne Zwang. Sein wollte. Er wollte ganz und gar sein. Er wollte Sherlock's sein. Und er dachte leise ein Geigenspiel zu hören. Nicht bei ihm - in ihm. In seinem Ohr schallten die sanften Töne Sherlock's unkontrolliert kontrollierter Bewegungen mit dem Bogen über die Saiten. Und er spielte etwas völlig Neues. Ohne Ton, jedoch mit so viel Gefühl. Er spielte für ihn. Für John. Er würde heute Nacht zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ruhig schlafen können. Ohne Alpträume in denen er Sherlock auf die verschiedensten physischen, psychischen oder metaphorischen Arten sterben sah. Und er würde seinen Freund anrufen. Am nächsten Morgen. Und er würde sich mit ihm treffen. Und er würde sich entschuldigen und den ganzen Tag an seiner Seite bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)